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chSnbuiM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 llkr deS vorhergehenden Tages. «nd aldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zn Waldenburg. ^37. Mittwoch, den 13. Februar 1884. Die noch rückständigen Grundsteuern sind nunmehr ungesäumt anher zu bezahlen. Stadtsteuer-Einnahme Waldenburg, am 12. Februar 1884. "Waldenburg, 12. Februar 1884. Bei den letzten serbischen Wahlen hat bekanntlich der conservative Gedanke gesiegt, das Ministerium Christies hat einen vollständigen Sieg davongelragen, und der Bestand dieses Ministeriums ist damit auf geraume Zeit hinaus gesichert. Nicola Christies ist eine der interessantesten Er scheinungen im modernen politischen Leben Serbiens. Er ist ein hoher Sechziger und da seine politischen Lehrjahre in die Zeit des Absolutismus fallen, so galt er in Serbien seit fünfzehn Jahren als ver gessene Persönlichkeit, als ein Mann, der die neue Zeit nicht mehr versteht und der als Minister seinem weitaus fortgeschrittenen Vaterlande mehr schaden als nützen könnte. Seit der Ermordung des Fürsten Michael mied er jede Berührung mit der Außen welt, lebte in unnahbarer Bescheidenheit und stoischer Zurückgezogenheit nur seiner Familie. Was er von dem nichtsnutzigen Regime eines R'.stics dachte, ob er das allzu fortschrittliche Tempo des Ministeriums Pirotschanaz billigte oder nicht, danach fragte in Serbien Niemand mehr, denn Nicola Christies war ja bei all seiner Klugheit und seltenen Ehrenhaftig keit doch nur ein vergessener Pensionär, den die aufstrebende politische Jugend kaum mehr dem Namen nach kannte. Trotzdem kam dieser Mann mit seinem der Mit welt schon lange entschwundenen politischen Horizont im September vorigen Jahres wieder ans Ruder. Er setzte sich ruhig in den Fauteuil seines Vorgän gers, kam des Morgens früh in sein Amt, um es erst spät Abends zu verlaffen, erledigte jedes wich tigere Actenstück mit eigener Hand, traute seinem eigenen Schatten nicht, chiffrirte und dechiffrirte selbst alle wichtigeren Slaatsdepeschen, wies seine Beamten mit aller Strenge zu Zucht und Ordnung an, kehrte sich nur an den Wortlaut des Gesetzes und an den Willen seines Königs, seines Herrn — und das Alles vollbrachte er mit seltener Kaltblütigkeit, ohne alles Aufsehen, die Feinde der gesetzmäßigen Ord nung jedesmal überraschend, wenn sie sich eines Schlages am wenigsten versahen. Wie er die tur bulente radikale Skupschtina im October auf die einfachste Art heimschickte, den Aufstand im Timok- gebiet in der kürzesten Zeit niederschlug und den serbischen Radikalismus vernichtete, ist noch in allge meiner Erinnerung. Aber trotz dieser Erfolge glaubte Niemand in Serbien daran, es werde dem unverbesserlichen Ab solutisten, dem Gegner des modernen Liberalismus und Parlamentarismus, gelingen, eine der heutigen Regierung genehme Skupschtina durch die vor Kur zem vollzogenen Wahlen zusammenzubringen. Schon seit Wochen hieß es, Christies thue Alles, um die Freiheit der Volksmeinung zu sichern; ersetzte einige Beamte ab, die sich mit Wahlagitationen beschäftigt hatten, ließ einige Russen und Montenegriner, die zu gleichen Zwecken jüngst nach Serbien gekommen waren, ohne viel Umstände ausweisen — und das Resultat von alledem war, daß das Ministerium Christica in der Skupschtina über eine erdrückende, aus Fortschrittlern und anderen regierungsfreund lichen Elementen bestehende Majorität verfügt. Das Ministerium ist nun in der Lage, an Ge setzesvorlagen zu gehen, deren Nothwendigkeit schon früher anerkannt war, mit denen aber kein früheres Ministerium vor die Skupschtina treten wollte. Zu solchen sind zu zählen eine durchgreifende Reform des Steuerwesens, da in Serbien bekanntlich noch immer dasSystem einer minimalenKopfsteuerherrscht; ferner die Erhöhung des unbedeutenden stehenden Heers, eine gründliche Reform der politischen Ad ministration, des Gemeindewesens — und was der gleichen Einrichtungen noch mehr find, welche bis jetzt insbesondere den öconomischen Fortschritt Serbiens verlangsamt oder auch in gewissen Richtungen sogar verhindert haben. Die Feinde Serbiens und seines Königs werden einen solchen Entwickelungsgang viel leicht noch ein- und das andere Mal zu stören ver- ! suchen, aber je beharrlicher und aufrichtiger dieses i Land den Zielen des modernen staatlichen Lebens ' entgegen strebt, desto sicherer kann es auf die Unter stützung jener Großmächte rechnen, welche auf die Strömungen und Gestaltungen des europäischen Continents bestimmend einwirken, desto gesicherter erscheint die gegenwärtige Lage. "Waldenburg, 12. Februar 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser ertherlte am Sonnlag Nachmittag u. A. dem Minister von Puttkamer eine Audienz und nahm dann an der Familientafel im kronprinz- lichen Palais Theil. Am Montag empfing der Kaiser den Commandeur der 37. Jnfanteriebrigade, Generalmajor v. Schmidt in Oldenburg, den Erb großherzog von Oldenburg und den russischen Mili tärbevollmächtigten Fürsten Dolgorucki. An beiden Tagen unternahm der Monarch seine gewohnte Spazierfahrt. Die Kaiserin von Oesterreich kommt dem „Franks. Journal" zufolge, zu mehrwöchentlichem Auf enthalt nach Wiesbaden. In den „Vier Jahres zeiten" sind 60 Zimmer für sie gemiethet. Der „Nat.-Ztg." zufolge wird der Bundesrath in dieser Woche die Beralhunq des Actiengesetzes beginnen, der sich die der Unfallversicherungsvorlage anschließen wird. Die Gutachten der Einzelregie rungen über die Grundzüge sollen nicht in allen Punkten mit der Vorlage übereinstimmen. Es bestätigt sich, daß Kardinal Hohenlohe seinem Wunsch gemäß von dem Bisthum Albano enthoben ist. Von Geh. Rath Koch, dem Leiter der deutschen Choleracommission, liegt aus Calcutta, 7. Jan., der 5. Bericht an den Staatssekretär von Bötticher vor. In der Hauptsache constatirt derselbe, daß in dem Darm der an der Cholera Gestorbenen dieselben Bacillen in Calcutta wie in Alexandrien vorgefunden wurden, und daß diese Bacillen in Leichen an anderen Krankheiten Gestorbener (Typhus rc.) bis her nicht vorgefunden sind. Es sino jedoch noch weitere Prüfungen nothwendig. Nach der Schlacht bei Tokkar, welche das eng lische Ministerium in eine so tiefe Verlegenheit ge stürzt, sind urplötzlich wieder Nachrichten aufgetaucht, welche darauf ausgehen, Egypten solle durch Truppen verschiedener Mächte besetzt werden. Namentlich die „Times" ist es, welche dies Project mit einem solchen Feuereifer befürwortet, daß jeder nur einigermaßen einsichtsvolle Mensch sofort miß trauisch werden muß, denn es ist bekannt, daß die „Times" im Fahrwasser eines jeden englischen Mi nisteriums schwimmt, und von einem conseroativen ebenso leichten Muthes zu einem liberalen übergeht, wie umgekehrt. Es ist also klar, daß dieser Vor schlag nicht aus der Redaclion der „Times", son dern ganz wo anders her stammt. Und der Grund für solche Ideen ist nicht weit zu suchen. Alt-Eng land ist durch diese ganz unerwarteten Siege des falschen Propheten in die Nothwendigkeit versetzt, im Sudan regelrecht Krieg zu führen, zu dem viel Soldaten und viel Geld gehören. Das letztere ist in London nun zwar vorhanden, aber mit dem eng lischen Heerwesen zu Lande ist es eine ganz trau rige Sache. Egypten besetzt zu halten und gleich zeitig mit den Arabern Krieg zu führen, das ist eine Aufgabe, die man gern mit Frankreich oder einem anderen Staate theilen möchte, dem man dann später, wenn die Gefahr vorüber ist, den Laufpaß giebt. Um Gründe für eine solche Hand lungsweise ist die britische Politik ja niemals ver legen gewesen, wie denn z. B. für das Bombarde ment von Alexandrien, das den Krieg mit Arabi einleitste, die Ursache geradezu bei den Haaren her beigezogen ist. Glücklicherweise sind die englischen Liebenswürdigkeiten bekannt genug und ein jeder Staal wird sich wohl hüten, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Großbritannien hat, unter dem Vorwande, den internationalen Interessen in Egyp ten zu dienen, eine Politik der Selbstsucht getrieben, die ohne Gleichen ist; es Hal den Khedive zu einem Diener Englands, Egypten zu einem abhängigen Staat gemacht, es folgt also daraus, daß es jetzt die Verpflichtungen übernimmt, welche diese Hand lungsweise ihm auferlegt. Dieses Verlangen kön nen und müssen sogar die Großmächte nach London richten. In Berlin fanden am Sonntag nicht weniger als 12 Volksversammlungen statt; eine derselben, in welcher der Arbeiter Görki einen Vorlrag über die nächsten Reichstagswahlen hielt, wurde polizeilich aufgelöst. Am Montag setzte das preußische Abgeord netenhaus die Berathung des Exlraordinariums des Cultusetats fort und bewilligte die Forderungen von 200,000 Mk. als erste Rate für den Neubau eines Gymnasiums zu Frankfurt a. M. und 2,000,000 Mk. als außerordentliche Zuwendung für die Museen. Um den Cultuselal endlich fertig zu stellen, findet um 8 Uhr eine Abendsitzung statt. Am Dienslag wollen viele Milglieder des Centrums nach Münster zu den dortigen Festlichkeiten anläßlich der Rückkehr des Bischofs reisen. Oesterreich. In Wien war am Sonntag Nachmittag schon wieder das Gerücht verbreitet, daß in der Nähe von Floridsdorf ein Sicherheitswachtmann von Anar chisten erschossen worden sei. Die Nachricht ist jedoch unbegründet und dadurch veranlaßt, daß ein Polizeibeamter von einem seiner College» bei Uebun- gen im Revolverschieben durch Unvorsichtigkeit schwer verwundet wurde. Der Ausschuß des österreichischen Abgeordneten hauses zur Vorberathung der Ausnahmeverord nung hat beschlossen, die Regierungsverfügung für gerechtfertigt zu erklären in Anerkennung der That- sache, daß sich in letzter Zeit hochoerrätherische, die persönliche Sicherheit in ausgedehnter Weise gefähr dende Umtriebe seitens einer anarchistischen Partei in einigen Gerichtssprengeln Niederösterreichs geoffen bart hätten und damit die Verbindung zur Anwen dung des Gesetzes vom 5. Mai 1869 eingetreten sei. Weiter wird Akt genommen von der bestimm ten Erklärung der Regierung, von dieser Verord nung nur behufs Unterdrückung der bestehenden anarchistischen Umtriebe Gebrauch machen und sie nach erreichtem Ziele sofort außer Kraft setzen zu wollen. So schnell wird das Letztere nun wohl freilich kaum geschehen. Frankreich. Das vom Minister des Innern, Waldeck-Rousseau,