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bedauerlich, daß man von Berlin so lange gezögert habe, bis man fick zu energischen Maßnahmen für Wiederher- stellung der Ordnung in der neutralen Zone entschloß. Da» würde von der französischen Bevölkerung, und be sonder» von den vielen Tausenden französischer Rentner, die die Unruhen im Deutschen Reiche mit sehr gemischten Gefühlen verfolgen, verstanden sein. Aber daß die Pa riser Regierung Deutschland strafen will, weil e» den Bolschewismus unterdrückt, das verstehen die Rentner nicht, sie wünschen auch nicht, daß hierbei Schwierigkeiten ge macht werden. Die militärische Promenade vom Rhein bis zum Oden Wald läßt die Macht der französischen Repuplik und die Exi stenz ihrer für jeden Fall gefechtsbereiten Regimenter vor der ganzen Welt und ihren Verbündeten hevortreten. Aber der nach Ruhm strebende französische Bürger denkt, daß man im Weltkriege genug Ruhm erworben habe, und daß es nützlicher sei, die erworbenen Besitztümer und die Kapitalien im Geldschrank zu wahren. Und de ren Feind ist die bolschewistische Epidemie, während am Main und im Odenwald, wohin die französischen Truppen marschiert sind, idyllische Ruhe herrscht. Selbst in Paris hätte man nicht viel einzuwenden gehabt, wenn die Sol daten Frankreichs mit geholfen hätten, den Kommunis mus zu bekämpfen. Aber dieser Stimmung unter seinen Landsleuten trug Marschall Foch des militärischen Ruhmes wegen keine Rechnung, und Ministerpräsident Millerand noch weniger, der Engländern, Amerikanern und Italienern zeigen wollte, daß Frankreich sich in seinen Maßnahmen Deutschland gegenüber nicytS vorschreiben lasse. DaS sollte auch so etwas wie ein Stück Revanche für die auf Englands Betreiben fallen gelassene Forderung der Auslieferung der sogenannten deutschen Kriegsverbrecher sein. Die» Ziel hat Herr Millerand ja erreicht, aber seine Freunde in London, Rom und Amerika werden ihm zeigen, daß sie sich künftig gegen französische Extratouren besser vor- sehen werden. Natürlich wird daraus kein offener Kon flikt entstehen, das wird alles unter sich abgemacht «erden, aber etwas, und zwar ein ganzes Stück, wird hängen bleiben. Jetzt find Engländer, Italiener und Amerikaner wieder daran, ihren Willen durchzusetzen. Am Donnerstag wurde in London ein Ministerrat ab gehalten, in dem die Erklärung der französischen Regierung über die Gründe ihres Vorgehens, die Besetzung von Frankfurt usw, zur Sprache kam. ES wurde ein for meller Beschluß gefaßt, den der Staatssekretär des Aus wärtigen Amtes, Lord Curzon, dem Obersten Rat vor legen soll. Die Pariser Morgenblätter vom Freitag bringen nun schon Näheres über den Inhalt dieses Be schlusses, über den sie selbstverständlich überaus mißge stimmt sind. Der „Matin" schreibt darüber: „Im Gegensatz zu dem, was man in Frankreich er hoffte und im Gegensatz zu dem, was sich aus dem Ton der letzten Tage in den englischen Blättern herauslesen ließ, spricht sich unser englischer Verbündeter soeben gegen die Besetzung Frankfurts durch die französischen Truppen aus, und zwar durch eine Verbalnote, die Lloyd George gestern am Schluß einer Ministerkonferenz unserem Bot- schaster übergeben hat. England hat seine Mißbilligung mit einer Hast gemacht, die der sonstigen Korrektheit der englischen Diplomatie widerspricht. DaS offizielle Com- munique über diese Angelegenheit wurde den englischen Telegraphenagenturen übergeben, noch ehe die französische Regierung offiziell davon Mitteilung erhalten hatte. ES steht außer Zweifel, daß unsere anderen Verbündeten, Italien und die Vereinigten Staaten, in ihrer Haltung sich dem englischen Kabinett anschließen werden." Die Meldung von der Verbalnote Englands wird deutscherseits amtlich bestätigt. Der italienische Minister präsident Nitti hat seinen in London weilenden Außen- Minister Scialoja angewiesen, mit England gemeinsam zu handeln. Und die Haltung Amerikas steht der Frank reichs völlig entgegen. In allen Kreisen meint man, daß Frankreichs Vorgehen die jüngsten Erklärungen deS Präsidenten Wilson, in Frankreich herrsche der MilitariS- mu», bestätige. An die politische Bedeutung der englischen Aktion weitere Folgerungen zu knüpfen/ würde hier zu weit führen. Doch möge erwähnt werden, daß jetzt in Frank- reich Stimmen laut werden, die die Demission Millerands fordern. Politische Rundschau Deutsche- «eich. Wegen des Widerspruchs der Unabhängigen hat der für den Posten des Wiederaufbauministers in Aussicht genommene HandelSkammersyndikuS in Düsseldorf vr. Brandt die Ueber- nähme d«S Amtes abgelehnt. In einer Note macht die deutsche Regierung Frankreich für alle Schäden verantwortlich und haftbar, die durch die Besetzung deutscher Städte durch französische Truppen entstanden find. Die Franzosen haben weit über die angedrohte Besetzung »vu Frankfurt, Homburg, Darmstadt, Dieburg und Hanau hinaus noch deutsches Gebiet besetzt. Auf der Börse in Basel erfolgte ein weiterer Sturz der französischen Franken- und der italienischen Lirevaluta. Die Marlvaluta ist weiter gestiegen. Die Münchener Spartakistenpreffe veröffentlichte einen Aufruf zum Generalstreik, der an Verhetzung nicht über boten werden kann. Die flüchtigen Rotgardisten strömen in Solingen zusammen. Ein neue» „Reichsministerium für Ernährung und Land wirtschaft" ist errichtet worden. Der neue Reichsfinanzminister Wirth hält die jetzigen Reichseinnahmen für ungenügend; er kündigt neue Steuerpläne an. Er sollte es nach den großen Steuern doch endlich einmal mit dem großen Sparen versuchen, an das sich noch niemand herangewagt hat. Ebenso ist es von einem systematischen Abbau der LebenSmiitelpreise vollständig still geworden. Es fehlt da- Mark der Energie in den Knochen der maßgebenden Leute. Die Ausdehnung der Bersicherungspflicht in der Krankenversicherung aus Einkommen bis zu 20,000 Mark ist durch Veröffentlichung im „Reichsanzeiger" in Kraft getreten. Die preußische Staatsregierung hat den bisherigen Poli zeipräsidenten von Berlin, Abg Eugen Ernst (Soz ), zur Disposition gestellt und an seine Stelle den bisherigen Poli zeipräsidenten von Charlottenburg, Richter (Soz.), berufen. Bei der Neubildung des Reichskabinetts blieb der Posten des Reichsministers deS Aeußeren unbesetzt und wurde zu nächst vom Reichskanzler kommissarisch verwaltet. Jetzt soll der bisherige Reichs- und StaatSkommiffar für Schleswig- Holstein Or. Adolf Köster (Soz.) auf diesen Posten berufen werden. Nach einer anderen Version ist der Oberpräfident von Sachsen, früher Reichs- und StaatSkommiffar für Ober- schlefien, Hörsing, für diesen Posten bestimmt. Nach den neuesten Meldungen hat sich die Aufregung der Frankfurter Bevölkerung gelegt und das Leben be wegt sich wieder in seinen gewohnten Bahnen. Auch Theater und Vergnügungen find wieder im Gange, doch wird von den Franzosen die Vorschrift, daß nach 9 Uhr abends sich niemand auf den Straßen aufhalten darf, sehr streng gehandhabt. Die PlebiSzitkommisfion in Oberschlefien will in den näch ten Tagen eine Verordnung erlassen, die die Ausfuhr aller Lebensmittel und Futterartikel au« Oberschlefien nach Deutschland verbietet. MLlenrmMeninLefabn Um äiese äem Deutschtum ru erhalten, müssen alle Stimmberechtigten ins Srenülanä geschafft weräen. Staats mittel äurlen aui 6runä äes frieäensvertrages äatür nicht bewilligt weräen. sielte äaher 3eäer äeutrches Lanä unä Sitte erhalten unä trage sein Schertlein rur Grenzspende. öeiträge nimmt jeäerreit entgegen äie keschättsstelle äes Schönburger Lageblattes. Der frühere Reichswehrwinister Noske hat in Potsdam eine Wohnung gemietet, um dorthin überzufiedeln. Erzberger befindet sich in JordanSbad bei Biberbach und schreibt Erinnerungen, die demnächst veröffentlicht werden. Für die Reichstagswahlen wird Erzberger wieder aufgestellt. Die Abstimmung in Ost- und Westpreußen sollen, 27. Juni stattfinden. Auf der Tagesordnung der MontagSsitzung der Natio nalversammlung stehen folgende Punkte: 1. Entgegen nahme einer Erklärung der Regierung. 2. Mündlicher Bericht deS Ausschusses für Wohnungspolitik. 3. Zweite Beratung des Entwurfes eines Gesetzes über die Prüfung von Bildstreifen kür Lichtspiele. Das mehrheilSsozialdemokratische Mitglied der Preußischen Landesversammlung, Woldt, hat einem Vertreter der „Düsseldorfer Freien Presse" mitgeteiit, daß ein Erlaß des Reichspräsidenten in Vorbereitung sei, der die Frage der Amnestie für die roten Truppen regelt. Danach sei beabsichtigt, ollen Angehörigen der roten Armee, die bis Freitag ihre Waffen abgegeben haben, Straffreiheit zu ge währen. Ihrer Rückkehr in die Heimat steht also nichts im Wege. Diedeutschen Schlachtschisfe „Oldenburg" und „Nassau" ind ausgeliefert worden. Die Schiffe wurden auf See von dem Schlachtkreuzer „Tiger" und einer Zerstörerflottille in Empfang genommen und nach dem Firth of Forth ge leitet. Die Besatzungen werden auf ein Depotschiff über- zeführt und nach Deutschland zurückgebracht werden. Die Entwürfe über die Neuordnung des KriegSver- sorgungS- und Kriegtfürsorgewesens find einer Nach richtenstelle zufolge soweit fertiggestellt, daß sie der National versammlung noch vorgelegt werden können. Zurzeit find 1,5 Millionen VersorgungSberechtigte an Kriegsverletzten vorhanden, dazu kommen noch 1,8 Millionen Witwen und Waisen und 600,800 andere Hinterbliebene. Die Gesamt- summe deS Jahresaufwandes für Verletzte und Hinterblie bene wird mit 4,2 Milliarden Mark berechnet. Staatsrat Hofmann in Saalfeld teilte in einer Versamm lung mit, daß die deutsche Landwirtschaft wieder ausreichend mit Kaliprodukten versehen sei und daß große Kaliver käufe nach Amerika abgeschlossen seien. Der Pfälzer Bauernverein in Ludwigshafen (Ober rhein) hat an den Reichskanzler folgendes Telegramm ge' richtet: „Ueber 8000 im Pfälzer Bauernverein organisierte Pfälzer Landwirte protestieren gegen die anmaßenden For derungen des GewerkschastSbundeS, wonach dieser sich ein verfassungswidriges Recht auf die Zusammensetzung des Reichsministeriums und auf die Gestaltung der Wirtschafts politik anmaßt. Die Pfälzer Landwirte erwarten von der Reichsregierung, daß sie jedem Wunsch zur Herbeisührung der Diktatur des Proletariats mit aller Schärfe entgegen tritt. Der ReichSregierung geben wir bekannt, daß die Pfälzer Landwirtschaft ein Nachgeben seitens der Regierung mit dem letzten Mittel, dem Generalstreik beantworten müßte, oder einen der ReichSregierung noch unangenehmeren Schritt unternehmen dürfte." DaS ist der erste Schlag! Es ist höchste Zeit, daß die Gewerkschaften von der Regierung energisch wieder in die Schranken zurückzewiesen werden, die ihnen als wirtschaftlichen Verbänden gezogen find. Ueber die Lage im Ruhrgebiet wird amtlich mitgeteilt: In Hagen liegen die Regierungstruppcn sieben Kilometer vor der Stadt. Es finden zurzeit Verhandlungen wegen Rück kehr der Flüchtlinge statt. Man hofft, daß sie zum Ziele führen werden Eine aus allen Parteien gebildete OrtS- wehr in der Stärke von 120 Mann hält in der Stadt die Ordnung aufrecht. Der Auszug eines kleinen Teiles der gelernten Arbeiter aus Industrie und Bergbau, der im Zu sammenhang mit der Flucht der roten Armee vor sich ge gangen ist, bedeutet für das Wirtschaftsleben de» Jndustrie- bezirks eine ernste Gefahr. Es soll deshalb versucht werden, die Flüchtlinge zur Rückkehr zu bewegen, zumal Nachrichten vorliegen, denen zufolge die Franzosen mit allen Mitteln bemüht find, die zu ihnen übergetretenen Leute zu sehr gün- stigen Bedingungen für ihre eigene Industrie zu gewinnen. Die Einwohnerwehren find auf Anordnung der ReichS regierung nach dem Verlangen Frankreichs auszulösen. Je noch den örtlichen Verhältnissen soll für eine anderweitige Schutzorganisation gesorgt werden. Jede militärische Uebung ist unter allen Umständen zu unterlassen. Auf eine erwei terte Zuziehung aus Kreisen der arbeitenden Bevölkerung wird, wo dieses bisher nicht geschehen ist, besonders Bedacht ;u nehmen sein. Damit hat die Reichsregierung den Be- ehlen ihrer Vorgesetzten, der Ententekommisfion einerseits und dem Gewerkschaftsbund andererseits, prompt Folge ge leistet. Wie sie sich aber einen anderen wirksamen Schutz der Bürgerschaft vor Verbrechern und Gesindel denken will, ist unklar. Denn die von der Arbeiterschaft geforderten Ortswehren müßten ja, um ihren Zweck zu erfüllen, gleich- alls bewaffnet sein. Frankreich. Die amerikanischen Truppen haben mit geheimen Befehlen Nancy verlassen und find in der Richtung auf den Rhein abmarschiert. Ihre Abreise hat große Erregung her vorgerufen. Der Minister der öffentlichen Arbeiten le Troquer stellte est, daß Deutschland aufgrund der Waffenstillstandkbestim- mungen an Frankreich 2683 Lokomotiven ausgeliefert ha>, von denen Frankreich 697 an andere alliierte Mächte überlassen hat. Italien. DaS Zentralorgan der italienischen sozialistischen Partei, der Mailänder „Avanti", veröffentlicht folgende Erklärung: Die Leitung der sozialistischen Partei Italiens nimmt an, daß die fortdauernden Vergewaltigungen und Exzesse, die sich in verschiedenen Teilen Italiens immer wiederholen — alles Anzeichen, die auf die immer schwerer werdende Lage Hinweisen —, zu einem revolutionären AuSgang führen müssen. Deshalb hält die Parteileitung es für dringend notwendig, daß sich das Proletariat auf eine geschlossene Aktion vorbereitet, um sich die Achtung der öffentlichen Mei nung zu erzwingen, die bürgerliche Reaktion zu zerschmettern und die kapitalistische Regierung niederzuschlagen. „Secolo" berichtet aus Modena, daß e» am Mittwoch zwischen der Menge und den Carabinieri zu Zwischenfällen gekommen sei, wobei es vier Tote und 50 Verwundete gegeben habe. Nach einer Protestversammlung in Decima in der Provinz Bologna versuchten Demonstranten mit einer roten Fahne an der Spitze in Gebäude der Stadt einzudringen. Der Weg wurde ihnen jedoch durch Carabinieri versperrt, die im Verlauf des Tumults Feuer gaben. Ein Toter blieb auf der Stelle liegen, 50 Demonstranten wurden verletzt, von denen drei gestorben find. England. Ein britischer Transportdampfer ist mit Truppen aus England nach Smyrna und Konstantinopel abgegangen. Lloyd George hat sich gestern Freitag nach San Remo begeben, aber nicht über Paris, wie ursprünglich gemeldet wurde. Rumänien. Nach einer Temp-meldung aus Bukarest hat der Ministerrat durch Dekret den Friedensvcrtra^^ M ' D^ükschland ratifiziert unter dem Vorbehalt der späteren Genehmigung durch das Parlament. Asien. DaS bolschewistische Rußland ist nicht ohne Einfluß auf Japan geblieben. Das Gewitter, wozu sich die Span nung seit langem angesammelt hat, beginnt sich zu entladen. Die Bauern töten die reichen Grundbesitzer, die Arbeiter in den Städten plündern die Fabriken und morden ihre Vor gesetzten, das Militär weigert sich, auf Zivilisten zu schießen. Falls nicht eine energische Faust Ordnung schafft, wird man demnächst in Tokio die Räterepublik auSrufen. Amerika. Nach einem Bericht aus Washington find die Führer der republikanischen Partei übereingekommcn, daß am nächsten Freitag im Senat über die eingebrachten Friedensresolu tionen abgestimmt werden soll. Aus -em Muldentale. "Waldenburg, 10. April. Die Niederschlagsmenge betrug im ersten Drittel deS Monats April nach den auf hiesiger Wetterwarte vorgenommenen Messungen 42,1 mm. *— In Nr. 46 unserer Blattes veröffentlichten wir einen Bericht über die Entlassungsfeier in einem Großstadtseminar. Hierzu geht uns nun folgende Berichtigung mit der Brite