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GiAnM Tagthlati Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstaltsn, die Expedition und die Colporteure dreses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, den 23. Januar 1883. 17. "Waldenburg, 22. Januar 1883. Prinz Karl -j-. Der Tod hält im neuen Jahre unter Denjenigen, welche in der menschlichen Gesellschaft eine hervor ragende Stellung einzunehmen berufen sinv, eine reiche Ernte. Der Telegraph meldet uns heute wieder die Trauerkunde von dem Tode des Prinzen Karl von Preußen, des Bruders unseres Kaisers Wilhelm. Am Dienstag halte sich der Prinz in seinem Garten in Berlin erkältet und sich einen Lungenkatarrh zugezoqen, wozu noch das lange Krankenlager infolge Beinbruchs und der dadurch entstandene Bewegungsmangel den Prinzen fehr disponirt hatten. Die Krankheit nahm rasch einen ernsten Charakter an. Um 1.1 Uhr gestern Vor mittag begann der Todeskampf. In den Vormit tagsstunden waren der Kaiser, der Kronprinz und die Kronprinzessin in das Palais des hohen Kranken geeilt, der indessen nicht mehr im Stande war, die erlauchten Besucher zu erkennen. Um '/e2 Uhr be gab sich der Kaiser nochmals in das Palais des Prinzen Karl, um mit demselben das heilige Abendmahl einzunehmen; in Folge zu großer Schwäche mußte aber die heilige Handlung unter bleiben. Der Kranke unterhielt sich mit dem Kaiser und den später eingelroffenen Prinzen durch Ge- berden. Der Generalsuperintendent Kögel betete mit den Majestäten am Lager des Sterbenden; während des Gebetes entschlief der Prinz 10 Mi nuten vor 2 Uhr nachmittags. Eine Lungenläh- mung hatte seinem Leben ein Ende gemacht. So fort wurde die Flagge auf dem Palais auf Halbmast gehißt. Um 2 Uhr erschien das Kronprinzenpaar, die Mitglieder des Hofstaates, die hohe Generalität und eine Anzahl in Berlin accreditirter Diplomaten. Prinz Karl war am 29. Juni 1801 als der dritte Sohn König Friedrich Wilhelms III. von Preußen und der Königin Luise geboren. An den Beifreiungskriegen nahm er wegen seiner Jugend und seines schwächlichen Körpers keinen thätigen Antheil, aber er widmete sich später, wie alle Prin zen des preußischen Königshauses, mit Eiser und Hingebung der militärischen Laufbahn 1854 wurde Prinz Karl Chef der preußischen Artillerie mit dem Titel Generalseldzeugmeister und hat er in dieser Stellung unermüdlich gearbeitet, um diese Waffe auf der Höhe der Zeit zu erhalten. Seit 1853 war er außerdem Herrenmeister des Johanniterordens. Vermählt seit 26. Mai 1827 mit der Prinzessin Marie von Sachsen-Weimar, der Schwester unserer Kaiserin, die am 18. Januar 1877 bereits den Weg in die Ewigkeit angetrelen, sind dieser Ehe 3 Kinder, Prinz Friedrich Karl, der berühmte Generalfeld marschall und Armeesührer 1870, Prinzessin Luise, die jetzt geschiedene Gattin des Landgrafen von Hessen-Philippsthal, und Prinzessin Anna, die Ge mahlin des Landgrafen Friedrich von Hessen, ent sprossen. Der Tod des Prinzen Karl ist zwar nicht von einer großen politischen Bedeutung, aber die Trauer, welche durch denselben das deutsche Kaiserhaus be troffen, breitet einen düsteren Schleier aus über die Familienfestlichkeiten, für welche der kaiserliche Hof in umfassender Weise sich gerüstet hatte; sollte doch in den nächsten Tagen, am 25. Januar, das silberne Ehejubiläum des deutschen Kronprinzenpaares in fest licher Weise begangen werden. Ueber die Zeit des Begräbnisses ist bis jetzt noch nichts Näheres bekannt. "Waldenburg, 22. Januar 1883. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der deutsche Kronprinz hat das Protectora^ über die Arbeitercolonie Wilhelmsdorf angenom men und diesen Entschluß dem Vorstande im nach stehenden Schreiben angezeigt: „Mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs will ich, dem Anträge des Vorstandes ent sprechend, das Protectorat über die Ackerbaucolonie Wilhelmsdorf übernehmen. Ich gebe dabei der Hoffnung Ausdruck, daß dies Unternehmen, welches bestimmt ist, einem weitverbreiteten Unwesen Schran ken zu setzen, nicht nur fortsahren werde, sich in seinen Erfolgen wie bisher zu bewähren, sondern daß es auch in anderen Provinzen, we'che unter gleichen Mißständen zu leiden haben, baldige Nach ahmung finden möge. Wenn es der Wilhelms dorfer Anstalt gelungen ist, während ihres kurzen Bestehens Hunderte von sittlich verwahrlosten und für die bürgerliche Gesellschaft anscheinend verlore nen Menschen vor vollständigem Untergange zu be wahren und sie Ler Arbeit und Ordnung wiederzu gewinnen, so darf wohl gesagt werden, daß es sich um eine Einrichtung handelt, welche die Theilnahme und werklhätige Unterstützung aller Derer verdient, denen die gesunde Entwickelung unseres Volkslebens am Herzen liegt, und daß es einer Sache gilt, die unabhängig von religiösem Bekenntniß oder politi scher Parteistellung, allen Denen gemeinsam ist, welche entschlossen sind, die Grundlagen unseres Staatslebens zu erhalten und vor den auch heute noch drohenden Gefahren zu schützen." Gegen die Entscheidung des Berliner Landgerichts I im Prozeß Bismarck contra, Mommsen hat die Staatsanwaltschaft wiederum Revision eingelegt. Auf diese Weise wird der Prozeß geradezu zur Seeschlange. Das Goslarer Jägerbataillon sieht sür den Sommer einem außergewöhnlichen Besuche entgegen. Vier türkische Offiziere sollen nämlich während eines längeren Zeitraums den Dienst der Jäger kennen lernen. Bezügliche Verhandlungen sollen dem Abschluß nahe sein. Verschiedene Waffengat tungen des preußischen Heeres sollen auf diese Weise von türkischer Seite Besuche erhalten. Oesterreich. In der letzten Sitzung des österreichischen Abge ordnetenhauses interpellirten Peez und Genoffen die Regierung, wodurch die vertragswidrige Verzögerung des Ausbaues der türkischen Eisenbahnen ver ursacht sei und was die Regierung zu thun gedenke, um endlich die Ausführung der betr. Artikel des Berliner Vertrages zu erzwingen. Die Interpella tion begründete eingehend den Schaden, welchen der deutsche und österreichische Handel durch den Nicht- Ausbau der Bahnen erleiden. — Abgeordneter Sturm drang aus endliche Berathung des vor länger als zwei Jahren eingebrachten Antrages auf Erklärung des Deutschen als Staatssprache, der im Aus schüsse begraben sei. Als Sturm in seiner Rede wiederholt von Wien als „deutscher Haupt- und Residenzstadt" sprach, kam es zu großem Scandal. Die Rechte protestirte lärmend gegen diese Be zeichnung. Im Gebührenausschusse des östereichischen Reichs raths beantragte Baczynski, jeden Börsenschluß- zettel skalamäßig einer Stempelgebühr zu unter ziehen; bei einem Werthe von zehn bis fünfzig Gulden sei ein Kreuzer Stempel, bei fünfzig bis fünftausend ein Stempel von 5 Kreuzer, bei darüber hinausgehenden Werthen für je fünftausend gleich falls ein Fünf-Kreuzer-Stempel beizufügen. Der Regierungsvertreter erklärte, die Skala sei sehr mäßig, bei Ausführung des Projectes müffe über haupt mit Vorsicht vorgegangen werden, um das Geschäft nicht zu stören. Nacb einer Berliner Meldung der „Presse" wird Baron Hirsch gegen das Berliner „Deutsche Tage blatt" wegen Publicirung des angeblichen Briefes von Wimpffen an Baron Hirsch die Verleumdungs klage erheben. Frankreich. Zur Sache der schon erwähnten „Alliance Catholique" weiß der Telegraph weiter zu berich ten, daß die neue Verbindung von dem General Charette und dem Deputirlen Beaudry d'Afson ge leitet werde und bereits 32 „schlachtbereite" Legionen in der Bretagne und Champagne besitze. Die Kaffe der Alliance sei in London und enthalte be reits 15 Millionen, ein Theil davon solle zur Be stechung von Generälen bestimmt sein. Waffen und Pferde seien in den Schlössern der Bretagne bereit. Im Beginn des Winters luden die beiheiligten Edelleute die benachbarten Gutsbesitzer zu Jagden ein, bei dieser Gelegenheit seien dieselben bewogen worden, sich in die Legionen einzuschreiben, was mit Freuden geschah. Seit einigen Tagen weile Ge neral Charette mit 1500 ehemaligen päpstlichen Zuaven in Paris. Ein Telegramm meldet, daß im Augenblick, wo der Wagen des verhafteten Prinzen Napoleon unter dem Gefängnißthore hielt, der Prinz zu ent fliehen trachtete und von den Polizeiagenten am Kragen gefaßt und mit Gewalt in feine Zelle ge schleppt wurde. In der französischen Deputirtenkammer ist der Gesetzentwurf über eventuelle Maßregeln gegen Thronprätendenlen eingebrachl worden. Der selbe ermächtigt den Präsidenten der Republik durch ein im Ministerrathe festzustellendes Decret, jedes Mitglied einer früheren Herrscherfamilie Frankreichs auszuweisen, von dem durch die Anwesenheit die Sicherheit des Staates gefährdet werden könnte. Die Rückkehr nach Frankreich unter Verletzung des Decrets zieht die Verurtheilung zu ein bis fünfjäh riger Gefä gnißstrafe nach sich. Die Prinzen, welche der Armee angehören, können in Disponibilität ver setzt werden. (Unterbrechung und Unruhe.) Der zweite Gesetzentwurf über die Abänderung des Preßgesetzes von 1881 bedroht Schmähungen gegen die Regierung und die Republik mit Strafe und verweist deshalb die Angeschuldigten vor die Zuchtpolizeigerichte. Ballue (radikal) beantragt, die Prinzen von Orleans aus der Armee zu entfernen und verlangt für den Antrag die Dringlichkeit. Der Minister ist mit der Dringlichkeit einverstanden, weil sie nothwendig sei, über alle diese Fragen rasch m beschließen. Die Dringlichkeit wird mit 497 gegen 94 Stimmen beschlossen. Der Gesetzentwurf über Maßregeln gegen eventuelle Tronprätendenten und der Antrag Ballue wird an eine Commission ver wiesen, welche Bureaux und den Dienstag zur Vor- berathung des Antrages Floquet wählen. Der Ge setzentwurf über Abänderung des Pceßgesetzes geht an eine besondere Commission. Ueber Prinz Jeromes (wie er genannt wird, obwohl er die Namen Napoleon Josef Karl Paul trägt) Persönlichkeit schreibt man der Köln. Ztg.: Der Prinz ist am meisten mit dem Spottnamen Plon-Plon bekannt. Der Prinz soll an der Alma (im Krimkrieg), als die russischen Kugeln pfiffen, bedenklich geseufzt haben: „Blei, Blei!" Und so wenig wie in der Krim hat Napoleon sich im ita lienischen Krieg ausgezeichnet. Auch in parlamen tarischen Kreisen war er nie glücklich, obwohl er unter seinem Vetter im Senat wiederholt bewiesen,