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den Departements Seine und Oise erhielt. Nach Abschluß des Präliminarfriedens ward er zum Höchstcommandirenden der in Frankreich zurückblei benden deutschen Occupationstruppen ernannt. Am 19. Juni 1871 übernahm Fabrice wieder die Lei tung des sächsischen Kriegsministeriums. "Waldenburg, 2. Juli 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Bei Danzig haben am Dienstag die Manöver der dort versammelten Uebungsflotte begonnen. Am Dienstag früh fuhren sämmtliche 23 Kriegsschiffe nach der Gdinger Bucht, wo im Laufe des Vormit tags ein Landungsmanöver stattfand, bei dem auch Kavallerie der Danziger Garnison mitwirkte. Die Prinzen Wilhelm und Heinrich wohnten auf der Panzercorvelte „Hansa" dem Manöver bei. Wie der Reichskanzler hat auch Graf Moltke am Montag Berlin verlassen und sich auf sein Gut Creisau in Schlesien begeben. Der Generalquartier meister Graf Waldersee tritt ebenfalls einen längeren Urlaub an. Die sämmtlichen Beschlüsse des Reichstages aus dem letzten Abschnitte der Session sind jetzt dem Bundesrath übermittelt, dessen Entschließungen noch vor Eintritt der Vertagung erfolgen werden. Die letztere ist in 8 — 10 Tagen zu erwarten. Wie be kannt, wird der Bundesrath zuvor noch die An gelegenheit wegen des Zollanschlusses Bremens zur Erledigung bringen. Bei den Ausschußberathungen im Bundesrath über das Börsensteuergesetz hatte, wie nachträglich bekannt wird, Würtemberg eine statistische Aufnahme über die thatsächlichen Berhält- niffe und die Bedürfnißfrage beantragt, war aber in der Minorität geblieben. Der einstimmige Protest der Handelskammern scheint jedoch die Reichsregie rung etwas stutzig gemacht zu haben und man giebt jetzt dem Gedanken wieder Raum, zum mindesten eine nochmalige Begutachtung durch die Handels organe eintreten zu lassen. Fürst Bismarck soll dies umsomehr für erforderlich erachten, als er mit mehre ren hervorragenden Personen aus Finanzkreisen über eine höhere Börsensteuer conferirl haben solle. Dle Börsensteuer wird von der Reichsregierung im Princip für nothwendig gehalten, man will es aber der Finanzwelt überlassen, selbst geeignete Vorschläge in dieser Richtung zu machen. Kaum ist der Reichstag auseinander gegangen, so beschäftigt man sich auch schon wieder mit dem Zusammentritt des neu zu wählenden. Es wird versichert, daß die Absicht bestehe, die neue Volks vertretung im November zu berufen und ihr sofort den ReichshaushaltS-Etat zur Berathung vorzulegen, um so viel als thunlich wieder Zeit für die Er ledigung der großen socialreformatorischen Ausgaben zu gewinnen. Dem entsprechend seien die diesbezüg lichen Etats-Arbeiten im Reichsschatzamte schon ziem lich weit gefördert. Was dagegen die Alters- und Jnvaliden-Versorgungsfragen angehe, so werde man kaum fehlgehen, wenn man annehme, daß zur Zeit kaum die technischen Vorarbeiten zum Abschlusse ge langt sein dürften. Auch sei es sehr wahrscheinlich, daß, noch ehe an eine definitive Feststellung der Grundzüge herangetreten werde, zuvor Sachverständige und Interessentenkreise gehört werden. In der Vor woche wurde bekanntlich schon mitgetheilt, der bez. Gesetzentwurf sei im Princip festgestellt. Nach dem Vorstehenden wäre diese Mittheilung also falsch. Seit einigen Monaten hat Egypten die von Eng land geforderten Gelder zur Bestreitung der Un kosten der englischen Besatzung nicht abgeliefert. Nicht nur die Verpflegungsgelder, sondern auch die Löhne der Mannschaften werden Egypten in Rechnung ge stellt und belaufen sich für den Mann auf 60 Pfund (1200 Mark) pro Jahr. Der K. Ztg. wird dar über aus Kairo berichtet: „Eine gehässigere Last konnte einem bedrückten Lande von keinem Eroberer auferlegt werden, als diese Art des Tributs. Wäh rend die Entschädigungsgelder für die in der alexandri nischen Schreckenszeit um Hab und Gut Gekommenen in ferner Aussicht standen, hatte der Staatssäckel des erschöpften Landes für das reiche England zu bluten, dessen Ministerpräsident vor Allem auf einen glänzenden Kasienabschluß sieht und diesem Zwecke seibst die Würde seines Landes zu opfern bereit ist. Rathlos stehen gegenwärtig die egyptischen Finanz beamten vor den sich immer mehr leerenden Kassen, und es gilt als bestimmt, daß im Juli-Monat der vorhandene Vorrath nicht mehr zur Bezahlung der Beamlen-Gehälter ausreichen wird. Das sind aber gerade die rechten Zustände für die Conferenz- berathungen. Jetzt wird man doch nicht im Hand umdrehen die englischen Vorschläge annehmen, son dern eingehend die Sachlage prüfen. Daß die Cholera in Toulon und Marseille die asiatische Cholera ist, steht nunmehr fest, obgleich die Zahl der Todten noch immer nur gering ist. Montag starben in der ersteren Stadt 7, in der zweiten 8 und in der Nacht zum Dienstag 3 Per sonen. Freilich wurden diese Mittheilungen auch vielfach bezweifelt und behauptet, die Zahl der To desfälle sei weit höher. Die Angabe, es handle sich nur um eine milde Form der asiatischen Cholera, hat nicht viel auf sich. Auch mit einer milden Cholera ist nicht zu scherzen und die angrenzenden Länder haben dies durch die verordneten scharfen Controllmaßregeln bewiesen. Am meisten Aufsehen erregt die von Spanien befohlene Grenzsperre. Ein Verbot der Einfuhr von Lumpen rc., wie es von spanischer Seite erlassen ist, wird auch von Oester reich vorbereitet, desgleichen eine ärztliche Controlle der Passagiere an den westlichen und südwestlichen Grenzen der Monarchie. Von ganz besonderem Interesse ist noch die Nachricht, daß sich Geh. Rath Koch von Berlin sofort nach Paris und dann nach Toulon begiebt, um seine Dienste zur Feststellung des Characters der Epidemie zur Verfügung zu stellen und weitere Studien über die Natur der Seuche und ihre Fortpflanzung zu machen. Die Choleracommission in Berlin hat ihre Arbeiten be reits abgeschlossen, das Resultat derselben unterliegt der Berathung der Regierungen. Auch in Amerika werden jetzt Maßregeln zur Verhütung der Ein schleppung der Cholera in Erwägung gezogen. In den landwirthschaftlichen Vereinen findet seit einiger Zeil das Molkereiwesen eine größere Beachtung, als dies früher der Fall war. Dies erklärt sich zum nicht geringen Theil dadurch, daß, da der Getreivezoll die gewünschte Wirkung nicht gehabt Hal, in den landwirthschaftlichen Kreisen mehr und mehr die Ansicht Raum gewann, daß der ge- treidefähige Boden zweckmäßiger zur Production von Fettvieh, Butter und Käse rc. zu benutzen sei. Die Förderung des Molkereiwesens wird auch seitens des preußischen landwirthschaftlichen Ministeriums als nolhwendig anerkannt. Der frühere preußische landwirthschaftliche Minister Or. Friedenthal hatte in seinem dem Kaiser über Preußens land- wirthschaftliche Verwaltung in den Jahren 1875, 1876 und 1877 erstatteten Berichte ausdrücklich hervorgehoben, daß unsere Landwirthschaft bestrebt sein müsse, vor allem Fleisch, Milch, Butter und Käse, das heißt solche Artikel zu produciren, welche die jüngeren Productionsgebiete des Auslandes, z. B. Rußlands, sei es wegen Mangels an Arbeits kräften und Kapital, sei es wegen der Transport schwierigkeiten nicht so leicht auf unsere Märkte liefern können und für welche unsere dichtere Be völkerung einen guten Absatz sichere. An den höheren landwirthschaftlichen Lehranstalten der Monarchie ist neuerdings der Unterricht im Molkerei wesen vervollkommt worden. So z. B. wurde auf dem Grundstücke des landwirthschaftlichen Instituts in Halle a. S. im vorigen Jahre ein besonderes Gebäude für Molkereiwesen errichtet, welches ver schiedene Räume für Aufrechnung, Buttergewinnung und Bearbeitung, Käseproduction rc. enthält, und das Unterrichtsministerium hat neue Zuschüsse für die Kosten der Molkereigeräthe, der Demonstrationen rc. bewilligt. Holland. Wie der „Jndtzpendance Belge" aus dem Haag gemeldet wird, hat die niederländische Regierung bereits einen Gesetzentwurf vorbereitet, welcher die Vormundschaft der jungen Thronerbin Hollands regelt. Die Königin Emma wird Vormünderin für ihre Tochter, erhält aber einen aus 3 Herren be stehenden Vormundschaftsrath zur Seite gestellt. Belgien. Die neuen ultramontanen Minister agitiren für die bevorstehende Senatorenwahl nach Kräften mit. Ihre Reden laufen in der Hauptsache darauf hinaus: Keine neuen Steuern und Umstoßung der ganzen liberalen Gesetzgebung. Mit dem letzteren Programm werden die Herren wohl eher fertig werden, als mit dem ersteren. Vor der Wahl wird Manches versprochen, was nachher ganz anders kommt. Frankreich. Am Sonntag in Algier stattgehabte Excesse ge gen die Juden entsprangen mehr einer allgemeinen Prügelei unter Rekruten, als tieferer Abneigung. An Wiederholungen ist nicht zu denken. England. Der bekannte Skandalmacher und Parlaments mitglied Bradlaugh, den das Unterhaus wegen seiner atheistischen Gesinnungen aber nicht in seiner Mitte haben will, hatte mehrere Male an den Ab stimmungen theil genommen, ohne daß er den vor geschriebenen Eid als Deputirter geleistet. Es ist deshalb gegen ihn die Anklage erhoben und er in allen Punkten für schuldig erkannt. Im englischen Oberhause erwiderte am Montag der Minister des Auswärtigen, Lord Granville, daß die Regierung Grund habe, anzunehmen, daß die Angra-Pequenya-Frage in durchaus befriedigen der Weise gelöst sei. Nun werden die Herren Lords doch endlich still sein. Norwegen. Das norwegische Stortking hat sich mit 84 gegen 25 Stimmen für die Theilnahme der Staatsräthe an seinen Verhandlungen ausgesprochen. Dieser Punkt gab früher Anlaß zu manchem Zwist. Rumänien. Wie aus Bukarest gemeldet wird, hat das rumä nische Ministerium seine Entlassung eingereicht. Der Ausgang der Krisis läßt sich noch nicht absehen, doch darf angenommen werden, daß Sturdza jeden- fall das Portefeuille des Auswärtigen behalten wird. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 2. Juli. Gestern Nachmittag wurde auf Rcmser Flur ein Erhängter aufgefunden, und vermuthete man, daß der Selbstmörder ein Walden burger sei. Der Leichnam ist derjenige eines in den 30er Jahren stehenden Mannes von kräftiger Statur, blond, hat etwas Glatze und rothblonden Henri quatre. *— Zwischen hier und dem benachbarten Callen berg wird demnächst eine Fernsprechleitung eingerichtet werden und sind die erforderlichen Vorarbeiten gegen wärtig bereits im Gange. — In Grimma hat sich am Sonntag Nachmittag der Todtenbettmeister S. in der Leichenhalle des Friedhofes durch Erhängen entleibt. Ueber den Beweggrund zu dem Selbstmorde sind verschiedene Gerüchte im Umlauf. Atts dem Sachsenlande. — Unsere Reichspost erfreut sich eines ganz vortrefflichen Rufes wegen ihres Scharfsinns und l Combinationstalentes, welche Eigenschaften für die Bestellung von Briefen mit für den Uneingeweihten unmöglichen Adressen geradezu Erstaunen heraus fordern. Freilich scheint sich diese „Findigkeit" eben nur auf die Lösung solcher Probleme zu beschränken und bei einfacher liegenden Fällen nicht in Anwen dung gebracht werden, wofür nachstehender Fall spricht. Von einer Berliner städtischen Behörde wurde unter Kreuzband eine Sendung Drucksachen mit nachstehender gedruckter Adresse abgesandt: An den Director des königlichen Statistischen Bureau, Herrn Geheimen Regierungsralh Prof. Ör. Böhmert, Dresden. Diese Sendung ist der Absenderin als unbestellbar zurückgesendet worden mit der lakonischen Bemerkung auf der Rückseite: Adressat ohne Angabe wohin verzogen. Nun ist der Adressat, Geheimer Regierungsralh Prof. Or. Böhmert eine weit über die Grenzen seines kleinen Vaterlandes bekannte statistische Capacität, gleichzeitig Director des königl. Statistischen Bureau in Dresden, dennoch war es der Post nicht möglich, den Adressaten aufzufinden. — Der bekannte socialdemokratitche Agitator Viereck bereist jetzt den Reichtagswahlkreis Leipzig- Land, um dort für die Reichstagswahlen Propaganda zu machen und sich als Candidaten den Wählern vorzustellen. Viereck ist in Arbeiterkreisen eine be kannte Persönlichkeit, da er sich nach seiner Aus weisung aus Berlin in den Jahren 1879 und 1880 in Leipzig aufgehalten und in der ehemaligen Ge noffenschaftsbuchdruckerei mit thätig gewesen ist. Er ist ein gewandter Agitator, besitzt feine, weltmännische Manieren, die eher an einen aristokratischen Salon als an die Hütte des „Proletariers" erinnern, und befindet sich in sehr günstigen Vermögensverhält nissen. Er wird es sich gewiß ein Stück Geld kosten lassen, um den Wahlkreis zu erobern. — Das Personal der durch die sogen. Universal bibliothek allgemein bekannt gewordenen Verlags buchhandlung von Philipp Reclam Mu. in Leipzig feierte am Sonntag den 77. Geburtstag und das 60jährige Berufsjubiläum des Begründers dieser Firma. — Am Sonnabend Abend kamen auf der Thü ringer Bahn von Erfurt hundert Stück Brieftauben in Leipzig an, welche vom dortigen Briestaubenclub abgesendet waren, um einen Probeflug nach Erfurt zu unternehmen. Nachdem die Thiere sich erholt hatten, wurden sie am Sonntag früh 7 Uhr durch Bahnhossinspector Baumgarten aus ihrem Verschlusse entlassen, worauf sie sofort in die Höhe stiegen und alsbald in westlicher Richtung verschwanden. — Der Leipziger Rath hat nach einer Mit theilung des dortigen „Tageblattes" beschlossen, vor behältlich der Zustimmung der Stadtverordneten, zur Bearbeitung der Krankenversicherungs-Angelegen heiten einen neuen Assessor mit 3400 Mk. Gehalt anzustellen. — Die Stadtverordneten von Chemnitz haben dem Beschlusse des Rathes, vom Jahre 1885 ab