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er einen praktischen laryngoskopischen und rhiuoskopischen Kursus. Politische Rundschau. Deutsches Reich. In dem Befinden des Kaisers war am Dienstag eine wesentliche Aenderung nicht eingetreten. Der Mo narch hatte etwas später, als an den vorhergehenden Tagm das Bett verlassen und nahm am Nachmittag dm Vortrag des Grafen Perponcher und des Gene rals von Albedyll entgegen. Ueber den Tag der An kunft des russischen Kaisers ist eine entscheidende Nach richt in Berlin noch nicht eingegangen. Zum Em pfange des Czaren wird auch dessen Bruder Alexis in Berlin sein. Die Kaiserin Augusta empfing am Dienstag in Koblenz dm Besuch des Prinzen Heinrich von Preu ßen, der sich dann nach Darmstadt begab. In Ber lin wollte man wissen, daß auch Prinz Heinrich sich nach San Remo begeben werde. Die Ankunft der russischen Kaiserfamilie in Berlin ist nun definitiv für die Tage zwischen dem 15. und 18. dieses Monats in Aussicht genontmen, bis wohin, wie zuverlässig gehofft wird, auch Kaiser Wilhelm vollständig wiederhergestellt sein wird. Der Besuch wird aber nur auf den Tag der Ankunft aus gedehnt werden. Der Kaiser und die Kaiserin werden Absteigequartier im russischen Botschaftshotel nehmen, während die jungen Prinzen und Prinzessinnen aus Gesundheitsrücksichten den Salonwagen nicht verlassen werden. Wie die „Nat.-Ztg." im Gegensatz zu ander weitigen Mittheilungen vernimmt, wird Fürst Bis marck während der Anwesenheit des Czaren gleichfalls in Berlin sein; nur Krankheit könnte den Reichskanz ler verhindern, bei dieser Gelegenheit sich an der Seite des Kaisers zu finden. Von dem Kommen oder Fern bleiben des Herrn von Giers wäre das ganz unab hängig. Was nun Herrn von Giers betrifft, so mel det man aus Petersburg, daß er sich schon in Kopen hagen dem Czaren anschließen werde, um ihm über die Gestaltung der europäischen Lage Vortrag zu hal ten. Indessen würde auch das Zusammentreffen der beiden leitenden Staatsmänner in Berlin an dem all seitig betonten unpolitischen Charakter des Besuches nichts ändern. Dem Bundesrath lst am Dienstag der neue Reichspostetat zugegangen. Zur Jubelfeier des Papstes fand in München eine zahlreich besuchte Festversammlung statt. Abg. Ruppert hielt auf derselben eine Rede, in welcher mit besonderem Nachdruck betont wurde, daß der Papst die Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft in Rom er leben möge. (Wird er noch lange leben müssen.) Der Abg. Janssen (Centrum) hat sein Mandat für den Landtagswahlkreis Aachen niedergelegt. Gegen den Wucher auf dem Lande werden nach der „Post" neue gesetzgeberische Maßregeln geplant, die schon den kommenden Reichstag beschäftigen dürften. Der Kaiser hat die Grundzüge der Alters- und Jnvalidenversorgung der Arbeiter genehmigt. Dem Vernehmen nach soll die Vorlage daran festhalten, daß die Alters- und Jnvalidenversorgung zugleich für alle Arbeiter, für ca. 12 Millionen, in Kraft gesetzt werde. Die Weizen- und Roggenpreise haben an der Berliner Börse am Montag einen ansehnlichen Preis - druck erfahren. Wie die „Freis. Ztg." erfährt, be ginnen gegenwärtig die Großgrundbesitzer, welche bis her mit ihren Erntevorräthen zurückgehalten haben, nunmehr zu verkaufen. Die Betriebseinnahmen der preußischen Staats bahnen stellen sich für 1886/87 nach der von dem Reichseisenbahnamte veröffentlichten Betriebsergebnisse deutscher Eisenbahnen auf rund 680,000,000 Mark. Der Gesetzentwurf betreffend die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfindenden Gerichtsver handlungen, der schon zweimal den Reichstag be schäftigt, ohne daß es zu einem festen Beschluß gekom men wäre, wird in der nächsten Session abermals ein gebracht werden und zwar in einer Form, welche den Commissionsbeschlüssen der vorigen Session entspricht. Aus Masuren wird berichtet: Vor einiger Zeit kamen russische Soldaten zu einem Spiritushändler bei Szittkehmen in der Nähe von Goldap und stahlen ihm mehrere Säckchen Thee, trugen diesen einige hundert Schritte über die Grenze und Übergaben ihn dann als geschmuggelte Waare der russischen Behörde. Durch rechtzeitige Feststellung des Thatbestandes konnte der Verkauf des Theees, dessen Werth auf 800 Rubel ge schätzt war, verhindert werden. Die russischen Solda ten bekommen bekanntlich die Hälfte des Erlöses der beschlagnahmten Sachen, daher ist es leicht erklärlich, daß sie gern Schmuggelwaare haben wollen. Aus Stuttgart wird gemeldet: Der Entwurf einer württembergischen Verfassungsrevision hat die Zustimmung des Königs gefunden. Er enthält Be stimmungen bezüglich des Uebertrittes der Bevorrechte ten in die erste Kammer und den Ersatz für die so mit abzuschaffende Census- und Listenwahl. Demnächst treten Vertreter beider Kammern zusammen, um das Zustandekommen des Entwurfes von vornherein sicher zu stellen. Ein neues Repetirgewehr kommt noch nicht! Die „Köln. Ztg." schreibt: Die Nachricht, daß die Neubewaffnung unseres Heeres mit einem Gewehr von kleinem Kaliber beschlossen sei und der nächste Reichs tag bereits in diesem Sinne umfassende Forderungen der Reichsregierung werde zu bewilligen haben, ist in dieser Form unrichtig. Schon seit mehr als zehn Jahren wird freilich in den zuständigen Kreisen die Frage erwogen, ob das größere oder ein kleineres Ka liber für unsere Bewaffnung vortheilhafter sei. Die Frage ist namentlich auch eingehend geprüft worden, als es sich darum handelte, das neue Repetirgewehr anzuschaffen. Sie war aber noch nicht zur Lösung reif und zudem besaß die Einführung des Repetirge- wehres eine solche Bedeutung für unsere Wehr- und Vertheidigungsfähigkeit, daß eine Verzögerung der An schaffung des Repetirgewehres von den allerbedenk lichsten Folgen hätte werden können. Inzwischen ha ben aber natürlich unsere Militärbehörden die Kaliber frage nickt aus dem Auge verloren, zumal sich Frank reich für das kleinere Kaliber ausgesprochen hat. Doch dauern die Erwägungen noch fort. Die Frage ist bei Weitem noch nicht gelöst und insbesondere wird ver sichert, daß eine Etatsforderung für die Beschaffung des kleineren Kalibers in der nächsten Reichstagssession nicht zu erwarten sei. Im Uebrigen wird darauf aufmerksam gemacht, daß im Falle der Einführung des kleinen Kalibers die Kosten für die Gewehre nicht : so sehr hoch sein würden, weil die jetzigen Gewehre ! ohne große Schwierigkeit in solche mit kleinerem Ka- § über umgewandelt werden könnten, daß aber aller- - dings die Anschaffung der neuen Munition erhebliche s Kosten verursachen würde. In der Hinsicht sei aber z zu berücksichtigen, daß die vorhandenen reichlichen Mu- ' nitionsvorräthe für das jetzige Repetirgewehr nicht un nütz angeschafft seien, sondern auch nach der etwaigen Einführung eines neuen Gewehres noch lange für die Uebungen der Landwehr u. s. w. benutzt werden müßten. Oefterreich-Ungarn. In Ungarn wird, wie schon mitgetheilt, eine staat liche Waffenfabrik errichtet werden. Eine Gesellschaft hat sich für diesen Zweck bereits gebildet. Betheiligt sind die industriellen Etablissements von Ludwig Löwe in . Berlin und Greenwood in Leeds. Die Fabrik muß bis 1889 fertig gestellt sein. Im Budgetausschuß der österreichischen Delegation gab der Minister des Aeußeren, Graf Kalnoky eine analoge Erklärung ab wie in der ungarischen, und hob hervor, daß alle Kabinette, auch das russische, darin einig seien, daß aus der bulgarischen Frage kein Krieg entstehen solle. Der Minister hob ferner das ' Defensivbündniß Oesterreichs, Deutschlands und Italiens, unterstützt von England, hervor, und schloß, er könne nicht für den Frieden unter allen Umständen einstehen, denn dieser hänge von unberechenbaren Faktoren ab, ! er hoffe aber zuversichtlich, daß die vereinten fortgesetz- : ten Bemühungen von ganz Europa den ersehnten Er- ! folg erringen werden. k Krankreich. - In der Deputirtenkammer haben am Montag die ? Radikalen den Versuch gemacht, dem Kriegsminister s Ferron Eins auszuwischen, indem sie ihm Langsam- ! keit der Eisenbahnbeförderurg bei der Probemo- bilmachung vorwarfen. Der Vorstoß glückte aber nicht, die Kammer empfahl nur dem Minister, auf die Schnelligkeit des Militärtransportwesens ein wach sames Auge zu haben. Feuilleton. Dunkle Tage. Roman von Valeska von Gallwitz. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Dieser trat an das Bett und löste den Säbelriemen von der Taille des Verwundeten, und ging dann, um die Waffe aus der Hand zu legen, auf den Tisch zu. Bei dieser Gelegenheit fiel das Licht auf den Griff. Der alte Graf erbebte und stieß entsetzt die Worte aus: „Lubinskis Säbel, barmherziger Gott." Lodowika, welche bis jetzt fast gar leine Notiz von dem genommen, was um sie herum vorging, hob den Kopf, geisterhaft zeichnete sich ihr blasses Gesicht von dem dunklen Hintergründe ab. Graf Zalewski wandte sich an den Verwundeten. „Sprecht, Mann, wer gab Euch diese Waffe?" „Gab?" wiederholte dieser, während ein teuflisches Grinsen sein Gefickt verzerrte, „gegeben hätte mir Lubinski den Säbel nie. Ich bat ihn höflichst, mir die Waffe zu überreichen, und da er sich weigerte, er schlug ich ihn und nahm ihm das Ding da mit Gewalt." Ein Schrei, ein fürchterlich grauenhafter Schrei durchzitterte das stille Gemach. Lodowika lag zu den Füßen ihres Vaters und um klammerte seine Kniee. „Erschlagen," schluchzte sie, Vater, „erschlagen, mein Ferdinand lodt . . . ." Die zarte Gestalt des jungen Mädchens glitt an den Knieen ihres Vaters hinab, eine Ohnmacht warf einige Minuten einen Schleier über ihren Jammer. Der Graf war wie verwirrt; bald schaute er auf sein besinnungsloses Kind, bald auf die Waffe in sei ner Hand, die solch Fürchterliches enthüllte. Er kniete nieder, legte den Säbel geräuschlos neben sich auf den Boden und nahm die Hand seiner Toch ter in seine Arme. „Lodowika," flüsterte er zärtlich, „mein liebes Kind, ermanne Dich." Unter seinen Küssen und seinen Thränen kehrte das Bewußtsein der Unglücklichen zurück. Nur mit Mühe erhob sich Vater und Tochter. Ersterer schlang seinen Arm um das bleiche, thränen- lose Mädchen. „Und ich wußte nichts von Deiner Liebe!" sagte er leise, „aber, Lodowika, hast Du nicht noch Deinen Va ter, nicht seine Liebe, sein ganzes Herz?" „Ja, Vater, ja," stöhnte sie, „auch ich liebe Dich, aber, Vater, ihn kann ich nicht lassen," und immer leidenschaftlicher werdend, fuhr sie fort: „Denke, wenn er nicht todt? Wenn er verstümmelt, zum Tode ver letzt in einem Winkel läge oder sein Leben unter den Fußtritten des Pöbels qualvoll aushauchte? Vater, erbarme Dich, laß' mich ihn suchen!" „Mein Kind, wo ihn suchen? Wo ihn finden?" Lude, denn dies war der Verwundete, schien nicht erwartet zu haben, daß seine Mittheilung einen solchen Jammer Hervorrufen würde. Außerdem beschlich ihn der Gedanke, daß es doch wohl nicht so unmöglich sei, daß Ruhe und Ordnung wieder hergestellt werden I könnten, wie aber dann, wenn man ihn wegen seines selbst eingestandenen Mordes zur Verantwortung zöge? Er lenkte daher ein und sagte: „Es kann auch sein, der Offizier ist nicht todt, frei lich traf ihn ein schwerer Schlag, aber es war doch immerhin nur mit einer Holzplanke." Ein Strahl der Hoffnung fiel in Lodowikas Brust. „Vielleicht nicht todt! — Vater komm', ich kann nicht zögern." „Kind," wehrte der Graf, „es ist unmöglich, hörst Du nicht das Schießen und das Sturmläuten der Glocken? In dieser Straße ist der Kampf am wüthend- sten. Wir würden keine zehn Schritte kommen, ohne getödtet zu werden. Willst Du Deinen alten Vater opfern?" Die letzten Worte wirkten, Lodowika ließ sich stumm, von Fieberfrost geschüttelt, auf einen Stuhl nieder. Die Schmerzen des Verwundeten wurden heftiger. Graf Zalewski durchlebte die schrecklichste Nacht sei- ! nes Lebens, hier der stumme Jammer seines Kindes, dort das Aechzen des Verwundeten und draußen das Geheul der entfesselten Furie. Lubinski erwachte aus einer todesähnlichen Ohn macht. Das erste, auf was sein Blick fiel, war das freudestrahlende Antlitz seines Burschen. „Gott bewahre," jubelte dieser, „is mich des 'ne Freide. Ick dachte wirklich schonst, die Schwerenoths- hallunken hätten mein Lieutnant todt geschlagen. Der junge Offizier konnte noch nicht recht fassen, wie er hier in diesen Keller gekommen, ein heftiger Schmerz am Hinterkopf gab ihm die Besinnung wie der. Er erhob sich. „Aber Kuhnicke," lächelte Lubinski, „mein alter, ehr licher Kuhnicke, wo fandest Du mich, und wie brach test Du mich hierher?" Dieser lächelte listig. »Ja, Herr Lieutenant, det is ganz einfach, Ick hatte mir schonst heute früh ins Ctvil geschmissen. Wie nun Kuhnicke sah, daß sein Lieutenant wie blind ins Gemenge rannte, rannte er mit. Ick blieb immer en kurzes Endeken hinter Sie. Zuletzt wurde mich das Gedränge aber so groß, daß es ne pure Unmög lichkeit war, meinen Lieutenant uf de Fersen zu bleiben. Vielleicht zwanzig Schritt von mir sah ich, wie der nichtsnutzige Hund von Lude meinen Lieutenant von hinten einen Knax auf den Kopf gab. Zwanzig Schritt waren dort zwanzig Meilen, denn die Kanaille stand feste wie eine bombenfeste Mauer. Ick puffte mir aber doch endlich durch, wat mir blos glückte, weil sie mir für en Blousenmann hielten. Ick that nu, als wollte ick mir en Privat-Vergnügen machen, indem ick dat, wat Lude nicht fertiggekriegt, im Stillen zu thun dachte. Ich lud mir meinen Lieutenant auf die Schulter, det Rackerzeug half mir sogar und meinte, na Bürger, man ohne Gnade, — det Kellerloch war bald gefunden, und Gott sei Dank, nu is mei Lieute nant wieder fidele." (Fortsetzung folgt.)