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her Hamals die Sache betrieb, hatte wohl gemerkt, daß Deutschland für solche Handlangerdienste, wie man sie in England beanspruchte, nicht zu haben war, und deshalb zerschlug sich die Idee. Frankreich ging später auf alles ein, um England gegen Deutschland zu gewinnen. Da» Reichrkabinett hat zwei neuen Steuervorlagen zu- geftimmt. Die eine enthält die „Körperschaftssteuer", die andere die „Ergänzungssteuer" zur Rcichseinkommen- steuer. Die erste Vorlage bringt die Besteuerung aller Körperschaften, sowohl derjenigen, deren Tätigkeit auf einen Erwerb abzielt, wie auch der Nicht Erwerbstätigen. In die letzte Kategorie fällt dann auch die sogenannte „tote Hand". Der Steuersatz wird für die Nicht-ErwerbStätigen mit 10 v. H. des Einkommens vorgeschlagen, für die anderen ge staffelt zwischen 10 und 30 v. H. Das Ergänzungssteuer gesetz enthält auch die sogenannte Aufwandsteuer, die den übermäßigen Aufwand treffen soll. Der Oberste Rat in Paris hat der Wiedereinführung der Goldzölle in Deutschland zugestimmt. Das Aufgeld ist, nachdem die Goldzölle mit Wirkung ab 1. Januar 1920 wieder eingeführt find, für die Zeit vom 1. bis 10. Januar 1920 auf 900 Prozent festgesetzt worden. Es war seit 29 November außer Kraft und hatte zuletzt 775 Prozent betragen. Die ReichSfinanzverwaltung bewertet also selbst die Papiermark als ein Zehntel der Goldmark. Kurz vor Weihnachten wurde der Hauptschristleiter der „saarzeitung" in Saarlouis, Josef Scherer, der erst wenige Lage diese Stellung innehatte, Morgens 8 Uhr vor die französische Mililärbehörde befohlen. Dort wurde ihm er öffnet, daß er bis Mittags 12 Uhr Saarlouis verlassen haben müsse. „Am besten ginge er dorthin, von wannen er gekommen." Wilson ist bereit, einen Völkerbundrat zu berufen zur Festsetzung der Verwaltung des Saargebietes. Wegen des Abstimmungsverfahrens in Eupen und Mal- medy richtete die deutsche Regierung eine neue Note an die Entente. Trotz des Eisenbahnerstreiks in Magdeburg konnte der Eisenbahnverkehr bislang aufrecht erhalten werden. Der Beamtenausschuß erließ eine Kundgebung, in der die Be amten aufgefordert werden, die Arbeiten zu übernehmen, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig sind. Seitens des Auswärtigen Amtes find alle Schritte in die Wege geleitet worden, um das gesamte Material zu be schaffen, das dem Urteil von Amiens gegen die Brüder Röchling zu Grunde gelegen hat. Sobald das Material in den Händen der Regierung ist, wird nichts unversucht gelassen werden, um eine Revision des aller Justiz hohn sprechenden drakonischen Urteils herbeizuführen. Die deutsche Regierung hat die von dem amerikanischen öebenSmittelminister Hoover aufgestellten Bedingungen für die Liebesgabenaktion Amerikas genehmigt. Die erste Schiffsladung soll schon am 6. Januar in Hamburg ein treffen. ES handelt sich um eine große Menge von Mehl. GS wird jedoch noch nicht zur Verteilung gebracht, sondern eS wird eingelagert und abgewartet werden, bis weitere Schiffsladungen mit anderen Lebensmitteln einlangen und bD alle Einzelheiten der deutschen Organisation von Hoover genehmigt find. Durch eine Verfügung des ReichswirtschastS Ministeriums wird bestimmt, daß Liebesgaben aller Art, die aus dem Ausland nachweislich als Geschenk zum eigenen Bedarf der inländischen Empfänger eingehen, ohne Einfuhr bewilligung eingeführt werden dürfen. Die Aufforderung der Alliierten zur Auslieferung Kaiser Wilhelms wird voraussichtlich Mitte Januar an Holland gerichtet werden. Der Kaiser wird als oberster Kriegsherr für angebliche Verbrechen in Frankreich und Belgien, sowie die Zeppelinangriffe auf England für ver antwortlich gehalten. Das „AmsterdamerHandelsblatt" erfährt, daß das Kohlen abkommen zwischen Holland und Deutschland zwar am 1. Januar 1920 außer Kraft trete, Deutschland habe aber in eine Verlängerung cingewilligt. Im Januar 1920 würden also 80,000 Tonnen Steinkohlen von Deutschland an Holland geliefert werden. Ueber den Preis ist noch nichts vereinbart. Alsbald nach Unterzeichnung des Protokolls sehen die Alliierten der Lieferung des Hafenmaterials entgegen, das unverzüglich abzutreten sich die Deutschen bereit erklärten, d. h. 192,000 Tonnen plus 50,000 Tonnen. Im übrigen wird das Material gemäß der an Ort und Stelle in Danzig, Hamburg und Bremen genachten Feststellungen von der alliierten Sachverständigen-Kommission verlangt werden. Die britische Kommission ist am Mittwoch in Hamburg eingetroffcn. Das neue Umsatzsteuergesetz, das am 1. Januar in Kraft tritt, umschließt im Gegensatz zu dem alten Umsatz steuergesetz auch die freien Berufe. Während das alte Gesetz die Bezüge unter 3000 Mk. sreiließ, werden diese im neuen Gesetz ebenfalls erfaßt. Da die Ausführungsbestimmungen noch nicht fertiggc stellt werden konnten, hat das Neichsfinanz Ministerium eine kurze Ausführungsordnung zu dem Gesetz erlassen. Frankreich. In der französischen Kammer brachte Finanzminister Klotz seine Anleiheprvjekte ein: Der Minister legte die Gründe dar, die eine Umgestaltung der Finanzpolitik notwendig machten. Die Ausgaben während des Krieges beliefen sich aus 220 Milliarden. Sechs Prozent der bewilligten Aus gaben seien nicht ausgebracht. Die Regierung habe die neuen Steuern nicht vor der Befreiung des Landes ein bringen wollen. Die Einkommen hätten zur Besteuerung noch nicht ersaßt werden können. Aus dem Einkommen könnten 1486 Millionen, aus VerkchrSsteuern 15t2 Mil lionen, herausgebracht werden. Tas Budget weist gegen über demjenigen vor dem Kriege die drei bis vierfachen Beträge auf. Die Kriegsgewinne müßten besonders heran gezogen werden. Deutschland müsse alle kingegangenen Verpflichtungen genau einhalien. Um die schwebende Schuld zu verringern, müsse der Popiergeldumlauf eingcdämmt, die Einfuhr mit der Ausfuhr ms Gleichgewicht gebracht werden. Ein Antrag, der gegen die Steuerfreiheit der Renten ge richtet war, wurde abgelehnt. Schließlich wurde das gesamte Anleiheprojckt mit 491 gegen 64 Stimmen angenommen. Poincarö verzichtet nicht auf seine Wiederausstellung zum Präsidentschaftskandidaten. Infolgedessen ist der Au<- gang des Wahlganges unsicher. In einem Brief an seine Wähler des Seine-Departement» teilt der 92jährige Frey einet mit. daß er auf eine Er neuerung seines MandaiS für den Senats bei den kommen den venatswahlen verzichtet. Er fühle sich zu alt, um noch dem öffentlichen Leben die nötige Tätigkeit zu widmen. Fretzcinet, der am 14. November 1828 geboren ist, war be kanntlich Mitglied der Regierung Gambettas während de» Krieges 1870 71, 1876 wurde er in den Senat gewählt und war seitdem, 14 Jahre lang, ununterbrochen Mitglied dieser Körperschaft. Der Oberste Nat hat den Zusammentritt der ersten Völkerbundversammlung beschlossen. Der amerikanische Botschafter ist beauftragt worden, Wilson zu bitten, die Ein ladungen dazu zu versenden. Italien. Der Heeresbestand Italiens wird vom 1. April 1920 ob auf eine Friedensstärke von 720,000 Mann gebracht werden. Es werden drei neue italienische Armeekorps gebildet. Rußland. Ein Funkspruch aus Moskau meldet, daß laut Meldun gen aus Saratow die Truppen Denikins sich auflösen. Die Soldaten ganzer Verbände haben die Waffen nieder gelegt und find nach Hause gegangen. Serbien. In Belgrad fand eine furchtbare Dynamitcxplosion statt, deren Ursache einstweilen unaufgeklärt ist. Der Prinz regent Alexander und 26 Personen wurden getötet und über 50 verwundet. Prinz Alexander wurde am 4. De zember 1888 geboren als dritter Sohn des Königs Peter. Seit der Verzichtleistung des Prinzen Georg im März 190» ist er Kronprinz und seit 1918 Prinzregent. Aus -em Muldentale. «Waldenburg, 2. Januar. Tas neue Jahr ist in vielen Familien bei Sylvesterpunsch mit den besten Glückwünschen angetreten worden. Wenn sich alle diese Wünsche eruillen würden, könnten wir ohne Sorgen den kommenden Ereig nissen entgegensehen. Um Milternacht brachte vom Altan des Rathauses aus der hiesige Gesangverein die beiden Lie der: „Gott Du bist meine Zuversicht" und „Nun danket Alle Gott" zum Vortrag, wozu sich eine zahlreiche Menge auf dem Marktplatze eingefunden hatte. Vom Kirchturme ertönte hierzu wie alljährlich das Geläut sämtlicher Glocken. Das Festhalten an dieser alten schönen Sitte, die stets eine feierliche Stimmung Hervorrust, ist mit großem Dank zu be grüßen. In den Jahren vor dem Kriege beteiligte sich auch di« Stadtkapelle an der Verabschiedung des alten JahreS. Lei der ist diese ober, wie so vieles andere, den Folgen des Krieges zum Opfer gefallen. *— Der hiesige Jü-glings- und Jungmännerverein ver anstaltete gestern Abend im Gasthof zur Weintraube -in Altstadt Waldenburg einen Festabend, in welchem zwei humorvolle Volksstücke „Die VorstandSwahl" und „6 und 7 — 13" zur Aufführung gebracht wurden. *— Dem Verein für Klein- und Mittelrentner Sachsens ist es gelungen, einige Vergünstigungen zu erwirken. Hier nach ist Kleinrentnern mit Vermögen bis zu 100,000 Mk. und Einkommen bis 5000 Mk. die Vermögensabgabe auf Antrag ganz oder teilweise zinslos zu stunden. Mittel-, renincrn mit Vermögen bis 200,000 Mk, die keine Ansprüche auf Pension oder Hinterbliebenenfürsorge haben, ist vom steuerbaren Vermögen bis zu 150,000 Mk. im Alter von Im Auge der Wot. 48) Roman von C. Dressel. (Fortsetzung.) Aber in Jellas erglühendem Gesicht stand nichts a»tt Resignation. Ihre Augen flammten zornig, und nun stand sie ungestüm auf, klmgeite ihrem Mädchen und ließ sich zum Ausgehsn an lei en. Nein, der Verzicht, in den Lct ar sich hmeinredete, brauchte doch nicht so ohne werteres ve,regen bleiben. Annelise war klug und anziehe-d und mit ihrer Energie und Gewanl th it ganz die Frau, der Lothar bedurfte, nicht allein zu sei res .Herzens Befriedigung, sondern auch zu reinem sozialen Au stieg, denn sie würde es verstehen, seinen Ehr eiz an.mFornen, seine geistige Kraft auf das fördersame O n , vo zu halten. Eine kluge Frau vermag, wenn nicht alles, so doch viel aus ihrem Mann zu machen, saus er selber ein wenig zu lauer Indolenz h nneigt. Und Annelise war zu em rei end. Mit der feinen Anmut ihrer schlanken Große würde sie auch neben dem Aristokraten nicht als Aschenorörel steten. Auch ohne Vermögen und Familie würde sie sich durchzusetzen wissen. Nur ihrer simer mußte man sein, das Weitere würde sich finden. „Ich werde zum andernmal Schicknl spielen," nahm Iella sich vor. „Fa c e n Kmd noch, habe ich die ver zweifelte Lage der Meinen wenden können und sollte als weltsichere Frau nicht meines einzigen Bruders Geschick in d.e Hand nehmen dürfen? Zunächst werde ich also Annel. e m mein Haus zu ziehen trachten. Dann wird es mir ein leichtes sein, sie zu sondieren, auf sie einzuwirlen. Den goldenen Segen freilich wird dann eine andere Hand geben müssen." Demnach begab sie sich stehenden Fußes zu Frau Doktor Overlach, - m zunächst Annelises fernere Be schlüsse auszukund chaften. Sie fand Loth rs Annahme bestätigt. Ja, Annelise kam in kurzer Zeit heim. Sie sei durch die Pflege ihrer sterbenden Schülerin, die Trauer, denn sie habe sehr an dem armen Kinde gehangen, recht angegriffen und müsse sich eine Heimrast gönnen, ehe sie eia neues Engagement anträte. Iella fand, die DAtorm sah selber kümmerlich aus. Daß diese eben erst ron einem langwierigen rheumatischen Leiden genesen, wußte sie nicht, wohl aber merkte sie, daß der Frau aus der Stellenlosigkeit der Tochter eine Sorge erwachse. Deshalb kam sie nun schnell mit ihrem Anerbieten heraus. „Ich möchte Fräulein Annelise sehr gern znr Ge sellschaft für mich und zugleich als Lehrerin für meinen kleinen Harald haben. Das heißt für ihn nur außer der Schulzeit, denn er ist ja schon ein eifriger Schüler -, ließe sich das jetzt einrichten, liebe Frau Doktor?" Schnell kam die erfreute Antwort: „Das glaube ich, gnädige Frau. Mc^ne Tochter fände am liebsten in hiesiger Stadt Beschäftigung, vornehmlich um meinet willen, die ich den Winter über kränkelte und Kinder wie Haushalt dann nicht so fest im Zügel halten konnte, als wünschenswert ist. Annelise möchte mir daher zur Seite bleiben und so gewiß gern Ihren Vorschlag annehmen." „Doch müßte ich die Bedingung stellen, daß sie ganz in mein Haus übersiedelte. Selbstredend würde sie Zeit genug haben, bei Ihnen nach dem Rechten zu sehen, wo es nötig wäre, wie überhaupt der gegen seitige Verkehr unbehindert bliebe." „Damit kommen Sie nur meinem Wunsch zuvor, gnädige Frau. Ich hätte sonst einem sehr angenehmen Mieter, der auch meiner Tochter Zimmer innehat, kündigen müssen, und da« nicht gern getan. Herr Klüven macht weder Unruhe noch übermäßige Ansprüche und wohnt ebenso gern bei uns, als er uns lieb ist. Außerdem muß ich darauf sehen, einen uns entbehr, lichen Raum zu verwerten, und so wäre meiner Tochter Ausquartierung die beste Lösung, zumal ich die Freude haben kann, sie oft zu sehen." Eine heiße Blutwelle stieg in Jellas weiße Stirn. Wenn sie ehrlich war, mußte sie sich gestehen, dec Hauptanlaß, diese anziehende Annelise zu gewinnen, war gewesen, sie Vollrad Klüvens Augen zu entrücken, oder doch durch ihre Entfernung einer öfteren zwang losen Begegnung der beiden vorzubeugen. Lothars Glück hatte ihr erst in zweiter Linie gestanden. Und wenn es so war, wenn sie nur gerade Klüven nicht dies Mädchen gönnte, hatte sie damit etwas für sich erreicht? Nein. Denn der, den alle sehnsüchtigen Stimmen ihres erwachten Herzens heimlich riefen, blieb ihr ewig fern, wenn — ja wenn sie sich nicht auch öffentlich zu ihm bekannte. Vor diesem Aeuhersten aber schreckte sie noch zurück. Nein, nein, dahin sollte es nicht kommen. So weit ging sie nicht. Lothar sollte nicht vergebens ihren Hochsinn angerufen haben. Wer aber durfte verlangen, daß sie neidlos zusah, wenn zwei Glücklichere sich fanden, daß sie vielleicht gar ihrer Vereinigung die Hand bieten solle? Nein, auch dessen war sie nicht fähig. Ein wahn witziges Heldentum wär's gewesen. Mußte sie selber ewig dursten nach dem Göttertrank der Liebe, so sollten auch jene nicht an den Quellen des Lebens trinken, nicht, soweit sie es verhindern konnte. Während ihr diese wilden Gedanken durch den Sinn stürmten, sprach sie mit lächelnder Bereitwillig keit: „So wäre es das beste, Fräulein Annelise stiege erst gar nicht ab bei Ihnen, sondern käme direkt zu mir, vorausgesetzt immer, daß sie überhaupt Lust hätte, meinen Vorschlag anzunehmen." „Fraglos, gnädige Frau. Ich bin dafür, und Annelise ist bei aller Selbständigkeit doch eine zu gute Tochter, um nicht noch immer gern mütterlichen Rat anzunehmen. Wenn Sie gestatten, schreibe ich ihr so gleich, Sie dürften dann einer baldigen zusagenden Antwort gewiß sein." > „Wollen Sie, bitte, bemerken, daß ich geneigt sei, Fräulein Overlachs jetziges Gehalt gern zu überschreiten, weil mir wirklich daran liegt, sie an uns zu fesseln und ich sie völlig zufrieden sehen möchte." Damit erhob sich Frau Iella. Sie hatte die Ueber- zeugung, erfolgreich gewesen zu sein und Freude be- reitet zu haben, denn das bekümmerte Gesicht der blassen Frau hatte sich völlig aufgehellt. Was würde sie erst sagen, wenn sie erfuhr, daß die Kommerzienrätin Brügge nichts Geringeres im Sinne habe, als die einfache Lehrerin zu ihrer Schwägerin zu erheben? Selig zustimmcn natürlich. Denn die Frau wollte anscheinend hoch hin aus mit der hübschen Tochter, oder sie beugte nicht so vorsichtig etwaigen Beziehungen zu dem Zimmerherrn vor. Ja, zweifellos war ihr Vollrad Klüven als Schwiegersohn weniger wünschenswert, denn als Mieter. Iella sah sie daraufhin noch einmal prüfend an. Hm, hochmütig oder geldgierig sah die Frau mit den feinen ruhigen Zügen eigentlich nicht aus, nur bedrückt von der Enge kleiner Verhältnisse. Daß sie, von eigener Not gewarnt, ihren Kindern eine freiere Entfaltung in sonniger Lebensweite vermutlich wünschte, wer wollte ihr das verargen? t (Fortsetzung folgt.