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ächönbnrzer Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Lage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster-- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Bbonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. «V» ««d aldenburger Anzeiger. WtsdlM fir de« Aadtrath f« WMMrg. Filialen: in Altstadt«aldenburg bei Herrn Kaufmann Bernh. Schuppe; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgasse; in Rochsburg bei Herrn Buchhalter Fauth-, in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Die?e; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. —— Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenftein-Callnberg und in dm Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Dienstag, den 13. Deeember 233. 1887. Witterungsaussichten für -en 13. Deeember: Vorwiegend heiteres und trockenes Frostwetter. Barometerstand am 12. Deeember, nachmittags 3 Uhr: 763 mm. Gestiegen. Neues Wehrgesetz für Deutschland. Attentat auf Ferry. Ministerium Fallisres gescheitert. *Waldenbnrg, 12. Deeember 1887. Das neue deutsche Militärgesetz ist vom Bundesrath angenommen und dem Reichstage zugegangen, wo die Genehmigung der Hauptprinzipien des Entwurfes von vornherein als gesichert anzusehen ist. Der erste Zweck des Gesetzes ist: ohne wesentliche Lasten und Kosten im Frieden bei Ausbruch eines Krieges sofort eine (bis etwa eine halbe Million Mann starke) Armee bereit zu haben, welche den gesammten Besatzungsdienst über nimmt, so daß Linie, Reserve und die heutige Land wehr ohne Weiteres an die Grenze gehen können. Dies Ziel wird erreicht durch die Bildung eines neuen zwei ten Aufgebotes der Landwehr. Wir lassen nun die Bestimmungeu des Gesetzes folgen: Die Dienstpflicht in der activen Armee wird durch das neue Gesetz in keiner Weise berührt. Nach der Dienstpflicht von drei Jahren tritt der Soldat in die Reserve, von dieser, ganz wie bisher, in die Landwehr. Statt aber aus der Landwehr in den Landsturm zu treten, erfolgt erst Uebertritt in das zweite Aufgebot der Landwehr, das also neu geschaffen wird. Die Land wehr wird in Zukunft in zwei Aufgebote getheilt. Die Verpflichtung zum Dienst im ersten Aufgebot dauert fünf Jahre nach dem Austritt aus der Reserve; die Dienstpflicht im zweiten Landwehraufgebot, in wel ches nach den fünf Jahren im ersten Aufgebot getreten wird, dauert bis zum 31. März des Jahres, in wel chem das 39. Lebensjahr vollendet wird. Ersatzreserve (erster Klasse) tritt nach zwölfjähriger Dienstzeit in das zweite Landwehraufgebot über und verbleibt darin ebenfalls bis zum vollendeten 39. Lebensjahre. Die Landwehr zweiten Aufgebotes darf zu Friedensübungen und Controlversammlungen nicht herangezogen werden. Die für die Namensliste nöthigen Meldungen können durch Familienglieder erfolgen. Landwehrleute zweiten Aufgebotes bedürfen auch keiner Erlaubniß zum Aus wandern, sondern haben nur eine Anzeige zu machen. Die Versetzung aus der Landwehr ersten Aufgebotes oder der Ersatzreserve in das zweite Aufgebot erfolgt im Frieden in der ersten nach Erfüllung der Dienst zeit stattfindenden Frühjahrscontrolversammlung. In Berücksichtigung dringender persönlicher Verhältnisse können Mannschaften des ersten und zweiten Aufgebotes der Landwehr hinter die letzte Jahresklasse des zweiten Aufgebotes zurückgestellt werden. Zur erstmaligen Auf stellung der Listen haben sich die zur Landwehr zweiten Aufgebotes Gehörigen, welche 1850 und später geboren sind, 6 Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes schrift lich oder mündlich bei der Landwehrcompagnie zu mel den. Personen, die aus der Landwehr bereits ausge schieden, aber jetzt noch nicht 39 Jahre alt sind, ge hören also künftig zur Landwehr zweiten Aufgebotes. Es folgen Bestimmungen über die Ersatzreserve. Der bisherige Unterschied Ersatzreserve erster Klasse und zweiter Klasse wird künftig aufgehoben; es heißt einfach nur noch: Ersatzreserve. Die Ersatzreservisten (heute 1. Klasse) gehören zum Beurlaubtenstand und können alljährlich einmal zur Frühjahrscontrolle her angezogen werden. Sie sind im Frieden zu drei Uebungen verpflichtet, von 10, 6 und 4 Wochen. Ge weihte Priester werden zur Uebung nicht herangezogen, auch schließen die Uebungen mit dem 32. Lebensjahre. Die Dienstpflicht in der Ersatzreserve dauert zwölf ! Jahre, worauf Uebertritt zur Landwehr zweiten Auf- - gebotes erfolgt. Die gegenwärtig zur Ersatzreserve t zweiter Klasse Gehörigen werden sämmtlich dem ersten j Aufgebot des Landsturmes zugewiesen. Wegen besonderer ; häuslicher Verhältnisse können Ersatzreservisten hinter die letzte Jahresklasse zurückgestellt werden. Während einer Mobilmachung oder Uebung findet Uebertritt zur Landwehr oder zum Landsturm nicht statt. Die Bestimmungen für die Ersatzreserve gelten auch ent sprechend für die Seewehr- und Marine-Ersatz-Reserve. Der Landsturm wird ebenfalls in zwei Aufgebote eingetheilt. Er hat die Pflicht, an der Vertheidigung des Vaterlandes Theil zu nehmen und wird in Fällen außerordentlichen Bedarfs zur Ergänzung des Heeres ! und der Marine herangezogen. Der Landsturm besteht aus allen Wehrpflichtigen, auch nicht gedienten Personen, von 17 bis 45. Lebensjahre. Das ersteMufgebot reicht bis zum 31. März des 39. Lebensjahres und besteht aus nicht gedienten Personen, das zweite Aufgebot reicht von da ab bis zum 45. Lebensjahre. Das zweite Auf gebot der Landwehr tritt also sofort in das zweite Aufgebot des Landsturmes. Das erste Aufgebot wird durch die commandirenden Generale aufgerufen, bei unmittelbarer Kriegsgefahr auch durch die Gouverneure ! und Commandanten von Festungen. Das zweite Auf gebot wird durch kaiserliche Verordnung einberufen, bei unmittelbarer Kriegsgefahr aber so wie das erste. Für den aufgerufenen Landsturm gelten die Vorschriften der Landwehr. Der Aufruf erfolgt nach Jahresklassen, mit der jüngsten anfangend. Während der Landsturm aufgeboten ist, findet ein Ausscheiden aus demselben nicht statt. Zurückstellung kann nur bei besonderen Verhältnissen erfolgen. Der Landsturm unterliegt, wenn er nicht aufgerufen ist, keinen militärischen Uebungen und Controllen. Der Landsturm wird militärisch be waffnet und bekleidet, seineAuflösung nach der Einberufung ordnet der Kaiser an. Personen, die bis zum Inkraft treten des Gesetzes aus dem Landsturm ausgeschieden waren (d. h. alle Personen, die heute mehr als 42 Jahre alt sind), treten in den Landsturm zurück. Das Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündigung in Kraft. Die Kosten betragen im Frieden nur 120,000 Mark pro Jahr; extra sind natürlich die Ausgaben für Ausrüstung des zweiten Aufgebotes der Landwehr und des Landsturmes. s Die Begründung des neuen Militärgesetzes sagt: ' Nachdem die allgemeine Wehrpflicht bei allen großen europäischen Continentalmächten eingeführt worden ist, haben sich die Kriegsstärken der einzelnen Armeeen im Verhältniß zu einander wesentlich verschoben. Ent scheidend für dieselben ist die grundlegende Bestim mung, wie viele Jahrgänge waffenfähiger Männer zum Kriegsdienste aufgeboten werden; und so ist jeder Staat in dem Maße im Nachtheil, als er die Zahl dieser Jahrgänge beschränkt. Das deutsche Heer auf Kriegsstärke setzt sich aus zwölf Jahresklassen dienst pflichtiger Männer zusammen, während z. B. in Ruß land 15, in Frankreich zwanzig Jahrgänge hierfür verfügbar sind. Zwar kann in Deutschland auf den Landsturm zurückgegriffen werden, aber diese unorga- nisirte Masse kommt für die Zeit der ersten entschei denden Operationen nicht in Betracht; und auch spä ter bleiben diese losen Verbände festgegliederten Trup pen gegenüber minderwerthig. Im Hinblick auf die außerhalb Deutschlands geschaffenen Verhältnisse wird sich das deutsche Volk der Ueberzeugung nicht verschlie- ' ßen können, daß seine Kriegsmacht der Größe des Rei ches und der Zahl seiner Bewohner nicht entspricht. Hierzu kommt, daß das Reich nach seiner geographi schen Lage dem gleichzeitigen Angriff starker Heere auf zwei Fronten ausgesetzt ist. Dieser Bedrohung ge genüber fehlt das feste Fundament für die Existenz und die Fortentwicklung Deutschlands. Seine Sicherheit hängt von seiner Stärke ab und diese muß größer sein, als sie es zur Zeit ist. Solchem unhaltbaren Zustand ein Ende zu machen, ist der Zweck des vorliegenden Gesetzentwurfes. Es bedarf zu seiner Verwirklichung wohl nur des Appells an den Patriotis mus des deutschen Volkes, welches das Vaterland, nach dem es geeint, auch ungeschmälert erhalten wissen will. Mit der Errichtung des zweiten Aufgebotes der Landwehr werden sechs bisher dem Landsturm angehö rige Jahrgänge für die Zeit großer Gefahr sofort bereit gestellt, eine Anstrengung, welche keinem der Be theiligten zu groß erscheinen wird, wenn es gilt, in den Kampf für unsere Unabhängigkeit einzutreten. Das Kriegsheer besteht hiernach künftig aus dem stehenden Heer (aktiver Dienststand und Reserve) und der Land wehr ersten und zweiten Aufgebotes und erhält seine Ergänzung und Verstärkung aus der Ersatzreserve und dem Landsturm. Von diesen beiden soll die erstere durch anderweite Regelung ihrer Dienstverhältnisse, der letztere durch Theilung in zwei Aufgebote und Zuwei sung weiterer Jahrgänge für die ihnen zufallenden Aufgaben mehr beschäftigt werden. Für den Land sturm ist hierbei die Altersgrenze vom vollendeten 42. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre hinausgeschoben, und damit dem festen Entschluß Ausdruck gegeben wor den, daß zur Vertheidigung des Vaterlandes jeder noch rüstige deutsche Mann berufen und verfügbar ist. Die Lasten, welche dem Einzelnen aus der Neuregelung der Wehrpflicht erwachsen, sind im Frieden gering; es tritt zwar firr die Landwehr zweiten Aufgebotes eine mili tärische Controlle ein, aber Uebungen und Controll versammlungen finden nicht statt. Die militärische Controlle ist nothwendig, um eine fortlaufende Ueber- sicht über den Bestand und die Bertheilung der Land wehrpflichtigen zweiten Aufgebotes zu gewinnen, damit danach die Aufstellung der Kriegsformationen vorbe reitet und im Bedarfsfälle unverzüglich ins Werk ge setzt werden kann. Dem Landsturm sollen irgend welche militärische Verpflichtungen im Frieden überhaupt nicht erwachsen. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm empfing am Sonnabend Vor mittag den aus San Remo in Berlin eingetroffenen Flügeladjutanten Korvetten - Kapitän Freiherrn von Seckendorf. Darauf arbeitete der Kaiser mit dem General von Albedyll und fuhr während der Mittags stunden spazieren. Um 5 Uhr war kleines Familien diner, an welchem auch die auf der Durchreise in Benin anwesende Großfürstin Michael von Rußland theilnahm. Am Sonntag Nachmittag hörte der Kaiser den Vortrag des Grafen Herbert Bismarck. Zuvor hatte er eine Spazierfahrt unternommen. Der Erb prinz und die Erbprinzessin von Meiningen reisen heute Montag nach San Remo ab. Sonntag Vor mittag fand im kaiserlichen Palais wieder ein Gottes dienst statt, welcher vom Oberhofprediger Or. Kögel abgehalten wurde. Mittags trat der Kaiser beim Vorbeimarsch der Wache ans Fenster und wurde stür misch begrüßt. Um 2 Uhr stattete der aus Leipzig in