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lhönbuM Erscheint tSglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- fcheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. S0 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 80. Donnerstag, den 6. April 1882. Bekanntmachung. Donnerstag, den 6. April Nachmittag S Uhr sollen 10 Glück beim Leiterhaus in hiesiger Obergasse lagernde Feuerleitern meistbietend gegen sofortige Baarzahlung verkauft werden. Waldenburg, den 5. April 1882. Der städtische Wirthschafts-Ausschuß. Limmer, Stadtrath. Bekanntmachung. Die bei. dem unterzeichneten Königlichen Amtsgerichte über den Strumpf wirker Ernst Robert Vogel aus Falken eingeleitel gewesene Abwesenheits- Vormundschaft ist wieder aufgehoben worden. Waldenburg, am 1. April 1882. Das Königliche Amtsgericht. Baumbach. Ald. "Waldenburg, 5. April 1882. Die russischen Zollerhöhungen und die Leinen-Industrie. Der äußerst rührige Verband deutscher Leinen industrieller hat zu den prohibiliven Tendenzen der russischen Regierung, wie sie neuerdings von der „Nordd. Allgem. Ztg." gekennzeichnet wurden, bereits Stellung genommen und an den Herrn Reichskanz ler eine Eingabe gerichtet, welche eine energische Abwehr in der weiteren Verschärfung des russischen Zolltarifs verlangt. Diese Eingabe lautet wie folgt: „Euer Durchlaucht ist zur Genüge bekannt, wie sehr die russische Negierung vermöge der von ihr befolgten Prohibitivpolitik seit Jahrzehnten die Ein fuhr deutscher Fabrikate nach Rußland erschwert hat. Während wir die bereitwilligen Abnehmer für alle überschießenden russischen Rohprodukte seit langen Jahren geworden sind, und während der deutsche Markt für die russischen Bodenproduzenlen von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnt, ist die russische Regierung bestrebt, sofern nur in irgend einem deutschen Fabrikate lebhafterer Verkehr sich zu zeigen beginnt, fofort durch maßlose Erhöhung der Ein fuhrzölle denselben entgegen zu treten. Gerade in den letzten Jahren hat sich dieses Streben wiederholt gezeigt und durch diese unablässige Zollerhöhung ist eine Beunruhigung für die deutsche Fabrikation her vorgerufen worden, so daß viele Fabrikanten sich genöthigt gesehen haben, auf das russische Geschäft ganz zu verzichten. Wie die Presse meldet, soll die russische Regierung die Absicht hegen, die ohnehin über alles Maß hinaus gestiegenen russischen Eingangszölle aus's Neue zu erhöhen. Die deutsche Industrie kann sicherlich gegen die Handhabung eines maßvollen Schutzzollsystems in Rußland nichts erinnern, da sie auch ihrerseits den von Ew. Durchlaucht durch den neuen Tarif einge- führten Zollausgleich freudig begrüßt hat. Allein wie sich die deutschen Tarifsätze in durchaus maß vollen Grenzen halten, so daß eine wirkliche Er schwerung des Verkehrs für die Nachbarländer da durch nicht bewirkt ist, so haben wir auch ein Recht, von unsern Nachbarländern eine gleiche Behandlung zu erwarten. Der Central-Verband der deutschen Industriellen hat in seiner letzten Delegirten-Versammlung sich mit dem russisch-deutschen Handelsverträge beschäftigt und eine Resolution gefaßt, wonach Ew. Durchlaucht ersuch! werden möchten, Ihren ganzen Einfluß auf zuwenden, um die russische Regierung zu einer freundlichen und nachbarlichen Behandlung der deut schen Industrie zu bewegen. Es dürfte jetzt der Zeitpunkt gekommen sein, die dringendsten Vorstellungen an die russische Regierung zu richten und eventuell diejenigen Retorsionsmaß regeln in Ausführung zu bringen, wie sie Ew. Durchlaucht bei Gelegenheit der Kammerdebatten verheißen haben. Für die russischen Landmirthe ist der deutsche Absatz ebenso wichtig wie der russische Markt für die deutschen Industriellen und wenn die russische Regierung erst sieht, daß die deutsche Regierung entschlossen ist, die russischen Prohibitivmaßregeln mit gleichen Anordnungen an den deutschen Grenzen zu erwidern, so sind wir überzeugt, daß die erstere einlenken und zu einer wohlwollenden Behand lung der deutschen Fabrikate sich verstehen wird. Von den von der russischen Regierung geplanten Zollerhöhungen würde auch die deutsche Leinen- Industrie schwer betroffen werden, weshalb ich mir im Namen des Verbandes deutscher Leinen-Indu strieller die ganz gehorsame Bitte erlaube, Ew. Durchlaucht möchten dahin wirken und Ihren ganzen Einfluß dafür aufbieten, daß die russische Regierung von einer weiteren Erhöhung des Zolls Abstand nehme und sich zu einer freundlichen und nachbar lichen Behandlung des deutschen Verkehrs vorstehen möge." "Waldenburg, 5. April 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser leidet an einer leichten Nierenkolik, ist aber bereits auf dem Wege der Besserung. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Ernennung Schlözer's zum Gesandten beim päpstlichen Stuhle. Von Interesse dürfte es sein, zu erfahren, daß das Abonement auf die „National-Zeitung", welches für S. Maj. den Kaiser seither bestellt war, mit dem 1. d. Mts. aufgegeben ist und mit dem neuen Quartal an Stelle der „National-Zeitung" das „Deutsche Tageblatt" getreten ist. Von den Altkatholiken, die nicht an die Un fehlbarkeit des Papstes glauben wollen, war bisher wenig zu hören. Jetzt haben sie zu Freiburg i. B. eine Generalversammlung abgehalten, bei welcher Professor. Michelis eine Resolution vorschlug, worin u. A. erklärt wird, daß die Altkatholiken in der römisch-katholischen Kirche im vorvaticanischen Sinne nach wie vor verblieben, daß die Beschlüsse des Concils über die Unfehlbarkeit eine Vergewaltigung des katholischen Glaubens, und es ein thörichtes Beginnen sei, den Ultramontanismus, wie dies z. B. von Baumstark geschehen sei, zwar als unpatriotisch u. s. w. hinzustellen, gleichwohl aber am Papste festzuhalten, denn der Papst sei ja das Haupt der Ultramontanen; ferner, daß eine Reformation der vaticanischen Kirche an Haupt und Gliedern im Sinne des Altkatholicismus nothwendig sei; daß man mit Vertrauen der Entwickelung der Dinge zusehen könne, da die Herstellung der weltlichen Macht des Papstes eben so unmöglich sei, wie ein Compromiß der Regierungen mit demselben; endlich, daß der Altkatholismus nur die sittliche Aufgabe des deutschen Volkes in sich begreife, während derUltra- monianismus durch und durch undeutsch und un patriotisch sei. Auch Bischof Reinkens stellte sich im Ganzen auf Seite des Prof. Michelis. Die Täu- > schung, daß es einen römischen Kalholicismus ohne I Ultramontanismus gebe, herrsche leider auch in Berlin. Auch die Versammlung ist dieser Ansicht, i Ein Comil^ wird in diesem Sinne die Resolutionen ' redigiren. Ein wichtiger Wechsel im Getreidetransport , von Sa» Francisco nach England wird demnächst ! einlreten. Bis jetzt wurde dasselbe um Südamerika herum verschifft und die Fahrt dauerte gewöhnlich vier bis fünf Monate. Seitdem aber im vorigen Monat eine neue Linie der Südpacificbahn eröffnet worden ist, welche eine unmittelbare Verbindung zwischen Californien und New-Orlans ermöglicht, hat man den Plan eines Getreidelransports zu Lande gefaßt. Das Getreide wird in ungefähr vierzehn Tagen von Californien nach dem Golf von Mexiko geschafft, um dort auf Dampfer nach Europa ver laden zu werden, sodaß die Gesammtzeit nur »och ebenso viel Wochen beträgt, wie früher Monate. Die Kosten werden sich ungefähr auf 67 bis 68 s (Schillinge — Mark) für die Tonne (— 20,zr Cent- ner) stellen. Die Kunde von diesem Plane verur sachte natürlich einen jähen Fall im bisherigen Vsr- schiffungstarif von 80 8 auf 55 8 für die Tonne. Oesterreich. Ueber den Besuch des russische» Großfürsten Wladimir in Wien ist in den letzte» Tagen viel geschrieben morden. Zuverlässiges darüber zu er fahren, war jedoch, wie dies in der Natur der Sache liegt, den Wiener Publicisten nicht möglich. Der Großfürst soll zu einer hochstehenden Persönlichkeit in der österreichischen Hauptstadt geäußert haben, er könne nur beklagen, daß man außerhalb Rußlands die Reden Skobelew's zum Maßstab einer Beur- theilung der Politik Rußlands genommen habe. Der Großfürst versicherte, der Czar, sowie die ganze Kaiserfamilie sei entschieden friedlich gesinnt und entschlossen, der entgegengesetzten Strömung bis zur äußersten Grenze die Spitze zu bieten. Man gewann in Wien de» Eindruck, drß diese Versicherungen ehrlich gemeint waren, aber Niemand weiß, wo die äußerste Grenze ist, bis zu welcher der Czar sich im Stand fühlt, der panslavistischen Partei Widerstand zu leisten. Frankreich- Die Regierung athmet jetzt auf, da Senat und Deputirtenkammer sich biszum 2. Mai vertagt haben, den» die Stürme dauerten in beiden Häusern von Wechnachteii bis Ostern mit geringen Ruhe- paujen. Am heftigsten ging es bei Durchdringung des Gesetzes über die Verweltlichung der Volksschule mit Schulzwang zu und die Opposition drohte der Mehrheit und der Regierung geradezu mit offener Auflehnung. Bei Prüfung der Handelsverträge zeigten die Schutzzöllner die Zähne. Aber schließlich hatte bei Gesetzentwürfen und Interpellationen das Cabinet stets fast dieselben festen Zahlen der Mehr heit für sich.. Die Hauplkämpfe stehen jedoch noch bevor: das Budget wird nicht ohne heftige Scenen bewilligt werden, obwohl der jetzige Präsident des Budgetausschufses Wilson, keine politische Ursache hat, mit dem Finanzminister Say zu hadern. Die Gambettisten rüsten sich zu einem Feldzuge auf breitester Grundlage und es hat den Anschein, als ob Gambettas „Stern" wieder im Aufflammen be griffen sei. In Kriegsangelegenheiten wenigstens ist sein Schein ungetrübt; wenn der Franzose an Festungsbauten auf der Ostgrenze, an Nepetirge- wehre u. s. w. denkt, so gedenkt er dabei Gam bettas. Das ist eine Thatsache. Veranlassung zu dieser Erwägung giebt die am Sonnabend erfolgte Wahl Gambettas zum Präsidenten des Kammeraus- schuffes, der das Necrutirungsgesetz zu prüfen hat.