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7 Reichsminister für Wiederaufbau Schmidt, Reichsminister des Innern Sollmann, Reichsfinanzminister Tr. Luther, Reichswirtfchaftsminister Tr. h. e. Koeth, Reichsarbeitsminister Tr. Brauns, Reichsjustizminifter Tr. Radbruch, Reichswehrministcr Tr. Geßler, Reichspostminister Höfle, Reichsverkehrsminister Leser, Ernährungsministerium noch unbesetzt, Minister für die besetzten Gebiete Fuchs. An neuen Männern weist das Kabinett nur den Reichswirtschaftsminister Dr. Koeth auf, den früheren Temobilmachungskommissar. An Stelle des Finanzmi- misters Tr. Hilferding ist der bisherige Ernährungs minister Dr. Luther getreten. Dem Reichsrat lag ein Gesetz zur Sicherung der Vrotversorgung im Wirtschaftsjahr 1923-24 vor. Es sollte eigentlich ab 15. Oktober die öffentliche Brot- bewirtschaftung aufhören. Der Berichterstatter führt« aus, daß die Verhältnisse sich so geändert hätten, daß die Reichsregierung es für notwendig hält, weitere Aicherungsmaßregel» zu treffen. In dem Gesetz wird die Reichsregierung ermächtigt, eine Brotreserve von 3V- Millionen Tonnen zu erheben gegenüber 1 Mil lion Tonnen, die nach den bisherigen Vorschriften vor gesehen waren. Die Regierung selbst wünschte nur LVr Millionen Tonnen, jedoch nahm der Reichsrat mit großer Mehrheit einen Antrag Preußens an, der aus Zt/r Millionen Tonnen lautete. Auch die Markenbrot- versorgung wird wieder etngeführt, das Berfütterungs- verbot, das am 31. Dezember außer Kraft treten sollte, »leibt bestehen. Ein Antrag Preußens, daß gestattet werden soll, dem Brot einen gewissen Kartoffelzusatz beizumischen, wurde mit 33 gegen 32 Stimmen ab gelehnt. Im Reichsfinanzministerium wurden die Beamten verhandlungen am Freitag wieder ausgenommen. Da die Auffassungen beider Parteien auseinander gingen, wurde beschlossen, sie dem neuen Reichskabinett zur Ent scheidung vorzulegen. Die Zentrale der kommunistischen Partei hat «inen Beschluß gefaßt, in dem es heißt: Angesichts der großen Gefahr, die dem deutschen Proletariat und vor allem der sächsischen und thüringischen Arbeiterschaft droht, die das erste Angriffsziel des Faschismus (I) bilden, hat die Zentrale der K. P. D. beschlossen, alle Bedenken Hurückzustellen und in die sächsische und thüringische Re gierung einzutreten, um gemeinsam mit den thüringischen und sächsischen Sozialdemokraten die Arbeiterschaft zur Abwehr der faschistischen Gefahr zusammen zu schweißen. Die Zentrale der K. P. D. ist davon überzeugt, daß die gesamte Arbeiterschaft im Reich die sächsische und thürin gische Regierung verteidigen und verhindern werden, daß Hi« Faschisten die sächsische und thüringische Arbeiterschaft Niederschlagen. Vom Relchsfinanzministerium wurde am Sonnabend im Haushaltausschuß des Reichstags betont, daß die Frage des Goldetat dort bereits bearbeitet werde, so daß mit der Vorlage eines Etats für 1924 auf wertbe ständiger Grundlage gerechnet werden könne. Der bayerische Landtag wird zu einer neuen Ta gung Ende Oktober zusammentreten. Der Treueid der Regie. Deutscherseits wird dazu halbamtlich folgendes mitgeteilt: „Den Erklärungen der Agentur Havas, daß von den im besetzten Gebiet wieder einzusetzenden deutschen Eisenbahnern die Ablegung eines Treueides nicht verlangt werde, stehen die Be kanntmachungen der französischen Eisenbahnregie selbst gegenüber, die von dem deutschen Eisenbahner vor seiner Dienstaufnahme wörtlich verlangen, daß „er sich verpflichtet und durch den Diensteid beschwört, den alliierten Zivil- und Militärbehörden, insbesondere der Regie, in jeder Weise mit Eifer und Ergebenheit zu lienen". Welche der beiden Lesarten richtig ist, wird festzustellen sein." Verbotene Bierpreiserhöhung in Bayern. Der bayerische Brauerverband wollte die Bierpreise für Bayern nicht unbeträchtlich erhöhen. Eine Verordnung des Generalstaatskommissars inhibierte jedoch die Preise für Einfach- und besseres Bier. Die festgesetzten Preise sind für alle in Bayern, auch in den sogenannten besseren Gaststätten, abgesetzten Biere verbindlich. Aus Bayern ausgeführte Biere werden davon nicht betrof fen. Preisübertretungen seitens der Brauer und Wirte werden mit schweren Strafen geahndet. Unsere Reparationsleistungen. Die Repqrations- kommission hat eine Aufstellung der bis zum ZO. Juni 1923 erfolgten Zahlungen Deutschlands und ihre Ver teilung unter die Verbündeten ausgegeben. Die deut schen Gesamtleistungen werden darin auf rund 8'/» Mil liarden Goldmark beziffert. In dieser Summe sind rund 2,7 Milliarden Goldmark „unter Vorbehalt endgültiger Festsetzung" gutgeschrieben. Von den endgültig gutge schriebenen Summen kommen rund 2V- Milliarden Gold mark für die Besatzunaskosten und rund 400 Mil lionen als Rückzahlung der Kohlenvorschüsse in Abzug. Eine Bluttat französischer Wilderer. In der Nähe von Trier hatte der Verwalter des Trimmeltei Hofes beobachtet, wie französische Eisenbahner unberech tigterweise in der Nähe des Hofes jagten. Als er kürz lich die französischen Bahnbeamten auf seinen Felderv sah und sich mit seinem Schwager ihnen näherte, wurd« er von dem einen Wilddieb durch einen Schuß in der Hinterkopf getötet. Tie „wehrlosen" Separatisten. Im Teich der Landeskrone in Düsseldorf, der abgelassen worden ist, um etwa bei den Demonstrationen am letzten Sonntax ums Leben Gekommene zu finden, wurden außer Feld stechern eine große Anzahl Gummiknüppel, Totschläger, Seitengewehre und Schußwaffen aller Art entdeckt. El handelt sich um Waffen, die von den Sonderbündlern beim Herannahen der Polizei in das Wasser geworfen wurden. Westeuropäische Zeit im besetzten Gebiet. Nach einer Meldung aus Koblenz wird die Wiedereinfüh rung der westeuropäischen Zeit in der Nacht vom k znm 7. Oktober nicht für das besetzte Gebiet im all. gemeinen, sondern nur für den Eisenbahnbetrieb tni besetzten Gebiet erfolgen. Italien. - Der ttalieniscy« Marrne-Jnaenieur de Yeo Hai »ach langen Studien und Versuchen die Pläne für einen zanz neuen »U-Boot-Typ entworfen. Da- neue Tauch, »oot soll eine viel größere Schnelligkeit und viel stär kere Offensivlrc.ft besitzen als alle bisher bekannten typen. Bulgarien. Nachdem die Kommunistenunruhen unterdrückt warben sind, hat die bulgarische Regierung beschlossen, den Be lagerungszustand aufzuheben mit Ausnahme der Bezirke von Sofia, Widin, Stara Zagora und Wratza. Türkei. Nach einer Proklamation der Regierung werden die° Jahresklassen 1894/98 zu den Fahnen gerufen. Chri-H sten können sich freikaufen. England. Der frühere Schatzkanzler Sir Robert Horn« wies in einer Rede in Glasgow auf die Notwendigkeit hin, daß Deutschland ein wirksamer Faktor im Welt handel bleibe. Obgleich Deutschland der Konkurrent Großbritanniens sei, so sei es doch auch ein Kund« und ein wesentliches Glied im Handel der Welt; all« Vereinbarungen über Reparationen müßten im Ein vernehmen mit den Alliierten getroffen werden. Groß britannien dürfte nicht aufgefordert werden, zu viel Opfer zu bringen. Portugal. Spanische Blätter veröffentlichen Meldungen,! wonach ein Aufstand in OPorto niedcrgeworfen wurde.! Tie Mitglieder des revolutionären Anschlages konnten, die Flucht ergreifen. Ter Hauptmann der republikani- - schen Garde ist verhaftet worden. Mehrere Marine- j offiziere sind gleichfalls bloßgestellt. Diese Bewegung hatte einen rein politischen Charakter und war von den radikalen Elementen ins Werk gesetzt worden. Die Regierung hatte vergangene Woche von den Vorberei tungen der Aufständischen Wind erhalten und drei Regimenter an den strategischen Punkten der Stadt aufstellen lassen, als die ersten Bomben gegen die Artilleriekaserne geschleudert wurden. Bei Haussuchun gen wurde ein großer Vorrat an Waffen und Muni tion beschlagnahmt. Aus dem Muldentale "Waldenburg, den 8. Oktober 1923. '— Schulbeginn. Die Herbstferien sind hier zu Ende gegangen. Am heutigen Montag öffneten die Schulen ihre Pforten wieder den Schülern und mit neuer Kraft wird in die Winterhalbjahrsarbeit eingetreten. Es be ginnt nun die ferienlose Zeit. In rastlosem Fleiß muß jeder Schüler das Ziel der Versetzung erstreben, das ihm zu Ostern winkt. Die Ferien selbst waren in der Haupt fache der Kartoffelernte gewidmet und fleißig haben die Kinder geholfen, die köstlichen Früchte zu bergen, die in diesem Jahre recht knapp zu sein scheinen. '— Sommerabturnen. Der hiesige Turnverein ver- - anstaltete gestern Sonntag Nachmittag in seiner geräu migen Turnhalle sein Sommerabturnen, zu dem sich auch Turner aus Callenberg und Ziegelheim eingefunden hatten. Es entwickelte sich ein lebhaftes turnerisches Treiben an allen Geräten, dem eine zahlreiche Zuschauer menge beiwohnte. Rotzmarkt. Der Roßmarkt am gestrigen Sonn tag brachte nur mäßigen Verkehr mit sich. In den Gast stätten am Markt waren einige Pferde aufgetrieben und auch Kaufliebhaber waren anwesend. Die Preise ginge« naturgemäß hoch in di« Milliarden. Der Viehmarkt war von der Viehhandelsfirma Hartig L Winkler mit bekannt gutem Material beschickt. 7- Gewaltig« Fahrpreiserhöhung bei »er Eisen bahn. Vom Mittwoch, dem 10. Oktober, ab werden sie Schlüsselzahlen für die Etsenbahntarife im Per sonenverkehr ^60, im Güterverkehr 72 Millionen be tragen. Bei dieser Erhöhung IP dir außerordentliche Beldentwertuns der letzten Tage noch nicht berücksichtigt. '— Mtershilse. Für die Altershilfe wurden durch Sammlung von Kleingeld wieder 6 Millionen, vom 3m Buchengrund. «I Original-Romau von H. Eoarths-Mahler. Wiemanns ZettungS-Verlag, Berlin W. 66. 1922. „Unsinn, was geht mich dieses fremde Mädchen an', dachte er ärgerlich., Sie hatte ihn interessiert; ihr Gang, ihre vornehm liebliche Erscheinung hatten ihn gefesselt mitten im Grotzstadtgetriebe. Nun wußte er aber, daß sie einem anderen gehörte, und nun wollte er nicht mehr an sie denken. Langsam setzte er seinen Weg in derselben Rich tung fort, in der sich Jutta entfernt hatte. In der nächsten Straße trat er in ein Zigarrengeschäft ein und machte eine Bestellung. Auch zündete er sich gleich eine Zigarette an. Tann trat er wieder auf die Straße hinaus und .ging weiter. Er bemühte sich, zu vergessen, was er fr« den Anlagen erlauscht hatte. Aber es wollte ihm nicht gelingen. Und als sollte es nicht sein, sah er -plötzlich dicht vor sich aus einem Hause Jutta Falkner .treten. Die war schnell nach Hause gegangen, hatte das . .x Paket mit dem Wandbehang geholt und trat nun, auf ^dem Wege zu Frau von Wengern, aus der Haustür. Ohne Günter von Hohenegg zu bemerken, ging sie schnell vorwärts, um Vie Haltestelle der elektrischen Bahn zu erreichen. i - Zufälligerweise hatte Günter von Hohenegg das gleiche Ziel; auch er war auf dem Wege zu Wengerns, ohne natürlich zu wissen, daß Jutta dort erwartet wurde. In Gedanken verloren ließ er seinen Blick aus der vor ihm herschreitenden Mädchengestalt ruhen. Welch entzückenden, elastischen Gang sie hatte. Wie anmutig sie das fei:e Köpfchen auf den Schultern trug. Es war doch schade, daß sie einem anderen gehörte. Sonst hätte er sich wohl von diesem anmutigen, graziösen Gang, von dieser ganzen liebreizenden Erscheinung verleiten lassen — ja, was denn? Er wehrte seine Gedanken ab. „Unsinn — Hirngespinste! Laß die junge Tome mit ihrem LiebcSschmerz, den du erlauschtest, aus deinen Gedanken, lieber Günter. Sie darf dich nicht inter essieren. Da kommt die Elektrische. Set so gut und schwinge dich hinauf und reihe seine Auaen los von dieser verlockenden Erscheinung da vorn. Du bist doch wahrhaftig kein Schürzenjäger." So sprach er zu sich selbst tn einer leise ironischen Art, die er im Verkehr mit sich selbst liebte. Ohne noch auf das vor ihm gehende Mädchen zu achten, trat er an die Elektrische heran. Mehrere Personen stiegen ab und eine größere Anzahl Menschen, die aufsteigen wollten, drängten sich an die Haltestelle. Er schwang sich als Letzter auf die Hintere Platt form und blieb da stehen, um seine Zigarette fertig zu rauchen. Als er aber seine Augen über die Insassen des Wagens schweifen ließ, sah er Jutta in der Ecke, dicht neben dem Fenster sitzen. Sie bemerkte ihn nicht. Ihre Augen blickten traurig und ernst, und er sah ganz deutlich, wie es um den feingeschwungenen Mund zuckte wie in heimlicher Erregung. „Armes Ting — wie sie leidet", dachte er mit warmem Mitleid. Und er mußte sie immer wieder an sehen, als könne er hinter ihrer klaren Stirn die schmerzlichen Gedanken lesen. Die Elektrische sauste durch den Tiergarten nach dem vornehmen Westen Berlins. Als Günter von Hohenegg an einer Haltestelle den Wagen verlassen wollte, sah er Jutta vor sich aussteigen. Sie war viel zu sehr in ihr schmerzliches Grübeln versunken, als daß sie ibn bemerkt hätte. Er sah, daß sie in dieselbe Straße einbog, die er gehen mutzte. Da hielt er die Schritte an, um ihr einen Borsprung zu lassen. Noch einmal sah er im Schein der Bogenlampe das feine Köpfchen vor sich, dann war die junge Dame um die Straßenecke verschwunden. Als auch er um die Ecke bog, war nichts mehr von ihr zu sehen. Sie mußte tn eins der nächsten Häuser gegangen sein. Langsam trat auch er nun an ein vornehm wirkendes Gebäude heran und zog die Klingel. Das Gesicht des Portiers erschien an dem kleinen Fenster neben dem Portal, gleich daraus sprang die Türe, wie von unsichtbarer Land geöffnet, auf. In der ersten Etage dieses Hauses wohnten Wem gernS. Fritz von Wengern war ein Studienfreund Günters. Seit dessen Verheiratung verkehrte Günter als gern gesehener Gap viel im Hause des Freunde-- Zuerst kam er mit großem Vergnügen in die elegante Häuslichkeit, wo die schöne Frau Lolo mit Anmut und Liebenswürdigkeit das Zepter schwang. Aber schon seit geraumer Zeit kam er mit einer gewissen, unbe haglichen Vorsicht. Günter von Hohenegg hatte leider bemerkt, da? Frau Lolo sehr gefallsüchtig war und die Liebe ihre- gutmütigen, etwas bequemen Gatten ihr unbequelN zu sein schien. Frau LoloS kokette kleine Manöver, ihn zu einem amüsanten Flirt zu verlocken, entgingen ihm nicht. Günter von Hohenegg war durchaus kein Ofen hocker. Er interessierte sich Mr schöne Frauen. Und Frau Lolo war schön und nicht ungefährlich. Aber sif war eben Fritz Wengerns Frau — die Frau seine- besten, treuesten Freundes — und als solche unantastbar für ihn. Ihm wäre es unmöglich gewesen, des Freun des Eheglück zu stören. Selbst wenn Frau Lolo ihm noch viel verführerischer erschienen wäre, hätte er doch sich selber und dem Freunde die Treue gehalten. So setzte er Frau LoloS Bemühungen, ihn in einen Flirt zu verstricken, einen stillen, unentwegten Widerstand entgegen und suchte das Feuer abzukühlen, das ihm aus ihren Augen zuweilen entgegensprang. Auch heute war er zu Wengerns eingeladen. Wäh rend er die breite, tevpichbelegte Treppe emporsttog, dachte er darüber nach, was Frau Lolo heute wohl wieder anstellen würde, ihn zu bezaubern. Und neben LoloS schönem, sprühenden Gesicht sah er im Geiste wieder das blasse, zuckende Mädchenantli- mtt den traurigen Augen. Aergerlich über sich selbst nahm er die letzten Stufen mit einem energischen Satz und zog die Klingel. Ein Diener in schlichter, vornehmer Livree öffnet« und lieg Günter von Hohenegg, nachdem er abgelegt hatten in das Zimmer des Hausherrn treten. (Fortsetzung folgt.)