Volltext Seite (XML)
bewiesen haben, daß ihr Vaterland noch nicht auf eige- , nen Füßen stehen kann. Es fehlt in Volk und Staat / an gesunder, kerniger Naturkraft, wie sie Bulgaren in ' so reichem Maße besitzt. Der Sultan hat sich England gegenüber thatsächlich < auf den Standpunkt des „Non possumus" gestellt, er i verweigert die Zustimmung zu dem Punkte der egyp- > tischen Convention, welcher England für den Fall ! neuer Unruhen die Wiederbesetzung des Nillandes ge- : stattet. Das ist aber für die englische Regierung s gerade die Hauptsache; erlangt sie diese Concession nicht, ; so war die ganze bisherige Occupation umsonst, alles > Geld, welches dieselbe gekostet, fortgeworfen. Darum i sagt man in London gleichfalls „nein", und hält an - der vom Sultan verweigerten Forderung auf jeden - Fall fest, selbst wenn deshalb die ganze Convention i scheitern sollte. Dann bleibt eben Alles genau so, ( wie es jetzt steht. Erwarten läßt sich freilich, daß - Rußland und Frankreick, die so eben England in ; Konstantinopel glorreich ein Bein gestellt haben, darauf dringen werden, der Sultan solle bei Gesammteuropa die Räumung Egyptens durch die Engländer beantra gen, aber ein solches Vorgehen hat doch nur rein platonische Bedeutung. Wenn die britischen Soldaten nicht fortgehen vom Nil, so bleiben sie eben da; mit Gewalt wird sie Niemand forttreiben. Ueber den Besitz von Egypten selbst wird einst nicht am Nil, sondern in Indien entschieden werden. Wenn in dem großen Zukunftskampfe um Indien mit Rußland England obsiegt, dann hat es auch Egypten, andern falls verliert es noch mehr als nur das Pharaonenland. Mit Indien steht und fällt das britische Reich. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Zum Befinden des Kaisers meldet der „Reichsan zeiger" amtlich: Bei fortdauernder Abnahme der bis herigen Krankheitserscheinungen sind Se. Majestät der Kaiser und König am Dienstag durch das Hinzutreten eines Schnupfens belästigt worden. Allerhöchstdieselben fühlen sich in Folge der bisherigen Vorgänge noch et was angegriffen und empfinden daher fortdauernd das Bedürfniß nach Ruhe. Am Dienstag Nachmittag hatte der Kaiser den Besuch des Prinzen Wilhelm empfangen. Die Nacht zum Mittwoch verlief ruhig. Der Kaiser enthielt sich im Laufe des Mittwochs aller Thätigkeit. Die deutsche kronprinzliche Familie ist in Anerley (London) angekommen. Die Prinzen Wilhelm und Heinrich reisen Donnerstag Abend an Bord I des Oviso „Blitz" von Wilhelmshaven nach England, s Dr. Mackenzie hatte in London eine Unterredung mit einem Redacteur, welchem er die beruhigendsten Versicherungen über das Halsleiden des deutschen Kronprinzen ertheilte und die Ueberzeugung aus drückte, daß im Halse des Patienten nichts vorhanden sei, was das Aussehen eines Krebsgeschwürs hätte. Nach der letzten Consultation habe über die Natur des Uebels vollkommene Einstimmigkeit unter den be ¬ handelnden 6 Aerzten geherrscht. Falls in der Be schaffenheit des Gewächses keine Veränderung eintrete, werde die Gesundheit des Kronprinzen völlig wieder hergestellt werden. Solche Veränderungen kämen so selten vor, daß sie thatsächlich nicht in Betracht gezogen zu werden brauchten. Die Nachrichten über den Gesundheitszustand des Fürsten Bismarck sind augenscheinlich nicht genau. Es wird immer wieder behauptet, der Kanzler sei seit Pfingsten unausgesetzt von neuralgischen Schmerzen geplagt und er in Folge dessen nicht im Stande ge wesen, Berlin zu verlassen. Das stimmt nun jeden falls nicht. Ende der vorigen Woche war der Reichs kanzler gang wohl auf, hielt dem Kronprinzen Vor trag und stattete dem englischen Arzt vr. Mackenzie ' einen Besuch ab. Der Hauptgrund dafür, daß der ! Kanzler Berlin noch nicht verlassen, ist wohl einfach i der, daß Fürst Bismarck nicht ohne vorherigen Em- > pfang durch den Kaiser abreisen will. Hierzu kommt ' dann noch, daß er es nicht liebt, vor dem Reichstage ! in die Ferien zu gehen. l Prinz-Regent Luitpold von Bayern wird am Z 15. September zum Besuch der königlichen Villa Lud- wigshöhe bei Edenkoben erwartet. Wahrscheinlich wird ' der Regent daselbst einige Zeit Hof halten. Dem Reichstage sind jetzt die Petitionen um Er höhung der landwirthschaftlichen Zölle zuge gangen. Dieselben tragen 22,515 Unterschriften. Am Mittwoch Abend war abermals große Aussicht, daß schon am Sonnabend der Reichstag geschlossen werden wird. Donnerstag soll zweite Berathung der Zuckersteuer, Freitag dritte Berathung der Brannt weinsteuer, Sonnabend dritte Berathung der Zucker steuer erfolgen. Eine Bischofsconferenz scheint in Köln, dem Sitze des Erzbischofs vr. Krementz, stattfinden zu sollen. Die Bischöfe von Trier und Fulda sind dort schon angekommen und andere Kirchenfürsten werden nachfolgen. Der Polizeipräsident Hergenhahn in Frankfurt a. Main hat um seinen Abschied gebeten. Als sein Nach folger wird der Reichstagsabgeordnete Landrath von Köller genannt. Aus Metz ausgewiesen sind mit 14 Tagen Frist der frühere französische Officier Monnier, der Ge schäftsagent Mersch und der Hutfabrikant Flosse. Auch letztere Beiden sind Franzosen. Gegen einen Notar in Metz ist eine Untersuchung wegen Wahlumtriebe einge leitet worden. Oestcrreich-Ungnrn. Das „Fremdenblatt", das Organ des Auswärtigen Ministeriums in Wien, bespricht den serbischen Mi nisterwechsel in sehr ruhiger Weise. Es sagt, die Regierung habe volle Achtung vor der Selbstständig keit Serbien's und werde sich in die inneren Verhält nisse des Staates nicht einmischen. Sache des neuen serbischen Ministerpräsidenten werde es sein, die ser bische Politik entsprechend zu reguliren. Jm Uebrigen habe Oesterreich den Willen und die Macht, jede Ge- Feuilleton. Unter einem Dache. Roman von Karl Hartmann-Plön. (Fortsetzung.) „Sie kam soeben mit ihrer kleinen Tochter an und schien in einer großen Aufregung zu sein. Siefragte auf dem Flur die Magd, ob Herr v. Flamming zu Hause sei, und als diese bejahte, stürzte sie förmlich die Treppe hinauf, dem Kinde voran, das langsam nachfolgen mußte. Ich begegnete ihr auf der Treppe, sie eilte an mir vorbei, ohne mich zu sehen, sie wür digte mich keines Blickes." „Oh weh, das ist schlimm, da haben wir, ohne es zu wollen, das Jncognito der Frau Johannes ver- rathen." „Wann befehlen Sie, Herr Lieutenant, daß ich der Frau Professor den gewünschten Bericht erstatte?" „Wenn Sie wollen, nach einer Viertel- oder halben Stunde, ich muß nur vorläufig zu dem alten Herrn hinauf, den Sie soeben sahen. Bleiben Sie zu Hause?" „Natürlich." „Dann werde ich Sie aufsuchen, wenn ich von dort zurückkehre. Wie kommt es, Grothuus, daß ich Sie hier bis jetzt noch gar nicht gesehen habe? Ich wohne doch schon zwei Tage hier, auf Wunsch meines Vet ters bin ich ebenfalls für einige Zeit in diese Villa übergesiedelt. Herr Müller hat mir eines seiner eige nen Zimmer aus Gefälligkeit überlassen." „An den Werktagen bin ich auf dem Bauplatz, nur Sonntags bin ich hier." „Sie haben mir noch etwas Besonderes mitzu- theilen, Grothuus?" „Erlauben Sie mir die Frage, ist Ihnen bekannt, weshalb Herr v. Flamming sich hier aufhält?" „Wie kommen Sie zu dieser Frage?" „Sie wohnen jetzt sogar mit ihm unter einem Dache." „Welche Bedeutung legen Sie denn diesem Um stande bei?" „Ich möchte Sie vor ihm warnen, Herr Lieutenant." „Auch Sie warnen mich? Dasselbe that vor einigen Tagen schon ein Freund von mir. Was fürchten Sie für mich?" „Ich glaube, Sie haben Ursache, vor ihm auf der Hut zu sein." „Aber, bester Freund, sagen Sie mir doch, welchen Grund haben Sie zu solcher Annahme?" „Wir haben vorhin schon von der Nacht gesprochen, in der wir zusammen am Saume eines Waldes aus Feldwache waren. Sie werden sich erinnern, daß ge rade um die Mitternachtsstunde plötzlich ein Schuß fiel und wir die Kugel dicht an unseren Köpfen vorbei pfeifen hörten." „Ja, ganz recht — nun, weiter?" „Wir wußten, daß jene Gegend wegen stark betrie bener Wilddieberei sehr verrufen war und daß am Abend vorher zwei Wilderer eingefangen worden wa ren. Wir waren Alle darüber einig, daß der Schuß aus der Büchse eines Wilddiebes gekommen sei und schickten sofort eine Patrouille ab, um den Wald zu durchsuchen, fanden aber nichts. Nun treffe ich gestern auf dem Bauplatz einen neuen Zimmergesellen, den ich von der Militärzeit her sehr gut kannte, er stand näm lich bei der dritten Compagnie unseres Regiments. Wir theilen uns oberflächlich unsere Erlebnisse mit, erinnern uns mich des Kaisermanövers, sprechen von Ihnen, Herr Lieutenant, und ebenfalls von dem Lieu tenant bei der dritten Compagnie, Herrn v. Flam ming, über dessen Cassation gleich nach den Manövern sich alle Füsiliere freuten, da er sehr verhaßt war. Ich hatte meinen früheren Kameraden kurz zuvor mit- getheilt, daß ich mit seinem ehemaligen Lieutenant unter einem Dache wohne. Dieser Zimmergesell — Paulsen ist sein Name — war dabei gewesen, als die beiden Wilderer ergriffen wurden. Er erzählte um- fährdung seiner Interessen zu verhindern. Die übri- gen Wiener Blätter äußern sich gleichfalls sehr ruhig und empfehlen Wachsamkeit für die Zukunft. Sie sind überzeugt, daß auch Ristics nicht machen könne, was er wolle, sondern der Gesammtlage der Regie rung Rechnung tragen müsse. Frankreich. Kriegsminister Ferron will den dreijährigen Militärdienst schon für Neujahr 1888 durch ein Specialgesetz einführen. In der Kammer haben die Radikalen wieder einen Mordsspektakel angerichtet, weil die vereinigten Monarchisten und gemäßigten Republikaner die Wahl Develle's zum Vizepräsidenten durchgesetzt haben. Die alte Litanei, das Ministerium habe mit den Monar chisten sich verbündet, wurde dabei wieder kräftig aufge- wärmt. Die Regierung hat nun doch beschlossen, die Welt ausstellung 1889 abzuhalten. Dagegen soll eine große Zahl von Beamtenernennungen, welche die früheren Minister Lockroy und Granet nach ihrem Rücktrittsgesuch noch vollzogen hatten und mit denen sie hauptsächlich ihre guten Freunde bedacht hatten, als ungesetzlich cassirt werden. Das wird natürlich neuen Lärm geben. Belgien. In Brüssel wird jetzt ziemlich allgemein angenom men, König Leopold werde dircct das Ministerium veranlassen, den Kammern eine Vorlage wegen Ein führung der allgemeinen Militärpflicht zu unterbreiten. Will die Kammer nicht darauf eingehen, soll Auflösung erfolgen. Endlich ist der schon Monate lang andauernde Streit über die Anlage der neuen und sehr kostspieligen Maas befestigungen in den belgischen Kammern zu Ende. Mit sehr großer Mehrheit sind die Forderungen der Regierung bewilligt. Für diese Befestigungen sind auch die bei Krupp in Essen bestellten Geschütze bestimmt. In Scheveningen ist ein Fischerstrike mit allerlei Tumulten ausgebrochen. Eine Compagnie Soldaten mußte dorthin gesandt werden. Holland. Durch ein neues Wahlgesetz ist m Holland die Wählerzahl etwa verdreifacht worden. Italien. Die italienische Regierung macht mit ihrem Vor gehen gegen die Abessynier nun wirklich Ernst. Zu all' den Summen, welche Afrika schon verschlungen, hat der Kriegsminister abermals 20 Millionen als Kriegskosten für den Vormarsch gefordert. Etwas Genaueres wird selbstverständlich nicht öffentlich mit- getheilt werden, doch liegt es nahe, daß mit dem Ein tritt der kühleren Witterung der Revanchekrieg gegen den König Johannes und Ras Allula beginnen wird. Zwei Divisionen sind bei Massauah marschfertig. Ruffland. Die Maßregelungen der baltischen Deut schen dauern munter fort. Aus Riga liegt folgende Meldung vor: Die Mitglieder des Mitauer Haupt- ständlich dies Abenteuer, wobei sogar einer seiner Ka meraden verwundet worden war, und nun machte es sich von selbst, daß ich sagte, in der darauffolgenden Nacht wären der Lieutenant v. Bela und ich gerade um Mitternacht um ein Haar von einem Wilddieb er schossen worden, wir hätten die Kugel dicht an unsern Köpfen vvrbeisausen hören. „Auf welcher Feldwache waren Sie?" fragte er mich. „Auf Nummer drei," antwortete ich ihm. „Donnerwetter!" ries er aus, „dann hat kein Wilddieb geschossen, sondern —" „Nun, wer denn?" — „Sondern der Lieutenant v. Flamming." „Mein Gott," sagte Hans, „wie kommt Ihr Freund denn auf solche wahnsinnige Vermuthung?" „Ich hatte," erzählte Paulsen mir, „eine Schleich patrouille in derselben Nacht zu führen, welche die feindliche Vorpostenkette recognosciren sollte. Ich ge hörte zur Feldwache Nummer eins und mußte meinen Gang durch den Wald bei der Feldwache Nummer zwei und drei vorbei nehmen. Als ich Nummer zwei passirt hatte, hörte ich auch den Schuß und dachte mir gleich, da sind wieder die verdammten Wilddiebe. In demselben Augenblicke vernahm ich in einiger Ent fernung von mir das Unterholz knacken und einen eili gen Schritt sich nahen. — Halt, wer da! rufe ich. Gut Freund! erschallt es drüben. Ich fordere Losung und Feldgeschrei, was auch sogleich richtig gegeben wurde. Wen aber sehe ich jetzt auf eine kleine Lich tung im Walde treten? Meinen Lieutenant v. Flam ming. Er trug ein Gewehr im Arm und sagte zu mir: Gefreiter Paulsen, Sie werden darüber ein un verbrüchliches Schweigen beobachten, daß Sie mich hier angetroffen; der Obristlieutenant hat den Offizieren auf's Strengste das Jagen verboten, ich konnte aber nicht unterlassen, einem capitalen Hirsch, den ich schon seit gestern aufs Korn genommen, in dieser Nacht auf zulauern, — leider hat mein Schuß gefehlt." (Fortsetzung folgt.)"