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menge begleitete unter tausendstimmigen Hurrarufen die Kavalkade, al« dieselbe über den rothen Platz ritt. Hier theilte sie sich in zwei Hälften, um die Verlesung der Proclamation in den andern Stadt- theilen vorzunehmen. Nach Ansicht der „Ssowremennüja Jswestija" (Zeitgenössische Nachrichten) scheint Rußland am Vorabende eines neuen polnischen Aufruhrs zu stehen. Das russische Blatt schreibt nämlich: „Vorboten, wie sie den Ereignissen von 1863 voran gingen, zeigten sich auch jetzt schon. Es Haden bereits die Gerüchte von einer „Versöhnungspolilik" cursirt. Auch die Unruhen m den Lehranstalten haben schon begonnen: wiederum ganz so, wie vor 1863. End lich erscheint auch ein polnischer Katechismus; ganz so, wie vor 1863, aber der veränderten Zeitlage entsprechend auch in veränderter Gestalt und ver besserter Form. Aus dem Muldenthule. *Waldenburg, 25. Mai. Der landwirthschaftliche Verein für Waldenburg und Umgebung feierte gestern Abend im Saale der Müller'schen Restaura tion in Kertzsch sein diesjähriges Stiftungsfest, wel ches in einem Festessen mit darauf folgendem Ball bestand. Während der Tafel, zu welcher sich die Mitglieder mit ihren Frauen und Töchtern, sowie mehrere Gäste eingefunden hatten, wenn auch nicht in der zahlreichen Betheiligung der früheren Stif tungsfeste, hieß zunächst der Vorsitzende des Vereins Herr Obercommissar Otto, die Erschienenen herzlich willkommen. Hierauf brachte Herr Rütergutspachter Huth aus Remse einen Toast auf Se. Majestät den König aus, diesem folgte Herr Bernhardt in Remse mit einem Hoch auf den landwirthschaftlichen Kreisverein zu Chemnitz, ferner Herr Rentier Hofmann in Altstadtwaldenburg mit einem Hoch auf die Damen, sodann folgte eine Reihe vonToasten auf denVorstand, den Cassirer, das Vergnügungscomits rc. Dazwischen hinein wurden auch zwei Tafellieder gesungen, welche das Ehrenmitglied des Vereins, Herrn Cantor «m. Zschunke, zum Verfasser hatten. Das nach aufgehobener Tafel arrangirte Tanzvergnügen hielt die Anwesen den zum großen Theil bis nach Mitternacht zusam men, ja Einzelne sollen erst in den frühen Morgen stunden den Heiligen-Kehraus gebildet haben. — In Glauchau ist ebenfalls ein Weberstreik ausgebrochen, und zwar in der Bäßler'schen Fabrik. Die Arbeiter halten eine Lohnerhöhung von 20 "/o gefordert, welche Forderung entschieden abgelehnt wurde. Darauf ist die Bäßler'sche Fabrik geschloffen worden. Aus dem Sachsenlunde. — Wie das Landesconsistorium in der neuesten Nummer seines „Verordnungsblattes" mittheilt, war die Zahl der evangel. Männer- und Jünglings vereine im Königreich Sachsen am Schluffe des Jahres 1882 bis auf 30 Vereine mit 1211 Mit gliedern angewachsen, auch hat sich in neuerer Zeit ein immer lebendigeres Interesse für diese Vereine kund gegeben. — Mit großer Befriedigung wird in diesem Frühjahre die Beobachtung gemacht, daß das Heidel- beerkraut einen überaus üppigen Blüthenschmuck auf weist. Hunderte von den röthlichen Glöckchen hängen an einem einzigen Sträuchlein und künden den Armen einen guten Gewinn für den Sommer. Nach einer alten Bauernregel, die in den letzten Jahren sich recht gut bewährt hat, richtet sich der Ertrag der Kartoffelfelder nach der Heidelbeerernte. Will man nun nach der Blüthe der Beeren schließen, so werden sich diesmal sowohl Heidelbeer-wie Kartoffel ernte sehr ergiebig gestalten. — Deutschland und Oesterreich haben eine, der jederzeitigen 6monatigen Aufkündigung unterliegende Vereinbarung dahin abgeschlossen, daß die deutschen Aerzte, Wundärzte, Thierärzte und Hebammen, welche in der Nähe der österreichischen Grenze wohnhaft sind, in den benachbarten österreichichsn Ortschaften, die in der Nähe der deutschen Grenze wohnhaften öster reichischen Aerzte, Wundärzte, Thierärzte und Heb ammen in den benachbarten deutschen Ortschaften ihre Berufsthätigkeit in dem Maaße, wie solche ihnen im Heimathland gestattet ist, ausüben dürfen. Hier bei ist jedoch vorausgesetzt, daß damit die Begrün dung eines festen Wohnsitzes in dem andern Staate nicht verbunden ist, diese Personen auch sich der Selbstverabreichung von Arzneimitteln, außer in Fällen drohender Lebensgefahr, enthalten. — Im Prozeß gegen die Ehegattin des Theater referenten Ludwig Hartmann in Dresden wegen thätlicher Jnsultirung des Kammermusikus Meyer verurtheilte die zweite Strafkammer des Landgerichts die Angeklagte wegen Körperverletzung und hinter listigen Ueberfall« in Zusammenhang mit thätlicher und wörtlicher Beleidigung zu fünfmonatlichem Ge- fängniß. In der von Frau Hartmann gegen Meyer erhobenen Widerklage wurde die Beklagte kostenlos freigesprochen. — In Leipzig hat sich dieser Tage ein Comitö zur Errichtung eines Denkmals für Richard Wagner constituirt. In dem Comitö befinden sich u. A. der Oberbürgermeister vr. Georgi, der Director des Stadttheaters Max Stägemann, eine Reihe von Universitätsprofefforen (Lipsius, Wülcker), Musik verleger (Fritzsch, Gurckhaus, vr. Hase, Kahnt, Linnemann) und Tonkünstler (Oscar Paul, C. Rie del, Toltmann, Zopfs). — Auf dem Chemnitzer Jndustrieplatze scheinen die Verhältnisse sehr günstig zu liegen, da Arbeiter fast jeder Art gesucht werden, namentlich aber für die Maschinenbauanstalten und das Baufach. Es sind für dieses Jahr wieder so viel Neubauten ge plant und begonnen, wie in den Jahren der Ueber- production. Schon beginnt der Zuzug der böhmi schen Arbeiter, besonders der Maurer, weil dort schon alle bei steigenden Löhnen vollauf beschäftigt sind. Auch die Böhmen wird man diesmal höher bezahlen und froh sein müssen, überhaupt Arbeiter in ge nügender Anzahl zu erhalten. Auch in den meisten Fabriken und vorzugsweise in den Maschinenbau- Unternehmungen sind die Geschäftsaussichten die besten; bei den letzteren gehen so viel Aufträge ein, daß fast überall das Arbeitspersonal vermehrt wer den mußte. Da fehlt es nun zumeist an Keffel- und Kupferschmieden, Eisendrehern, Maschinenschlos sern, an allen zum Schmied und Schlofferhandwerk gehörigen Arbeitern. — Am Montag Abend wurde bei Chemnitz auf der Limbacherstraße der Führer eines leeren Ziegel wagens durch einen Mann zum Anhalten veranlaßt. Plötzlich zogen aber die Pferde wieder an und durch den unerwarteten Ruck fiel der Geschirrführer, wel cher auf dem Wagen stand, vorn von demselben herab und gingen ihm hierbei die Räder über das rechte Bein und die rechte Hand. Die Pferde selbst liefen eine Strecke Weges fort und blieben dann stehen. — Ein seltenes Beispiel reellen Verhaltens war kürzlich in Mittweida zu verzeichnen. Vor 6 Jahren verließ ein junger Mann das dortige Technikum mit Hinterlassung von 30 Mk. Schulden an seine Wirthin. Letztere empfing nun in den letzten Tagen aus Ostindien 40 Mk. nebst einem entschuldigenden Begleitschreiben und der Bemerkung, daß 10 Mk. Zinsen beifolgten; die Empfangsbestätigung möchte nach Montevideo gesendet werden. — In Treuen sind behufs Erlangung eines Bürgermeisters von dem städtischen Collegium bereits die nöthigen Schritte gethan. Die Stelle ist mit 4500 Mk. zur Bewerbung ausgeschrieben. Während dieselbe dem früheren Inhaber ein Fixum von 3000 Mk. brachte und die Ausübung der advokato- rischen Praxis gestattete, erhält der neue Bürgermeister 4500 Mk. Gehalt ohne Erlaubniß zu rechtsanwalt lichen Nebengeschäften. — In einem Coupe des Annaberger Personen zuges starb am Montag Abend auf der Strecke zwischen Flöha und Nieoerwiesa eine über Weipert von Karlsbad kommende ältere Dame. — Eine dritte Porzellanfabrik, welche im Triebisch- thale zu Meißen, also in der Nähe der königlichen Porzellan-Manufactur erbaut werden soll, wird einen sehr bedeutenden Umfang erhalten und mehreren Hundert Arbeitern und Arbeiterinnen Beschäftigung gewähren. Während der letzten Tage war man aus dem sehr ausgedehnten Baucomplex mit dem Abstecken für die einzelnen Abtheilungen der Fabrik beschäftigt. — Bei dem Jalousienfabrikanien H. in Oschatz hat eine Ziege zwei Junge zur Welt gebracht, von denen das eine gewiß eine Seltenheit ist. Es ist vollkommen haarlos, hat dunkelgraues Fell, 4 Hörner und Rehläuftchen. Beide Thierchen, ca. 4 Wochen alt, sind wohlauf und munter. — In der Nacht zum Montag hatte sich ein Dieb in die Wohnung des Restaurateurs Kaufmann in Geithain einzuschleichen gewußt, welche im ersten Stockwerk liegt, hat aus den Kleidern des Genann ten den Kaffenschlüffel entnommen und mit diesem den im Parterrelokale befindlichen Geldschrank ge öffnet und aus diesem über 1000 Mark entwendet; dann ist er durch ein Fenster entflohen. — Am 6. Juni d. I. findet in Leubnitz bei Werdau eine vom landwirthschaftlichen Kreisverein des Vogtlandes veranstaltete Kreisthierfchau statt. — In Adorf beschäftigen sich die städtischen Collegien wiederholt mit der Frage, wie die Er hebung der Gemeindeanlagen am passendsten ein zurichten sei. Ein Antrag auf Regulirung der städtischen Steuern auf Grund des Ergebnisses der Einkommensteuerabschätzung fand nicht den Beifall der Mehrheit, und so wurde beschlossen, für dieses Jahr versuchsweise bei den Stadtanlagen die sonst nicht in Betracht gekommenen Schuldzinsen wenig stens bei gewerblichen Anlagen zu berücksichtigen. Da man die Einkommensteuer nur deshalb nicht al» Norm gelten lassen wollte, weil den Festbesoldeten nach § 30 der revidirten Städteordnung ein Fünftel ihres Einkommens bei Erhebung der Gemeinde steuern zu Gute gerechnet wird, die mehrfach schon besprochene Petition von Meerane um Aushebung dieser Bestimmung aber auch nicht den Beifall aller Gemeindevertreter fand, so konnte man das Anlage regulativ nur auf Grund eines Compromisses ab- ändern. Nach einer hierher gelangten Verordnung der königl. Kreishauptmannschaft Zwickau kann die selbe der Abänderung nicht zustimmen, weil dadurch die kleinen Landwirthe, welche Schuldzinsen zu be zahlen haben, am schlechtesten wegkämen.- Die ge nannte Behörde giebt in dem Schreiben zugleich an, daß jene Vergünstigung der Festbesoldeten mit gutem Grunde zu Recht besteht und daß alle Ver suche, diese Bestimmungen zu umgehen,- nicht ge nehmigt werden könnten. Es ist nunmehr eine aus fünf Mitgliedern bestehende Commission zur Aus arbeitung eines neuen Anlagenregulativs für die Stadt gewählt worden. — In dem Jahresbericht der Geraer Handels kammer pro 1882 wird der Aufschwung der Kamm- wollenwaaren-Industrie hervorgehoben. Exportirt wurden nach den Vereinigten Staaten von Nord amerika an wollenen Kleiderstoffen 1881 1882 1. Quartal Mk. 167,175,72. 517,078,02. 2. „ „ 89,823,85. 234,599,33. 3. „ „ 207,463,42. 829,072,19. 4. „ „ 199,881,76. 319,248,95. Mkk. 664,344,75. 1,899,998,49. oder mehr gegen das Jahr 1881 Mk. 1,235,653,74. Die Gesammt-Exportziffer der Geraer Consular- Agentur betrug für 1882 Mk. 3,058,434,90. gegen „ 1,751,605,72. 1881, also mehr Mk. 1,306,829,18. Auch hierbei sagt der Bericht, stellt sich erfreulicher weise heraus, daß die Befürchtungen, welche man bei unserer jetzigen Wirthschaftspolitik für die Exporl- sähigkeil unserer Industrien hegen zu müssen glaubte, sich als grundlos erwiesen haben. Der Inhalt des Knopfes vom Rath- hausthurm- Unserem gestrigen Versprechen, den Wortlaut der in dem kürzlich abgenommenen Knopf des Rathhaus- thurmes enthaltenen Schriftstücke zu veröffentlichen, kommen wir nachstehend nach und bemerken wir nur noch, daß das erste aus dem Jahre 1731 offen bar bereits in dem in Rede stehenden Knopfe ein gelegt war und im Jahre 1785, wo Fahne, Knopf und Spindel wiederum ausgebeffert werden mußte, abermals mit beigelegt wurde. Das Schriftstück aus dem Jahre 1731 lautet: „Werdet Ihr mich aber nicht hören, so will Ich ein Feuer unter Eüren Thoren anstecken, daß die Häuser zu Jerusalem verzehren, und nicht geleschet werden soll. Willio 1727, den 6. hat sich der Grimm des allerhöchsten Gottes über die Boßheit und Sün den, der Hoch Gräfl. Schönb. Stadt Waldenburg und deren Einwohner in der Ring Mauer, derge stalt entzündet, daß des Nachts zwischen 11 und 12 Uhr eine unvermutbete Feüer Flamme in Paul Köhlers Stall an Glauchaischen Thore, da alles in festen Schlaff gelegen, ausgebrochen, und also umb sich gegriffen, daß binnen 8 Stunden die Stadt von Glauchaischen Thore bis zum Obern Thore, von der in der langen Gaffen übern Mark bis ans Schloß, jämmerlich abgebrandt, und durch die Flamme 143 Häußer, mit allen ein Gebäuten, Droy Geistl., 2 Schul-Häußer, das Rath-Hauß, und Herrschaftliche Maltz-Hauß, in die Asche geleget, viel 1000 Thlr. zu Grunde gegangen, und die armen Abgebrandten in äußerste Armuth gesetzet, Gott aber sey ewig Dank, die Kirche, Schuhle, das Schloß, und der sogenandte Finken Herdt, mit seinen Gebäuthen erhalten, und kein Mensch, vom Feüer getödtet worden. Dieser Väterl. Heimsuchung nun, haben sich die Abgebran- den zu Gott in Buße unterworfen, und Ihre Woh nungen ^.nno 1728, 1729 und 30 mit Kummer und Sorge, unters Dach gebracht. Und hat r6Air6t der Hochgebohrne Graf und Herr, Herr Ochrist-ian Hkinriosts, des Heil. Röm. Reichs, Graf und Herr, von Schönburg, Graf und Herr zu Glaucha und Waldenburg, wie auch der Nieder-Grafschaft Har tenstein, und Herrschaft Lichtenstein Sr. Röm. Kay- ferl. und Catholischen Maj. Oaroli VI. Würklicher