Volltext Seite (XML)
bürg bis zur Grenze führt nicht eine einzige Bahn linie von Osten her. Die Truppen-Transporte aus der Richtung von München und Ulm sind daher ge- nöthigt, wenn sie auch die südlichsten Ausgangslinien benutzen, vom Bodensee aus wieder nordwärts nach Offenburg zu fahren, da die einzige bestehende directe Fortsetzung nach dem Westen auf der Linie Konstanz- Basel liegt, und diese wegen der zweimaligen Durch führung durch die Schweiz bei Schaffhausen und Ba sel unbenutzbar ist. Gerade aber die directe Heran führung der bezüglichen Truppentheile aus dem Süden Bayerns und Württembergs auf den südlichsten Punkt der Hauptlinie, also auf Leopoldshöhe und von da über Hüniugen und St. Ludwig nach Mülhausen ist auf einen Zeitwerth von mindestens 24 Stunden zu schätzen, ganz abgesehen von der Entlastung der Strecke Offenburg-Müllheim, welche dadurch für Truppen zuführungen aus den nördlicher gelegenen Theilen frei wird. Diese Nutzbarmachung der bisher für den Truppen-Transport brachliegenden südlichsten Linie des Reiches wird erreicht durch die beiden oben ange gebenen Strecken, welche das Schweizergebiet an zwei Stellen im nördlichen Bogen umgehen. Was aber eine Verfrühung des Aufmarsches der Truppen an der Grenze um 24 Stunden bedeutet, das weiß heut Jeder. Aus Hannover wird der „Weser-Ztg." geschrieben, daß in den Kreisen der Welfenpartei große Nie dergeschlagenheit herrscht. Die Reichstagswahlen haben einen tiefen Eindruck ausgeübt und eine bedeutende Zahl bisheriger Anhänger hat sich von der Partei losgesagt. Aus Ostafrika wird gemeldet, daß ein neuer Einfall der Somali in das Suaheligebiet stattge funden Hot. Am 21. Februar waren die Somali erst bei einem Raubzug zurückgeschlagen, brachen am 3. März aber von Neuem vor, richteten ein großes Blutbad an und trieben mehrere tausend Rinder fort. Ein neuer Angriff wurde erwartet. Zwischen Sultan Achmed von Witu und Kapitän Rabenhorst, dem Ver treter der Witu-Gesellschaft, sind Streitigkeiten ausge brochen, deren Beilegung aber zu erwarten ist. Oefterreich-Ungarn. Die österreichische Regierung hat den Universitäts- Professoren und Mittelschullehrern in Krakau die ge schlossene Betheiligung an der Leichenfeier für Kras zewski untersagt, da diese Feier den Charakter einer national-polnischen Demonstration erhalten soll. Der ungarische Unterrichtsminister Trefort hielt am Sonntag vor seinen Wählern in Preßburg eine Rede, in welcher er die Ueberzeugung ausdrückte, daß der Friede gesichert sei. M Frankreich. Rochefort tobtin seinem „Jntransigeant" wüthend gegen den Papst, den er den schlimmsten Feind Frankreichs nennt. Die wegen der Belforter Granatenexplosion angestellte Untersuchung hat ergeben, daß die betreffen den Werkstätten schlecht eingerichtet waren, und die Aufsicht an dem Unglückstage zu wünschen übrig ließ. i Infolge dessen ist auch der Artilleriekommandeur des - 7. Corps, General Demay, seiner Funktion enthoben, f Die chemische Untersuchung hat ergeben, daß das in s die Granaten gefüllte Melinit feucht geworden und s daher zur Explosion gebracht worden war. Italien. i Die italienische Deputirtenkammer hat ihre durch i die ziveimonatige Ministerkrisis unterbrochenen Sitzun gen am Montag wieder ausgenommen. Eine Massauah- Debatte erfolgt vorläufig nicht. Türkei. Gerüchtweise verlautet aus Konstantinopel, die Türkei wolle den bulgarischen Regentschaftsrath zum s Rücktritt auffordern, weil, so lange er am Ruder ! bleibe, auf eine Einigung mit Rußland nicht zu rechnen s sei. Der Nachricht liegt wohl ein russischer Wunsch ; i zu Grunde. Die Pforte setzt ihre militärischen Vorberei- ' tungen mit kaum geschwächtem Eifer fort. Bei ' . Krupp in Essen wurden neuerdings Geschosse für 4'/r s ' Millionen Franken bestellt und mit Geuson wurden i Unterhandlungen wegen Lieferungen von Eisenpanzern ; ! für Panzerschiffe eröffnet. Asien. Aus Kabul wird geschrieben: Der Gouverneur von Badakschan meldete dem Emir von Afghanistan, daß die russischen Grenzbehörden in Ost-Turkestan ihn seit Kurzem fortwährend mit Beschwerden plagen, daß die nach Badakschan abgehenden russischen Karawanen dort keinen Schutz finden rc. Er glaube, die Russen suchten nur nach einem Vorwand zur Einmischung. Die Lage in Afghanistan gilt allgemein als wirklich Hochernst. Amerika. Wie der „Times" aus Philadelphia gemeldet wird, haben 2000 Russen und Polen an einer Nihilisten- ' Versammlung (vermuthlich in Newyork) Theil ge- l nommen. Der bekannte russische Socialrevolutionär s Leo Hartmann, welcher das Eisenbahn-Attentat gegen i den Kaiser Alexander H. in Moskau geleitet hat, hielt i in russischer Sprache eine Rede, in welcher er erklärte, i daß es Pflicht der Parteigenossen in Amerika sei, ihren - Landsleuten in Rußland zu helfen und dieselben von - dem Despotismus zu befreiens sie sollten das Beispiel der Irländer befolgen und finanziell Denjenigen helfen, ? welche durch Geld vor dem Galgen gerettet werden j könnten; sie dürften mit Sicherheit auf die Sympathie j der Amerikaner rechnen, von denen viele bereits ihre ! Entrüstung über den von Bayard mit Rußland abge- schlossenen „höllischen" Auslieferungs-Vertrag ausge- , sprachen haben. Aus dem MuldenthaLs. Waldeulmrq, 19. April. Die soeben erschienene erste Hälfte des 8. Bandes des „Neuen Archivs für sächsische Geschichte" (welches bekanntlich im Auftrage des sächsischen Alterthumsverein und der kgl. Staats regierung Herr Archivrath vr. Ermisch zu Dresden herausgiebt) wird eröffnet durch den ersten Theil einer Abhandlung des Herrn Or. Joh. Müller (Seminar oberlehrer hierselbst) über „Die Anfänge des sächsischen Schulwesens". Derselbe giebt zum ersten Male eine auf umfassenden Quellenforschungen ruhende und mit wissenschaftlicher Kritik verfahrende, genaue Darstellung der sächsischen Schulverhältnisse vom Ende des 12. Jahrhunderts bis zum Ende des 14. Jahrhunderts. Zunächst werden diese Verhältnisse im Allgemeinen gekennzeichnet und dann von den 19 Ortschaften des jetzigen Königreichs Sachsen, in denen während des angegebenen Zeitraumes Schulen angetroffen wer den, die 6 Orte in Betracht gezogen, deren Schulen schon im 12. und 13. Jahrhundert vorgekommen, nämlich Meißen, Bautzen, Wurzen, Geringswalde, Leipzig, Zwickau. Ueber sogenannte „kleine Schulen", innere und äußere Klosterschulen, Pfarrschulen und Dorfschulen im Mittelalter, über Chorschüler und über Chorales im engeren Sinne, über Schüler und über Scholaren im engeren Sinne werden dabei kritische Untersuchungen angestellt und Aufschlüsse ge geben, die geeignet sein dürften, eine besonnene Würdigung der mittelalterlichen deutschen Schulver hältnisse zu fördern und namentlich die neuerdings von katholischen Schriftstellern aufgestellten Behauptungen und einseitigen Darstellungen auf das rechte Maß zu rückzuführen. *— Die Nothwendigkeit der Einführung obligato rischer Trichinenschau wird immer mehr anerkannt. Seit 15. d. hat auch der Gemeinderath zu Altstadt- waldenburg die Trichinenschau im genannten Orte obligatorisch eingeführt. *— Die 3. diesjährige öffentliche Bezirksausschuß- sitzung findet Freitag, den 22. d. nachmittags 3 Uhr im Verhandlungssaale der kgl. Amtshauptmannschaft Glauchau, Königstr. 3, statt. — Se. Erlaucht der Graf Clemens von Schön- burg-Hinter-Glauchau wird init seiner jungen Ge mahlin am nächsten Sonnabend, den 7. Mai zu einem jedenfalls längeren Aufenthalt in Glauchau ein- trefsen; es sind zum Empfang des erlauchten Paares verschiedene Vorbereitungen im Gange. — In Glauchau wurde am Montag Nachmittag der erste Spatenstich zum Bau einer Turnhalle gethan. — Die alljährlich im Sommer verkehrenden Sonn- und Festtags-Extrazüge zwischen Glauchau und Göß nitz sollen auch in diesem Jahre und schon vom 1. Mai ab wieder eingelegt werden. Die Züge verlassen Glauchau um 11 Uhr 47 Min. abends (Ankunft in Gößnitz 12 Uhr 13 Min. nachts) und fahren von Gößnitz in derselben Nacht 12 Uhr 36 Min. nach Meerane und Glauchau (Ankunft 1 Uhr 5 Min.) zurück. — Die in Zwickau bestehenden Innungen haben im vorigen Monat insofern eine Vereinigung geschlos sen, daß sie zur Berathung allgemeiner Angelegenheiten einen fünfgliedrigen geschäftsführenden Ausschuß nieder- gesetzt und in denselben fünf Obermeister, bez. Stell vertreter gewählt haben. Feuilleton. Unter einem Dache. Roman von Karl Hartmann-Plön. (Fortletzuna.) „Sie werden sie etwas verändert wiederfinden." „Wie so?" „Gabriele ist seit längerer Zeit schon in einer sehr gereizten Stimmung, ihre Nerven sind angegriffen, ihre Laune ist nicht die beste." „Sie ist doch nicht krank?" „Körperlich gerade nicht." „D?ch nicht geistig? Ich bitte Sie, Fräulein Ätzer —" „Davon später. Wie gesagt, sie ist in gereizter Stimmung, und wenn Sie nicht so freundlich von ihr empfangen werden, wie Sie vielleicht gedacht haben, Herr v. Larsen, so ertragen Sie es mit Gleichmuth und widersprechen Sie ihr nicht, Sie wissen, Wider spruch macht die Sache nur noch schlimmer. Es wird schon Alles wieder gut werden!" „Was heißt denn das?" rief der Verwalter erstaunt aus. „Welche Sache ist es, die noch schlimmer wer den könnte? Und was braucht wieder gut zu werden? Ich bin ganz betroffen von Ihren Worten!" „Sie fühlt sich verletzt durch das Telegramm, wel ches Sie ihr heute geschickt haben, zumal durch das letzte Wort „hoffe!" Mir selbst ist es ebenfalls nicht klar, was Sie damit haben sagen wollen. Sie ist zweifelhaft, ob es bedeuten soll „ich hoffe", oder „hoffe Du." „Es kann unter Umständen Beides heißen, liebes Fräulein, und ich bin überzeugt, sie wird es begreiflich finden, nachdem ich ihr meine angekündigten Mitthei- lungen gemacht haben werde. Erst nachdem es ge schehen, gewinnt das Wort an Bedeutung. Ich sehe ein, daß ich mich ungeschickt ausgedrückt habe, ich schrieb das Telegramm in größter Eile, die Lokomotive hatte schon gepfiffen, ich wollte eigentlich noch etwas mehr hinzufügcn —" „Fast mit denselben Worten habe ich Sie ver- theidigt!" „Wie? So sehr war die gnädige Frau erzürnt, daß ich einer Vertheidigung bedurfte?" „Es war in der ersten Aufwallung." „Sie wird mir schon verzeihen, ich bin nicht be sorgt, — eine kurze Unterredung, und ihr Zorn ist verraucht." „Seien Sie nicht allzu zuversichtlich, es haben sich hier inzwischen Dinge ereignet, — ich erlaubte mir, Ihnen schon anzudeuten, daß Sie Gabriele sehr ver ändert wiederfinden würden." „Sie sagten schon, daß ihre Nerven angegriffen seien." „Nun ja, gewiß, aber daß Alles erst infolge dieser Veränderung." „Worin hat sie sich denn verändert?" „Sie ist ja leider, ich muß es gestehen, in ihren Gefühlen, in ihrer Neigung und Abneigung von je her etwas überspannt gewesen. Es läßt sich nicht leugnen, daß Gabriele, als wir noch auf Hellenborn waren, Sie durch eine Freundlichkeit auszeichnete, daß man schließen konnte —" „Und in diesem Gefühl der freundlichen Gesinnung für mich, glauben Sie, daß sie sich verändert hat?" „Sie hat dies Gefühl auf einen Andern übertragen." „Was? Sie liebt einen Andern?" rief der Ver walter erregt aus, „das ist unmöglich! Wer ist dieser Andere?" „Sie dürfen mich nicht verrathen, und wenn ich Ihnen die Wahrheit sage, so thue ich es nur aus wirklicher Freundschaft für Sie, damit Sie sich nicht länger mit Hoffnungen tragen, die sich unter den gegen wärtigen Verhältnissen schwer verwirklichen dürften." „Wer ist dieser Andere?" „Ein Verwandter des Herrn v. Sonns, ein Herr v. Bela." „Und dieser Herr v. Bela liebt sie wieder?" „Darüber kann ich Ihnen nichts Bestimmtes sagen." „Sie muß diese Liebe aufgeben, denn ich habe ältere Rechte!" „Rechte, Herr v. Larsen? Wirkliche Rechte? Gab sie Ihnen Versprechungen? Hat sie ein Wort zu Ihnen gesagt, durch das sie gebunden wäre?" „Sind Blicke nicht unter Umständen auch Worte? Aufmerksamkeiten — Betheuerungen? Freundlichkeiten — Geständnisse?" „Doch wohl nicht so ganz." „Und sollte Sie meine Rechte nicht anerkennen wol len, so werde ich sie zu zwingen wissen." „Um Gotteswillen, Herr v. Larsen, geben Sie solche Gedanken auf. Kennen Sie Gabriele so wenig? Läßt sie sich durch irgend etwas auf der Welt zwingen? Wenn sie Ihnen jemals gut war, so ist sie es jetzt nicht mehr, mit dürren Worten hat sie es ausgesprochen!" „Wirklich? Hat sie —?" „Wagen Sie nicht das Aeußerste, reizen Sie ihren Zorn nicht, — es sollte mich sehr betrüben, wenn das Ende des Streites wäre, daß Sie Hellenborn verlassen müßten." „Oh — ich werde schon bleiben." „Grämen Sie sich nicht um sie, die Erde ist ja groß, es giebt Herzen genug, die in Treue für Sie schlagen würden, sehen Sie sich um —" Weiter kam das Fräulein nicht, denn in diesem Augenblick wurde ungestüm die Thür aufgerissen, und den Kopf zurückgebogen, die Stirn in Falten, mit einem unnachahmlichen Stolz in ihrer ganzen Haltung trat Frau v. Sonns in das Zimmer.' „Ich habe schon unten erfahren, wen ich hier oben zu erwarten habe," sagte sie in einem Tone, der die ser Haltung vollständig entsprach, „und nun möchte ich mir zuerst die Frage erlauben, wer gab Ihnen die Erlaubniß, Hellenborn zu verlassen?" (Fortsetzung folgt.)