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Stresemann über die Lage. Liu« politische Kundgebung des ReichSautzenministerS. In Stettin hat der ReichSaußenministec Dr. Stresemann eine politisch bedeutsame Rede gehalten, in der er in großen Zügen auf die inner- und außen politische Lage zu sprechen kam. Er beschäftigte sich zunächst mit dem Währungsverfall in Frankreich und wies angesichts dieser Tatsache den uns immer wieder gemachten Vorwurf zurück, daß wir den Zerfall der Mark selbst herbeigeführt hätten, um «uns von un seren fmanziellen Verpflichtungen zu drücken. Strese mann sagte: „Teshalb ist es Aufgabe der SachverstSudigeu, di« Aufgabe zu lösen, die Währungen der Länder so zu regeln, daß sie wieder in festem Verhältnis zueinander stehe«. Unzweifelhaft werden sich im Zusammenhänge mii dieser Frage alle andere» Krage» ergeben, die daraus beruhen, daß Deutschland keine Leistungen übernehmen kann, wen» seine Einheit zerstört ist durch HerauSreiße» sou Rhein und Ruhr auS der deutschen Wirtschaft. J«l Vordergründe der Arbeit der Komitees steht di« Frage der Errichtung einer Goldnotenbank. Ich habe mii sage» lassen, daß die bisherigen Arbeite» des Komitees in Berlin zur Vereinheitlichung der Währung ein reales Lrgeb«rs haben werden. Tie Krage läßt sich aber nur regeln, wenn die Wirtschaft entscheidet und nicht die Politik. Teshalb sei es auch hier noch einmal betont, daß die Lösung »er Reparationsfragc nur möglich ist, wenn die deutschen Gebiete, die nnS gehören, wieder ganz der derttschen L>.r- waltnug unterstellt werde»." In diesem Zusammenhang betonte Dr. Strese mann, daß es verkehrt wäre, von deutscher Seite jetzt Vorschläge zu machen. „Wir müssen die Vorschläge ab warten, die uns die Sachverständigen nach gründ licher Arbeit machen werden. Dann wird es Zeit sein, uns hierzu zu äußern." Beamtenabbau und ausländische Kredite. Im weiteren Verlaufe seiner Rede verteidigt? Stresemann das Vorgehen des Reiches gegen Sachsen und verwahrte sich gegen gewisse Angriffe von deutsch- nationale.r Seite. Zum Schluß betonte der Minister „Der Passive Widerstand mußte aufgegeben wer den. Er führte uns in den Abgrund. Wir zahlten Unter stützungen an Leute, die früher nie gearbeitet hatten. Der anfängliche Idealismus hatte vielfach dem Gegenteil Platz gemacht." Schließlich kam Stresemann auf den Beamtenabbau zu sprechen, den er für die betreffenden als sehr hart bezeich net, um den man aber nicht herum konnte, wollt« man dem Volke eine^feste Währung geben. Wir brauchen auSlän- irische Kredite für Landwirtschaft, Indu st ri« und Handel. Es ist aber unverantwortlich, wenn behauptet wird, un sere Wirtschaft solle jetzt internationalisiert werden. ES ist selbstverständlich, daß die Staaten, die die Kredite geben, auck in der Verwaltung der Goldnotenbank vertreten sein wollen aber eine Kontrolle der deutschen Wirtschaft ist damit nicht osrbundcn. , Ich fürchte, daß wir in ganz kurzer Zeit nicht mehr in der Lage sind, die Befatzungskostcn zu zahlen. Aber völlig falsch ist es, wenn von deutfchnationaler Seite uns zum Vor. wurf gemacht wird, daß wir überhaupt noch BesatzungSkosteu zahlen. Jene Kreise wissen ganz genau, daß die Einstellung der Zahlungen für die Bevölkerung jener Gebiete nein Drangsalierungen bedeuten würde. Man würde die Bürger, meister verhaften, Vrivatvermögsn beschlagnahmen und alle? eus dem Gebiete herausholen, was herauszuholen ist. Politische Nnndschau. Deutsches Reich. Die Gerüchte von einem Rücktritt des Generals v. Lossow entbehren jeglicher Unterlage. iADer Bezirksverband Berlin im Reichsverband der deutschen Presse beschäftigte sich mit den Zeitungs verboten der letzten Zeit und nahm eine Entschließung «n, in welcher gefordert »irk, daß eln Zeitungsoerbot »ur k«nn erfolgt, «eun in der betreffenden Zeitung zu Gewalttätigkeiten aufgeforbert ober in Aussicht gestellt »irk. In Speyer wurde am Sonntag Nachmittag ein aus dem besetzten Gebiet Aus-e»iesener namens Emil Herbert »on einem Anhänger der Aut»nomiebe»egun- erkannt und »erfolgt. Hierbei wurde er »>n bewaffneten Separatisten erschossen. Die Sachverständigen hoffen, di« Untersuchung in 10 Tagen beenden zu können. General Dawes er klärte ausländischen Pressevertretern, er hoffe mit Be stimmtheit, daß «ine Verständigung mit Deutschland er reicht »erde. Es heißt, die Kommission werde in erster Linie die Wiederherstellung der wirtschaftlichen Souveräni tät Deutschlands im besetzten Gediet empfehlen. In der Nacht zum Montag ist da« Kreisamt in Mainz von den Separatisten geräumt worden. ZU de« Wahteu in Thüringen. Der Rechts auSschutz des Reichstags beschloß im Hinblick auf di« bevorstehenden Wahlen in Thüringen, oie Reichsregie rung zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß Wahl kandidaten und Wahlberechtigte durch Zwangsmaßnah men auf Grund des" Ausnahmezustandes in der Vor bereitung und Ausübung der Wahlen nicht behindert werden. Wieder ein Micunt-Abkommen. Ter Pariser „TemPS" meldet aus Düsseldorf, daß soeben zwischen der Micum und den rheinisch-westfälischen Edelstahl- werken ein neues Abkommen getroffen sei. Dieses be- zieht sich hauptsächlich auf die Regelung von Zöllen und Ausfuhrabgaben, die zum größten Teil als Na turalleistungen auf Reparationskonto in Anrechnung kommen. Die Urlaubskürzung der Beamten. Zu der halbamtlich verbreiteten Nachricht, daß der Erholungs urlaub der Beamten für 1924 gleichmäßig um 7 Tag« gekürzt werden solle, ist zu bemerken, daß das Reichs- kabinett zunächst den Reichsminister des Innern be auftragt hat, mit den Spitzenorgantsationen der Be amten und den Vertretern der Landesregierungen über die Regelung des Urlaubs für 1924 auf dieser Grund lage in Verhandlungen einzutreten. Erst nachdem das Ergebnis dieser Verhandlungen dem Reichskabinett vor liegt, wird dieses über die Kürzung deS Urlaubs end gültig entscheiden. Kein« höhere Besteuerung ausländische« Kapi tal». Ter Neichswirtschaftsminister Dr. Hamm emp fing den Berliner Korrespondenten der einflußreichen Tokioer Tageszeitung „Jigi Shimpo" zu einer längeren Unterredung. Auf die Frage, ob deutscherseits beab sichtigt sei, wie man in Japan gerüchtweise glaube, »uSländischeS Kapital stärker zu belasten als deutsches, antwortete der Minister: „Eine solche Absicht hat nicht bestanden und wird nie erwogen werden. Wit werden im Gegenteil alles tun, um Ausländer zu Kapitalsan lagen in Deutschland zu ermutigen, weil >ir infolge ver an die. ehemaligen Feindmüchte zu bewirkenden Leistungen finanziell geschwächt sind und fremdes Ka pital zur Belebung unsrer Wirtschaft beiträgt. Tie Gefahr einer Tchewtstecung Deutschlands ist nach meiner Meinung endgültig gebannt. Alles Ge rede von einer drohenden Beschlagnahme des Privat eigentums oder ähnliches ^DceKnahn en ist in das Reich der Fabel zu verweb England. ' - Der Briefwechsel zwischen Macdonald und Pokn- :arö ist soeben veröffentlicht worden. Ersterer wünsch! rarin ein herzliches Zusammenarbeiten, dann sei di« Lntente viel mehr, als nur ein leeres Wort. Poincars :rwidert, auch er werde alles tun. um die bisher noch riebt gelösten Fraae" " e^el» Macdonald, der Anrecht auf ein Gehalt »»n 10,OM Pfund h«t, will sich mit der Hälfte dieser Summe Ke- -nßgen. L»rk Haldane, Kem «benfalls 10,OM Pfund zustehen, erklärte, er w»lle nur SMO Pfund. Auch noch andere Minister »ollen pekuniäre Opfer krin-en. Italien. Die ju-»slawische R«,i«rung will auf Grund Kes italienisch-j»,»slawischen Vü»dni«»ertra-es auf die fran zösische Anleihe »on 300 Millionen Franken ver zichten. Die Blätter melken, daß Rumänien beabsichtige, die 1M-Milli»n«n-Anleihe, Kie es bei Frankreich zurück» Gewiesen habe, nunmehr bei Italien aufzunehmen. Schweden. Die schwedische Regierung hat vte WeyrgvfSG. Vorlage endgültig genehmigt. In einem halbamtlichen Bericht über den Inhalt der Vorlage wird u. a. mit« geteilt, daß ^ie jetzigen Flottenstationen beibehalten werden « ollen, und daß die Küstenflotte ganz odxr teilweise in ständiger Bereitschaft liegen soll. »Tie je» zige Organisation des Landheeres »n sechs Divi sionen wird in der Hauptsache beibehalten. Zwei Infanterie-Regimenter werden aufgelöst, jedoch ist ein« entsprechende Verstärkung anderer Regimenter vorge sehen. Die südschwedische Kavalleriedivision wird auf gelöst. Jede Division erhält eine Luftabwehrbatter«. Tie Festung Karlsborg wird geschleift, die übrigen Festungen G leiben bestehen. Tie Dienstzeit der Wehr pflichtigen wird für die Infanterie auf 195 Tagtz für die Kavallerie auf 350 Tage und-sür die Artlt lerie auf 240 Tage festgesetzt. Tie Flugzeugformationen werden aus dem Heer und der Marine ausscheiden uni eine selbständige Einheit bilden: die Flugwaffe. DK jährlichen Kosten der gesamten Wehrmacht werden nach der neuen Organisation auf 130 Millionen Kryn-P veranschlagt. Rußland. Wie aus Moskau gemeldet wird, hat der Zen trale Vollzugsausschuß des Sowjetbundes den bisheri gen stellvertretenden Vorsitzenden des Rates der Volks kommissare Rhkow an Stelle Lenins zum Vorsitzende« de- Rates gewählt. Ter zum Nachfolger Lenins ge, wählte Bykow weilte während des ganzen zaristische« Regime- in Rußland und-zwar als Führer einer illega len Partei. Er verbrachte 12 Jahre im Gefängnis und wurde dann in die Verbannung geschickt. Er ist Wirtschaftler; seit dem Beginn der Sowjetherrschah war er Lenins Stellvertreter. Bon Beruf ist er Recht» anwaltS-Assistent gewesen. Amerika. Tas Krieg-Ministerium der Regierung Obregom erklärt, daß die revolutionäre Bewegung im Zuscu»- menbruch sei und noch während des Monats Februar ihr vollständige- Ende erreichen werde. Es wird b«- bereits angenommen, daß der Führer der revolutionär«« Bewegung, de la Huerta, Mexiko verlassen und den Sitz der sogenannten provisorischen Negierung nach Havanna verlegen werde. Nuck dem Mulden* Le 'Waldenburg, den 5. Februar 1S24. '— Der Witterungsumschlag der letzten Tage hat Regen und Tauwetter mitgebracht, sodaß die angehäuften Schneemaffen schnell zusammenschmelzen und aus den Straßen einen unangenehmen Schlicker bilden. Der Landwirtschaft ist das Tauwetter, dar ein langsames Ein sickern des Schneewassers in das Erdreich im Gefolge hat, sehr willkommen. Jmerhin dürsten wir trotz der eingetretenen wärmeren Witterung über den W nter noch nicht hinaus sein. Prinzetz Lolos Verzicht. 32s Roman von H. Eourts-Mahler. Wiemanns Zeitungs-Verlag, Berlin W. 66, 1S2S. Prinzeßchen warf sich auf die Bank und umschlang sie mit den Armen. « „Mag sie es sehen, Birkhühnchen. Schilt nicht, Liebe, Gute." „Aber Kind, aber Kind, was soll denn daraus werden," jammerte die Aermste. Die junge Dame lehnte ihren Kopf an ihre Brust. „Hast du mich lieb?" „Ach du lieber Himmel, so eine Frage, da- weißt »» doch!" Prinzeßchen küßte sie. „Ja, ich weiß. Und deshalb sollst du eS auch ivisien — du allein — wie glücklich ich bin. Ach Mr-kbühnchen, wie schön ist das Leben." Die alte Dame strich mit zitternder Hand über da« vlonde Köpfchen, nachdem sie sich überzeugt hatte, '-atz Durchlaucht außer Hör- und Sehweite war. „Du bist ja ganz außer dir. Deine Wangen glühen. Was ist denn geschehen?" „Ach, Liebe, Gute, ein herrliche» Wunder ist ge schehen. Baron Schleoell war im TuSkulum, um sich von mir zu verabschieden. Und da hat er mir so viel Liebes und Schöne- gesagt. Aber das kann ich dir nicht alles erzählen. Nur ein» sollst du wissen — wir haben uns lieb — unsagbar lieb. Und er wird wiederkommen." Kindchen — mein liebe» — und was soll dann werden? Wirst du denn einen Baron heiraten wollen?" Prinzeßchen lachte glückselig auf. „Ach du — ob Baron oder Tagelöhner oder Kürst — wenn ich ihn nur so lieb habe wie ihn — und er mich — dann ist alles gleich. Mir gilt doch nur seine Person, nicht sein Stand und Name." Fräulein von Birkhuhn seufzte halb beglückt, halb besorgt. „Ob er denn vermögend genug ist, io eine a»»e Prinzessin zu heiraten, wie du bist?" Prinzeß Lolo sah träumend in die Ferne. „Wir sind so anspruchslos, Birkhühnchen. Was brauchen wir viel." „Kind, du redest wie der Blind« von der Farbe. Du bist gewiß anspruchslos. Ob aber auch er?" Prinzeßchen lachte sorglos, nahm Birkhühnchens Kopf zwischen die Hände und sagte tief aufatmend: „Du sollst dich nicht sorgen, hörst du, laß nur alles kommen, wie es soll. Er wird schon alles führen, wie es recht ist. Ich vertraue ihm grenzenlos." Die alte Dame wurde durch Prinzeß LoloS Zu versicht angesteckt. „Lieber Gott — Kindchen — wenn das Glück zu dir käme." „Es ist ja schon da", sagte Prinzeßchen verträumt. „Aber deine Schwester! Durchlaucht wird nicht so ohne weiteres in diese Verbindung willigen." Prinzeß Lolo richtete sich auf. Ihr Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an. „Hier hört Renates Macht auf, hier gilt es dar Glück meines Lebens, da lasse ich mir von niemand dretnreden. Gewiß wird sie eS tun, sie wird mir mein Glück nicht gönnen und mich daran hindern wollen. Aber es wird ihr nichts helfen. Ich folge ihm, wenn er mich ruft. Aber daran will ich jetzt noch nicht denken. Ich bin ja so unsagbar glücklich. Wenn du wüßtest, wie mir zumute ist! So stolz bin ich, daß er mich erwählt hat, mich schlichtes, unbedeutendes Ding. Sicher hätte er die Wahl gehabt unter den schönen, glänzenden Frauen. Was bin ich denn, daß ich dieses Glück errungen habe?" Fräulein von Birkhuhn hob fast beleidigt den Kopf. „Nun, nun — gar so bescheiden brc-chst du nicht zu sein. Bist du nicht klug und gut, bist du nicht schön und anmutig? Dafür kannst du ja freilich nichts. Aber außerdem bist du doch eine Prinzessin —" „Wofür ich aber erst recht nicht- kann, mein liebes Birkhühnchen. Aber weißt du — eins ist klar. Wenn er mich von hier fortholt eines Tages, dann mußt du mit mir gehen, das ist gewiß." Dem alten Fräulein traten oie Tränen in die Augen. „Kindchen — du liebes, gutes — soweit wollen wir «och nicht denken. Aber daß d« es auSsprichp, daß du am mich gedacht hast — sichst du — das macht mich pchr glücklich. Aber nun komm, wir wollen hin- eingchen. Ich habe so ein Gefühl, al» gäbe es mii Durchlaucht noch eine Szene. Daß sie so still fortging, erscheint mir verdächtig. Sie schenkt dir doch sonst nichts. Mein Gott, war ich erschrocken, als sie plötzlich austauchte. Sie kam heute früh in den Park. Aber du bliebst auch länger «o» als sonst." Prinzeßcheu seufzte. „Ach — di« Zelt vergt» so schnell, ich wußte nicht, wo sie «gebli«ken war." — — — — — Prinzeß Renat« d,m nicht «uf die Szene im Pari zurück, aber sie beschäftigte sich dennoch mit dem, was sie gesehen batte. Prinz Joachim hatte Ken Frühzug versäumt und war die Nacht durchgefahren. Er langte im Morgen grauen in Schwarzenfels an. Ein Hofwagen erwartet« ihn am Bahnhof. Im Schloß angekommen, wurde ihm gemeldet, daß Seine Hoheit bereits wach sei und ihn sofort er warte. Schnellen Schrittes durcheilte er die langen Kor ridore. Hofluft umfing ihn wieder. Der Gedanke, wie sich Prinzeß Lolo in dem höfischen Treiben aus nehmen würde, entlockte ihm ein Lächeln. Sein liebes, schlichtes, kleines Prinzeßchen — wie schwer würde sie sich anfangs an all den Formelkram gewöhnen Und wie übermütig würde sie dann verstohlen mii ihm darüber lachen. Das Herz wurde ihm warm und weit, wenn er an sie dachte. Eins war ihm sicher: Waren sie beide wirklich die Erben von Falkenhausen, und wurde sie seine Gemahlin, dann würden sie beide nur bei Hofe er scheinen, wenn es.unbedingt nötig war. Sie würde« dann in Falkenhausen leben und im schönen Falken- hausener Park wollte er dann ein Tuskulum auf stellen lassen — etwa» komfortabler als im Weißen burger Park. Und dort sollten die herrlichen Tage, die er eben durchlebt, von neuem erstehen. (Fortsetzung folgt.)