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PMirn.tr Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Ubr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 80 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. «8. Freitag, den 21. März 1884. Abonnements-Einladung. Mit dem 1. April beginnt ein neues Abonnement auf das ! SchlmlmM Tageblatt zum Preise von 1 Mk. 50 Pf. frei ins Haus und nehmen unsere Austräger wie unsere Expedition Bestellungen hier auf jederzeit entgegen. Durch die Post bezogen ebenfalls 1 Mark 50 Pf. Das „Schönburger Tageblatt" wird fortgesetzt bestrebt sein, in täglichen Leitartikeln die allgemeine politische Lage wie die socialpolitischen Vorlagen unserer Reichs regierung einer eingehenden Besprechung zu unterziehen, in der politischen Rundschau nicht blos ein Sammel surium von allerhand Nachrichten, sondern dem Leser einen wohlgesichteten kurzgefaßten Ueberblick über das ganze politische Getriebe der Gegenwart zu bieten, ferner den örtlichen und sächsischen Angelegenheiten nnd Ereig nissen ein wachsames Auge zu widmen. Unter „Allerlei" werden wir alle wifsenswerthen Vor- und Unfälle sam meln. Die Specialrubriken „Landwirthschaftliches", „Erziehungswesen und Gesundheitspflege" und „Ge werblich-technisches" erfreuen sich der^sorgsamen Pflege fachmännischer Mitarbeiter. Auch für Unterhaltungsstoff wird in hinreichender Weise gesorgt, neben der im „Erzähler" der Sonntagsnummer fortlaufenden spannenden Novelle „Verkauft" von M. Reinhold beginnen wir in einer der nächsten Nummern mit den von gewandter Feder ebenso geistreich wie humo ristisch geschriebenen Memoiren eines Kleinstädters. Inserate, welche im hiesigen Bezirke die weiteste Ver breitung finden, werden pro 4gespaltene Zeile mit 10 Pf. berechnet. Redaction und Expedition des Schönburger Tageblattes. "Waldenburg, 20. März 1884. Die letzten Tage haben uns Nachrichten über Ver haftungen in Spanien gebracht, welche die Lage der Dinge daselbst nicht als sehr frisolich und ruhig er scheinen lassen. Wiederholen wir uns zuvörderst die thatsächlichen Vorgänge. Nachdem die Negierung schon feit geraumer Zeit von ihren Agenten in Por tugal und Frankreich benachrichtigt worden war, daß der in Genf lebende Ruiz Zorilla feine im vorigen Jahre mißglückten Versuche, einen großen Mililär- ausstand hervorzurufen, erneuert habe, wurde end lich in der Nacht vom 16. zum 17. d. M. zur Ver haftung des verdächtigen Generals Velarde ge schritten. Man fand in seinem Hause angeblich eine größere Anzahl Offiziere, Unteroffiziere und Cioilisten, welche alle alsbald nach dem Gefängniß San Francisco gebracht wurden. Auch bemächtigte man sich verschwörerischer Schriftstücke, deren Durch sicht eine Anzahl weiterer Verhaftungen zur Folge hatte. Ob die Verschwörung, die gleich derjenigen des vorigen Jahres besonders die Unteroffiziere im Auge hatte, sich auch bereits auf die Provinz erstreckte, ist nicht bekannt. Es ist zwar das Gerücht im Umlauf, daß man auch auf die Garnisonen von Barcelona, Sevilla und Valencia ein wachsames Auge habe, doch ist bisher von Verhaftungen in jenen Städten nichts bekannt geworden. Es fanden dann in Madrid noch einige Haussuchungen und Verhaftungen, da runter die mehrerer Obersten, statt. Später wurde General Ferrer und schließlich auch der General Hldalgo, welcher ebenfalls an der Jnsurrection von Cartagena im Jahre 1873 betheiligt war, verhaftet. Natürlich schwirren über den Grund der Verhaf tungen die widersprechendsten Nachrichten durch die Blätter. Die Meldungen der französischen Blätter über den Aufstand müssen mit größter Vorsicht aus genommen werden. Diese Blätter enthalten zahllose, zumeist in Paris von den Emigranten und spani schen Revolutionären angefertigte Telegramme über eine angebliche Militärverschwörung. Das Journal „Paris" will wissen, die Verschwörer hätten beab sichtigt, sich während des Ministerrathes in den Be sitz des königlichen Palastes zu bringen. Es ist doch sehr die Frage, ob wir es hier mit einer Militärverschwörung zu thun haben, ja sogar, ob überhaupt eine Verschwörung vorliegt. Wenn eine Anzahl Verhaftungen stattgefunden hat, so ent spricht dies nur dem Programm des Cabinets Ca- nova's del Castillo, alle revolutionären Bestrebungen im Keime zu ersticken. Während daher das Madri der Oppositionsjournal „Globe" dem angeblich ent deckten Complott eine große Bedeutung beilegt, ent gegnet die „Epoca" dem Organe Castelar's, daß jene Vorgänge überhaupt nicht als eine Verschwörung bezeichnet werden können. Aus Madrid liegt zudem die Nachricht vor, daß, wie es heißt, die Auflösung der Cortes Anfang April erfolgen soll. Ob irgend ein Zusammenhang zwischen den beiden Vorkommnissen besteht, ist bis jetzt nicht ersichtlich. Die Meinung ist vielleicht nicht ausgeschlossen, daß dem jetzigen Ministerium so eine kleine Verschwörung eben recht käme, um die Auflösung der Cortes zu begründen und auf die dann kommenden Wahlen zu Gunsten der Regie rung einzuwirken. Wie dem aber auch sei, jeden falls kann man sich heute überzeugt halten, daß es der Ministerpräsident Canovas nicht an Wachsam keit und König Alfons nicht an Energie fehlen lassen werden, um dem Verschwörer Zorilla und Consor- ten, falls diese wirklich eine Verschwörung planen, das Handwerk zu legen. *Waldenüurg, 20. März 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing am Mittwoch Mittag in feierlicher Audienz den russischen Botschafter von Saburoff zur Ueberreichung seines Abberufungs schreibens in Gegenwart des Staatssekretärs Grafen Hatzfeldt, des Oberschloßhauplmanns Grafen Per- poncher und des Oberceremonienmeisters Grafen zu Eulenburg. Saburoff wurde darauf auch von der Kaiserin empfangen. Die Commission des Reichstags für die Unfall versicherungs- und Hülfskassengesetzvorlägen beschloß mit großer Majorität, die Bestimmung des § 34 Absatz 2 der Hülfskassennovelle zu streichen, wonach die Leiter von General- oder Mitgliederversamm lungen mit einer Geldbuße bis zu 300 Mk. zu be strafen sind, wenn sie unter die Vereins- oder Ver sammlungsgesetze fallende Erörterungen öffentlicher Angelegenheiten zulasten oder nicht verhindern. Die Wiener „Presse" schreibt zu dem „Pfui"- Rufe im Reichstage: „Fürst Bismarck hat gestern im deutschen Reichstage sein Vorgehen gegenüber der amerikanischen Lasker-Resolution in vollständig sachlicher und ruhiger Weise gerechtfertigt, ist aber sofort auf die Ungezogenheit der „Freisinnigen" ge stoßen, aus deren Mitte dem Kanzler auf die leider nur zu wahre Bemerkung, Laskers Freunde hätten seinen Tod in wucherischer Weise ausgenützt, ein „Pfui!" ertönte. Dieses Pfui wird wahrscheinlich den „Freisinnigen" bei den bevorstehenden Reichs tagswahlen nicht billig zu stehen kommen." Das „Deutsche Tgbl." bemerkt dazu: „In einer Reihe von Zuschriften werden wir gefragt, ob man nicht wisse, wer Pfui gerufen habe und ob der anonyme Beschimpfer nicht zu ermitteln sei. Unseres Erach tens ist die Personenfrage von geringerem Belang, nachdem die freisinnige Partei das Pfui auf sich nehmen und sich in dieser Beziehung der Führer schaft Struvens anvertrauen zu wollen scheint. Ob dies Gebühren der Partei der Pfuirufer im Streit gegen Bismarck bei den Reichstagswahlen schaden wird, möchten wir bei dem immer noch mangelhaft entwickelten Nationalgefühl der Deutschen nicht ohne weiteres einräumen." Eine beachtenswerthe Kundgebung ist das Schreiben, in welchem der bisher secessionistische Reichstagsab geordnete vr. Paasche, der nach Bildung der links liberalen Coalition nicht dieser, sondern den National liberalen beigetreten ist, diese Trennung von den früheren Parteigenossen in folgendem Schreiben an die „Rostocker Ztg." motivirt: „Aus dem seces- sionistischen Anhänge der Fortschrittspartei", schreibt er, „ist jetzt ein Theil der „Freisinnigen Partei" geworden, in der die früheren Mitglieder der Fortschrittspartei zum Mindesten der Zahl nach die Oberhand haben werden. Schon vor etwa drei viertel Jahren war ich, wie mir der Abg. Büsing und andere Collegen bezeugen können, fest entschlossen, aus der secessionistischen Partei auszutreten, weil in ihr nach dem Zurücklreten des Abg. Lasker, immer mehr die extrem-freihändlerische und den socialreformatorischen Plänen der Re gierung oppositionelle Richtung die Oberhand gewonnen. Da ich nun von der Ueberzeugung der Nothwendigkeit der socialen Reform durchdrungen bin, auch den Plänen der Reichsregierung betreffs der allgemeinen Arbeilerversicherung keineswegs prin zipiell widerstrebe, da ich ferner, wie ich bereits in meinen Wahlreden erklärte, einen Schutzzoll, da wo es die Interessen der ganzen Nation erfordern, für ein berechtigtes Mittel zur Förderung der Volks wohlfahrt ansehe und überhaupt dem Staate prin zipiell das Recht und die Pflicht zuerkenne, auch in das wirthschaflliche Leben des Volkes einzugreifen, wo es sich darum handelt, tue Schwachen im Con- currenzkampf zu schützen gegen die Uebermacht der Stärkeren — so kann ich mich nicht entschließen, einer neuen Partei beizutreten, bei der zum Min desten die Gefahr vorliegt, daß die extremfreihänd lerische und den socialpolitischen Projecten feindliche Richtung die absolut herrschende sein wird." Die Nationalliberale Correspondenz schreibt über ihre Stellung zu der neuen Partei: Herr Rickert sagte: „Wenn die Nationalliberalen der Volks freiheit dienen wollen, so werden sie auf unsere Seite treten müssen." Soll unter dem „der Volks freiheit dienen" die entschlossene Vertheidigung der verfassungsmäßig festgestellten Rechte des Volkes ver standen werden, so hat die nationalliberale Partei nicht erst nöthig, auf die Seite der neuen Partei zu treten; zum Mindesten läßt sich ebenso gut sagen, die Letztere stellt sich in diesem Punkte an die Seite der Nationalliberalen. Aber mit der Vertheidigung der Verfassung sind die Aufgaben der Gegenwart nicht erschöpft; die eigentliche Signatur der Zeit — das wird heute wohl Niemand mehr leugnen — ist die socialpolitische Arbeit. Und in diesem Punkte herrschen zwischen den Nationalliberalen und den weiter links stehenden Parteien erhebliche Unter schiede der Anschauungen. Aber so wenig die national liberale Partei nöthig hat, aus verfassungspolitischen Gründen eine Schwenkung nach Link« zu machen, ebensowenig hat sie aus socialpolitischen Gründen Veranlassung, nach Rechts zu gehen. Was die un mittelbar vorliegenden Aufgaben anlangt, so wird sie sich freuen, wenn ihr eine Mitwirkung am Zu standekommen des Unfallversicherungsgesetzes mög lich gemacht wird, vom Standpunkt der Parteipolitik