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Deutscher Reichstag. Sitzung vom 20. Januar 1883. Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die Inter pellation des Abg. Schalcha, detr. die Seelsorge der katholischen Soldaten in Kosel. Kriegsminister von Kamele erklärt, daß er Erkundigun gen einziehen lassen und in acht Tagen in der Lage sein werde, die Interpellation zu beantworten. v. Wedell-Malchow nimmt das Schlußwort in der Ge neraldebatte über seinen Antrag auf procentuale Besteuerung der Börsengeschäfte. Er werde sich durch die gegnerischen Altgriffe in der Presse nicht beirren lassen. Dem Abg. Bü sing entgegnete er, daß sein Antrag wohldurchdacht sei; er anerkenne aber, daß Büsing der einzige Redner der Linken gewesen, der sich nicht gegen den Gedanken einer schärferen Heranziehung der Börse zugewendet habe. Den Juristen der Regierung würde es hoffentlich gelingen, eine zutreffende Definition für Zeitgeschäfte, wie er sie mit seinem Antrags treffen wolle, zu finden. Man spreche immer von legitimen und illegitimen Zeitgeschäften; aber wenn ein Geschäft auch legitim sei, so dürfe es deshalb doch besteuert werden, wie die Grundstücksverkäufe bewiesen, die doch auch versteuert würden. Nach einigen persönlichen Bemerkungen wird der Antrag an eine 2Igliedrige Commissiorl verwiesen. Gegen Commissionsverweisung stimmen Fortschritt und Secession. Hierauf wird in die zweite Beraihung des Reichs haushaltetats pro 1883/84 eingetreten. Der Etat des Bundesrathes wird ohne Debatte an genommen. Zum Etat des Reichstages spricht Abg. vr. Lieber Na mens der Bibliothek Commission über die Reichstags-Biblio thek und deren Benutzung. Im verflossenen Jahre sind 4000 Bände aus der Bibliothek verliehen worden. Redner bekundet zugleich die Anerkennung der Commission für die Thätigkeit des Bibliothekars; demselben wird auf An trag des Abgeordneten vr. Braun der Dank des Hauses ausgesprochen. Die Etats für Reichskanzler und Reichskanzlei, sowie für das auswärtige Amt werden genehmigt. ' Beim Etat des Reichsamts des Innern lenkt Abg. Rei niger die Aufmerksamkeit auf den von Deutschland aus be triebenen Mädchenhandel undfragt, was geschehen sei, diesem unwürdigen und den deutschen Namen besudelnden Treiben ein Ziel zu setzen. Bundescommissar Weymann erwidert, daß derselbe Miß stand auch anderwärts hervorgetreten sei. Die niederländi sche Regierung habe zu einer internationalen Conferenz ein geladen, die sich mit dieser Angelegenheit beschäftigen solle, Deutschland werde sich daran betheiligen. Auf eine An frage des Abg. vr. Buhl entgegnet derselbe Regierungs- commissar, daß ein Ausführungsgesetz zur internationalen Reblaus-Convention in Vorbereitung begriffen sei. Abg. vr. RLe spricht in längerer Reds für eine Reform des Schulwesens. Unsere Volksschulen seien Standesschulen; die Talente zeigten sich erst nach dein 14. Jahre, deshalb sollte vorher kein Unterschied zwischen den Kindern Armer und Reicher gemacht werden. Eine solche Regelung könne nur reichsgesetzlich erfolgen. Bundescommissar Bosse theilt mit, daß die Berufs-Statistik ein selten treffliches Material ergeben. Möller beantragt Streichung der Vertretungs-Gelder für den Director des Gesundheitsamts. Director Struck erwidert, daß er nur dem Reichskanzler verantwortlich sei. (Oho!) vr Goldschmidt verkennt die Thätigkeit des Reichsge- ' sundheitsamtes nicht, beklagt aber, daß die Ausführungsbe- stimmungen zum Nahrungsmittelgesetz noch immer nicht er schienen seien. Es hätten sich daraus Nachtheile ergeben, namentlich für die Chocoladen- und Brauindustrie. vr.Möller glaubt am allerwenigsten, dem Director des Reichgesundheitsamts Anlaß zu einem so brüsken und heraus fordernden Tone gegeben zu haben. Derselbe scheine von seinem hohen Chef Etwas gelernt zu haben; aber Eines schicke sich nicht für Alle. Er vertrete nur das Recht des Reichs tages und seiner respectablen Mitglieder, jede Etatsposition sachlich zu prüfen. vr. Hänel: Der Dnector im Gesundheitsamts betracht- feine Stellung wie eine Privatstellung, das sei ein Jrrthum. v. Minni'gerode befürwortet die Bewilligung. Schrader weist darauf hin, daß auch für die Weinpro- Tuction Bestimmungen zur Ausführung des Nahrungsmittel gesetzes mangeln. vr. Braun und Rickert treten für gesetzliche Regelung der die Weinfälschung betreffenden Verhältnisse ein. Die Richter seien jetzt auf die Gutachten der Sachverständigen angewiesen, die sich widersprächen. Die dadurch hervorge rufene Unsicherheit gefährde die heimische Weinindustrie. vr. LingenS rühmt die sorgfältigen Erhebungen in Sachsen bezüglich des sanitären Einflusses der Nähe der Friedhöfe. Das Gesundheitsamt solle die Sache in die Hand nehmen. waltet, UM nicht geringe Beträge geschädigt. Die Verwaltung seines Postens ist einstweilen dem Bei geordneten Herrn Krug übertragen. Vermischtes. Was ist zu thun, wenn Jemand von einem wüthenden Hunde gebissen morde» ist? Unmittel bar nach dem Biß suche man durch energisches Drücken und Pressen die Wunde zum Bluten zu bringen und zwar sowohl tiefe wie oberflächliche Bißwunden. Man wasche sie so sorgfältig als möglich mit viel Wasser, wenn möglich mit einem Wasserstrahl oder irgend einer anderen Flüssigkeit eventuell sogar mit Urin, bis die Wunde geätzt wird. Die Aetzung kann mit Wiener Aetzpasta, Antimonbutter, Chlorzink, besonders aber mit dem Glüheisen geschehen, das das beste Aetzmittel ist. Jedes Stück Elsen, dout und brivAlo Plissireisen, Schlüssel, das zur Rothglühhitze erhitzt ist, kann zur Kur der Wunde verwendet werden und zwar müssen alle Theile der Wunde ausgebrannt werden. Der Erfolg der Cauterisation (des Aetzens) hängt von der Sorgfältigkeit und Raschheit ab, mit der sie ge macht ist. Jedermann kann sie anwenden vor der Ankunft des Arztes. Die Aetzungen mit Ammoniak und den verschiedenen alkoholischen Mitteln sind gänzlich unwirksam. (Zürich. Bltt. f. Gesundheitspfl.) Gambetta's Abstammung. Von einem sehr be rufenen und wohl orientirten Gewährsmann wird der „Allgem. Schweizer Ztg." die interessante Mit- theilung gemacht, daß die Familie Gambetta's eine schweizerische ist und aus dem Dörfchen Jntragna, westlich von Locarno, stammt. Im vorigen Jahr hundert reiste ein Kaminfegerknabe, namens Gam betta, einer in jenem Dorfe jetzt noch vertretenen Familie, nach Genua aus. Er brachte es dort so weit, daß er sein Handwerk aufgeben und sich dem Handel widmen konnte. Sein Sohn wanderte später als Kaufmann nach Cahors und dies ist der noch lebende Vater Gambetta's. Allerlei. Den Nachforschungen der Polizei ist es gelungen, den Mörder des Privatmannes Dähne und der unverehelichten Sander zu Magdeburg in der Person des Handelsmannes und Restaura teurs A. Ziegler, früher in Völpke, gegenwärtig in Schleuß bei Demker, Kreis Stendal, zu ermitteln und festzunehmen. Wie die „Magdeb. Ztg." meldet, sind die Mordwerkzeuge und mehrere der fehlenden Coupons in seinem Besitz gefunden worden. — Hans Markart's Gemälde „8ub rosa" ist in Berlin in Lepke's Kunstauctionshaus zur Versteige rung gekommen; das Angebot erfolgte mit 5000 Mk., der Zuschlag bei 10,400 Mk. Für diesen Preis erstand es Kunsthändler Platzer in eines Andern Auftrag. Das Bild bleibt in Berlin. Die bemalte Leinwand figurirte in der Alberts-Lotterie als erster Gewinn. Markart halte dafür 20,000 Mk. vom Albertsverein erhalten, der also jetzt beinahe die Hälfte einbüßt. — Die Bibliotheken von drei berühmten Deutschen befinden sich jetzt in Amerika. Boston erwarb die Bibliothek des deutschen Dichters Freiligrath, die Cornell Universität zu Jlhaca, New- Aork, 1868 die Bibliothek des berühmten deutschen Philologen und Sanskritforschers Franz Bopp, Pro fessors in Berlin; Baltimore fügte seinen Schätzen die Bücher Bluntschlis bei, der, wenn auch in der Schweiz geboren, doch in allen seinen Ideen deutsch war. — In der Nobel'fchen Dynamilfabrik Krümmel bei Geestehacht a. d. Elbe erfolgte am 15. Januar Nachmittag eine große Explosion, welche 4 Men schenleben zum Opfer fielen. In einem Schuppen, worin das als Hauptbestandtheil der Dynamitpa- tronen dienende Sprengöl gewonnen wird, ist ver- muthlich durch eine Unvorsichtigkeit die Explosion hervorgerufen worden. Dieser Schuppen und der benachbarte sind in die Luft geflogen. Die a»ge- richtelen Verheerungen spotten jeder Beschreibung. — Nach der Consl. Ztg. sind bei etwa 30 Bier brauereien des Bezirks Constanz durch die Staats anwaltschaft Bierproben Behufs chemischer Unler suchungen entnommen woroen. Grund hierfür soll die Untersuchung gegen einen Chemiker in M. sein, der mit dem Nahrungmittelgesetz in Conflict gerathen ist. Aus den veschlagnahmlea Geschäftsbüchern die ses Chemikers geht hervor, daß derselbe mit einer Anzahl Bierbrauer Badens in Verbindung stand und ihnen von seinem „Lebenselexir" verkaufte, von welchem man mit 1 Liter 100 Hektoliter Bier „fabriciren", bezw. „entsäuern" oder „wieder gul" machen können. Die chemische Untersuchung führt Herr Professor Birnbaum in Karlsruhe aus. — Die Arbeiter der Knopffabrik von Herschmann in Mariaschein bei Teplitz revollirten am Freitag Nachmittag. Der Buchhalter wurde lebensgefährlich verwundet. Der Besitzer mußte flüchten; die Gen darmerie schrill ein und verhaflele die Anstifter. Die Arbeit ist eingestellt. — Der französische Dam pfer „Picardie" ist auf der Fahrt von New-Jork nach Havre gesunken. Tie ganze Besatzung wurde gerettet. — Am 19. d. fuhr ein Expreßzug der Southern Pacific-Eisenbahn (Nordamerika) infolge eines Bruches der Bremsketten unweit Los Angeles einen steilen Abhang von 4 Meilen mit einer über mäßigen Schnelligkeit herab und stürzte über die Einfriedigung. Die Trümmer des Zuges fingen Feuer. 15 Personen wurden getödtet, mehrere da von waren verbrannt und 14 andere verletzt. 7 Leichname sind aufgefunden, dieselben sind aber unkenntlich. — Die „Cimbria", von Hamburg aus gehend, ist infolge einer Collision mit einem eng lischen Dampfer bei Borkum gesunken; was ge rettet worden, ist noch nicht bekannt. — Ein Berg sturz hat die Eisenbahnlinie Bra-Savonna (Italien) unterbrochen. — In Clayette (bei Macon, Frank reich) zerstörte eine Dynamit-Explosion das Laboratorium der neuen Eisenbahn. Es gab meh rere Tobte und Verwundete. Erziehungswesen rmv Gesund heitspflege. (Erscheint jeden Dienstag.) Worte einer Mutter über Kindheitspflege an ihre jüngeren Schwestern. XXXIII. Zum Segen der Menschheit hat sich seit einigen Decen- nien, auch die Medicin des Systems der einfachen Kinder pflege angenommen, und man sieht in den vornehmsten Häusern die Betten und Nahrungsmittel der Kinder, auf specielle Anordnung des Hausarztes, höchst einfach und zweckmäßig bereitet. Von dieser Seite wäre also der Feind der Verweichlichung aus einer seiner wichtigsten Verschanzungen getrieben, denn da man in höheren Krei sen einmal gewöhnt ist, den Arzt als den festen Repräsen tanten des körperlichen Departements zu betrachten, so beugt man sich auch willig seinen Verfügungen. Wie aber steht es um die geistige Auffassung dieser Frage, wenn sie in das Gebiet der Widerwärtigkeiten des Lebens streift? — Hier vor allen Dingen wird es nöthig, früh und fest, dem schwachen hilflosen Kinde ein Vorbild kräftigster Selbst beherrschung, auf alle erdenkliche Weise zu geben, und ge rade die Besiegung kleiner Leiden, fördert die Entwickelung so mancher Tugend, daß wir uns bei der Besprechung dieses Themas ausführlicher zu verständigen haben, wollen wir seiner hohen Bedeutung die volle Wichtigkeit verleihen, die ihr unbedingt zuerkannt werden muß. Hier, wie überall, müssen wir selbst dem Kinde unverzagt voran gehen, und ihm durch unsere Kaltblütigkeit bei Heranziehen den Gefahren zeigen, daß Gegenwart des Geistes das beste Heilmittel bei unvorhergesehenen Uebeln ist. Ist Eurem Lieblinge ein Unfall widerfahren, und er kommt schreiend, etwa mit verletzter Stirn oder Hand, zu Euch gelaufen, so wischt ruhig das herabfließende Blut fort, und beherrscht Eure eigene Angst sorgfältig, um dem Kinde mit Gleich- muth in einem ruhigen Tone zu beweisen: daß Ihr un möglich ein festes Urtheil über seinen Zustand erlangen, und daher auch nicht das rechte Mittel gegen seine Schmer zen treffen werdet, so lange es schreiet und winselt. Es möge Euch daher umständlich berichten: was mit ihm vor gegangen sei, und wo es den ärgsten Schmerz fühle. Durch dieses Apelliren an seine Geistesthätigkeit tritt schon von seihst das körperliche Leid etwas in den Hintergrund, und Du hast viel gewonnen, meine Schwester, denn Du hast den ersten Funken der Besinnung, hei einem trostlos ver zagenden Jammern Deines Kindes hervorgerufen. Ge wöhnt sich das Kind nach und nach daran, sich selbst und Anderen jederzeit Rechenschaft über die ersten Ursachen eines Leidens geben zu können, so ist der Anfang zur muthigen Beherrschung derselben gemacht. Hast Du nun das Kind ernst und mitleidsvoll angehört, und, trotz Schluchzen und Thränen, dennoch verstanden, wodurch es sich verbrannt, oder geklemmt, so verschaffe ihm ohne Hast, aber selbst sorgend, Linderung; führe ihm aber zugleich sein Betragen, bei dem fast immer durch eigene Schuld Herbeigeführten Uebel, recht vor, und zeige ihm unter Be dauern, wie leid es Dir sei, daß Dein liebes Kind jetzt durch seine eigene Unvorsichtigkeit, oder durch Ungehorsam, (in welche Kategorie die Schuld nun zu bringen sei), so leiden muffe. Der Wunsch sich so gut als möglich zu ver- theidigen, lätzt das lebhafte Kind oft einen momentan durch Dick erhöhten Schmerz, wie vielleicht das Herausziehen eines Dornes oder Splitters ganz vergessen, zumal wenn Du es so einrichtest, daß es Dich nicht agiren sieht, und Du hast durch diese Behandlungsart einen Weg eingeschla gen, der Dir und Deinem Kinde wohlthut. Natürlich rede ich hier nur von dem weichen mütterlichen Vorwurfe, der dem Kinde durch dies Apelliren an sein Ehrgefühl, über den Ausbruch des ersten Schmerzes forthelfen will; ein solches Streben aber giebt sich schon seiner ganzen Natur zufolge, als ein sanftes ruhiges Ermahnen kund. Ankunft der Bahuzüge iu Walsenburg. Aus der Richtung chkailchau: Vorm. 8. 21, Nachm. !2 12 und 3. 30, Abends 6. 32 und 0. 46. Aus der Richtung Wurzen: früh 6 26 (von Psniq ad), Vorm. 10. 56, Nachm. 2. 15 und 5. u2 (von Großbot,^ ab), Abends 8. 40. Abfahrt der Bahnzügc von Waldenburg. In der Richtung Hlauchaur früh 6. 33, Borm. 10. 57, Nachm. 2. 25 und 5. 26, Abends 8. 44. In der Richtung Wurzen: Vorm. 8. 22, Nachm. 12.13 (nur bis Großbothen) und 3. 35, Abends 6. 34 unr 9. 47 (nur bis Penig). Ortskalender von Waldenburg. Keuerkgnale: Bei 3 Schlägen Feuer in der Stadt, bei 2 Schlägen in Altwalvenburg unv Eichlaive, bei 1 Schlag in Altstadt-Waldenburg. Worschußvereiu, hinter der Kirche Nr. 243, parterre: Ge- öffnet orn Vormittags 9—12 Uhr und von Nachmit tags 2—5 Uhr. Sonntags geschlossen. Zkoü» und T«legraphen-Amt: Geöffnet Wochentag- von Vorm. 8—12 Uhr, Nachm. 2—7 Uhr. Sonn- u. Feiertags von Vorm. 8—9 und 11—12 Uhr, Nach mittags 5—7 Uhr. König!. Steueramt: Obergasse 41. Expeditionsstunden von Vorm. 8 bis 12 und Nachm. von 2 bis 5 Ubr. Standesamt: Cxpeditionsstunden Wochentags van Vor mittags 8—12 Uhr, Nachmittags von 2—6 Uhr. So n> tags geschlossen. Für Eheschließungen nur Kittwocls und Sonnabends Vormittags geöffnet. Sersonensahrpost nach den von hier abgehenden Zügen: Zu den Zügen nach Penig Vorm. 7. 41, Nachin. 3b und 6. 5. Zu den Zügen nach Glauchau Borm. 10. 23, Nachm. 1. 54 und Abends 8. 16. Kürstl. Sparkasse: Geöffnet Dienstags und Sonnabends von Vorm. 8 -1l und Nachm. von 2—5 Uhr.