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Dle Ausplünderung des RuhrgebkieS. Eine Bilanz der Einbrecher. Der „Mattn" gibt unter der Ueberschrift „Unsere Besetzung ^bringt immer mehr ein" einige Angaben über das bisherige Ergebnis der Ruhraktion, die zum Teil allerdings sehr stark gefärbt erscheinen, zum an dern Teil aber einen klaren Einblick in das Raubshstem der französischen Einbrecher gewähren. In dem Bericht heißt es- - - > - -——— —— ' — - —' 1. Eisottbahtneit. Die Zahl der von den Regiezügen zurückgelegten Kilometer betrug während des Monats Mai 40 000, sie ist heute auf 60 000 Kilometer gestie gen und fortschreitend im Anwachsen begriffen. Im Verlaufe des Monats Juli hat die Eisenbahnregie 1 867 102 Reisende, sowie 430 000 Tonnen an Waren befördert.« Diese Waren waren nicht für die Truppen bestimmt. Die deutschen Eisenbahner kehren allmäh lich zur Arbeit zurück. Am 1. April waren nur 76 Arbeitswillige, jetzt seien es mehr als 7000, darunter mehr als 360 geschulte. Das französisch-belgische Per sonal setzt sich aus 15 000 Freiwilligen und,511 Mi litäreisenbahnern zusammen. Was die Einnahmen an- brlange, so entsprechen sie bis zu ungefähr 3 Proz. den Ausgaben. ' > 2. AnSbeutrmg der Pfänder. Die finanzielle Seite der Operation werde, so schreibt der „Mattn" weiter durch den Umfang gekennzeichnet, datz die Einnahmen an Naturerzeugnissen (Ertrag der Kohlensteuer, des Zolles, der Ein- und Ausfuhrabgabe, Ausbeutung der Forsten und Markbeschlagnahmen) um das achtfache die Ausbeutungskosten überstiegen. Die Entsendung von Förstern, Ingenieuren, Zollbeamten usw. an die Ruhr und ins Ruhrgebiet habe dem französischen Fi nanzministerium nicht einen Heller gekostet und die von diesem Ministerium im Januar bereitgestellten Kredite wurden nie in Anspruch genommen. Außer diesen fort laufenden Einnahmen sei der Ertrag von Kohlen, Farb stoffen, beschlagnahmten Stickstoffdüngemitteln zu be rücksichtigen. Mit einer Operation, die am 18. August zu Ende geführt wurde, habe man 35 000 Tonnen er zielt. Weiter wurden 22 000 Tonnen Zucker beschlag nahmt. Es sei unmöglich, fährt der „Mattn" fort, den genauen Gewinn (des geraubten Gutes!) zu berechnen, den diese Verkäufe abwerfen. Allein der Wert der Farbstoffe betrage mehr als 100 Millionen Franken und man könne nicht den Wert der 900 000 Hektar For sten, die ausgenutzt werden sollen, jetzt ohne weiteres veranschlagen. Was die Kosten dieser Beschlagnahmun gen anbelangt, so seien sie mehr als tausendmal durch chren Betrag ausgewogen. 3. Im Hinblick auf die Fortschaffung für Frank reich, Belgien und Luxemburg bestimmter Kohlen sei zu bemerken, daß sie in durchaus „zufriedenstellender Weise" erfolge. Während nur 600 bis 700 Tonnen Koks im Verlaufe des Monats März täglich abtrans portiert wurden, versende man jetzt 9000 Tonnen pro Tag, während des Monats Juli 13 000 Tonnen Kohlen pro Tag. Vor fünf bis sechs Monaten würde der Vor rat an Kohlen nicht erschöpft sein. Der»,Matin" kommt zu dem Schluß: Die Aus beutung (bezw. Ausplünderung) der besetzten Gebiete schreite rasch und sicher fort in demselben Matze, wie die „Zersetzung des Reiches". Diese Ausbeutung kost« nicht nur nichts, sondern bringt mit jedem Tage mehr ein. Der Gewinn wird an oem Tage, wo die Ar beiter, wenn sie Berlin nicht mehr bezahlt, die Ar beit wieder aufnehmen, bei weitem die von der mili tärischen Besetzung verursachten Ausgaben übersteigen. Am unverfrorensten in diesem Bericht ist Wohl die Behauptung, daß die Ausbeutung so gut wie nichts koste. Wenn die von der französischen Kammer bewil ¬ ligten Ruhrkredite wirklich nicht in Anspruch genommen zu werden brauchten, so wären wohl nicht soviel Nach bewilligungen erforderlich gewesen. Los vom Versager Vertrag! Ter bekehrte Sepp Oerter. Der ehemalige „unabhängige" Ministerpräsident des Landes Braunschweig, Sepp Oerter, hielt in dem Harzkurort Altenau eine politisch bedeutsame Rede, in der er die Ursachen der heutigen Not des deutschen Volkes untersuchte und ein Programm entwickelte, das nach seiner Ansicht dem deutschen Volke den Weg auf wärts wieder freimachen könnte. Oerter sagte, es sei erwiesen, daß Deutschland nicht allein die Schuld am Kriege habe. Deshalb liege es an uns, jede Bewegung zu fördern, die sich die Abkehr vom Schuld bekenntnis zum Ziele setze. Wir müssen die Grund lage zu einer großen nationalen Bewe gung schaffen, müssen uns endlich frei machen von dem Gedanken, daß sich Frankreich und Belgien bet der Ruhrinvasion zu Tode arbeiten werden. Frankreich und Belgien wie auch die gesamte Entente halten es länger aus als Deutschland. Deshalb müssen wir etwas wagen. Wir müssen erklären, Frankreich und Belgien haben ven Vertrag von Bersailles gebrochen. Tie andren Län. »er der Entente habe« den Bruch, d«S Vertrages gutge, heitzen, infolgedessen wird sich, Deutschland an die Bedin gungen des Vertrages nicht mehr halte«. Es m»k er klären, wir werden u«s jeder weitere» Sachlieferung ent halten, werde« aber unsere inner» und außenpolitischen Verhältnisse und die militärischen Grundlagen so regeln, wie es unsere« Bedürfnissen entspricht. Zu gleicher Zeit mutz Deutschland aber auch er- 'lären, wir sind bereit, mit allen anderen Völkern in Unterhandlungen einzutreten, aber nicht als Ob jekt, sondern als mitbestimmendes Subjekt. Wir sind bereit, mitzuwirken, um die Schäden auszutilgen, di« surch den Krieg entstanden sind. LosvomVersail- ler Vertrag! Das ist die Parole für die Wieder- aufrichtung des deutschen Volkes. Zum Schluß sagt« wr Redner: Um den Weg zur Wiederaufrichtung Deutschlands zu erreichen, sei die Abkehr von der Parteiherrschaft notwendig. Grundlegend für diese Bewegung soll der Volksbund schaffender Stände sein, zu dessen Mitwirkung alle Frauen und Männer des deutschen Volkes aufgerufen werden. Vor ungesetzliche Versailler Vertrag. „Vorsätzlich« Verletzung der WaffcnstiNstanvs- beibingungen". Der englische Arbeiterführer Thomas sagte in einer Rede in Chester, die augenblickliche Lage sei viel gefährlicher als die, welche 1914 bestanden habe. Die juristischen Beamten der Krone müßten nicht nur sagen, ob die Besetzung des Ruhrgebietes ein legaler Akt ist, sondern auch, ob der „Versailler Vertrag" wirk lich ein gesetzlich verbindliches Dokument ist oder ob eine Verletzung der Bedingungen vorliegt, unter denen der Waffenstillstand abgeschlossen wurde. Man dürfe nicht vergessen, datz der Waffenstillstand auf der Grund lage der 14 Punkte Wilsons abgeschlossen wurde. Als Deutschland sich zu einem Waffenstillstand bereit er klärte, s^ es gefragt worden, ob es bereit sei, den Personen zu Lande, zur See oder in der Luft zugefüg ten Schaden wieder gutznmachen. Deutschland habe sich dazu bereit erklärt. Was jedoch die Pensionen für Soldaten und ihre Angehörigen betreffe, so sei dies eine vorsätzliche Verletzung der Waffenstillstandsbedin- qunaen. „Manchester Guardian" nimmt in ctnem Leitartikel zu dieser Frage Stellung und schreibt, es liege hier ein klarer Bruch der Bedingungen des Waffenstill standes vor.- Man habe Deutschland eine weitere, so riesige Verpflichtung auferlegt, datz der Vertrag selbst anerkannt habe, datz sie nicht vollkommen erfüllt wer den kann. Dies sei eine Ungesetzlichkeit, Pir die Eng land in gleicher Weise wie Frankreich verantwortlich sei. Bevor dies anerkannt werde und Genugtuung da für verschafft 'fei, werde man nicht an die Hauptursa- chen der Gesamtschwierigkeiten herankommeu. -- Politische Nun-scha^. Deutsches Reich. Ter Hauptausschuß des Reichstags tritt am Donners tag um 10 Uhr Vormittags zu einer Sitzung zusammen, die wahrscheinlich mit einer Erklärung des Reichs kanzlers beginnen wird. In London werden in einem Hotel Zimmer für Or. Cuno reserviert. Man erwartet auch den Besuch von Stinnes, der ein ständiges Prioatbüro in London er richten will. Die Reichsregierung plant die Beschaffung eines Devisenfonds in Höhe von 500 Millionen Goldmark zum Ankauf von Fettwaren aus dem Auslande. Man will mit diktatorischen Mitteln den drohenden Wirtschafts verfall hindern und die Volksernährung sichern. Der Reichssinanzminister plant die Ausgabe von neuem Hartgeld in den Beträgen von 100,000, 200,000 und 500,000 Mk. Im Nahetal mußte wegen Kohlenmangels die Gas- und Stromerzeugung eingestellt werden. Die Industrie betriebe mußten deshalb schließen. GLundkMtwe WirtschaftSmaßmrhmeu »er Reichs« regierung. Amtlich wird mitgeteilt: „DaS Reichs kabinett hat itz einer unter dem Vorsitz des Herrn Reichspräsidenten abgehaltenen Sitzung über grund legende Wirtschaftsmatznahmen Beschluß gefaßt, die nach Fühlungnahme mit den Parteiführern unverzüg lich im Wege der Notverordnung durchgeführt werden sollend Die Kabinettssitzung dauerte von .7 Uhr bis nach 11 Uhr. — Dr. «uW «chst «ach Amerika. Der früher« Reichskanzler Dr. Tuns, der sich zurzeit zur Erholung in der Nähe von Hamburg aufhält, wird voraussichtlich demnächst eine Reise nach Amerika antreten. Da Dr. Cuno von seiner früheren Tätigkeit bei der Hapag eng« Beziehungen zu einflußreichen Kreisen Amerikas hat, und da andererseits die Reise des gewesenen Reichs kanzlers nicht ohne politische Zwecke sein-dürfte, ist es wahrscheinlich, datz Dr. Cuno sich auch mit schwebenden politischen Fragen, wie z. B. dem Reparationsproblem, drüben befassen wird. Auch die Gerüchte, wonach Dr. Cuno für den Botschafterposten in Washington ausersehen sei, werden durch seine Reise neue Nah rung erhalten. . Nachsteuer Mr Leuchtmittek. In den nächsten Tagen wird im Reichsgesetzblatt eine Leuchtmtttelnach- steuerordnung veröffentlicht werden. Nach ihr sind dis nach dem'Leuchtmittelsteuergesetz vom 9.^7. 23 und zur gewerbsmäßigen Veräußerung bestimmt sind, nach zuversteuern. Die Nachsteuer ist nach den Steuersätzen bemessen, die für Leuchtmittel vom 1. 9. 23 ab gelten werden. — Ebenso werden nach einer Verordnung des Reichsfinanzministers Zündhölzer, Zündspänchen, Zündstäbchen, die sich am 1. September im freien Verkehr befinden und zur gewerbsmäßigen Veräuße rung bestimmt sind, einer Nachsteuer unterworfen. Wenn edle Herzen bluten. . .. 47j Roman von Fr. Lehne. Wiemanns ZettungS-Berlaa, Berlin W. 66. 1922 Robert wurde fuß ein wenig ärgerlich. . „Monika, ich habe Sie doch stets als vernünftiges Mädchen gekannt. So kommen Sie doch! Sonst stecken Sie mich noch an mit Ihrer Furcht", setzte er scherzend hinzu. „Wer sollte denn hier — —" »Doch er sprach nicht weiter. Plötzlich tauchten die Umrisse der Gestalt eines Mannes vor ihnen auf, der den Arm hob. Monika warf sich ihm entgegen, ihn auf den Arm schlagend und sprang vor Robert. Im selben Augenblick durchschnitt den Nebel ein Blitz, dem ein dumpfer Knall folgte. In großen Sätzen sprang der Mann an ihnen vorüber. Robert schickte sich an, dem Davoneilenden zu folgen, doch da tau melte Monika und brach mit einem leisen Wehlaute zusammen. Das ließ ihn alles andere vergessen. Er hielt sie fest in seinem Arm. „Monika", rief Robert in wilder Aufregung, als er aus das blasse, starre Gesicht sah und die warmen Tropfen über seine Hand rieseln fühlte. „Monika!" Er ritz das Jackett auf und suchte ihren Herzschlag. Schwer hing sie in seinem Arm; doch es war noch Leben in ihr, wie er mit Erleichterung feststellte. Sanft, behutsam Netz er sie zur Erde gleiten und fand an einem Baum einen Stützpunkt für sie. Er schob seinen Mantel unter ihren Rücken, damit sie weicher ruhte. Dann nahm er seine elektrische Taschen laterne zu Hilfe und untersuchte, so gut es ging, die Getroffene. Am linken Oberarm quoll das Blut hervor, edle Teile schienen nicht verletzt zu fein. Er rieb ihr die Hände und bemühte sich, sie aus ihrer Ohnmacht zu erwecken, die wohl mit durch den Schreck verursacht worden war. Endlich schlug sie die, Augen auf. Ein schwaches Lächeln flog über ihr Gesicht, als Je Robert neben sich knien sah. Sie versuchte, sich aufzurichten; doch er wehrte es ihr. „Nicht, Monika, nicht — ja nicht rühren." „O, es ist nichts. Der plötzliche Schrecken nur — Sie haben —" sie erbebte. „Wenn Ihnen nur nichts geschehen ist." „Nein, Monika, mir nicht! Aber Sie — Sie haben mir das Leben gerettet", und, hingerissen von seinem Gefühl, drückte er ihr seine Lippen auf ihre Hartd. „Wie fühlen Sie sich? Können Sie die wenigen Schritte bis zum Schwanenpavillon gehen? Dort ist eine Bank, auf der Sie ruhen können, bis ich Hilfe geholt habe." Mit seinem Beistand erhob sie sich; er zog ihren Arm durch den seinen und trug sie die kleine Strecke mehr, als daß sie ging. Nur mit Aufbietung aller Willenskraft hielt sre sich aufrecht. Die Wunde tat weh und doch hätte sie gern noch viel ärgere Schmer zen erduldet! Endlich waren sie am Ziel. „Monika, ich mutz Hilfe holen. Können Sie einen Augenblick allein bleiben? Einen Menschen werde ich doch treffen." Er legte ihr seinen Mantel um; dann ging er einige Schritte laM rufend. Er wurde gehört, man antwortete ihm. „Hier am Schwanenpavillon", rief er zurück, „schnell". Ein einfach gekleideter Mann kam aus dem Nebel aus ihn zu. Mit hastigen Worten verständigte ihn Robert von dem Vorgefallenen und bat ihn, vor allem nach einem Wagen zu sehen oder aus dem ersten Hause nach dem „Roten Kreuz" zu telephonieren. Der Mann teilte ihm kurz mit, daß vor wenigen Minuten eine Person in höchst verdächtiger Eile an ihm vorbei gestürmt sei und die Richtung nach der Stadt eingeschlagen habe. Er habe aber weiter nicht darauf geachtet. Robert war beruhigter, als der Fremde sich bereit willig seinem Wunsche fügte. In kurzer Zeit würde Monika geborgen sein. Er ging zu ihr zurück, setzte sich neben sie und hielt sie fest an seiner Brust. Sie hatte die Augen geschlossen und regte sich nicht. So hätte sie immer ruhen mögen. Sie fühlte keine Schmerzen mehr. Wie ein unwahrscheinlich schöner Traum erschien e- ihr. Klar zu denken vermochte sie nicht mehr, dazu war sie zu schwach. Ein Zustand des Dämmerns zwischen Bewußtsein und Ohnmacht hatte sich ihrer bemächtigt. Und da spürte sie auch seine Lippen auf ihrer Wange, spürte, wie sie scheu, verstohlen ihren Mund streiften. In seligem Schreck drohte ihr Herzschlag auszusetzen. Nachher wußte sie nichts mehr. Dieses Gefühl war das letzte, was sie in ihre Besinnungs losigkeit mit hinübernahm. Als sie erwachte, lag sie in einem Weißen Bette. Eine dicht verhängte Lampe verbreitete einen nur schwachen Lichtschein, und eine Frau in Schwesterntracht bewegte sich in dem Zimmer. Ihr Arm ruhte in einer Binde. Allmählich kam ihr die Erinnerung an das Geschehene zurück, und eine tiefe Freude erfüllte sie: Ich habe ihn gerettet! Robert Markhoff hatte seinen Buchhalter von Monikas Unfall in Kenntnis gesetzt, als der am Mon tag morgen ins Geschäft kam. Otto Ladewig gebärdete sich wie von Sinnen; er wußte ja noch nichts, da er Monika wegen zu vorgerückter Zeit am vorhergehenden Abend nicht mehr hatte aufsuchen können. So traf ihn diese Nachricht wie ein Donnerschlag. Von der Erlaubnis feines Chefs, sich sofort persönlich in der Privatklinik von Dr. Bahn nach dem Befinden seiner Braut zu erkundigen, machte er Gebrauch, er, der sonst ängstlich mit jeder Minute geizte, in der er tätig für das Geschäft sein mußte. Nachdem Robert das verwundete Mädchen in ärzt liche Behandlung gebracht, hatte er nicht gezögert, auf dem Polizeibüro Mitteilung von dem feigen Ueber- fall zu machen. Aus die Frage, ob er vielleicht jemand in Ver dacht habe, stutzte er. Er hatte in seiner Sorge um Monika nicht darüber nachgedacht, dann aber fiel ihm ein, datz ein Mann, der feige anonyme Briefe schreibt, auch sehr Wohl eines solchen Ueberfalles fähig ist, und er gab diesem Gedanken auch Ausdruck. Er wußte niemand, der ihn, außer Leander Uhlig, mit seinem Hatz verfolgen würde. (Fortsetzung folgt.»