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zie ist der Ansicht, daß die schnelle Genesung des Kron prinzen von der Erkältung in Toblach ein neuer Be weis dafür sei, daß das Halsleiden keinen bösartigen Charakter trägt. Wäre es anders gewesen, so hätte i der katarrhalische Zustand irgend ein Anzeichen zu Tage ! fördern müssen. Der Kronprinz befindet sich jetzt voll- ! kommen wohl, führt ein ruhiges, regelmäßiges Leben, > steht früh auf und ist von den landschaftlichen Bildern ; Baveno's entzückt. Sein größter Genuß ist ein tüch- s tiger Spaziergang. Mit großer Bewunderung und i einem Anfluge von Rührung gedachte Sir Mackenzie s kurz der liebevollen Pflege, welche die Kronprinzessin ; ihrem Gemahl zu theil werden läßt; sie ist jederzeit ! bestrebt, Wolken von der Stirn des Genesenden zu Z verscheuchen. Russische Blätter meldeten, in der Festung Kowno s seien zwei deutsche Spione verhaftet worden, deren ? einer ein Generalstabsofficier sein sollte. An der gan- « zen Geschichte ist kein Wort wahr. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt, daß von keiner ; Seite ein Protest gegen das deutsche Vorgehen in s Samoa erhoben sei. In Kamerun ist die Wirkung ! der letzten Strafexekution auf die Eingeborenen eine ? durchaus günstige gewesen. Sämmtliche bedeutende Häuptlinge im Abo- und Wuri-Gebiet haben dem kaiserlichen Gouverneur ihre Zustimmung und Ergeben- beit ausdrücken lassen und waren nach den letzten Nach richten eifrig damit beschäftigt, neue Friedensgesetze für ihre Unterthanen zu machen, Widerspenstige zu bestra fen und durchgreifender, als dies in letzter Zeit ge schehen ist, für Ruhe und Ordnung in ihren Ortschaf ten zu sorgen. Die Eingeborenen Kamerun's haben volles Verständniß dafür, daß es ihnen unter deutscher Herrschaft nicht gestattet ist, sich gegenseitig straflos zu berauben und umzubringen. In den Berliner leitenden Kreisen verfolgt man mit großer Aufmerksamkeit den Verlauf der Dinge m Paris. Man hält daselbst die Absetzung des Ge nerals Boulanger für unvermeidlich und die Mög lichkeit nicht ausgeschlossen, daß derselbe eines schönen Tages dann nach Paris als Märtyrer zurück kehrt und die ganze Meute, welche bei seiner Abreise den Höllenlärm inscenirte, zu neuen Straßenskandalen aufbietet, deren Ausgang bei den Pariser Zuständen Niemand übersehen kann. Bei der Wahl eines Abgeordneten zum preußischen Landtage im Wahlkreise Langensalza für den ver storbenen Abg. von Wintzingerode wurde Amtsrichter Bode (cons.) mit 242 von 244 Stimmen gewählt. Oesterreich-Ungarn. Handelsminister Baquhem wird vom Reichsrathe die Ermächtigung verlangen, provisorische Vereinbarun gen mit Deutschland und Italien betreffs der Rege lung der Handelsbeziehungen zu diesen Staaten abzuschließen. In Wien ist die Nachricht eingegangen, daß die russischen Truppen an der österreichischen Grenze bedeutend verstärkt seien. Frankreich. Präsident Gr6vy hat am Montag das Decret un terzeichnet, durch welches der General Caffarelli zur Verfügung des Civilrichters gestellt wird. Wahr scheinlich bleibt er bis zur Gerichtsverhandlung in Freiheit. Ein Gesuch Boulangers, trotz seines Arrestes mit seinen Divisionsgeneralen die Aufstellung der Avancementsliste ausarbeiten zu dürfen, ist abschläglich beschieden. Bezüglich Wilson's gilt jetzt allgemein für ausge macht, daß er thatsächlich in mehreren Fällen seine Gläubiger durch Dekorationen abgefunden hat; doch scheint er nicht wirklich Orden an Kunden der Frau Ratazzi verkauft zu haben. Bei seinen Vernehmungen vor dem Untersuchungsrichter ging es sehr stürmisch zu. Die Polizei gedenkt übrigens gegen Ordensver mittelungsgeschäfte in Paris streng vorzugehen. In Clermont sollte eine Demonstration für ; Boulanger stattfinden. Bei dem schlechten Wetter - wurde aber nichts daraus. In Coleah, Algerien, meu- , terten einige hundert Zuaven-Reservisten, welche man drei - Tage lang ohne Strohsäcke und Decken auf bloßer ! Erde hatte liegen lassen. Sie rissen ihre Zelte nieder - und riefen: Hoch Boulanger! Truppen wurden, mit dem Befehl, scharf zu feuern, den Zuaven entgegenge- j schickt. Darauf trat Ruhe ei». Die Pariser Anarchisten hielten eine Versamm- i lung zu Gunsten ihrer in Chicago zum Tode verur- : theilten Gesinnungsgenossen ab. Auf der Straße ge- riethen Anarchisten und Polizisten aneinander. Erstere feuerten Revolverschüsse ab und verwundeten zwei Schutzleute.' Ueber Schnebele hatte die „Köln. Ztg." eine Nach richt gebracht, welche besagte, er treibe sein Spionage- Geschäft noch fort. Nach der „Lothr. Ztg." ist das unbegründet. Er ist Lehrer in Nancy, hat 3000 Franken Gehalt und führt ein ganz ruhiges und behag liches Leben. Die französischen Blätter bringen laufende Berichte über jeden Hafttag Boulangers. So erfährt man, daß Boulanger am Sonntag hauptsächlich seinen Gar- ! ten stillschweigend betrachtet habe. (Höchst interessant!) i Der französische Kriegsminister hat nun doch seine Jnspectionsreise in Ostsrankreich angetreten. Zu nächst besichtigt er die neuen Infanterie-Regimenter in Nancy und dann die Festungen an der Grenze. GP amen. In Barzelona wurden 10 Individuen verhaftet, die einen Aufstand vorbereiten wollten. Italien. Die französischen Pilger, die ohne Ruhestörung in Rom eingezogen sind, sind vom Papst empfangen worden. Der französische Graf de Mun verlas eine Adresse, auf welche der Papst kurz antwortete. Der italienische Commandat von Massauah, Salatta, hat seine Abberufung verlangt und erhalten. Der neue Oberbefehlshaber San Marzano geht noch in die sem Monat dahin ab. Anfang November folgen neue Truppensendungen. Die Cholera ist beim Eintreten der kälteren Wit terung jetzt allenthalben im Erlöschen begriffen. England. Sonntag fand in London wieder eine große Ar beiterversammlung statt, die vom Trafalgar Square mit Polizeibedeckung nach der Westminster-Abtei zog und sich dort zerstreute. Unruhen kamen nicht vor. In Woodford in Irland veranstaltete der Abg. O'Brien eine große Protestversammlung, trotzdem dieselbe von den Behörden verboten war. Nach einer donnernden Philippika gegen die britische Regierung verbrannte der Redner feierlich das Decret, durch wel ches die Versammlung verboten wurde. Darauf ging Alles ruhig auseinander. Die Polizei schritt nicht ein. Bulgarien. Die Eröffnung der bulgarischen Sobranje ist jetzt officiell auf den 15. October a. St. (27. October n. St.) anberaumt worden. Aus dem Muldenthule. "Waldenburg, 18. October. Am gestrigen Tage gaben die Inhaber der Firma Heinrich Pätzmann ihrem Geschäftspersonal in den Räumen der Winkler'schen Restauration zu Grünfeld ein Arbeiterfest, welches Zeugniß ablegte von dem harmonischen Einvernehmen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Nachdem das Personal in geordnetem Zuge unter Musikbeglei tung durch den Grünfelder Park nach dem Festlokale sich bewegt hatte, erquickten sich die Theilnehmer dort zunächst durch^Speise und Trank, um dann theils dem Tanzvergnügen sich zu widmen, theils den arrangirten lebenden Bildern und Declamationen beizuwohnen. Bei Gelegenheit dieses Festes nahm der Mitinhaber der Firma, Herr Heinich Pätzmann, Anlaß, mitzutheilen, daß er ein Kapital von 15,000 Mark zu dem Zwecke gestiftet habe, um solchen Personen, welche einem ge wissen Zeitraum hindurch im erwähntem Geschäft thä- tig gewesen sind, bestimmte Geldbeträge auszuhändigen; auch sei eine besondere Einrichtung getroffen worden, den Sparsinn der Arbeiter anzuregen und zu unter stützen. Wir! werden demnächst hierauf noch specieller zurückkommen. Ueber den Verlauf des Festes können wir nur noch zufügen, daß derselbe ein allseitig höchst befriedigender und erfreulicher war. *— Am vorigen Sonntag nachmittags 3 Uhr tra fen sich in Glauchau zu „Stadt Leipzig" auf Ein ladung des Vorstandes der Webschule zu Meerane Vorstände und Delegirte der gewerblichen Schulen der umliegenden Gegend. Als Ehrengäste hatten sich zur Freude der zahlreichen Versammlung der kgl. Ge- werberath Herr Herbrig aus Zwickau und der kgl. Gewerbeschulinspector Herr Enke aus Dresden bei den Beratungen eingefunden. Es wurde die Examensrage behandelt und dabei beschlossen, von den Prüfungen zu Michaelis gänzlich abzusehen, aber die Osterprüfungen nach bestimmten nach den Wünschen und Einrichtungen der Vereine sich ergebender Reihenfolge abzuhalten, damit Lehrern, Interessenten und Schülerabtheilungen ein gegenseitiger Besuch ermöglicht werde. Die Tage Feuilleton. Dunkle Tage. Roman von Valeska von Gallwitz. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Die junge Frau nickte befriedigt. „So hören Sie. Meine Güter Staliszyn und Panawora liegen im Gouvernement Kalisz an der Grenze des Großherzogthums Posen, von der sie nur durch Prosna getrennt sind. Ich beabsichtige, auf den selben ein Waffendepot anzulegen und meine Untertha nen militärisch zu organisiren. Würden Sie meine Befehle hierüber meinem dortigen Beamten übermitteln?" „Sie dürfen sich, gnädige Frau," antwortete Fron deur mit einer gewissen Feierlichkeit, „ganz auf meine Gewissenhaftigkeit verlassen; ich werde pünktlich Ihre Befehle ausführen." „Die viertausend Franken sollen nur die erste Raten zahlung sein, kaufen Sie dafür Gewehre und Muni tion für dreihundert Mann. Mit diesem Transport begeben Sie sich nach Staliszyn, wo Herr Machnonski, mein erster Jnspector, für sichere Unterbringung Sorge tragen wird. Sie werden in diesem Mann einen glühenden Anhänger der polnischen Freiheit finden, der auch Talent für Organisation besitzt. Er hat dasselbe im Jahre 1830 in dem großen, leider so unglücklich endenden Freiheitskriege meiner Nation bewiesen. Er hat in seiner Gefangennahme durch die Kosaken namen los gelitten, was seinen Haß gegen Rußland bis zur Raserei steigerte." „Desto besser," warf der Agent ein, „solche Leute können wir brauchen." Agnes Dembirska lachte höhnisch. „Oh, mein lieber Frondeur, die Polen lernen den Haß nicht nur unter den Fußtritten der Kosaken, das Kind saugt ihn schon mit der Muttermilch ein. — Machnonski soll geheime Versammlungen abhalten, das Feuer des Aufruhrs schüren. Jeder, der für unsere Sache schwört, erhält zehn Rubel Handgeld, und so bald Ler Kamps entbrennt, setze ich auf jeden Kosaken kopf fünfzig Rubel." Der Agent rieb sich die Hände. „Vortrefflich! Diese Aussicht wird den Patriotis mus erhitzen." „Alles Genauere werden Sie mit meinem Jnspec tor verabreden." „Aber, gnädige Frau, die Hauptsache, wer wird der Befehlshaber sein und die Leute gegen den Feind führen?" Ein triumphirendes Lächeln zuckte über das Antlitz des schönen Weibes. „Das ist der einzige Punkt, über den ich ein Pri vatgeheimniß zu machen gedenke. Sagen Sie Mach nonski, daß der Kommandeur der von ihm zu orga- nisirenden Schaar erst an dem Tag des Losbruches eintreffen wird. Es ist ein Offizier, dem ich die aus gedehnteste Vollmacht über meine Güter und Alles, was auf denselben vorhanden ist, verleihe." „Alles wird Ihrem Wunsch gemäß ausgefüllt wer den, und ich bitte jetzt noch um eine Legitimation, welche mich bei Herrn Machnonski einführt." Frau von Dembirska fertigte das Schriftstück aus. „So, mein geehrter Herr Frondeur, wann gedenken Sie Ihre Reise anzutreten?" „Sobald ich die Waffen angekauft." „So wünsche ich Ihnen den besten Erfolg, und neh men Sie meinen Dank im Voraus. Schärfen Sie Machnonski ein, daß er in politischer Sache nur durch Sie mit mir verhandele. Drittes Kapitel. Ein Emissär des Polen-Comitees. Monseur Frondeur, der umi äu peupl« und der hochherzige Freund der polnischen Nation, begab sich, nachdem er das Hotel in der Behrenstraße verlassen, direct nach dem Bankhause Kühne und Comp., Unter den Linden, und präsentirte dort die Anweisung der Frau von Dembirska. Mit großer Befriedigung strich er die Banknoten und Geldrollen ein, welche ihm der Kassirer, nachdem dieser die Unterschrift der reichen Polin geprüft, gegen Quittung übergab. „Das wäre also die erste Rate, und wenn ich rich tig kalkulire," flüsterte Frondeur leise vor sich hin, „werden die anderen nicht lange auf sich warten lassen." Der Emissär, der sowohl den Patriotismus wie die Liebe der Agnes Dembirska kannte, hatte mit feiner Be rechnung einen Plan entworfen, der ihm zur Gold quelle werden sollte. Hätte ein wirklich zärtliches Ver- hältniß zwischen der jungen Frau und Lubinski exi- stirt, so wären die Pläne des Agenten unausführbar gewesen, so aber, da die Liebe nur bei der Frau, bei ihm aber nur ein flüchtiges Interesse sich gezeigt hatte, war eine intime Annäherung, bei welcher es zur Aus sprache kommen konnte, nicht zu fürchten. Frondeur hatte also den Namen des jungen preu ßischen Offiziers auf eigene Hand auf die Subskrip- i tionsliste gesetzt, um diesen gleichsam als Köder für I die schöne Wittwe zu brauchen. Das Manöver war geglückt, Agnes Dembirska wollte dem Geliebten an Opferwilligkeit nicht nachstehen. Die für die Summe anzuschaffenden Waffen waren bei Frondeurs Quellen- kennmiß für die Hälfte der ausgeworfenen Summe aufzutreiben. Falsche Quittungen aufzutreiben, war für einen Mann, wie Frondeur, Spielerei. Sollte nun aber durch einen Zufall Frau von Dembirska Lubinski in Bezug seines Interesses und seiner Sub- scription interpelliren und so hinter seine vollständige Unkenntniß der ganzen Angelegenheit kommen, so hatte sich Frondeur immer noch eine Hinterthür offen ge lassen. Details über Lubinski hatte er sich wohl ge hütet zu geben, in Paris gab es mehrere Träger die ses Namens, im schlimmsten Falle war es von feiten Frau von Dembirska ein Mißverständnis für das er nicht verantwortlich gemacht werden konnte. (Fortsetzung folgt.)