Volltext Seite (XML)
daß er Schneide hat und eigene Ansichten und Ueberzeugungen, sowie daß er der Feder gewachsen und, obwohl ein Strudelkopf, doch ein geistreicher Redner und Politiker ist. Der Prinz, Sohn des verschwenderischen Königs von Westfalen, empfand in der Jugend lief die Noth des Hauses und wurde so sparsam, daß er als schäbiger Knicker verschrieen ward. Das hält ihn aber nicht ab, seinen Lieb habereien zu fröhnen. Seit Jahren ist er ernst und glücklich dabei, seine Kinder musterhaft zu er ziehen, besonders seinen Thronmitbewerber wider Willen, den Prinzen Viktor. Der Sohn des allen Hieronymus ist auch ein feiner Kunstkenner und Liebhaber eines schönen Hauses nach alter Römer Art. Daß er die gute, fromme Tochter Viklor Emanuels, Clotilde, nicht glücklich gemacht, lag in den politischen Verhältnissen wie in den verschiedenen Charakteranlagen; der Prinz ist schonungslos in frivolen Witzen und in Richtungen und Ansichten den Leuten sehr nahe verwandt, die zur Glanzzeit Gambetta's im Palais Bourbon beim Frühstücks tische ihre derben Witze machten und Land und Leute unter sich vertheilten als die lachenden Erben des Neffen jenes Mannes, der die „Federfuchser" seiner Zeit zum Tempel hinausgeworfen hatte. Der Prinz hat sich seinem Vetter gegenüber oft sehr rücksichtslos benommen, ist von Madame Eugenie stets gründlich gehaßt und verabscheu! worden; aber Napoleon III. würde vielleicht noch leben und re gieren, wenn er den schlechten Rathgebern die Tuilerien verboten hätte, vor denen Jerome ihn so oft unter vier Augen wie auf der Tribüne im Senat gewarnt hatte. Der clencale Zug, die Nach giebigkeit gegen Papst und Episkopat, die Besetzung Roms, die Verdumpfung in der Provinz, das alles hat der Prinz von jeher gerügt, aber großen Beifall nie gefunden, weil er nicht zu rechter Zeit zu reden und zu rechter Zeit zu schweigen und seine Gedanken in eine Form zu bringen weiß, die dem Franzosen verständlich ist, und seine „Gefühle" schont. Man muß diese persönlichen Eigenschaften des Mannes kennen, um zu begreifen, wie er zu seinem plötz lichen Ausbruche von Patriotismus und politischer Kritik gelangt ist, der ihn in die Haft führte und wahrscheinlich demnächst zum Lande hinaus bringen wird. Der Prinz hat bereits das 60. Lebensjahr überschritten. Italien. Ueber größere Excesse, welche am letzten Sonn tag in Florenz durch die Rekruten des Jahrganges 1862 stattfanden, wird von dort Folgendes geschrie ben: Statt sich, wie üblich, einzeln in der Kaserne zu stellen, durchzogen die Rekruten in lärmenden Haufen die Straßen mit Fahnen, bis sie abends spät die Kaserne im Castell Basso unter Tumult, etwa hundert Mann stark, betraten. Vergeblich ermahnte der wachthabende Offizier, Ordnung zu halten. Die Rekruten antworteten mit Rufen: „Nieder mit Oesterreich! Es lebe Oberdank!" Dann zündeten sie die Betten neben Ler Pulverkammer an. Die Gefahr wurde rechtzeitig entdeckt. Schließ lich brauchte die Wache Gewalt, gegen welche die Rekruten sich wüthend sträubten. Ein Offizier und ein Korporal erhielten Dolchstiche. Acht Rädels führer wurden dem Kriegsgericht überwiesen. Alle Rekruten wurden als in Haft befindlich erklärt. Unter ihnen entdeckte man zwei ältere Strolche, welche die Aufreizung besorgten. Offenbar versuch ten Radikale auch im Heere ihre Wühlereien. Der Eindruck ist ein äußerst peinlicher. Dazu kommt, daß in der Nacht zum 16. d. M. von den in der Festungskaserne consignirlen Rekruten siebzig mittelst Leitern durch die Fenster entflohen. Einige wurden am nächsten Tage außerhalb Florenz verhaftet. Die anderen werden von Carabinieris verfolgt. England. Parnell ist nach Norbdeulschland abgereist, wie es heißt, im Interesse der irischen Industrie, welche er zu fördern wünscht. Türkei. Der deutsche Botschafter von Radowitz ist am 18. Jan. vom Sultan in Audienz empfangen wor den. Gegen Frankreich will Rußland nicht zurück stehen in der Bewerbung um die türkische Gunst. Der Kaiser von Rußland hat daher Server Pascha und Affym Pascha den Großkordon des St. Annen- Ordens verliehen. Aus dem Muldenthale. *Waldenburg, 22. Januar. Mit Genugthuung können wir constaliren, daß bei der Kochkunst-Aus- stellung zu Leipzig auch ein Waldenburger Einwohner, und zwar der fürstliche Mundkoch, Herr Wilhelm Brandt, zum Preisrichter ernannt worden ist. *— Im benachbarten Grumbach brannte ver gangene Nacht die Scheune des daselbst befindlichen fürstlichen Gutes ab. Die Entstehungsursache des Feuers ist noch unbekannt. Aus dem Sachsenlände. — Erledigt sind nachstehende Lehrerstellen: Eine ständige Lehrerstelle in Connewitz. Koll, der Ge- meinderath in Connewitz 1050 M. Gehalt, 100 M. Logisgeldäquiv. für unoerheirathete und 200 M. für verheirathete Lehrer. Außerdem von 5 zu 5 Jahren Alterszulagen in der Höhe von 150 M., bis das Maximalgehalt von 1800 M. excl. Logis- gelv erreicht ist. Gesuche bis 3. Februar an den Gemeinderath in Connewitz. — 3. Lehrerstelle an der Schule zu Obercunnersdorf. Koll. ob. Schulbeh. 840 M., Wohnung, Garten. Gesuche bis 1. Febr. an Bezirksschulinsp. Grüllich in Löbau. — 5. und 6. ständ. Lehrerst. an der Schule zu Klingenthal. Koll. Minist. d. Kult. Einkommen jeder der beiden Stellen: 840 M. nebst Wohnung oder Wohnungs- äquiv. Gesuche bis 7. Februar an Bezirksschulinsp. Perthen in Auerbach. — Seitens des königl. Finanzministeriums ist in Verbindung mit der königl. Generaldirection der Slaatseisenbahnen der in den betreffenden Kreisen freudigst begrüßte Beschluß gefaßt worden, vom jetzigen Neujahr ab denjenigen verpflichteten Arbeitern, welche sich durch Fleiß und gutes Betragen im Dienste besonders auszeichnen und auf diese Weise das Wohlwollen ihrer Vorgesetzten zu erwerben im Stande sind, jährlich 12 freie Tage — und zwar vorzugsweise Sonntage — zu gewähren. Mehrere solcher Arbeiter sind dieser Wohlthat bereits theil- haftig geworden, und gewiß läßt sich dabei erwarten, daß die gebotene willkommene Vergünstigung allseits einen Sporn zu umsichtigster Pflichterfüllung bilden werde. — „Turner ziehen froh dahin!" heißt es in einem bekannten Liede, und es muß wohl wahr sein, was in diesem Liede gesungen wird, denn die Turn fahrten nehmen immer mehr zu und erfreuen sich immer größerer Betheiligung. Schon jetzt, mitten im Winter, werden für die wärmere Jahreszeit neue Fahrten geplant. Einer von diesen Plänen ist besonders großartig, und darum wollen wir ihn erwähnen, es ist der Plan einer Alpenturnfahrt, die der vierzehnte Turnkreis, der aus den Vereinen des Königreiches Sachsen besteht, zu machen gedenkt. Eingeladen von den Vereinen Lindau, Constanz und Bregenz werden die Turner den Bodensee als Ziel ihrer Reise belrachlen. Die Theilnahme an der „Bodenseeturnsahrt" wird ihrer Billigkeit und Einfachyeit wegen auch dem minder bemittelten Ge nossen wieder, wie seiner Zeit die Fahrt nach Salz burg möglich sein, wenn er es nur versteht, in seinem Haushalte kleine Ersparnisse zu erzielen. Und auch für den, der weiter und höher strebt, nach der Ost- fchweiz und ihren beeisten Riesenhäuptern, nach dem viel besuchten Berner Oberlande, nach dem lieb lichen Bregenzer Wald, nach Vorarlberg, nach dem Allgau, nach Tyrol, wird die lustige Fahrt nach dem „schwäbischen Meere" ein glückverheißender Anfang sein. — In nächster Zeit werden neue Reichscassen- scheine zu zwanzig Mark und bald darauf auch solche zu fünf Mark ausgegeben werden. Dieselbn sind in gleicher Weise wie die neuen Reichs cassenscheine zu fünfzig Mark in Kupferstich druck auf Hanfpapier hergestellt, welches mit senk rechten Rippen versehen ist und an dem einen Rande einen mit dunkelblauen Pflanzenfasern durch setzten, besonders auf der Rückseite deutlich erkenn baren bläulichen Streifen enthält. — In der Friedrichstädter (Matthäus-)Parochie zu Dresden soll das neue Gesangbuch mit dem Palmsonntage eingeführt werden. Auch seitens anderer Kirchenvorstände ist die baldige Einführung des Gesangbuchs, das hoffentlich in nicht ferner Zeit allgemeines Landesgesangbuch wird, in Aussicht genommen worden, so von Seilen des Kreuz- und des Frauenkirchenvorstandes, wie von Seiten des jenigen der Annenparochie. — Die Sächsische Bank zu Dresden hat für sich und ihre Filialen den Zinsfuß, zu welchem sie Wechsel auf Dresden, Leipzig, Chemnitz, Zittau, Meerane, Reichenbach i. V., Annaberg, Glauchau, Auerbach i. V., Bautzen, Buchholz i. S., Crimmit schau, Döbeln, Freiberg i. S., Großenhain, Löbau i. S., Meißen, Mylau i. V., Oschatz, Plauen i. V., Riesa, Schandau, Sebnitz, Werdau, Wurzen, und Zwickau i. S., discontirt, auf 4"/o und den Lom bardzinsfuß auf 5°/o festgestellt. — Die Johanniskirche zu Leipzig feiert in die sem Jahre ihr 300jähriges Jubiläum. Sie wurde seitlich der Stelle, wo die alte, in der Belagerung Leipzigs von 1547 verwüstete Johanniskirche ge standen hatte, errichtet. Die erste Leiche, welche in der neuen Johanniskirche beigesetzt wurde, war die des am 28. Januar 1583 verstorbenen Ralhsherrn Jakob Volckmar. Der Baumeister, welcher sie er richtete, hieß Georg Richter. — Nachdem der Termin zur Anmeldung der Betheiligung bei der am 1. Februar in Leipzig be ginnenden Kochkunst-Ausstellung des Deutschen Gast- wirths-Verbandes abgelaufen ist, ist zu constaliren, daß die Zahl der Aussteller die 300 übersteigt; ein Ergebniß, welches die weitgehensten Erwartungen übertroffen hat. — In der Zenker'schen Eisengießerei zu Chemnitz, wo die elektrische Beleuchtung eingeführt worden war, ist man jetzt wieder zum Gas zurückgekehrt. — Das Arbeiterpersonal der Sächsischen Maschinen fabrik in Chemnitz hat durch eine Sammlung für die Ueberschwemmteu am Rhein unter sich die ansehn liche Summe von 477 M. 98 Pf. aufgebracht, ein schönes Zeugniß von Opferwilligkeit und zugleich da für, wie die einzelnen Groschen auch Unbemittelter dazu beitragen, die große Noth der rheinischen Brüder zu lindern. — Im verflossenen Monat sand in Werdau eine allgemeine Fabrikarbeiterversammlung stalt. In derselben wurde unter Anderem beschlossen, bei den Fabrikanten dahin vorstellig zu werden, daß die Arbeitszeit von früh 6 bis abends 7 Uhr festgesetzt, dieselbe also um eine Stunde täglich vermindert werde, ohne daß jedoch eine Lohnkürzung eintrete. Der Fabrikantenverein hat indeß dem Gesuch der Fabrikarbeiter mit Rücksicht auf die große Concur- renz nur insofern Beachtung zu Theil werden lassen, als er beschlossen hat, die Arbeitszeit blos Sonn abends um 1 Stunde zu kürzen, den Lohntag aber auf Freitag festzusetzen. — In Plauen i. V. sind in der Zeit vom 13. bis 19. d. abermals 5 Kinder im Aller von 3 — 4 Jahren am Scharlach bez. an der Diphlheritis ge storben. — In Adorf herrscht große Freude über die an gelangle Mittheilung, daß das dorlige Amtsgericht erhalten bleiben soll. Die Stadt Halle am Freitag geflaggt. — Glaubhaftem Vernehmen nach ist der ehe malige Realschuldirector Horche aus Leisnig, welcher bekanntlich vor einiger Zeit wegen unehrenhafter Handlungen in Anklagestand versetzt, indessen flüchtig und steckbrieflich verfolgt wurde, jetzt in Augsburg aufgegriffen worden. — Vorigen Sonntag, 14. Januar, fand in dem festlich geschmücklen Gotteshause zu Kroppen unler entsprechender Feierlichkeit der Uebertritt des Israeli ten Kaufmann und Fabrikbesitzer Ehrenfreund aus Orlrand, nachdem derselbe längere Zeit von Pastor Cherubin in Kroppen Unterweisung in den Haupt lehren der christlichen Religion erhalten, von dem Juden- zum Christenlhume statt. — In Bernstadt sollten dem „Sächsischen Postil lon" zufolge in der Mord - Affaire Wenzel neuerdings weitere Verhaftungen vorgenommen worden sein. Die inhaslirten Geschwister Wenzel erlassen übrigens einen Aufruf, worin 900 Mark für Entdeckung des Mörders ihres Bruders geboten werden, wiederholt, während gleichzeitig der Bruder des Ermordeten folgende „Warnung" in dasselbe Blatt hat einrücken lassen: „Alle Diejenigen, welche falsch gegen mich urtheilen, sowie falsche Gerüchte verbreiten, werden, wenn es zur Oeffenllichkeit ge langt, durch die Gerechtigkeit bestraft werden. Bern stadt, den 14. Januar 1883. Der Bruder: G. E. Wenzel." — Der Gewerbeverein in Koburg ist mit Aus nahme eines Mitgliedes für die Einführung obliga torischer Arbeitsbücher. Nur der Gewerbeverein in Jena hat sich bis jetzt in Thüringen zwar für eine schärfere Kontrole der Arbeiter, aber gegen die Ar beitsbücher ausgesprochen. Es sei übrigens noch erwähnt, daß nach Angabe des Koburger Gewerbe- Vereins sich dort der Hausirhandel in Folge höhe rer Besteuerung bedeutend vermindert hat. — In Nordhausen büßte am Donnerstag der Dresdner Maler Carl Reimann, der erst vor Jahres frist dorthin übergesiedelt und einer der besten Tur ner Deutschlands war, plötzlich sein Leben ein und — gerade an dem Tage, an welchem er sich vor einem Jahre verheirathet halte. Bei einem Turnfest wollte er eben die Rlesenwelle mit dem sogenannten Todtensprung machen, blieb am Reck hängen und brach sofort das Genick. Er starb, ohne einen Laut von sich zu geben. Reimann zählte erst 27 Jahre. Die Theilnahme ist eine allgemeine. — Am Sonnabend brachte die Nachricht der Con- curseröffnung über das Vermögen des Bürgermeister- Krueger in Gefell in das Städtchen große Aufregung und allgemeinen Schrecken. Krueger, der sich in vielfaHe schlechte Speculationen eingelassen, hat dadurch nicht nur viele Privat-, meist wenig bemittelte Leute, son dern auch das Kirchenvermögen, deren Kasse er ver-