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Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Sonnabend, den 12. Februar 1887. Witterungsaussichten für den 12. Februar: Wind um Südost. Mittlere Bewölkung ohne erhebliche Niederschläge. Temperatur wärmer. "Waldenburg, 11. Februar 1887. Gegenseitiges Mißtrauen der Staaten zu einander, ist die Signatur unserer Zeit, und das ist auch die Quelle, aus welcher die Kriegsrüstungen in allen Län dern entspringen. Es ist im Grund genommen mehr als wunderbar: jede Regierung erklärt auf's Be stimmteste, sie denke an keinen Krieg, sondern hege die friedfertigsten Gesinnungen, aber trotz dieses erfreu lichen Programmes wird aller Orten gerüstet. Emer traut dem Anderen nicht und fürchtet, daß Jener un versehens über ihn herfallen werde, sobald er nur ein mal den Säbel auf kurze Zeit aus der Hand legt. Das Mißtrauen der Großen steckt die Kleinen an, und so sind wir denn heute dahin gelangt, daß kaum ein einziger Staat in Europa nicht militärische Vor- kehrungcn betreibt. Jeder Staat betrachtet eine starke Armee als den besten Blitzableiter gegen die drohende Kriegsgefahr. Drohende Kriegsgefahr! Wann diese sich verwirklichen wird, wo der erste Schlag erfolgt, das weiß kein Mensch. Jeder Staat hofft im Gegen theil noch auf eine möglichst lange Dauer des Friedens, auf einen ungestörten Fortbestand der friedlichen Arbeit, die es dem Staatsbürger ermöglichen soll, die schweren Militärlasten zu tragen. An reichen Belohnungen aller Nationen würde es dem Manne nicht fehlen, der ein Mittel brächte, die bestehenden Zustände definitiv zu regeln, aber leider giebt's ein solches Mittel nicht, und wenn es eins gäbe, würde es doch nicht durchführbar sein, das herrschende Mißtrauen würde störend ein wirken. Wir können es an und für sich den Franzosen ; nicht verdenken, daß sie Elsaß-Lothringen wieder zu , haben wünschen; wäre uns 1870 ein Theil von Deutsch- ' land entrissen, wir würden diesen Verlust auch nicht gleichmüthig in den Schornstein geschrieben haben. Was wir aber nicht gethan hätten, das wäre, wir hätten das permanente Säbelrasseln unterlassen, denn j dasselbe schädigt am meisten immer den eigenen wirth- ' schaftlichen Wohlstand. Die Franzosen bringen das nicht fertig, und sie haben die Wirkungen davon be- , reits schwer genug empfunden. Der Rückgang im . industriellen Leben Frankreichs ist wesentlich auf das ! unausgesetzte Revanchegeschrei zurückzuführen. Wie ' die Dinge liegen, ist leider das Eintreten eines wirk lichen Freundschaftsstaudes zwischen Frankreich und dem deutschen Reiche nicht zu erwarten. Ein Krieg kann die Republik stürzen, aber auch die Monarchie i würde ihn von Neuem aufnehmen. Die Lösung des i Mißverhältnisses zwischen den beiden gewaltigen Staa ten gleicht der des gordischen Knotens; was nicht im Guten zu regeln, wird über lang oder kurz das Schwert zerhauen müssen. Indessen bleibt es immer erfreulich, daß die Kriegsaussichten doch in einer späteren Zeit erst sich verwirklichen könnten. Die beunruhigenden Gerüchte der letzten Wochen sind fast ganz verschwnn- den, und wir wollen hoffen auf lange Zeit hinaus. Es bleibt nur das Mißtrauen zwischen Berlin und Paris, und jeder Rüstungsschritt des einen Staates ruft eine entsprechende Maßnahme beim anderen her vor. Das ist das Traurige. Wenn es aber nur allein das Mißtrauen, welches Deutschland und Frankreich einander entgegenbringen, wäre, welches Europa in Unruhe versetzte! Zwischen Rußland und Oestrereich-Ungarn stehen die Dinge auch nicht viel besser. Die Wiener Blätter ainüsiren sich bereits über die tieffriedlichen und freundschaftlichen Versicherungen ihrer Regierung bezüglich Rußlands, und dabei werden bedeutende Summen zu militärischen Maßregeln gefordert. Vorsichtsmaßregeln, sagt man! Selbstverständlich. Auch zwischen Frankreich und Deutschland handelt es sich um nichts Anderes, als um Vorsichtsmaßregeln, aber wenn man einen wirklich gu ten Freund zur Seite hat, gebraucht mau solche An stalten nicht. In Wien und Pest mißtraut man dem kaiserlichen Gastfreund von Kremsier ganz entschieden; alle die freundschaftlichen Versickerungen und Liebens würdigkeiten von damals sind in Rauch aufgegangen. Garantieen für die lange Dauer politischer Bündnisse giebt es eben noch nicht; sie dauern so lange, wie sie dauern, und ihr Bruch ist nie ausgeschlossen. Eng land und Italien trauen Rußland gerade ebenso wenig wie Oesterreich. In London ist die Politik der mi litärischen Maßnahmen bereits proclamirt, und in Rom empfindet man sehr bitter die in Petersburg herrschende thurmhohe Freude über die Niederlage der Italiener bei Massauah. Daß die italienische Regie rung als Freund Oesterreich-Ungarns gegen Rußland aufgetreten ist, ist in Petersburg unvergessen, und es fehlt deshalb nicht an Stimmen, welche geradezu be haupten, Rußland habe die Abessynier zum Angriff auf Massauah veranlaßt. So ist das leitende Ge fühl aller Staaten das Mißtrauen gegeneinander; es beeinflußt die Entschlüsse der Regierungen und unter ihm schwer zu leiden haben die Völker. Wie bei uns, so ist es überall. PoULijche Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser arbeitete am Donnerstag mit dem Kriegsminister und dem General von Albedyll. Am Nachmittag stattete der in Berlin angekommene Herzog Max Emanuel von Bayern den Majestäten einen Be such ab. Später erschien Fürst Bismarck zum Vor trage. Der Chan von Khiwa will in diesem Jahre eine längere Reise durch Europa machen. Zunächst will er Moskau und Petersburg besuchen, dann Frank reich, Spanien und die Schweiz und über Oesterreich, Deutschland und Rußland zurückkehren. Der „M. A. Z.", welche die erste päpstliche Note zur Militärvorlage veröffentlicht hatte, ist von ihrem „Gewährsmann" dazu Folgendes bemerkt: „An dem Septennat an sich hat der Papst kein unmittel bares Interesse, und er würde sich lediglich wegen der Zeitdauer einer höheren Präsenzstärke des deutschen Heeres schwerlich zu einer so bedeutungsvollen Kund gebung, wie es das Schreiben seines Staatssekretärs ist, entschlossen haben. Vom Standpunkt der Kurie hat das Septennat seine Bedeutung vorwiegend als Symptom einer der ganzen europäischen Staatenge sellschaft drohenden Gefahr. Diese Gefahr liegt in dem Untergraben aller bestehenden Autoritäten, indem eine Opposition, welche die Regierung mit jedem, selbst dem verwerflichsten Mittel, bekämpft, nicht nur die jeweilige Regierung schädigt, sondern die Fundamente jeder staatlichen Ordnung erschüttert. Das Jacobini sche Schreiben ist der Protest der Kurie gegen das Vorgehen der destruktiven Parteien und die Gemein schaft des Centrums mit denselben. Se. Heiligkeit empfiehlt dem Centrum die Pflege des deutschen Rei ches, weil er in letzterem eine Stütze des Friedens und der Ordnung sieht, welche berufen ist, zur Be- thätigung derjenigen Grundsätze mitzuwirken, deren Aufrechterhaltung die Aufgabe und eine der Lebensbe dingungen der Kirche bildet. Der Blick des Papstes umfaßt nach der kosmopolitischen Stellung der Kurie weitere Kreise, als die sind, in deren gegenwärtiger Konstellation die Vorgänge ihren Grund haben, 'an welche sich der hier publizirte Erlaß knüpft. Ein betrügerischer Erpressungsversuch ist gegen den Fürsten Alexander von Bulgarien versucht. Der Führer der Eskorte, welcher ihn nach Reni brachte, Kapitän Sankow, gab dort dem Fürsten 49,000 Franken, deren Rückzahlung er jetzt forderte. Es hat sich nun herausgestellt, daß Sankow von der revolu tionären Regierung in Sofia 50,000 Franken aus des Fürsten Privatchatulle für diesen eryielt, von denen er sofort 1000 Franken in die Tasche steckte. Die übrigen 49,000 wollte er nun zu einer Schwindelei benutzen. Das Weimarische Staatsministerium hat eine Be kanntmachung für die Wähler erlassen, welche erklärt, daß das Septennat nicht die Einführung einer siebenjährigen activen Dienstzeit bedeutet. Statthalter Fürst Hohenlohe sprach am Mittwoch in Straßburg auf einem Bankett über die politische Lage. Er führte aus, ein Krieg sei nicht unmit telbar bevorstehend, aber die Zeiten würden so lange ernst bleiben, als man nicht von französischer Seite bestimmt auf Elsaß-Lothringen verzichte. Der Fürst forderte die Bevölkerung auf, bei den Wahlen ihre Friedensliebe und ihre Zugehörigkeit zum Deut schen Reiche zu beweisen. Die „Nordd. Allg. Ztg." bezeichnet es als richtig, daß die preußische Regierung sämmtliche Candidaten der Bischofsliste des Breslauer Domkapitels gestri chen hat. Ueber die Publikation der zweiten vatikanischen Note schreibt der klerikale „Wests. Merkur": Die Depesche befand sich bis jetzt in den Händen Jacobini's und von Franckenstein's. Sollte Ersterer dem Reichs kanzler Abschrift der Depesche gegeben und Letzterer sie veröffentlicht haben, so ist bei den gegenwärtigen Beziehungen zwischen Berlin und Rom schwerlich anzu nehmen, daß die Publikation wider Wissen und Willen des Heiligen Stuhles erfolgt sei. Der Schwerpunkt ! der Lage liegt gegenwärtig also noch mehr in i der Veröffentlichung des Aktenstückes, als in seinem : Inhalt. i In Spandau ist ein ZtUghauptmann von der Ar- - tillerie-Werkstatt gefänglich eingezogen. Unregel- ! Mäßigkeiten in der Kassenführung sollen die Ursache i der Verhaftung bilden. > Die „B. P. N." haben neue Allarmgerüchte über französische Truppenbewegungen veröffentlicht; dazu wird aus Paris abermals in ganz bestimmtem Tone gemeldet, daß durch Beschluß des Oberkriegsrathes vorläufig alle militärischen Bewegungen eingestellt sind. Außerdem steht es fest, daß die Befugniß, Truppen zu verlegen, dem Kriegsminister Boulanger entzogen und von Beschlüssen des Staatsrathes abhängig gemacht worden ist. Die Mittheilungender „Berl. Pol. Nach richten" müssen also ganz entschieden auf einem Jrrthum beruhen. Personen, welche auf der Reise von Paris nach Deutschland die Grenze passirt haben, haben übrigens von großen französischen Transportzügen, die stattfinden sollen, nicht daß Geringste bemerkt. Und solche große Anstalten gehen doch nicht spurlos vor über. Es steht mit diesen neuen Meldungen augen scheinlich ebenso, wie mit den früheren, die rundweg für Unwahrheiten von der „Kreuzztg." erklärt wurden. Der japanische Marineminister Graf Saigo, der seit einigen Wochen in Deutschland ist und alle großen industriellen Etablissements auf seinem Gebiete besichtigt