Volltext Seite (XML)
hat, hat sich einer sehr ehrenvollen Aufnahme zu er freuen gehabt. Fürst Bismarck, der ihm zu Ehren ein Diner gab, richtet seine ganz besondere Aufmerk samkeit auf Ostasien. Wie jetzt dem Grafen Saigo begegnete er im vorigen Jahre auch dem chinesischen Marquis Tseng mit großer Aufmerksamkeit. Natürlich handelt es sich ganz wesentlich um wirthschaftliche In teressen. Deutschlands Handelsverkehr mit Ostasien war schon lange ein recht guter, und die heimische Industrie hat auch den dortigen Staaten Manches ge liefert. China bezog von uns mehrere Panzerschiffe und Flottenmaterial, und Japan, das bisher in Frank reich bauen ließ, hat große Lust dazu. Jedenfalls liegt in diesen, moderner Cultur sich zuwendenden Staaten noch ein großes Absatzfeld, und Fürst Bismarck trägt mit Sorge, uns dasselbe zu gewinnen. Die „Nordd. Allg. Ztg." hatte darauf aufmerksam gemacht, daß sich der Abg. Eugen Richter diesmal nur in Hagen i. W. als Reichstagscandidat habe , aufstcllen lassen und fand darin für Richter eine un- günstige Erscheinung. Die „Freis. Ztg." bemerkt dazu: „Die diesmaligen Stimmungsberichte aus dem Kreise Hagen haben Herrn Richter veranlaßt, jede anderweite Candidatur, abgesehen von bloßen Zählcandidaturen, abzulehnen. Im 5. Berliner Reichstagswahlkreise war an Stelle des Herrn Cremer, der bekanntlich auf die Candidatur verzichtet hatte, noch immer kein conser- vativ-nationalliberaler Wahlcandidat gefunden. Nun mehr ist der Vorsitzende des cvnservativen Wahlvereins in diesem Kreise, Major z. D. Blume, aufgestellt. Die Candidaturen in den 4 Berliner Wahlkreisen, in denen Conservativ-Nationalliberale und Freisinnige mit ein ander kämpfen, sind definitiv also folgende: I. Klotz (freis.), Frhr. vonZedtlitz-Neukirch (Conserv.-Nationall.); II. Professor Virchow (freis.), Rechtsanwalt Wolff (C.-N.); III. Rechtsanwalt Munckel (freis.), Ober bürgermeister Miquel (C.-N.); V. Landrath vr. Baum bach (freis.), Major z. D. Blume (C.-N.). Im IV. und VI. Wahlkreise ist die Wahl der Socialdemokraten Singer und Hasenclever zweifellos; die Arbeiterzahl ist dort zu sehr überwiegend. Im Wahlkreise Herford-Halle haben sich die Nationalliberalen verbindlich gemacht, die conservative Candidatur von Kleist-Retzow zu unterstützen, wogegm die Conservativen in Hamm-Soest für den National liberalen Smiths stimmen werden. Von einer bevorstehenden Verhängung des kleinen Belagerungszustandes über Stettin wegen des i Wahlkrawalles ist die Rede. Im 17. württembergischen Wahlkreise Ravensburg , hat der katholische Geistliche Professor Jlg eine öffent- ; liche Erklärung gegen den Centrums-Kandidaten erlassen. Frankreich. Der französische Ministerrath beschloß am Donners tag, sich dahin zu erklären, daß, falls nach Beendigung der Budgetberathung der Antrag gestellt werde, die . Berathung der Militärvorlage zuerst vorzunehmen ' (es handelt sich um das neue Organisationsgesetz), die Berathung der Getreidezölle den Vorrang haben solle! General Boulanger hat angeordnet, daß die Bat terie von Bruyöres im Südosten der Festung Laon gelegen, fernerhin „Batterie Henriot" genannt werden soll. Henriot ist jener Artillerist, der die Zitadelle von Laon durch Entzünden der Pulverkammer am 9. September 1870 in die Luft sprengte, nachdem der commandirende französische General kapitulirt hatte und als die deutschen Truppen unter dem Herzog Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin in die Stadt und in die Zitadelle einrückten. Die vom Kriegsminister Boulanger geforderten 86 Millionen, die am Dienstag zugleich mit den 30 Millionen für den Marineminister bewilligt worden sind, sollen zu '/», nämlich 71 Millionen, zur An schaffung von Repetirgewehren verwendet wer den, 15 Millionen zu Casernenbauten und für Be festigungsarbeiten. Die außerordentlichen Forderungen im neusten deutschen Militäretat betrugen rund 60 Millionen Mark, also 72 Millionen Franken. Die Summe, welche die französischen Kammern seit dem letzten Kriege für Militärzwecke bewilligt ha ben, beträgt, der „Köln. Ztg." zufolge, die Summe von 2,283,833,282 Frcs. Italien. Im Theater zu Pistoja kam es zu stürmischen Kundgebungen gegen die Regierung. Militär mußte schließlich mit dem Bajonnet das Theater räumen, wo bei es zu erbittertem Kampfe kam. England. In Süd-Schottland führten 12,000 Bergleute einen Strike herbei. Sie plünderten viele Läden und ver theilten Brod, Fleisch und Wein an Arme. Man be fürchtet die Ausbreitung der Unruhen, da sich den Strikenden auch Arrestanten, welche durch Zerstörung der Polizeistation gewaltsam befreit wurden, angeschlos sen haben. Aus London liegt wiederum eine Friedenskund gebung vor: Auf dem Bankett der vereinigten Han delskammern hielt der Unterstaatssekretär im auswär tigen Ministerium, Fergusson, eine Rede, in der er feierlich versicherte, daß die Bemühungen der eng lischen Regierung in der That auf Erhaltung des Frie dens gerichtet seien. Niemand wünsche den Frieden sehnlicher, als die Königin selbst. Eine Kriegsgefahr sei allerdings vorhanden, aber die Staaten Europa's seien ohne Ausnahme von dem lebhaften Wunsche be seelt, den Frieden zu erhalten. Alle Minister der europäischen Mächte hätten den Wunsch nach Auf- rechterhaltnng des Friedens bekundet. Seit den letzten in: Parlament abgegebenen Erklärungen hätte das Ministerium keine Nachricht erhalten, daß ein Krieg wahrscheinlich sei, es sei vielmehr der ausgesprochene Wunsch vorhanden, die Ursachen der Streitigkeiten zu beseitigen und die europäischen Fragen in billiger und aufrichtiger Weise zu behandeln; es sei weder eine be sondere Ursache für einen Krieg vorhanden, noch ein l solcher Zustand der Erbitterung und Spannung,'wel cher einen Krieg entweder unvermeidlich oder selbst wahrscheinltch machen würde. Der Finanzminister Goschen, der in Portsmouth unterlegen war, ist nunmehr in einem Londoner Be zirk zum Abgeordneten gewählt, in dem seine Wahl von vornherein sicher stand. Egypten. Bezüglich Egyptens hat England folgende Vor schläge gemacht: Selbstständigkeit Egyptens, das außerdem neutrales Land werden soll, Freiheit de- Verkehrs auf dem Suezcanal. Im Fall von Ruhe störungen in Egypten steht es der englischen Regierung zu, das Land wieder zu besetzen. Englische Truppen sollen ferner das Recht des Durchzuges durch Egyp- ! ten zu Wasser und zu Lande haben. Die Mehrheit der Officiere muß aus Engländern bestehen. Also kurz: englisches Protectorat. Aus dem Muldenthale. Waldenburg, 11. Februar. Wie zu erwarten, ist der vorigen Sonntag in hiesiger Stadt vertheilte Wahlaufruf auch auf den umliegenden Dörfern zur Vertheilung gekommen; so auch in Oberwiera durch j zwei Meeranesen. Nach der Legitimation seitens des r Qrtsvorstehers gefragt, brachten beide ihre Militär- ! reservescheine zum Vorschein. Daß leider die destrnc- >. tiven Lehren der Socialdemokratie auch unter den der Armee angehörenden Personen Eingang gefunden haben, ist längst bekannt, daß aber diese Leute ostentativ ihre Militärpapiere grade bei dieser Gelegenheit als Legi timation benutzen, ist sehr bezeichnend. In dem frag lichen Aufruf wird übrigens unter Anderm die Frage aufgeworfen, ob der deutsche Reichstag eine Volksver tretung gleich den Volksvertretungen Englands, Frank reichs, Italiens und anderer politisch mündiger Völk- ker oder eine einfache Geldbewilligungsmaschine sei. In Beziehung wird diese Frage mit dem sogenannten Sep tennat, der Bewilligung der Friedenspräsenz auf sieben Jahre, gebracht. Dem gegenüber ist zu bemerken, daß die französische Volksvertretung ihrer Militärverwaltung entgegenkommender gewesen ist, indem sie eine viel höhere Friedenspräsenz auf unbeschränkte Zeit bewilligt hat. Die deutsche Regierung verlangt eine Bewilligung nur auf sieben Jahre, wie dies nunmehr seit 13 Jah ren schon Gebrauch gewesen ist; ist das angesichts der Verhältnisse in anderen Ländern etwa zu viel? Die j socialdemokratischen Abgeordneten hatten sich bei der ; zweiten Abstimmung über dieMilitärvorlaae der Stimme i enthalten, jedoch erklärt, daß sie bei der dritten Abstim- i mung dagegen stimmen wollten. Wer die Sicherheit i des deutschen Reiches will, wird demnach wissen, was er zu thun hat. *— Im Veit'schen Gasthof in Langenberg findet - nächsten Sonntag, den 13. Februar, abends 7 Uhr ein christlicher Familien-Abend statt. Die Beliebtheit, welcher sich solche Familienabende in verschiedenen i Orten unserer Gegend erfreuen, läßt hoffen, daß auch dieser am Sonntag in Langenberg stattfindende sich Feuilleton. Unter einem Dache. Roman von Karl Hartmann-Plön. (Fortsetzuno.) Schnell fertig ist die Jugend — namentlich die aka demische — mit dem Wort, d. h. mit den Spitznamen. Weil der Vater Runkel hieß, so nannte man seine Töchter die Rüben, und zwar je nach der Farbe ihres Haares die rothe, die braune und die gelbe Rübe. Herr Runkel galt für einen sehr wohlhabenden Mann und nannte sich Kaufmann, doch wußte man nicht recht, welche Art von Handel er betrieb. Man hörte wohl einmal, daß er ein Haus oder einen Bauplatz ge kauft und wieder verkauft hatte, im Allgemeinen be legte man seine Geschäfte mit der Bezeichnung „dunkle". Er war sogar schon einmal vor einigen Jahren mit dem Criminalgericht ein wenig in Berührung gekom men, als er ein werthvolles Object erhandelt hatte, das nicht des Verkäufers Eigenthum gewesen. Nur mit genauer Noth war er einer Strafe entgangen. Man sagte ihm auch nach, daß er im Geheimen Geld geschäfte mache. Seine Töchter waren alle drei recht hübsch und „gebildet", doch fehlte ihrer Bildung das, was trotz des besten Schulunterrichts nicht erlernt wer den kann: die echte Herzensbildung. Sie trieben in dessen Französisch, Englisch, Literatur, Musik und sangen auch. Vater und Mutter Runkel vermochten leider auf Bildung keinen Anspruch zu machen, doch konnte man ihnen einen guten Verstand nicht absprechen. Sie waren Beide von unbekannter Herkunft, aber die bei Strafe höchsten Zornes nicht ausgesprochen werden durfte. Man sagte Runkel nach, daß er schon einmal Hausknecht gewesen, und seiner Gattin, daß sie vor ihrer Verheirathung schon einmal „gedient" habe. Sie bewohnten ein sehr hübsches dreistöckiges Haus am kleinen Kiel, welches von den Studenten das „Rüben feld" genannt wurde. Frau Runkel bekümmerte sich um die Geschäfte ihres Mannes nur wenig, dagegen war sie eine Selbstherr scherin in Bezug auf alle inneren Angelegenheiten. Sie besaß die Eitelkeit, dereinst die Schwiegermutter von Studirten werden zu wollen. Als höchstes Glück dachte sie es sich, wenn sie noch einnial sagen könnte: Meine Tochter, die Frau Doktor oder Frau Amtsrichter, im Nothfall auch die Frau Pastor. Sehr fromm war sie allerdings nicht, aber im letzteren Falle konnte sie es ja immer noch werden. Um dies Ziel zu erreichen, setzte sie alle Hebel in Bewegung, opferte sie Zeit und Geld und kam auf den sehr schlauen Gedanken, im dritten Stock ihres Hauses drei Studentenwohnungen einzurichten. Seit zwei Jahren waren diese „Studen tenbuden" die gesuchtesten in ganz Kiel. Denn nicht allein waren sie sehr hübsch eingerichtet und ungewöhn lich billig, es wurde den Inhabern weder an dem un angenehmen ersten Tage jeden Monats die Rechnung für Miethe und Auslagen aufs Zimmer gelegt, noch ! erhielten sie solche überhaupt. Sie konnten zahlen, ! wann es ihnen paßte, der „Pump" war unbegrenzt, ja selbst wenn sie abreisten und noch nie etwas ent richtet hatten, hieß es mit liebenswürdiger Freundlich keit, es habe gar keine Eile, habe Zeit, bis es ihnen bequem sei. Was schadete es, wenn auch einmal gar nichts gezahlt wurde? Durch diese Liberalität kamen die Wohnungendes „Rübenfcldes" in Ruf, man drängte sich zu ihnen, und was die Hauptsache war, die Töch ter wohnten mit wünschenswerthen Freiern unter einem Dache, — Gelegenheit macht ja Diebe, mitunter auch eine Verlobung, dachte Mutter Runkel. Außer dieser Vergünstigung in Bezug auf die Miethe genossen die dort wohnenden Studenten auch noch andere Vortheile. Wie oft schickte Frau Runkel den „Herren" einen Tel ler mit Sprotten oder Bücklingen zu ihrem Abend brot hinauf, wie oft stand eine Platte mit Erdbeeren, Kirschen oder anderen Früchten auf ihrem Tisch, und gar nicht selten kam es vor, daß die Magd nach gro ßen Kneipereien einen sauren Häring auf das Zimmer brachte. Für diese gute Behandlung verlangte Frau Runkel aber als Gegenleistung von den Miethsherren, daß sie in der Familie verkehrten. Wer sich in diesem Punkt widerstrebend zeigte, dem wurde schon nach einem Monat das Logis wieder gekündigt. Es war bekannt, was Jeder zu leisten hatte: Zuerst mußte er eine An trittsvisite machen, dann später sich im Sommer an den Ausflügen zu Wagen und zu Schiff, im Winter an den musikalischen Kränzchen betheiligen. Auch wurde es gern gesehen, wenn er sich häufiger zum „Thee" abends anmelden ließ, wo seiner dann ein gutes Glas Bier und ein auserlesenes Mahl harrte. Ebenso gern wurde es gesehen, wenn er einige von seinen Commi- litonen einführte. Als Hans und Roderich zu Anfang dieses Semesters nach Kiel gekommen, waren die meisten guten Woh nungen schon vergriffen. Sie hätten gern, wie in Leipzig in einem Hause gewohnt, das war aber nicht mehr zu ermöglichen und so miethete sich Hans denn zwei Zimmer in der Holstenstraße, während Roderich auf das „Rübenfeld" kam, wo ganz zufällig ein schon besetztes Zimmer wieder geräumt worden war. Man hatte ihm sogleich die Bortheile und Annehmlichkeiten dieser Wohnung geschildert, und als man ihn die Gegenbedingungen nannte, hatte er erwidert: „Diesel ben werde ich gern erfüllen, die drei Mädchen haben, als ich dort miethete, mir ganz gut gefallen." So machte er am anderen Tage seinen Antrittsbesuch. Er gehörte zu den Naturen, die leicht gewonnen sind, wenn ihnen Freundlichkeit entgegengebracht wird, und dann leicht sich zu Dank verpflichtet fühlen. Außerdem liebte er das Familienleben, und der ungenirte, etwas freie Ton gegenüber dein mehr steifen, zurückhaltenden in anderen Familien, die er hier kennen gelernt, heimelte ihn an und er innerte ihn an den leichtlebigen Verkehr in Süddeutschland. (Fortsetzung folgt.)