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Schönburger TagMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. »«nähme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. L5 Pf. Inserate pro Zeile 10 Ps., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, KirLgasse 255. «nd aldenburger Anzeiger. Amtsblatt fär den Mdtrath zu Waldkudmg. . Filialen: in Altstad'.waldenburg bei Herrn Kaufmann Beruh. Schuppe; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgafse; in Rochsburg bei Herrn Buchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietze^ in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Galluberg und in dm Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchurs sorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Donnerstag, den 13. October 238. 1887. Witterungsaussichten für den 13. October: Bei westlicher Windrichtung meist unbeständiges, etwas kälteres Wetter. Barometerstand am 12. October, nachmittags 3 Uhr: 753 mm. "Waldenburg, 12. October 1887. In der Affaire Caffarelli — wie der saubere fran zösische General eigentlich heißt — werden immer neue Verhaftungen vorgenommen und es scheint, als wäre der Skandal noch lange nicht zu Ende. Der Polizei agent Kreittmayr sagt in einem Briefe, er habe bei der Limousin ein Schreiben Wilson's, des Schwieger sohnes des Präsidenten Grevy, gesehen, in dem es heißt, daß Wilson mit der Limousin nicht mehr Geschäfte machen wolle, da sie nicht genug Umsatz habe. Die Limousin habe darauf bemerkt, Wilson verlange für die Beschaffung des Ordens der Ehrenlegion 50,000 Franken, ihr General thue es aber schon für 25,000. Die saubere Gesellschaft handelte auch mit tunesischen Orden. Die Verhaftung des Generals Jung, des ehe maligen Gehilfen Boulangers im Kriegsministerium, soll aus dieser Angelegenheit ebenfalls bevorstehen. Auch Briefe des Priuzen von Hanau fanden sich bei der Limousin. Privatskandale und politische Aergernisse hielten sich schon unter Napoleon III. in Paris so ziemlich die Waage. Hof, Gesellschaft und Negierung sorgten gleich mäßig für die Unterhaltung der sensationslüsternen Hauptstadt, freilich nicht zu ihrem Vortheil. Durch die Odromyuo seLlläaloiE des Hofes und der Re gierung wurde das Kaiserreich des dritten Napoleon in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre fürchterlich untergraben, und als letztes Rettungsmittel blieb der Gesellschaft, welche Napoleon III. beeinflußte, nur noch der Krieg übrig. Die Kanonen von Sedan sangen dem Empire den Grabgesang. Dem verderbten Regierungs system des Kaiserreiches folgte die einfache, schlichte Re publik. Zunächst bestand sie freilich nur dem Namen nach, denn in den gesetzgebenden Körperschaften herrsch ten die Monarchisten, und der zweite Präsident Mac Mahon war alles Andere eher, als ein Republikaner. Wenn es nicht zu einem Staatsstreich und einer Restau ration der Monarchie kam, so lag die Schuld doch gewiß nicht an ihm. Aber endlich gelang es Gam betta doch, den Monarchisten den Garaus zu machen, und mit Präsident Grevy begann das Regiment der reinen, unverfälschten Republikaner, die Frankreich ein neues Zeitalter bringen, ihm zeigen wollten, wie ein Land regiert werden müsse. Die Regierung der Republikaner in Paris hat aber nicht weniger, sondern nur noch etwas mehr politische und Privat-Skandale zu Wege gebracht. So, wie bei der letzten Präsidentenwahl Grevy's im Schlosse zu Versailles, geht es kaum bei einer wüsten Rauferei in einer elenden Dorfkneipe zu, und was die Generale Thibaudin und Boulanger für den politischen Skandal geleistet, das haben die Minister des dritten Napoleon nicht fertig gebracht. Gambetta führte ein skandalöses Cliquen- und Protectionswesen ein, wie es in dem ab solut regierten Rußland nicht größer sein kann, und sein Tod durch den Revolver seiner Maitresse war des Exdictators und Volkstribunen auch nicht gerade würdig. In letzter Zeit steht der Verrath des Mo bilmachungsplanes ohne Beispiel da. Aber was sind diese Skandale und noch viele andere gegen den „aller neusten", gegen die unerhörte Geschichte vom General Caffarelli und seinen Ordensschwindeleien? Schlechte Subjecte giebt es überall; aber einer der ersten Beam ten im Kriegsministerium, ein Mann mit einem jähr lichen Einkommen von 15,000 Franken, General, und ein gemeiner Betrüger und Schwindler — da hört denn doch Alles auf. General Boulanger übergiebt diesem verschuldeten, spielsüchtigen und ausschweifenden Offizier einen der ersten Vertrauensposten im Ministerium. Dieser Of fizier läßt sich mit einer abgeblühten Halbweltdame, abgefeimten Kupplerin und Gelegenheitsmacherin, die noch ein halbes Dutzend ähnlicher Dämchen an der Hand, ein, und diese „Damen" führen ihn die ordens lüsternen Leute zu, denen er gegen hohe Summen Or den verschafft. Erbärmlich die freien Republikaner, solche wendete namentlich der Vorgänger des Generals Ferron (Boulanger) die Jagd nach Spionen und das : Drängen zur Revanche an, und erzielte damit bei der . leichten Erregbarkeit des nationalen Temperamentes seiner Landsleute einen nicht zu unterschätzenden Erfolg. Derselbe General, der die Geheimhaltung der Orga nisation des Heeres als eine der wesentlichsten Aufga- > ben seiner Amtsführung ansah, setzte sich über die Frage, welche Bürgschaften der Character der Personen die Orden kaufen, erbärmlicher der General, der mit Concubinen sich einläßt, um durch den Ordensschwin del Geld zu gewinnen. Jetzt schreit in Paris eine Partei gegen die andere, eine jede schiebt der anderen die Schuld für den unerhörten Vorgang zu; aber mit Unrecht! Es liegt in den Franzosen einmal drin, sich durch Scandale auszuzeichnen, traurig ist es nur, daß auch die Republik gerade ihre Lobpreisungen auf sich selbst für unwahr erklärt. Und wenn es allein bei dem Ordensschwindel des Generals Caffarelli sein Bewenden hätte! Ganz bodenlose Privatskandale sind damit zugleich aufgedeckt, die besonders in der Provin zialbevölkerung die Achtung vor der bestehenden Staals- form wahrlich nicht erhöhen werden. Am meisten wer den sich die Monarchisten freuen, denen diese schmutzi gen Geschichten, welche die Republik arg discreditiren, nur Wasser auf ihre Mühle sein können. Politische Rurr-schan. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm in Baden-Baden ließ sich am Dienstag Vormittag zunächst den gewohnten Bortrag halten, arbeitete darauf mit dem Vertreter des Mili- tärcabinets Oberst von Brauchitsch und conferirte später mit dem Vertreter der auswärtigen Angelegenheiten Geheimrath von Bülow. Nachmittags fuhr der Kaiser spazieren. Zum Diner waren mehrere Fürstlichkeiten geladen. Ein Berichterstatter eines Hamburger Blattes hat jetzt auch den Reisebegleiter und Sekretär des Ministerpräsidenten Crispi, Herrn Pisani, in Rom interviewt und versichert, Folgendes von ihm gehört zu haben: „Herr Pisani theilte mir mit, daß er seinen Chef mit noch mehreren Beamten des Ministeriums des Auswärtigen nach Friedrichsruhe begleitet habe, daß er nicht Worte genug finden könne, um die Lie benswürdigkeit zu beschreiben, mit welcher Fürst Bis marck seine Gäste empfing: „Ich habe mir, so erzählte Herr Pisani, in dem Fürsten Bismarck einen sehr ernsten, strengen Herrn vorgestellt, dem es schwer fällt, seinen Mund zum Lächeln zu zwingen. Und wie ganz anders fand ich ihn. Er ist ein Menschenfreund im wahren Sinne des Wortes, welchem der Biedersinn aus den Augen leuchtet. Ich werde nie die schönen Stunden vergessen, welche mir auf seinem Landschlosse zuzubringen vergönnt waren." Zu dem Skandal Caffarelli in Paris schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.": „Die Saat, welche Kriegs minister, wie General Thibaudin und Gmeral Bou langer, ausgestreut, hat ihre Früchte getragen. Indem sie die Politik in die Reihen des Heeres einführten, öffneten sie der Parteilichkeit und der Corruption die Wege, und boten sie, die obersten Hüter der Waffen ehre, als erste die Hand zur Demoralisation des französischen Offiziercorps. Um die Aufmerksamkeit von den Folgen, die ein solches System nothwendig haben mußte, abzulenken, dazu bedurfte es allerdings etwas starker uud sicher wirkender Reizmittel. Als . seiner nächsten Umgebung für die strenge und pünktliche ; Ausrichtung des Dienstes gewährte, leicht hinweg und übersah, daß, während er die Bureaux seines Ministe- ! riums nach Außen hermetisch verschloß, der Räuber ' an der Ehre der Armee in seiner unmittelbaren Nähe : hauste. Die stille Hoffnung auf den Revanchekrieg ' übertönte alle anderen Empfindungen, hielt alle anderen - Regungen nieder. Kam es zu demselben, dann waren : im Falle des Sieges alle Schäden und Mängel des ! politischen Parteiregementes ohne jede Bedeutung, im . anderen Falle wurde die Rechnung auf das große ! Schuldbuch übertragen und verschwand m dem Wirr- ' warr des allgemeinen Choas einer Niederlage. Es ist : vielleicht ein lehrreiches Blatt Geschichte, das mit dem Prozeß Caffarelli schließt, lehrreich wegen der Herbei- : führung eines besseren Verständnisses mancher nur an , der Oberfläche beurtheilter Erscheinungen der letzten j Jahre." ! Der preußische Unterrichtsminister hat folgende Cir- > kularverfügung erlassen: „Die ungewöhnliche Steige- i rung der Pensionszahlung für Lehrer und Lehrerinnen ; an öffentlichen Volksschulen veranlaßt mich, der könig lichen Regierung nachdrücklich zur Pflicht zu machen, ! die Versetzung der Lehrer in den Ruhestand nur bei vorliegender zwingender Nothwendigkeit eintreten zu lassen, da sonst nicht nur eine übermäßige Belastung der Staatskasse mit Pensionszahlungen, son dern auch ernstliche Schwierigkeiten für die Besetzung frei werdender Stellen erwartet werden müssen." Oesterreich-Ungarn. In Pest ist der ungarische Ministerpräsident Kolo man Tisza gefährlich erkrankt. Der österreichische Minister des Auswärtigen, Graf Kalnoky, soll in Wien dem König Milan von Ser bien versichert haben, daß die Balkanvölker sich der friedlichen Arbeit widmen könnten, da ein Friede von längerer Dauer zu erwarten sei. Kalnoky stimmte der Meinung des Königs bei, im serbischen Ministerium keine Aenderung vorzunehmen. Der österreichische Reichsrath nahm am Dienstag seine Sitzungen wieder auf. Der Cultusminister wurde wegen seines Schulerlasses von den Czechen interpellirt. Nach der „Milit.-Ztg." melden mehrere Blätter, die Periode der Versuche und der Verbesserung des Mannlicher Repetirgewehres sei endgültig abge schlossen, das neue, kleinkalibrige Modell wäre ange nommen und mit dessen Anfertigung bereits begonnen worden. Diese Angaben sind ungenau, vielmehr wer den die Verbesserungsversuche am Mannlicher Gewehr noch fortgesetzt. Authentische Anfklärungen über den Stand der Gewehrfrage wird die bevorstehende Ses sion der Delegationen bringen. Laut einer Meldung der „Armeezeitung" wurde die Vermehrung der Artillerie beschlossen. Große Beachtung findet eine Programmrede, die der Führer der deutsch-österreichischen Partei zu Stern berg hielt. Schlumetzy erklärte, man müsse zunächst die Bildung eines tüchtigen, nur auf österreichischer