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n- st. 'et d- thöiüMM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Ubr des vorhergehenden Tages. KNd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. SO Pf. Alle Postanfialten, die Expedition und dis Lolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, den 8. April 83. 1884. Das aus das erste Vierteljahr 1884 fällige Schulgeld ist längstens bis zum 16. künftige« Monats an hiesiger Rathsexpedilionsstelle zu bezahlen. Waldenburg, den 31. März 1884. Die Schulkassenverwaltung. "Waldenburg, 7. April 1884. In dem Progamm der deutschen freisinnigen Par tei wird bekanntlich auch die Forderung auf Errich tung eines verantwortlichen Reichsministeriums auf- , gestellt, welchem also im Wesentlichen die Regierungs- Befugnisse zusallen müßten, welche jetzt dem Bundes- rath zustehen, während diese Körperschaft, welche sich aus den Vertretern der einzelnen Bundesstaaten zu sammensetzt, den Character einer gewöhnlichen par lamentarischen Körperschaft gewinnen würde. Gegen wärtig gehen Gesetze an den Reichstag nur mit Zu stimmung des Bundesraths, später würde sie das Reicheministerium Bundesrath und Reichstag unter breiten. Diese liberale Forderung, welche für die Bundesstaaten als solche von allergrößter Bedeutung ist, ist am Sonnabend auf Antrag Sachfen's und Würlemberg's im Bundesrath erörtert, und dabei von der preußischen Regierung eine Erklärung ab gegeben, der die Bevollmächtigten der übrigen Staa ten zustimmten. In dieser Erklärung wird Eingangs betont, daß die verbündeten Regierungen ohne Ausnahme ent schlossen sind, die Verträge, auf welchen die Reichs- institulionen beruhen, in unverbrüchlicher Treue auf recht zu erhalten, und jeden Mißgriff, welcher die nationale Einheit gefährden könnte, zu verhindern. Ein solcher Mißgriff sei aber die Errichtung eines Reichsministeriums. Weiter heißt es dann wört lich: „Die Einrichtung verantwortlicher Ministerien im deutschen Reich ist nicht anders möglich, als auf Kosten der Summe von vertragsmäßigen Rechten, welche die verbündeten Negierungen gegenwärtig im Bundesrath üben. Die wesentlichsten Regierungs rechte der Bundesstaaten würden von einem Reichs ministerium absorbirt werden, dessen Thätigkeit durch die Art der ihm auferlegten Verantwortlichkeit dem maßgebenden Einflüsse der jedesmaligen Majorität des Reichstages unterliegen müßte. Man wird nicht fehlgehen, wenn man in der von der neuen fort schrittlichen Partei erstrebten Einrichtung eines solchen Ministeriums ein Mittel zur Unterwerfung der RegierungSgewall im Reiche unter die Mehrheits beschlüsse des Reichstages erblickt. Die preußische Regierung würde in einer derartigen Verschiebung des Schwerpunktes der Regierungsgewalt eine große Gefahr für die Dauer der neugeborenen Einheit Deutschlands erblicken. Selbst wenn es gelänge, feste Majoritäten aus den heute im Reichstage vor handenen Parteien zu bilden, würde die Regierung doch die Herstellung eines parlamentarischen Regi ments für eine sichere Einleitung zum Verfall und zur Wiederauflösung des deutschen Reichs halten. Die Regierung eines großen Volks durch die Mehrheit einer gewählten Versammlung ist untrennbar von all' den Schäden und Gefahren, an welchen ein je des Wahlreich nach den Erfahrungen der Geschichte zu Grunde geht. Die Regierungsgewalt, geübt von Parlamenten, die aus allgemeinen Wahlen hervor gehen, unterliegt derselben Gefahr, die Bedürfnisse des Landes dem Bedürfnisse des Gewähltwerdens unterzuordnen, durch welches bisher jedes Wahlreich seinem Verfall und seinem Untergang entgegen ge führt worden ist. „Der Gedanke an die Errichtung eines verant wortlichen Reichsministeriums, wie er nicht blos in Gestalt eines Programm'«, sondern in den Verhand lungen des Reichstages von den Jahren 1869 und 1878 zu Tage getreten ist, ist deshalb nach Ueber- zeugung der Königlichen Regierung überall da, wo er im Reichstage und bei den Wahlen geltend ge macht wird, im Interesse des Reichs, seiner Ver fassung und Sicherheit seines Fortbestandes zu be kämpfen, einmal weil er sich nicht verwirklichen läßt, ohne die vertragsmäßigen Rechte der Reichsglieder und das Vertrauen auf die Sicherheit der Bundes verträge zu schädigen, dann aber auch, weil er eins von den Mitteln bildet, durch welche der Schwer punkt der Reichsregierung in die wechselnden Majo ritäten des Reichstages hinübergeleitet werden soll, und weil diese Ueberleitung, wenn sie gelänge, die Wiederauflösung der deutschen Einheit nach Ueber- zeugung der Regierung im Gefolge haben würde!" Dieser Aeußerung, welche, wie oben gesagt, allge meine Zustimmung fand, fügte die bairische Regie rung noch eine besondere zustimmende hinzu, in welcher es heißt: „Die bairische Regierung sei zu thätiger Mitwirkung an der nationalen Entwicklung auf föderativer Grundlage jeder Zeit bereit; die Fortbildung der Reichsverhältnisse in unitarischer Richtung aber werde sie stets bekämpfen und stehe daher dem Gedanken eines Reichsministeriums durch aus ablehnend gegenüber." Von der liberalen Presse wird die Folgerichtig keit der vorstehenden Ausführungen entschieden be stritten und behauptet, die verbündeten Regierungen nehmen die Sache doch etwas zu tragisch. Eine Verletzung der bundesstaatlichen Verträge oder Herbeiführung einer parlamentarischen Negierung sei in dem Project keineswegs zu erblicken. Daß die Erklärung, welche nur Haß gegen den Liberalismus athme, in so feierlichem Tone gehalten sei, bedeute wohl nur ein Wahlmanöoer. Wenn der Bundes- ralh einer Verfassungsänderung, die ihn selbst be treffe, so entgegenstehe, so habe er doch keineswegs das gleiche Bedenken bewiesen, wenn es sich um die Aenderung der verfassungsrechtlichen Stellung des Reichstages handelte. Die conservativen Organe stimmen den Ausführungen zu. "Waldenburg, 7. April 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Das Befinden Kaiser Wilhelms hat sich be deutend gebessert; am Freitag hat der Monarch vier Stunden, von 2—6, außerhalb des Bettes verbracht, davon zwei Stunden am Arbeitstisch. Am Sonn abend hat Se. Majestät das Bett um 1 verlassen und verweilte 5 Stunden außerhalb desselben. Da Generalarzt von Lauer beabsichtigt, den Kaiser täg lich eine Stunde länger außer Bett zu lassen, so ist anzunehmen, daß der Kaiser nicht vor Ende dieser Woche seine gewohnten Spazierfahrten wieder wird aufnehmen können. Die Großherzogin von Baden, welche ihrem Vater wie schon so oft als treue Pfle gerin zur Seite stand, verließ Sonntag Abend Ber lin wieder. Der Kaiser nahm übrigens die laufen den Vorträge stets regelmäßig entgegen. Die letzte Zeit vor Ostern, in der sonst bereits tiefe Stille herrschte, gestaltet sich in diesem Jahre zu einer hochpolitischen. Das Entlaffungsgssuch des Reichskanzlers Fürsten Bismarck von seinem preußi schen Ministerposten ist noch immer in der Schwebe. Der Kanzler soll von dem Kaiser Wilhelm zu einer eingehenden schriftlichen Begründung seines Gesuches veranlaßt sein, gerade so wie 1876, wo der Fürst auch das Reichekanzleramt niederlegen wollte, was aber mit dem Worte: „Niemals" abge lehnt wurde. Daneben wird immer wieder darauf hingewiesen, daß zwischen dem Kanzler und Herrn v. Puttkamer ein ernster Zwiespalt besteht, nament lich in der Kirchenfrage. Daß der Kultusminister v. Goßler mit seinem Kollegen v. Puttkamer nicht einer Meinung ist, hat die Berathung des Antrag Stöcker gezeigt, gegen welchen der Kultusminister sprach, während Herr v. Puttkamer dafür stimmte. Fürst Bismarck soll die Ansicht des Kultusministers in der Kirchenpolitik vollkommen theilen und des gleichen die übrigen Minister, so daß also Minister v. Puttkamer isolirt stände. Wie weit alle diese Gerüchte thatsächlich begründet sind, läßt sich natür lich nicht sagen. Auch auf eine bevorstehende Reichs tagsauflösung wird wieder und wieder hingewiesen, doch muß in dieser Beziehung der Beschluß der So- cialisten-Commission des Reichstages zum mindesten abgewartet werden. Zu Alle dem ist nun noch die Berathung der Forderung der deutsch-freisinnigen Partei nach einem verantwortlichen Reichsministerium im Bundesrath gekommen. Sämmtliche Staaten haben sich entschieden dagegen erklärt. Genaueres darüber bringen wir im Leitartikel. Aus den bisherigen Berathungen der Unfallver sicherungscommission des Reichstages ergiebt sich, daß die Hoffnungen aus Herstellung des Unfallver sicherungsgesetzes in diesem Jahre berechtigtere genannt werden können, als früher. Die Entschei dung wird freilich erst nach Ostern fallen. Sie hängt ab von der Fassung des Z 9, welcher die Organisation der Berussgenoffenschaften behandelt. Die große Frage: „Wo soll versichert werden", ge langt hier zum Auslrag. Trüb sieht es dagegen mit der Berathung der Steuergesetze im preußischen Abgeordnetenhause aus. Selbst auf conservaliver > Seite beginnt man darauf hinzuweisen, daß es schwer möglich sei»' wird, beide Gesetze fertig zu stellen. Oberbürgermeister Miquel in Frankfurt a. M. hat jetzt offen erklärt, er müsse die Aufforderung, die Führerschaft der nationalliberberalen Partei zu übernehmen, ablehnen, da ihm seine Verpflichtungen als Oberbürgermeister Frankfurts die Uebernahme eines Reichslagsmandats zur Unmöglichkeit machten. Schweiz. Das Bezirksgericht in Zürich hat den intimen Freund der in Wien verhafteten anarchistischen Mör der Stellmacher und Kammerer, den Korbflechter Robert Schäfer, für Zeit seines Lebens aus der Schweiz verwiesen. Auf Anordnung des eid genössischen Polizeidepartements wird Schäfer indeß noch in Haft gehalten. Schäfer hielt sich in Zürich unter falschem Namen auf und vertrieb socialistische Schriften. Frankreich. In den Strikedistricten machen sich schlimme Erscheinungen bemerkbar. Die Arbeiter werden von den Anarchisten aufgehetzt und es kommt zu allerlei Tumulten. In Denain zogen Trupps von mehreren Tausend Arbeitern unter dem Gesänge aufrührerischer Lieder durch die Straßen. Die Gendarmerie war zu schwach, um einschreiten zu können und wurden daher Truppen requirirt, welche 10 Arbeiter verhafteten. Ebenso sollen die Gruben von Anzin von Truppen besetzt werden. Gendarmen, welche dort Verhaftungen vornahmen, wurden mit Koth und Steinen beworfen. Italien. Der Minister des Auswärtigen, Mancini, hat am Sonnabend in der Deputirtenkammer eine aus führliche Darlegung über die Politik der Regie rung gegeben. Er sagte in seiner Rede: Das Ministerium werde seinem Programm des Friedens, der Sicherheit und der Würde treu bleiben, und werde alle seine Kräfte der Erreichung dieses Zieles