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Schönburger Tageblatt Amtsblatt für den Aadtrath zu Waldenburg. 19 Dienstag, den 25. Januar 1887 Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster-- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. «5 Pf. Inserate pro Zeil« 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 25ü. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelqaffe; in Rochsburz bei Herrn duchhalter Fauth-, in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietz«; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. —— Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchurs )orf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. und Waldenburger Anzeiger Witterungsaussichten für den 25. Januar: Bei südwestlicher Windrichtung theils heiteres, theils dunstiges Wetter mit wenig veränderter Temperatur. "Waldenburg, 24. Januar 1887. Während seit einiger Zeit die Franzosen von Frie densversicherungen überfließen, bereiten sie sich augen scheinlich in fieberhafter Thätigkeit für einen in näch ster Zeit zu führenden Feldzug vor, wie die massen haften Pferde- und Holzankäufe rc. zur Genüge be weisen. Und doch giebt es Leute in Deutschland, die diese beunruhigenden Nachrichten aus dem revanche- lustigen Nachbarlande für Wahlmanöver halten und die Friedensversicherungen der Franzosen für baare Münze halten. Das arme, friedfertige Frankreich! Nun hat es, so bemerkt hierzu die „Staatsb.-Ztg.", in der deutschen Opposition endlich den Schutz gegen die Gier der deut schen Negierung gefunden, und der arme, vielverkannte Boulanger ist doch nun endlich von unseren deutsch freisinnigen Blättern auch als harmloses Lamm er kannt worden. Redet doch eins oer fortschrittlichen Organe schon gar von deutschem Chauvinismus, und die „Bossische Zeitung" schreibt mit dreister Stirn: „Die Erklärung des Fürsten Bismarck, daß Deutsch land nie einen Angriffskrieg gegen Frankreich führen werde, schien die französische Bevölkerung wie von einem Alp zu befreien." Und dann wird in dem selben Artikel Deutschland, wenn auch etwas verblümt, beschuldigt, das arme, friedfertige Frankreich aufessen zu wollen. Das sind wahlagitatorische Mittel, deren bodenlose Gewissenlosigkeit erst dann in voller Klarheit erscheinen wird, wenn Frankreich über uns herfällt. Oder sollte auch dann die unpatriotische Oppositionsgesellschaft noch die Stirn haben, die Verantwortung für einen Krieg auf die Schultern der deutschen Regierung zu legen? Fast komisch wirkt es, wenn die genannte Oppositions- Zeitung heulmeiert, durch die Hinweise der officiösen Zeitungen auf die von der französischen Regierung in Deutschland abgeschlossenen Sprengstofflieferungen werde das öffentliche Vertrauen erschüttert, und schon jetzt mache sich dies im Hanvel bemerkbar; und doch war die „Vossische Zeitung" die erste, die auf die groß artigen Pferdeankäufe der französischen Regierung in Dänemark aufmerksam machte! Das Lesepublikum läßt sich leider derartige Widersprüche bieten. Unterdessen nehmen die französischen Rüstungen ein im mer rascheres Tempo an. Der von der Opposition sogar schon der Altersschäche beschuldigte Eiserne Kanzler hat das großartige Werk vollbracht, uns im Rücken nach Osten hin im Augenblicke Ruhe zu schaffen, ja sogar eine Versöhnung zwischen Oesterreich und Ruß land fast verwirklicht. Um so düsterer aber sieht es im Westen aus. Was ist es nun mit jenem unheil verkündenden Wort unseres großen Feldmarschalls: der Krieg stehe vor der Thür, wenn die Militärvor lage verworfen werde? Was sich jetzt jenseit der Vogesen vollzieht, gibt dem schweigenden Schlachteu- denker fast jetzt schon recht! Ob eine nachträgliche Bewilligung durch einen neuen Reichstag wohl das Unheil noch abwenden kann? Und wenn nicht, dann schlägt Hr. Eugen Richter mit seinem fabelhaft aus gedehnten Mundwerk nicht die Franzosen, sondern die von ihm so viel angefeindete Armee inuß ihre Pflicht erfüllen. Gern möchten wir allen drohenden Nachrichten ge genüber noch an ein Hinausschieben der kriegerischen Entscheidung glauben, gern hoffen, daß die Franzosen erst ihre Ausstellung 1889 hinter sich haben wollen; aber die sich vollziehenden fieberhaften Rüstungen deu ten darauf, daß der französische Revanchedünkel 1889 schon hofft, das große Siegesfest mit der Ausstellung zu feiern. Entweder — oder, so stehen wir; entweder Frank reich oder Deutschland am Boden! Wer kann es uns verdenken, wenn wir unbedingt an die Nothwendigkeit dessen glauben, was von den großen Fachmännern zur Sicherung des Vaterlandes gefordert wird? Wenige Male war die Sonne auf- und untergegangen, als Feldmarschall Moltke vor der Ablehnung mit heiligem Ernst warnte, da ertönte jenes wahnwitzige Lachen bei den Worten, mit welchen der Kaiser diesen Reichstag nach Hause schickte. Schlag auf Schlag kommt nun aus Frankreich die Nachricht von einer „probeweisen" Mobilmachung eines Corps im Frühjahr. Was läßt sich dahinter nicht alles verstecken! Möge unserem Volke die Strafe erspart bleiben, die es für die Abordnung so verblendeter Vertreter verdiente. Politische Nmwschan. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing am Freitag den russischen Botschafter Grafen Schuwalow und stattete dem japa nischen Prinzen Komnatsu einen Besuch ab. Am Sonnabend empfing der Monarch eine Anzahl höhere Officiere, darunter die Generallieutenants von der Burg und von Nachtigal. Darauf arbeitete der Kai ser mit dem Militärkabinet und hatte Nachmittags eine Conferenz mit dem Reichskanzler. Am Sonntag wurde im Schlosse in Gegenwart der gesammten kai serlichen Familie das Ordensfest abgehalten. Nach einem Gottesdienst in der Schloßkapelle erfolgte die feierliche Ueberreichung der Ordensauszeichnungen an . die Geladenen und sodann Cour vor den kaiserlichen Majestäten, welcher das Festdiner folgte. Bei der : Auffahrt wurden die kaiserlichen Herrschaften von dem : Publikum vielfach lebhaft begrüßt. — Aus München i wird bestimmt gemeldet, der Prinz-Regent werde . keine Proklamation zu den Reichstagswahten erlassen. : Das Ordensfest ist letzten Sonntag im Berliner : Schlosse in gewohnter Weise gefeiert. Der Kaiser kehrte vor dem Diner ins Palais zurück. Von Or densverleihungen seien hervorgehoben: Das Groß kreuz des Rothen Adlerordens die Generale von Stichle, von Witzendorf, von Werder. Den Rothen Adler orden I. Klasse Or. von Stephan; Len Rothen Adler orden II. Klasse die Generauieutenants von Adler, Bronsart von Schellendorf, von Winerfredt, Unter staatssekretär Herrfurth, Geh. Rath von Sybel, Vice- Admiral von Wickede, Regierungspräsident von Bra"- chitsch in Erfurt, General-Auditeur Ittenbach, Eisen- bahndirections-Präsident Pape in Bromberg, Contre- Admiral Pirner, Regierungspräsident von Pommer- Esche in Stralsund, Regierungspräsident von Rosen in Arnsberg, Gesandter Frhr. von Saurma-Jeltsch im Haag, Gesandter Stumm in Kopenhagen, Geh. Rath Wehrenpfennig. Im Ganzen sind verliehen: Rother Adlerorden: Großkreuze 3, I. Kl. 3, II. Kl. 58, III. Kl. 116, IV. Kl. 459. Kronenorden: I. Kl. 1, II. Kl. 30, III. Kl. 59, IV. 95. Hausorden 29. Allgemeines Ehrenzeichen 549. Das Centralcomitee des deutschen Vereins vom Rothen Kreuz hielt in Berlin eine Sitzung ab. Den Hauptgegenstand der Berathung bildeten die vor bereitenden Einrichtungen für den Mobilmachungsplau der freiwilligen Krankenpflege. Beschlossen wurde ein Circular an die Männer- und Frauenvereine, welches Erläuterungen über den Gebrauch des Nachweises mustergiltiger Verbandsmittel und Lazarethgegenstände giebt, und zur Anlegung von Musterdepots anleitet. Die letzteren müssen jetzt, mit Rücksicht auf die statt gehabte Einführung des antiseptischen Verfahrens im Militär Sanitätsdienst, gänzlich umgestaltet, beziehent lich vervollständigt werden. Es wird dies von der Centralstelle aus so viel wie möglich gefördert. Be schlossen wurde ferner die Bewilligung von Geld mitteln an Anstalten, welche Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger in vorschriftsmäßiger Tüchtigkeit aus bilden und dieselben für das Rothe Kreuz im Mobil machungsfalle bereit halten. Fürst Alexander von Battenberg hat seine Reise nach dem Süden angetreten und ist von Darmstadt zu kurzem Anfenthalt in Straßburg angekommm und Sonntag früh nach Mailand abgercist. Ueber den Antheil, welchen Fürst Bismarck an den Berathungen der Adreß-Commission des preußischen Herrenhauses genommen hat, wird nah berichtet: Er gab einen Rückblick auf die Verhandlungen des Reichstages, und wünschte in der Adresse verletzende Aeußerungen betreffs desselben vermieden zu sehen. Aus seiner ganzen Haltung in der Commission war zu entnehmen, daß ihm eine Adreßdebattc unerwünscht erschienen wäre. Der Bundesrath wird sich bereits in dieser Woche s mit dem Erlaß eines Pferde-Ausfuhrverbotes aus Deutschland nach Frankreich beschäftigen. Für die übrigen Grenzen bleibt der freie Verkehr besuchen. Bezüglich der Rückkehr der geistlichen Orden erfährt die „Franks. Ztg." aus guter Ouetle aus Rom, daß die preußische Regierung die bedingungslose Rückkehr aller geistlichen Orden, mit Ausnahme der Jesuiten, zugestanden hat, über deren Zulassung der Reichstag entscheiden soll, da sie durch Reichsgesetz aus gewiesen sind. Ueber die Form der Anzeigepflicht schweben noch Verhandlungen. : Gin Besuch des Kaisers von Rußland in B.w- lin zum Geburtstage Kaiser Wilhelms, oder sogar i eine neue Dreikaiserzusammenkunft war in diesen Ta- : gen verschiedentlich angekündigt. Weser das Eine - noch das Andere ist zutreffend. Oer Czar denkt vor > Allem nicht daran, in nächster Zeit Rußland zu ver lassen. Die Veröffentlichung des Wortlautes der Ansprache Kaiser Wilhelms an die Herrenhausdeputation bei Ueberreichung der Militär-Adresse ist mit Aller Höch - ' st er Genehmigung erfolgt, nachdem der Kaiser per sönlich die Richtigkeit des Textes controllirt hatte. Von dem Erlaß einer kaiserlichen Proklamation ist es wieder stiller geworden. Vielleicht soll die Rede an die Herrenhausdeputation die Proklamation er setzen. Die Kriegsgerüchte und Allarmnachrichten, die in den letzten Tagen wieder lebhaft im Schwünge waren, haben einen empfindlichen Einfluß auf die deut schen Börsen ansgeübt. Alle deutschen Staatspapiere sind gefallen. Es ist aber in den auswärtigen Be ziehungen keine Veränderung eingetreten, welche einen Krieg als nahe bevorstehend erscheinen lassen könnte. Ein Krieg kann kommen, aber es ist nicht das Ge ringste passirt, welches bedeutete, daß er sofort kommt. Uebrigens hat auch der Kaiser in seiner Donnerstags rede die Hoffnung auf weitere Sicherung des Friedens ausgesprochen. Die Militärbarackenlager, welche die franzö sische Militärverwaltung an der deutschen Grenze errichten will, kommen nach Toul, Nancy, Lüneville, Belfort, Besancon und anderen Orten. Insbesondere