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marck zu Tisch. Der Fürst war sehr gesprächig, doch hat er immer noch Schmerzen im Bein und wird zur Tafel gefahren. Eine neue Bismarck-Statue hat Prof, v. Donndorf in Stuttgart modellirt. Der Altreichs- kanzlcr, in Uniform und Helm, ergreift mit der Linken den Pallasch, während die Rechte die mit angehängtem Siegel versehene Rcichsurkunde hält. Die Auffassung von der Persönlichkeit Bismarck'S ist pathetisch und heroisch und läßt im Kanzler ebensowohl den weitaus blickenden und scharfsichtigen Denker, wie die Kraftnatur und den Mann der kühnen That erkennen. Die Modell statue, zu deren Studien der Künstler längere Zeit in Friedrichsruh verweilte, mit 3 m Höhe wird auf 5 w überarbeitet und ist bestimmt, in ihrer vergrößerten Aus arbeitung ein Theil des gewaltigen LandeSdenkma!» von Westfalen zu werden, das auf der Hohensyburg seinen Platz erhalten s"ll. Eine Uebersicht über die Ein- und Ausfuhr von Getreide und Mehl publicirt der „Reichsanzciger". Eingefühlt wurden in dir ersten Hälfte de« Juni: Weizen 872,808, Roggen 708,881, Gerste 479,273, Hafer 269,669, Weizenmehl 16,746, Roggenmehl 753 Doppelcentner und in der Zeit vom 1. Januar bi« 15. Juni 5,761,496 Dc. Weizen, 3,442,497 Dc. Roggen, 3,831,759 Dc. Gerste, 1,981,918 Dc. Hafer, 119,250 Dc. Weizen- und 8797 Dc. Roggenmehl. Zur Aus fuhr gelangten in der ersten Junihälfte 25,109 Dc. Weizen (Januar bi« 15. Juni 688,194 Dc.), Roggen 15,387 (519,078), Gerste 481 (49,226), Hafer 6258 (137,806), Weizenmehl 27,360 (182,490) und Roggen- mehl 30,694 (388,189) Doppelcentner. Wie weit es der ehmaligc Drechslergeselle A. Bebel, jetzt Führer der Socialdemokraten im Reichstag, gebracht hat, darüber schreibt der nach der Schweiz flüchtig ge wordene Redakteur Knorr in den „Charl. Nachr.": Vor einigen Tagen fuhren wir nach Küßnacht am Züricher See, um uns Bebel'S Villa anzusehen. Schon von Weitem leuchtet der unmittelbar am See gelegene imposante Prachtbau mit seinem riesigen, bluthrothen Ziegeldach dem sich zu Dampfer Nähernden entgegen. Nach dem See zu befindet sich ein hübscher, großer Garten mit Lauben und Pavillons. Dieses Gartenland ist aber nicht etwa natürliches Uferland, sondern durch enorme Geldaufwendungen in den See aufgeschüttet. Vor der dreistöckigen Villa nach der Straße zu liegt ebenfalls ein großer Garten, in der Mitte von einem breiten Wege durchschnitten, der direct auf das Hauptportal von „Bebel'S Ruhe" führt. Der ganze Garten ist als Wein berg eingerichtet mit tausenden von edlen Reben. Den Wein nenntman sehr bezeichnend „iLerimatz stultoruw", d. h. Thränen der Leute, die nicht alle werden. Von der Straße wird da« socialdemokratische Allerheiligste durch eine feste, aus Granitquadern errichtete Mauer mit über die Mauer emporragenden schräg abgestumpften Pfeilern abgeschloffen. Das Bebel'sche Weingut mit seinem stolzen Herrensitz repräsentirt einen Werth von etwa einer halben Million Mark. — Wenn Vorstehen de« wahr ist, so nährt also das socialistische Handwerk seinen Mann bester, als das frühere. Angesichts dieses werthvollen Besitzthum» wird Herr Bebel eS wohl vor der Hand noch nicht zum Theilen kommen lasten! Freil- lich tragen auch hunderttausende von Arbeitern dazu bei, mit ihrem Arbeitslohn ihren sogen. Führern das Leben möglichst angenehm zu machen. Die internationale Zuckerconferenz in Brüssel, deren Einberufung schon so viel Schwierigkeiten verur sachte, scheint auS den Schwierigkeiten überhaupt nicht herauSzukommen, ja man spricht bereits schon stark da von, daß ein Scheitern der ganzen Conferenz unausbleiblich sei. Die ausländischen Bevollmächtigten haben deshalb überhaupt schon darauf verzichtet, den Sitzungen regel mäßig beizuwohnen. Die Stichwahlen in Berlin sind ruhig verlaufen und zeigten eigentlich erst im Laufe de« Nachmittags eine regere Betheiligung. Von drei Uhr an sandten die Be auftragten der Parteien ihre Schlepper in großen Schaaren ab, um die Säumigen zur Wahlurne heranzuziehen. Während bei der Hauptwahl am 16. Juni in den 6 Berliner Stadtwahlkreisen in 663 Wahllokalen gewählt worden war, umfaßten die 4 Stichwahlkreise nur 275 Wahllokale. Im ersten Wahlkreise erschienen schon in der ersten halben Stunde nach Eröffnung des Wahlactes der Staatssekretär des Reichsjustizamts Nieberding und der Eisenbahnminister Thielen, der bei der Hauptwahl ferngeblieben war, an der Urne. Gegen 12 Uhr erschien der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe im Wahllokal. „Waren schon viele Leute hier?" fragte er die Herren des Wahlvorstande«, woraus diese entgegneten: „Nein, Durchlaucht, die größte Mehrzahl dürfte erst zwischen 4 und 6 Uhr nachmittag» zu erwarten sein." Da der erste Wahlkreis vornehmlich von Beamten bewohnt wird, die bis 3 Uhr nachmittag» Dienst zu thun haben, so stellten sich die meisten Wähler thatsächlich erst um die angegebene Zeit ein. Im zweiten Wahlkreise waren den Paffanten de» Morgens rothe Zettel in dir Hand ge drückt worden mit der Aufforderung: Jeder Arbeiter hat die Pflicht, heute an die Wahlurne zu treten und Robert Fischer zu wählen. Auch auf den Granitplatten der Bürgersteige konnte man in rothen Lettern die gleiche Aufschrift lesen: „Wählt Fischer!" Im dritten und fünften Wahlkreise trat die scharfe Agitation der Social- dcmokraten noch mehr zu Tage, während der Mittags stunden drängten sich die Wähler, die fast auSnahm-lo« dem Arbeiterstande angehörten, in den betreffenden Wahl lokalen so stark, daß häufige Stockungen eintraten. Wie in Berlin so war auch in der Provinz die Wahlbethei ligung im Allgemeinen eine weit regere als bei der Hauptwahl. Die Reichscommission für Arbeiterstatistik, die demnächst in Berlin zusammentritt, um sich mit den Ar beitern im Müllerei- und Gastwirthsgewerbe zu beschäf tigen, wird nach den Erfahrungen, die sie mit dem Maximalarbeitstage im Bäckereigewerbe gemacht hat, voraussichtlich nicht geneigt sein, da» Ziel eines ausrei chenden Schutzes der Gesundheit der erwachsenen Arbeiter durch eine Maximal-Arbeitszeit-Fcstsctzung anzustrcben, sondern auf dem Wege der Festsetzung einer täglichen Maximal-Ruhezeit zu erreichen suchen. Die Reichsregierung geht den Weg, den sie sich vorgeschricben hat, mögen die Stichwahlen ausfallen, wie sie wollen, so versichert eine osficiösc Correspondenz. Ihr Programm aber ist: Die Erhaltung und Stärkung eine» gesunden Mittelstandes, die höhere Wahrnehmung der Interessen der Landwirthschaft, die Fortführung der Socialreform und die Bekämpfung des socialvemokrati- tischen Terrorismus. Eine Mehrheit des Reichstags könne die Regierung wohl zeitweilig hindern, diese oder jene wünschenSwerthe Maßregel durchzuführen, aber keine ParlamentSmchrheit könne die Regierung zwingen, von den Bahnen abzuweichen, deren Verfolg sie im Interesse de« Vaterlande« für nothwendig hält. Nach den bisherigen Stichwahlergebnissen haben die Socialisten einen mäßigen Zuwachs, auch die frei sinnige Volkspartei hat einige Stimmen mehr, dagegen haben die freisinnige Vereinigung, die Nationalliberalcn, Demokraten, Welfen und Antisemiten Einbußen erlitten. Die Conservativen zeigen ebenfalls einigen Zuwachs, dar Centrum ist wenig verändert. Gewählt ist Lcvetzow, Hahn, Rickert, Richter, Hänel, Träger, Limburg-Stirum, Ahlwardt, Munckel, Carolath, Stumm; Paasche nicht. L)efterreich-Ungarn. Kaiser Franz Joseph nahm am Freitag in Wien die Huldigung von 70,000 Schulkindern entgegen; unter den Klängen der Kaiserhymne defilirten die Kinder 1'/» Stunden lang. Der Kaiser war über die sinnige Huldigung sehr gerührt und sagte zum Bürgermeister: „Es war etwas Außerordentliches, es ist mir das ein Trost in dem vielen Kummer dieses Jahres." Da die parlamentarische Erledigung des Ausgleich« mit Ungarn wiederum nicht geglückt ist, so wird demnach eine kaiserliche Verordnung erscheinen, wodurch das Budgetprovisorium auf dem Wege des DecretS bis zum Jahresende bewilligt wird. Die Absicht, das ganze nächstjährige Finanzgesetz durch kaiserliche Verordnung in Kraft treten zu lassen, wurde dagegen aufgegeben. Graf Thun hat mit den deutschen Parteien be reits Fühlung zu nehmen versucht, ist aber auch schon zu der Erkenntniß gelangt, daß seine Bemühungen ohne die vollständige Beseitigung der Sprachcnverordnungen ganz und gar zwecklos seien. Frankreich. Der bisherige Senator Peytral und künftige Cabi- netschef hat sich durch die Ablehnung deS Generals Cavaignac zum Kriegsminister gleich bei seinem Ein tritt ins Amt schwere Feinde geschaffen. Die öffentliche Meinung sieht diese Ablehnung als einen Sieg der TreyfuSleute an und ist aufs äußerste erregt darüber. Italien. Die Regierungskrise will nicht vom Fleck, die Verhandlungen mit Visconti Venosta sind anscheinend ebenso crgebnißloS verlaufen, als die voraufgegangenen mit Finali. Visconti Venosta soll auch Rom bereits verlaffen und König Humbert neue Verhandlungen mit General Pelloux angeknüpst haben. Pelloux soll bereit sein, die Cabinetsbildung mit Sonnino und Giolitti vorzunehmen; Thatsache ist aber, daß ohne ZanardelliS Zustimmung ein so gebildete« Cabinet sich als nicht lebensfähig erweisen würde. Die Kammersitzung, in der sich daS Cabinet Rudini seiner letzten, aber keineswegs angenehmen Aufgabe zu unterziehen hatte, ein Finanz provisorium nachzusuchen, verlief bei äußerst erregten Debatten höchst stürmisch. Afrika. Präsident Krüger soll an einer Lungenentzündung erkrankt sein, so melden englische Blätter, die Krüger gern zu den Kranken, noch lieber zu den Todten zählten; hoffentlich ist auch die jetzige Meldung übertrieben. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 25. Juni. Morgen Sonntag, den 26. d., findet in unserer Stadt der 12. Sängertag des ländlichen Sängerbundes Waldenburgs Umgegend, und den Sonntag daraus, den 3. Juli, das Sängerfest des Sängerbundes „Canon" statt. Aus diesem Anlässe wird an beiden Tagen für das hiesige Handelsgewerbe ein erweiterter Geschäftsverkehr zugelasicn, und zwar, wie im amtlichen Theile dieser Nummer zu ersehen, bis 7 beziehentlich 8 Uhr abends. * — DaS Wetter am Johannistag spielt auch im Sprüchwort eine Rolle. In manchen Gegenden, wie am Rhein, heißt es: „Tritt auf JohanneSregen, so wird der NußwuchS nicht gedeih'n!" Und „Regnet'- am Johannis sehr, werden die Haselnüsse leer." Da Johanni nach der Astronomie des Volke» al« Tag der Sonnenwende gilt, so ist e» leicht zu erklären, daß man diesen Tag auch überall für einen Wendetag der Witte rung anfieht. Darum rathen die Deutschen und Polen: „Vor Johanni bet' um Regen, nach Johanni kommt er ungebeten," oder „Regnet'» am Johannistag, so regnet c« noch vierzehn Tag," und man hat eine schlechte Einte zu erwarten." * — Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist ein Ehe mann nicht verpflichtet, den ihm von seiner Ehesrau mit in die Ehe eingebrachten Kindern den Unterhalt zu ge- währen. Aus Anlaß eines besonderen Falles hat aber da« Ministerium deS Innern, in Uebereinstimmung mit der vom vormaligen Ober-Appellationsgericht Dresden vertretenen Ansicht, sich dahin entschieden, daß nach dm zur Zeit in Sachsen giltigen gesetzlichen Bestimmungen der Ehemann sich nicht weigern könne, die ihm von seiner Ehefrau zugebrachten Kinder, soweit dieselben noch nicht selbständig sind, wenigsten« in seine häusliche Gemein schaft mit auszunchmen. * — Aus den Ansichts-Postkarten entwickeln sich all mählich Ansichts-Drucksachen. Da der Absender seinen Namen, Ort und Datum auch aus einer Drucksache handschriftlich angeben darf, so thut man da« auch auf den Ansichtskarten, ändert vorn das Wort „Postkarte" in „Drucksache" und frankirt die Karte mit einer 3 Pf.- Marke. So kann man bei jeder Karte 2 Pf. sparen. *— Von außerordentlicher Bedeutung für Streiklustige und solche, welche zur Bildung eines Streikfonds bei tragen, ist ein Urtheil des Berliner Kammergericht-. Das Gericht hat nämlich den Grundsatz ausgestellt, daß ein kaufmännischer Angestellter sich durch einen Beitrag zu einem Streikfonds Vertrauensbruch schuldig macht, der seine sofortige Entlassung ohne vorhergegangene Kündigung rechtfertigt. Der Fall liegt folgendermaßen: Der Kläger (der Angestellte) hatte bei der Beklagten (der Firma, die ihn ohne Kündigung Knall und Fall entlassen hatte) die Stellung eines Lagerverwalters inne. Am 22. October 1896 vormitagS in der Frühstückspause wurde ihm in der Fabrik eine Sammelliste „zur Unter stützung der streikenden graphischen Arbeiter und Ar beiterinnen Deutschlands" vorgelegt. In dieser zeichnete er einen Beitrag von 50 Pfennig Schon vor dem 22. October 1896 hatten die Arbeiter mehrerer Fabriken von der Branche der Beklagten die Arbeit niedergelegt. Diese Arbeitseinstellung war, wie der Zeuge Sch. eidlich bekundet hat, unter Contractbruch erfolgt. Am Nach mittag des 22. October 1896, sowie am 23. October traten auch viele Arbeiter der beklagten Firma unter Contractbuch in den Ausstand. Am 23. October wurde der Kläger ohne Kündigung entlassen. — DaS Kammer gericht ist nun der Ansicht, daß diese Entlastung zu Recht erfolgt sei. Der Kläger hätte in seiner Stellung den ihm unterstellten Arbeitern ein gutes Beispiel m Bezug auf Disciplin und Gehorsam geben müssen; seine Beitragszeichnung aber sei geeignet gewesen, die Arbeiter zum Anschluß an den Streik aufzureizen. *— Der Verkehrsausschuß für das IX. deutsche Turn fest giebt noch bekannt, daß die au« Anlaß deS deutschen Turnfestes nach Hamburg abzulaffenden Regie-Sonderzüge auch von allen Nichtturnern, also auch von den Frauen der Turner, zur Fahrt nach Hamburg benutzt werden können und daß zur Erlangung einer Fahrkarte beziv. Anschluß-Rückfahrkarte für diese Züge die Vorzeigung der Festkarte oder eine« sonstigen Ausweise« von den Eisenbahnverwaltungen allgemein nicht gefordert wird. Laugeuleuba-Nteverhaiir, 25. Juni. Heute Sonn abend Nachmittag fand in der Kirche die Einsegnung de» betagten Grünert'schen Ehepaare« statt, welchem es vergönnt war, das goldene Ehejubiläum in voller Körper- und GcisteSfrische begehen zu können. Möge es dem Jubelpaar, welchen dieser Tag von den Angehörigen, wie von befreundeter Seite durch Beglückwünschung, Geschenke und sonstige Ehrung zu einem wahren Freuden tag gestaltet wurde, vergönnt sein, auch das diamantene Ehejubiläum gemeinsam feiern zu können. — Die von den städtischen Collegien Glauchaü's beschlossene dritte Muldenüberbrückung kommt in der Richtung nach der Wasserstraße neben die II. Bezirks schule zu stehen. In Verbindung damit wird zugleich ein Durchgang von der Wasserstraße zur Färberstraße hergestellt und so ein neuer directer Weg vom AuestraßeU' viertel nach der Oberstadt geschaffen. — Als Ehrengeschenk für die Evangelische Gustav Adolph-Stiftung, deren Leipziger Hauptoerein bekanntlich vom 4.—6. Juli in Glauchau tagt, hat die Stadt Glauchau 500 Mark gestiftet. — Bei den im Ausstand gewesenen Zwickauer Kohlcnwcrken betrug der JahresdurchschnittSverdienst, unter Einrechnung der jugendlichen und weiblichen Arbeiter, im Jahre 1894: 980 Mt. 80 Pf., im Jahre 1897: 108S Ml. 40 Pf. — Bei dem Gewitter am Mittwoch schlug unter anderem der Blitz in Zwickau in einen^elektti^tti