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Die äußerste Linke der französischen Deputirtenkammer richtete an den Gouverneur von Illinois die telegraphi sche Bitte, die Chicagoer Anarchisten zu begna digen. In Paris will man wissen, daß der marokkani sche Gouverneur von Tanger wegen hochverrätheri- scher Verbindungen mit fremden Consuln angeklagt und verhaftet worden sei. Die Pariser Blätter berichten mit ersichtlicher Be friedigung über eine rührende Ceremonie, die vor eini gen Tagen in Jsmailia stattfand. Ein russischer Oberst war an Bord des Dampfers „Nischny-Now- gorod" gestorben und in Jsmailia von dem gesamm- ten Stabe des russischen Schiffes zu Grabe geleitet worden. Die französische Kolonie jener Stadt erfuhr noch rechtzeitig den Vorfall und brachte im Wege einer Subscription einen Kranz auf, der durch den Senior des Kolonie auf den Sarg des russischen Officiers ge legt wurde. Der Commandant des russischen Schiffes war tief gerührt ob dieses Beweises der Sympathie und antwortete auf die Beileidsbezeugungen der Fran zosen mit folgenden Worten: „Meine Herren! Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Gefühle der Freund schaft für mein Land, welches das Ihrige so sehr liebt. Seien Sie überzeugt, daß ich nie die französische Ko lonie von Jsmailia vergessen werde. Ich bedaure, daß meine Zeit mir nicht gestattet, jedem Einzelnen zu danken. (Zu dem Senior gewandt): Reichen Sie mir die Hand, mein Herr. Danken Sie allen Ihren Landsleuten für mich und sagen Sie ihnen, daß ich in meiner Heimath den rührenden Beweis der Gefühle mittheilen werde, welche Frankreich für Rußland hegt!" Die Most'schen Aufforderungen an die Truppen, im Falle eines deutsch-französischen Krieges zu revoltiren, wurden in französischer Uebersetzung auch an die fran zösischen Truppen gerichtet. Italic». Der deutsche Kronprinz ist am Donnerstag Abend 7 Uhr in San Remo eingetroffen und vom Untcrpräfecten und dem deutschen Consul am Bahnhof empfangen worden. Der Kronprinz unterhielt sich freundlich mit beiden Herren. Holland. Die holländische Regierung hat die Theilnahme an der Pariser Ausstellung von 1889 abgelehnt. Belgien. Die belgischen Arbeiter, welche zur Erzielung höherer Löhne einen Strike begonnen hatten, haben jetzt fast alle die Arbeiten wieder ausgenommen. England. Schon vor einiger Zeit hat der Nizam von Hy derabad, einer der mächtigsten indischen Vasallenfür sten Englands, die britische Regierung seiner Ergeben heit versichert, und ihr für den Fall, daß Indien von irgend einer Seite her angegriffen werden sollte, seine Streitkraft und eine große Geldsumme zur Verfü gung gestellt. Diesem Beispiel ist nun auch der Rad schah von Karpathale, einem kleinen, aber stets sehr loyalen Staate im Pendschab, gefolgt, indem er der indischen Regierung für die Grenzvertheidigung 5 Lac Rupien (1 Million Mark), sowie seine ganze Armee zusicherte. Man wird in London gut thun, sich durch derartige Versprechungen in den sonstigen Vorbereitun gen der Verlheidigung Indiens nicht beeinflussen zu lassen. Je mehr England im Stande fein wird, sich in Indien allein zu helfen, desto sicherer wird es auf die thatsächliche Erfüllung von Versprechungen, wie die erwähnten rechnen können. Rußland. Das neuerworbene russische Gebiet an der afghanischen Grenze ist zum Eigenthum des jedes maligen russischen Kaisers erklärt und soll in kleinen Parzellen an Ansiedler vergeben werden. Merkwürdi gerweise sollen diese Ansiedler besonders aus den deut schen Bewohnern der Ostseeprovinzen gewählt werden. Das sieht also ganz nach der Schaffung eines Sibiriens für Deutsche aus! — Zu den Artikeln, welche vom 1. Januar ab einem bedeutend erhöhten Zoll bei der Einfuhr in Rußland unterliegen, gehört auch Tüll. Aus Petersburg wird von neu-n nihilistischen Verhaftungen berichtet. Vor einigen Tagen kam nämlich die Polizei in einem, dem Apotheker Schuppe gehörigen Hause am Jekaterinenhofer Prospect nihili stischen Anschlägen auf die Spur; sie fand dort Dynamit bomben und andere Sprengstoffe. Berichte, die der „Pol. Corr, zugehen, schildern die gegenwärtige ökonomische Situation Rußland's in einem sehr ungünstigen Lichte. In Handel und Industrie dauert die Stockung fort und auch in der Landwirthschaft haben sich die Verhältnisse trotz der reichen Ernte nicht besser gestaltet, da eine lohnende Verwerthung der Erzeugnisse nicht möglich ist. Be zeichnend für die Lage des Grundbesitzes ist der Um stand, daß erst in diesen Tagen die Moskauer Agrar bank zum executiven Verkauf von nicht weniger als 460 Gütern zu schreiten sich genöthigt sah, von welcher die Hypothekarzinsen seit längerer Zeit rückständig sind. Bulgarien. Der bulgarische Kriegsminister Mutkurow hat am Freitag seine Entlassung eingereicht, weil die Be setzung der Directorstelle an der Kriegsschule durch den ehemaligen Kriegsminister Petrow gegen seinen Willen erfolgte. Mutkurow hält Petrow seiner Ver gangenheit wegen für diesen wichtigen Posten für nicht zuverlässig genug. Der Fürst hat vorläufig das Ent- laffungsgesuch abgelehnt. Aus Sofia liegen jetzt die ersten ausführlichen Nach richten über die Sobranje-Eröffnung vor. Fürst Ferdinand hat dieselbe in der That zu einer großen Staatsaction zu machen verstanden. In den Berich ten heißt es: Von den Höhen der Stadt weithin dröhnender Kanonendonner und Glockengeläut der Kir chen verkünden bereits zur frühen Morgenstunde, daß heute die feierliche Eröffnung der ersten unter dem neuen Staatsoberhaupt gewählten Volksvertretung statt findet. Frisch und schmuck aussehende Truppen in strammer Haltung bilden auf der vom Palais in schnur- grader Richtung fortführenden Konstantinopeler Straße Spalier, um dem Fürsten die militärischen Ehren zu erweisen und die Ordnung aufrecht zu erhalten. Bis an das Ende der Straße bewegt sich ein ziemlich star ker Menschenstrom, welcher gleichfalls der Auffahrt spannungsvoll entgegensieht. Dicht an der Straße er hebt sich im edlen Renaissancestil das neue Sobranje- gebäude, ein Schmuck der Hauptstadt und des ganzen Landes. Es ist um die zehnte Stunde; allmählich ver sammeln sich die Deputirten. Elegant befrackte Her ren, allerdings in der Minderheit, eröffnen den Rei gen. Dann kommen in bunter Reihenfolge bald Bauern in schmucker Volkstracht, bald solche in bloßen Hemd ärmeln oder Wämsern, Türken im Fez oder Turban, schlichte Bürger und Popen, sie Alle erscheinen in ra schem Gange und füllen schnell die halbkreisförmig auf gestellten Bänke. Die Gallerieen sind bis dicht an die Decke hinauf besetzt, vorzüglich von Damenschönheiten aus Sofia; die Diplomatenloge aber bleibt leer. Das Hauptinteresse Aller richtet sich auf das erst Tags zu vor der Sobranje übergebene Bild des Fürsten, das sich über dem Throne in Manneshöhe erhebt und in vortrefflicher Ausführung den Fürsten in Paradeuni form darstellt. Plötzlich wird es im Saale still, denn Kanonenschüsse verkünden, daß der Fürst mit seinem Gefolge soeben den Palast verlassen hat und sich der Sobranje nähert. Dem fürstlichen Prachtwagen voraus reitet eine Abtheilung Gendarmen, der zwei Züge der berittenen Leibwcche und dann der Hofmarschall mit seiner Umgebung folgen, worauf der Fürst in einem von vier prachtvollen Braunen gezogenen Wagen, um geben vom ganzen Officiercorps, kommt. Die Mili tärkapellen spielen die Nationalweise, und der Fürst, an den Stufen der Sobranje vom Ministerrath ehr furchtsvoll begrüßt, bezieht sich unter den Hochrufen der auf der Straße harrenden Volksmenge in die Sobranje. Bei seinem Eintritt brachen die Abgeord neten gleichfalls in langanhaltende Beifallsbezeugungen aus, welche erst verstummten, als der Fürst sich auf dem Thron niederließ und die ihm vom Hofmarschall überreichte Botschaft an die Volksversammlung zu ver lesen begann. Mit lautloser Stille folgte Alles der vom Fürsten bereits in geläufigem Bulgarisch verle senen Thronrede. Sein weiches, saft möchte man sa gen, melodisches Organ fesselte die Zuhörer ebenso, wie die scharfe Hervorhebung mancher Stellen die Zu stimmung der Deputirten fand. Amerika. Ein Attentatsversuch wird aus Nordamerika ge meldet: Dem Oberrichler Waite in Washington, unter dessen Vorsitz am Mittwoch das Appellationsgesuch der Anarchisten verworfen wurde, erhielt am Donners tag per Post eine Kiste zugeschickt, angeblich Bücher enthaltend. Beim Oeffnen stellte sich heraus, daß die Kiste in Wahrheit eine Höllenmaschine mit noch unbe kanntem Sprengstoff enthielt, die nur deshalb nicht ex- plodirte, weil auf dem Transport der Mechanismus in Unordnung gerathen war. Daß diese Sendung mit der Entscheidung gegen die Anarchisten znsammenhängt, bezweifel Niemand. Die amerikanische Presse fordert jetzt einstimmig, Niemanden von den Verurtheilten zu begnadigen. Aus dem MuldenLhale. *Waldenburg, 5. November. Ihre Durchlaucht Prinzessin Elisabeth von Schwarzburg-Sondershausen ist auf der Durchreise nach Dresden zu einem kurzen Besuch am Fürstlichen Hofe hier abgestiegen. *— Die diesjährigen Herbst-Controlversammlungen der Mannschaften des Beurlaubtenstandes finden im Landwehr-Bataillons-Bezirk Glauchau in der Zeit vom 7. bjs 11. November statt. *— Wie auch aus dem heutigen Anzeigentheile er sichtlich ist, veranstaltet das Rölhigsche gemischte Sola- Quartett mit Herrn Concertorganist B. Pfannstiehl aus Leipzig morgen Sonntag den 6. d. eine geistliche Musikaufführung in hiesiger Kirche, nach dem beige fügten sehr werthvollen Programm. Dem Quartette wte dem Orgelspieler gehen aus allen Gegendm unserS Vaterlandes (Leipzig, Dresden, Zittau, Chemnitz, Zwickau u. s. w.) vorzügliche Urtheile voraus. Wer ein warmes Herz für das mit edler Einfachheit ge paarte Schöne, für die von tiefem Gefühl beseelte Vortragsweise in der Musik hat, der versäume ja nicht den Besuch des Concertes. Besonders durch die herrlichen Quartette werden Geist und Gemüth, Herz und Sinn in gleicher Weise erfreut. Welch ehren- werthe Gesinnung die Mitglieder des Röthigschen Quartetts bei ihrem Auftreten leitet, das bekunden folgende Sätze aus einem kürzlich hierher gerichteten Brief: „Wir gehen durchaus nicht darauf aus, Schätze zu erwerben durch unsern Gesang. Aber dem lieben Gott in den Tönen unserer Meister ein Loblied singen und der evangelischen Kunst eine Handreichung erweisen, das möchten wir." Der Eintrittspreis ist möglichst niedrig gestellt worden, um Jedem den Genuß zu- gänglich zu machen. — In der am Montag in Glauchan unter Vor sitz des Herrn Amtshauptmann Merz stattgefundenen Bezirksausschußsitzung machte man sich in folgender Weise schlüssig: Zunächst fanden 7 verschiedene, die Bezirks-Arbeits- und Siechenanstalt bei Lichtenstein be treffende Angelegenheiten Erledigung. Dieselben be trafen den Stand des Baues, beziehentlich die Erstre ckung der Frist zur Vollendung bis Milte December dieses Jahres, die Anschaffung des erforderlichen In ventars, die erfolgte Anstellung eines Hausmannes, die weitere Verpachtung der zunächst nicht erforderlichen Grundstücke, die Anstellung eines Hausverwalters, die Inangriffnahme der Heizungsanlagen und dergl. mehr. Als Zeitpunkt der Ingebrauchnahme der Anstalt wurde vorläufig der 1. April 1888 in Aussicht genommen. Hiernach wurden die Uebernahme einer bleibenden Ver bindlichkeit Seiten der Gemeinde Abteioberlungwitz, die Dispensationsgesuche des rc. Irmisch und Genossen in Altstadtwaldenburg, des rc. Heinke und Genossen in Dürrenuhlsdorf, des verw. Brunner in Gersdorf und des rc. Reichenbach in Grumbach in Dismembrations sachen, ferner die Schank- und Concesstonsgesuche des rc. Engel in Callnberg und des rc. Heinke in Ziegel heim, die Schlächtereien des rc. Illing in Gersdorf und des rc. Winter in Rödlitz, auch das Gesuch des rc. Oppermann seu. in Oberlungwitz um Concession zum Kaffeeschank genehmigt. Die Oeffentlichkeit des am Winter'schen Wege in Bernsdorf vorüberführenden Weges wurde auf Grund der Erörterungen anerkannt. Abgewiesen wurden dagegen die Gesuche des rc. Mül ler in Ernstthal und des rc. Hauke in Hohndorf um Errichtung von Kleinviehschlächtereien, nachdem der Be zirksausschuß auf Grund eingeholten bezirksärztlichen Gutachtens sich dahin schlüssig gemacht hatte, für Klein viehschlächtereien künftig einen Minimalflächengehalt von 8 Quadratmetern zu verlangen. Gleich abfällige Ent schließung faßte der Bezirksausschuß auf das Gesuch des rc. Schuppe in Altstadtwaldenburg um Conzession zum Kleinhandel mit Spirituosen. Weiter beschloß der Bezirksausschuß, dem rc. Hüttenrauch in Callnberg die gewerbmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegen heiten rc. auf Grund A 35 der Gewerbeordnung zu untersagen und sich, schon der Consequenzen halber, gegen das Gesuch des rc. Weise in Oberlungwitz um Dispensation vom Tanzregulativ durch Erlaubniß zum aüsönntäglichen Tanzhalten auszusprechen. Gegen eine dem dermaligen Bürgermeister in Callnberg Seiten des dasigen Stadtgemeinderaths bewilligte persönliche Zulage hatte der Bezirksausschuß Einwendungen nicht zu erheben. Nachdem schließlich noch eine Wege-Sache von der Tagesordnung abgesetzt und ein Berathungs- gegenstand in geheimer Sitzung erledigt worden war, wurde die Sitzung nachmittags '/-b Uhr geschlossen. — Ein sonderbares Vergnügen bereite sich ein Knecht aus Langenleuba-Oberhain damit, daß er beim Bahnübergänge in Dittmannsdorf eine Geldmünze auf die Eisenbahnschienen legte, um zu sehen, wie es aus sehen würde, wenn der Zug darüber gegangen wäre. Er verhielt sich aber in unmittelbarster Nähe des Bahn geleises in so auffallender Weise, daß das Zugpersonal einen Unfall oder ein geplantes Vergehen annehmen mußte, und nachdem es mehrere Warnungssignale ver gebens gegeben hatte, den Zug zum Halten brachte. Die Persönlichkeit des Betreffenden wurde festgestellt und jetzt trifft ihn die doppelte Strafe, einmal für die Vernichtung einer Reichsmünze und zweitens für die Störung des Bahnverkehrs. Aus dem Sachsenlande. — Der Staatshaushalt für die Jahre 1888/89 wird wiederum den Bau von 80—100 Kilometer neuer Eisenbahnen erfordern. Der Landtag dürfte abermals mit Petitionen bestürmt werden, die ein Stück des Eisenbahnkuchens für die betreffende Landesgegend verlangen. — Die der Königlichen Altersrentenbank in Dres den (Altstadt, Landhausstraße 16, im Landhaus) im verflossenen Monat October zugeführten Einzahlungen haben insgesammt die Höhe von 268,271 Wik. (in