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Bekannt ist ja, daß der Vollblutamerikaner, der echte Danker, mit souveräner Verachtung auf den Deutschen herab blickte, recht lange Zeit sogar, bis er endlich doch — wohl oder übel — hat eingestehen müssen, daß die Deutschen in den Vereinigten Staaten von Nord amerika ein Factor geworden sind, mit denen man rechnen muß. Und wir im alten Vaterlande können mit Stolz sagen: „Das schlechteste Element in Amerika ist nicht das, was Deutsch heißt." Die Deutschen in den Vereinigten Staaten werden in nicht ferner Zeit in die Lage versetzt werden, ihre Macht in handgreiflicher Weise zu zeigen. Es handelt sich bei der bevorstehenden Präsidentenwahl darum, wie und für wen die abhängigen und über zeugungstreuen Mitglieder der republikanischen Par tei stimmen, die nicht länger mehr den schandbaren Aemterhandel in der Union mit ansehen wollen und die meistens deutscher Abstammung sind. Was unter den Republikanern auf Stellen und Würden hofft, wird für Blaine einlreten, wer aber der Beamten- corruption und Zuchtlosigkeit endlich ein Ende ge macht wissen will, für den giebt es keine andere Wahl, als die des demokratischen Kandidaten Cleve land. Unseren Landsleuten wird wahrscheinlich hierbei die entscheidende Stimme zufallen und hoffent lich werden sie dem verrotteten Dankeethum zeigen, daß über diese Schacherwirthschaft denn doch noch die nationale Ehre gehl. Die künftige Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten hat aber noch einen besonderen Zug an sich, der ein ziemlich erhebliches Interesse nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa hat. Dieses Interesse liegt in der Persönlichkeit des republi kanischen Präsidentschaftskandidaten Blaine, der, ehrgeizig von Natur und ein abgesagter Feind Eng lands, die Union aus der majestätischen Uninteressirt- heit, welche ihr Merkmal ist, Herauszureißen und in einen offenen Gegensatz zu Europa zu bringen trachtet. Er will von dem ganzen amerikanischen Continent allen europäischen Einfluß verdrängen und die Union schwebt ihm unter dem BUde einer Riesenspinne vor, die allmählich von den Feuerländern bis zu den Eskimo's ihr unentrinnbares Gewebe ausdehnt, wäh rend er andererseits doch wieder auch in Europa den Vereinigten Staaten einen Einfluß zu gewinnen gedenkt und zu diesem Zweck sich nicht scheut, um die Sympathie der irischen Fenier zu werben, welche vom amerikanischen Boden aus England beunruhigen und das irisch« Mißvergnügen wach erhalten. Die Perspective einer unruhigen äußeren Politik, einer Convenienz gegen die von der amerikanischen Union beherbergten revolutionären und anarchistischen Ele mente ist geeignet, in ganz Europa noch mehr den Wunsch rege zu machen, daß nicht Blaine, sondern Cleveland als Sieger au« der Wahl hervorgehe. Zwar hat der erstere durch ein Wahlcircular, das soeben veröffentlicht ist, versucht, den schlimmsten Ein druck, welchen seine bisherige Haltung hervorgerufen, zu beseitigen. Allein was Helsen Versprechungen einer weisen und friedfertigen Politik, wenn der, welcher verspricht, keinen Glauben verdient? Alt und keineswegs unbegründet ist da« Miß trauen, das die demokratische Partei in den Ver einigten Staaten von Nordamerika seit Langem auf sich geladen hat. Sie that einen glücklichen Griff, indem sie durch den Mann ihrer Wahl den Willen kundgab, der Zukunft eine Bürgschaft zu leisten. Umgekehrt hat die republikanische Partei mit der Kandidatur Blaine's den schwersten Mißgriff be gangen und eine Tradition in Frage gestellt, ver möge welcher sie bisher als berufen gegolten hatte, die Geschicke der Sternenrepublik zu lenken. -Waldenburg, 21. Juli 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Aus Gastein wird gemeldet, daß Kaiser Wilhelm, welcher sich des besten Wohlseins erfreut, täglich ein Bad nimmt und später auf dem Kaiserwege eine Promenade macht. Gegen Abend unternimmt der Kaiser dann eine Spazierfahrt in die Umgegend. Die Regierungsgeschäfte werden in üblicher Wese erledigt. Sonnabend herrschte Gewitter mit wolken bruchartigem Regen. Die Zusammenkunft mit Kaiser Franz Joseph findet, wie jetzt feststeht, in gewohnter Weise in Ischl statt. Der „Weser-Ztg." wird aus Kiel geschrieben: In hiesigen Marinekreisen taucht wiederum das Gerücht auf, Prinz Heinrich werde eine dritte über seeische Reise wahrscheinlich bereits im kommenden Frühjahr anlreten, doch ist eine Bestätigung abzu warten. Graf Herbert Bismarck, der älteste Sohn des Reichskanzlers, dessen Ernennung zum deutschen Gesandten in Haag nunmehr auch offiziell im Reichs- anzeiger bekannt gegeben ist, wird die Leitung der Gesandlschaftsgeschäfle am holländischen Hofe sofort übernehmen. Aus den westlichen Provinzen wird berichtet, daß durch die Choleragesahr die Abhaltung der Kaiser manöver in Rheinland und Westfalen in Frage gestellt sei. In Berliner unterrichteten Kreisen ist nichts davon bekannt. Vorläufig ist die Cholera gefahr noch Lern und es besteht die Hoffnung, daß Deutschland von der Epidemie verschont bleiben werde. Die Regierung wird bei wirklichem Heran- nahen der Gefahr wohl nichts unterlassen, was zur Beseitigung derselben geeignet ist. Bis jetzt aber deutet nichts darauf hin, daß in den Dispositionen über die Herstmanöver eine Veränderung einge treten wäre. Dem Geh. Reg.-Rath Koch wurde vom Präsi denten der französischen Republik der Orden der Ehrenlegion verliehen und ihm die Decoration zu demselben durch die französische Botschaft in Berlin übermittelt. In einer Besprechung der Wahlaussichten in Berlin schreibt die „Köln Ztg.": „Der bi«her in Berlin gesicherte Fortschritt fürchtet für den dritten Wahlkreis, wo es bereits einmal zur Stichwahl mit dem socialdemokratischen Candidaten gekommen ist und diesmal wieder kommen kann. Auch im zweiten Wahlkreise soll die Wahl Virchow's gegen die Stöcker'schen Bürgervereinsleute noch nicht als völlig verbürgt angesehen werden. Dabei dürfte zu er warten sein, daß in einzelnen der Berliner Wahl kreise diesmal auch die Nationalliberalen sich regen werden, um den Sieg des Fortschritts zweifelhaft zu machen." — Die „Köln. Ztg." ist von den Wahlverhältnissen in Berlin nicht genau unterrichtet. Die Bürgerpartei (Conservativen) hat im ersten Wahlkreise die besten Chancen, wo sie 1881 bereits 45°/o der abgegebenen Stimmen zählte. Die Haupt stütze der Socialisten ist der 5. und 6. Wahlkreis (Nordosten und Norden der Stadt). Oesterreich. Die Geständnisse, welche die Wiener Anarchisten über ihre Mordthaten in Straßburg, Stuttgart und Wien gemacht, haben zu vielen Uebertreibungen Anlaß gegeben. So heißt es u. A. auch, es sei ein Attentat gegen die Wiener Hofburg geplant ge wesen. Klares Licht wird hier erst die Prozeßvsr- handlunz geben, die ja nun nicht mehr lange auf sich warten lassen kann. Schweiz. Da der Kanton Tessin fortdauernd über Grenz verletzungen (aus Anlaß der Cholerasperre) durch italienische Truppen Beschwerde führt, so hat der Bundesrath wegen dieser Grenzverletzungen bei der italienischen Regierung reclamirt und um Abhilfe gebeten. Von der gleichfalls geforderten Aufhebung der Sperre will man in Rom aber noch immer nichts wissen. — Das Durchräuchern der Reisenden ist an der Bahnlinie Delle-Pruntrut eingestellt worden. Frankreich. China hat Frankreich ein wichtiges Zugeständniß gemacht, indem es versprach, binnen 4 Wochen alle Truppen aus Tonkin zurückzuziehen. Die Haupt entscheidung, nämlich über die Zahlung einer Kriegs kostenentschädigung, steht freilich noch aus, aber auch darüber wird es wohl zu einem Vertrag kommen. Einen aussichtsvollen Krieg kann China jetzt nicht führen. Von Donnerstag Abend bis Freitag Abend starben an der Cholera: in Toulon 30, in Marseille 47, von Freilag Abend bis Sonnabend Adend in Tou lon 38, rn Marseille 49. Ferner starben Sonnabend: in ArleS 4, in Sisteron 2, in Nimes 1 Person. Auch von Paris wird immer wieder behauptet, die Cholera sei dort constatirt. Die amtlichen Berichte bestreiten dies. Die drei Minister, welche das Choleragebiet besucht, erklären die Staatsbeihilfe von 2 Millionen Francs für ungenügend. Die großen Manöver werden in diesem Jahre wahrscheinlich sortfallen. Portugal. Ein Telegramm aus Lissabon meldet, daß für sämmtliche aus deutschen Häsen kommende Schiffe eine fünftägige Quarantäne angeordnet sei; ver- muthlich deshalb, weil Deutschland Frankreich gegen über keine Grenzsperre angeordnet hat. England. Der Schluß des Parlaments wird demnächst erfolgen, nachdem durch Beschluß des Oberhauses di« Entscheidung über die Wahlreform bis zum Herbst vertagt ist. Am Dienstag soll die Conferenz wieder eine Sitzung halten. Dazu meldet die Pariser Agence Havas, sämmtliche finanzielle Bei- räthe hätten sich gegen den Antrag Englands auf Reduction der 4. egyptischen Grundsteuer und der Zinsen der egyptischen Schuld ausgesprochen. Ist das wirklich wahr, so steht es mit den Aussichten auf einen für England günstigen Erfolg der Conferenz- verhandlungen schlecht. Egypten. Wie im englischen Unterhaus« mitgetheilt ist, soll Suakin völlig gesichert sein, General Gordon in Khartum sich noch gegen die Araber halten und sogar ganz obenauf sein. Diese Behauptung muß doch einiges Kopsschütteln erregen. Der „Pol. Corr." wird gemeldet, daß die Truppen des Königs Johannes von Abyssinien die Araber bei Kafsala geschlagen und die Garnison dieses Platzes befreit haben. Gemäß den Bestimmungen des zwischen England und dem Könige Johannes abgeschlossenen Vertrages müssen noch andere Gar nisonen gleichfalls durch die abyssinischen Truppen befreit werden. England hat für diesen Zweck die materiellen Mittel geliefert. Asien. In Persien und der asiatischen Türkei, namentlich im Distrikte von Bagdad, grassirt gegenwärtig die Beulenpest; dieselbe hat sich in Folge des Mangel«