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den, und dann ins Untersuchungsgefängiß abgeführt. Jenot ist aus Lorry bei Metz, wo er die Sommer ferien zubrachte. Jenot scheint aber unschuldig zu sein, denn er ist Dienstag Mittag schon wieder aus der Haft entlassen. Mehrere Bewohner der Gemeinde Provenchers bei Nancy sind von der französischen Militärbehörde öffent lich belobt worden, weil sie verhütet haben, daß ein französisches Repetirgewehr in deutsche Hände fiel. Die Leute hatten nämlich erfahren, daß ein französischer Jäger von den benachbarten Manövern weggelaufen war, und beschlossen, ihm nachzusetzen, um das Lebel-Gewehr zu retten, „welches sonst in deutsche Hände gefallen wäre." Sie überschritten die Grenze und gewahrten den Deserteur, der sie ebenfalls erblickte, und unter Hilferufen nach einem Bauerhause eilte. Der Bauer kam heraus, aber die vier Franzosen hat ten den flüchtigen Soldaten bereits ergriffen und ihm das gefährdete Gewehr abgenommen. Auf das Geschrei des Bauern eilten nun deutsche Zollwächter herbei, und die Franzosen zogen sich schleunigst über die Grenze zurück. Einer von ihnen hatte in der Besorgniß, die französischen Zollwächter könnten wegen des Gewehres Händel anfangen, dasselbe im Vorübergehen rasch im Gebüsch versteckt, von wo er es Nachts abholte. Dänemark. Die dänische Regierungspresse bemüht sich andauernd, zu bestreiten, daß die jüngsten Reden des hitzigen Kriegsministers Bahnson einen deutschfeindlichen Character gehabt habe. Man befinde sich in Deutsch land im Jrrthum, wenn man so etwas aus den mi nisteriellen Worten heraus gelesen haben. Das Schnur rige ist, daß diese Deutung zuerst von den dänischen Blättern selbst gebracht ist, und die kennen ihren Kriegs minister jedenfalls ein ganzes Theil genauer, als die deutschen Zeitungen. Frankreich. Die Spionenriecherei hat sich jetzt auch auf die Bre tage erstreckt. Ein Brester Journal meldet näm lich, daß es in der ganzen Provinz und selbst in Brest von deutschen Spionen wimmelt, die sich für Elsässer ausgeben. Elsässer mögen sich dort aufhalten, aber Spione sind es schwerlich, denn was sollte eine solche Thätigkeit am äußersten Ende Frankreichs nützen? Es wurde jüngst gemeldet, daß im Bezirke des 12. Armeecorps der Urlaub der Gerichtsbeamten wegen der bevorstehenden Mobilisirungsprobe zurückge zogen worden sei. Diese Meldung wird jetzt dahin berichtigt, daß ein gleicher Befehl an alle Gerichts höfe Frankreichs ergangen sei. Belgien. König Leopold von Belgien hat, wie bereits kurz erwähnt, die Gelegenheit der Enthüllung des Breydel- Koninck-Denkmals in Brügge (Breydel und Köninck waren die'Anführer der Blaamländer in dem glänzenden Siege von Courtray) abermals benutzt, um die Einführung der persönlichen Militärdienstpflicht in Belgien dringend zu befürworten. Der König betonte, daß die dro henden Kriegsgefahren noch nicht vorüber seien, daß Belgien zur Vertheidigung seiner Unabhängigkeit stark gerüstet sein müsse und vor keinem Opfer zurück schrecken dürfe. So schnell wird der Wunsch des Königs freilich kaum in Erfüllung gehen, da die Mehr heit der katholischen Partei entschieden dagegen ist; aber es ist immerhin schon ein Gewinn, wenn die Sache wieder und wieder angeregt wird. Daß der jetzige Zustand in Belgien auf die Dauer nicht haltbar ist, unterliegt gar keinem Zweifel. Aus Belgien ist der englische Socialist Headingly wegen Aufforderung zur Revolution ausgewiesen worden. Rußland. Ueber die zur Zeit in Petersburg herrschende politische Stimmung wird der „Köln. Ztg." tele- graphirt: „Die Stimmung der hiesigen maßgebenden Kreise gegenüber dem Fürsten Ferdinand ist schwer zu enträthseln. Klarer ist die Stimmung der russischen Gesellschaft. Hier herrscht durchaus das Gefühl eines entschiedenen Unwillens vor. Man sagt sich in diesen Kreisen, daß das Ansehen Rußlands unter der Reise des Koburgers empfindlich leide. Jedenfalls ist es aber zweifellos, daß von Rußland aus keinerlei Schritte in der ganzen Angelegenheit geschehen werden. Man wird wie bisher abwarten und höchstens durch die Türkei auf Bulgarien zu drücken versuchen. Mit dem Ver halten der Türkei ist man sehr unzufrieden und es ist dies auch dem türkischen Botschafter nicht verheimlicht worden. Traurig und bezeichnend ist es, daß das loyale Verhalten Deutschlands nach wie vor die gebührende Anerkennung durchaus nicht findet und daß man im Gegentheil voller Argwohn gegen Deutschland ist. Hält diese Unfähigkeit, Deutschlands redliche Absichten anzu erkennen, hier auf die Dauer vor, so muß sie schließlich auch auf die Haltung Deutschlands zurückwirken. In der öffentlichen Meinung, wie auch in einem Theil der Presse macht sich ein großer Widerwille gegen die Fortsetzung der russischen Enthaltungspolitik der bul garischen Frage gegenüber geltend. Es wird vorge schlagen, den von der Türkei ernannten bulgarischen Commissar Artin Dadian Effendi in Begleitung eini ger russischer Divisionen in das Land einrücken zu lassen. Als ob das so leicht gethan, wie ausgespro chen wäre. Bulgarien. Aus Tirnowa wird telegraphirt: Fürst Ferdinand begab sich am Sonntag und Montag nach dem in der Nähe der Stadt befindlichen Truppenlager und wurde von den Soldaten enthusiastisch begrüßt. Die Commandeure der Garnisonen von Widdin, Rustschuk, Schumla, Varna, Tirnowa haben den Fürsten persön lich ihrer Ergebenheit und Treue versichert, von den Befehlshabern der übrigen Garnisonen gingen diesem die gleichen Versicherungen schriftlich zu. Dienstag ist der Fürst aus Tirnowa über den Gabrowo-Paß des Balkan (Schipka-Paß) nach Philippopel abgereist. Am Dienstag bleibt er in Gabrowo über Nacht, am Mitt woch in der Rosenstadt Kasanlyk und Donnerstag er folgt der Einzug in Philippopel. Fürst Ferdinand hat am Montag in Tirnowa die Session der Sobranje geschlossen, Er sprach da bei folgende Worte: „Ich danke Ihnen für Ihre patriotischen Bemühungen für die unversehrte Erhal tung der Kräfte des Landes. Indem ich die Zügel der Regierung in die Hand nehme, erkläre ich die Session der Nationalversammlung für geschlossen." Folgende Proclamation erließ der Fürst: „Wir Ferdinand I., durch Gottes Gnade und den Willen der Nation, Fürst von Bulgarien erklären, nachdem Wir den feierlichen Eid vor der großen Nationalver sammlung in der alten Hauptstadt von Bulgarien ge leistet haben, unserm geliebten Volke, daß Wir die Zügel der Regierung ergriffen haben und dieselbe ge mäß der Verfassung führen werden. Entschlossen, alle Sorgfalt und alle Bemühungen für das Gedeihen, die Größe und den Ruhm des Landes aufzuwenden, und bereit, seinem Glück Unser Leben zu weihen, halten Wir es in dem Augenblick, wo Wir den Thron der glorreichen Czaren Bulgariens besteigen, für Unsere geheiligte Pflicht, dem braven, muthvollen Volke Bul gariens Unsern Dank auszusprechen sowohl für das Vertrauen, welches dasselbe uns bezeugt hat, indem es uns zum Fürsten wählte, als auch für seine weise und patriotische Haltung während der schwierigen Zeit, die Unser Land durchzumachen hatte. Die heroischen Be mühungen, welche das Volk gemacht, um seine Rechte, seine Ehre und seine Interessen zu wahren, haben ihm die Sympathien der gesammten civilisirten Welt ver schafft uud Allen den Glauben an seine Lebenskraft, wie die Gewißheit eingeflößt, daß das Volk in sei ner Entwickelung einer glänzenderen und glücklicheren Zukunft würdig ist. Wir danken auch den Regenten und den Ministern für ihre weise Führung der Ge schäfte; Dank derselben haben sie es vermocht, die Un abhängigkeit und Freiheit Unseres Landes zu retten. Ueberzeugt, daß Unser Volk und Unsere tapfere Armee sich um unseren Thron schaaren und Uns unterstützen werden bei allen Bemühungen für das Glück des Va terlandes rufen Wir den Segen Gottes herab auf alle Handlungen, sowie auf alle Entschlüsse, die Wir in Zu kunft fassen werden. Es lebe Bulgarien, das frei ist iu der Ausübung seiner Rechte. Ferdinand!" Das ist eine ganz außerordentlich kräftige Sprache, die Nie mand von dem erst so zaghaften Koburger erwartet hat. In Bulgarien wird das Schriftstück Enthusias mus erregen, in Petersburg aber auf das Heftigste verstimmen; darnach erscheint eine Versöhnung ganz unmöglich. Man könnte fastannehmen, dieProclama tion bedeute eine Unabhängigkeitserklärung Bulgariens, aber eine solche würden alle Großmächte erbittern und diese Herausforderung ist nutzlos. Die Sprache der Proclamation sagt aber, daß der Fürst sich mit sol Feuilleton. Aus schweren Tagen. Eine Erzählung aus der Zeit Napoleons I. von Rudolf Lossen. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Die große Jagd, welche man am selben Tag, da der Posthalter verhaftet wurde, erwartet hatte, war noch einmal um einen Tag abbestellt worden und fand dann auch wirklich am folgenden Tage statt. Von weit her lief das Volk zusammen, um etwas von dem schönen Schauspiel zu erhaschen und in einer kurzen Zerstreuung den schweren Druck der Zeiten zu vergessen. Die Schaaren der Jäger und Jagdbedien steten zu Pferd und zu Fuß in ihren kleidsamen Uni formen, die schönen Jagdhunde, die Auffahrt des Kö nigs in dem von prächtigen Pferden gezogenen Gala wagen, das goldstrotzende Gefolge, — das alles wurde mit stummem Staunen, theils mit lautem „Ah!" an gestarrt. Und als nun das aufregende Schauspiel be gann, waren viele so glücklich, die herrlichen Hirsche und Rehe zu schauen, die in dichten Rudeln dahin stürmten durch das Grün, gescheucht von Treibern und Hunden und weithin rollte das Gewehrfeuer der Ja genden und vorwärts drang die Jagd und die Jagd hornsignale schmetterten; hier brach ein stolzer Hirsch hervor und suchte das Feld zu gewinnen, floh aber er schrocken vor der schreienden Zuschauermenge wieder ins Dickicht; dort aber gab's Flucht vor einem Keiler, der indeß, ohne Schaden anzurichten, seinen Weg ver folgte. Feldjäger in ihren schwarzen Kürassen, den grünen Uniformfräcken und den weißen Hosen in den Kanonenstiefeln, auf dem Kopf den goldverzierten Raupenhelm mit der grünen Feder, ritten ab und zu und trieben die Menge zurück, wo sie die Jagd zu stören schien. Der ganze weite, sonst so stille Forst war von einem wilden die Sinne berauschenden lär menden Leben durchzogen, das manchem Zuschauer mit begeisternder Gewalt ergriff. Bei einer Gruppe schöner Buchen stand der Förster, in Gala-Uniform gekleidet, die Büchse in der Hand, ehrfurchtsvoll mit abgezogenem Hut vor einem statt lichen älteren Offizier in prächtiger, goldgestickter Uni form. Aufmerksam lauschte derselbe auf des Försters Worte und warf dabei scharfe Blicke hinüber zu dem in einiger Entfernung harrenden Samuel Schaller. Der Förster hatte einst als Soldat diesem Offizierin einem Gefecht das Leben gerettet und hoffte daher, daß derselbe ihm seine Bitte gewähren werde. Der Förster hatte ausgeredet. Der Offizier winkte Samuel. Dieser nahte mit einer tiefen Verbeugung. „Ich will thun, was ich kann," sagte der Offizier; „zeigen Sie die nöthige Devotion und machen Sie's kurz! Folgen Sie mir!" Es war in der Jagd eine Pause eingetreten. Sa muel sah, dem Offizier folgend, in einer Waldlichtung eine große Anzahl uniformirter Herren versammelt, offenbar sämmtlich hohe Herrschaften. Auf gedeckten Tischen waren Speisen und Getränke aufgestellt und eine herrliche Waldhornmusik ertönte. Der Offizier wandte sich seitwärts und mit einem Male sah Samuel etwas entfernt von der übrigen Jagdgesellschaft auf einer mit einem Teppich bedeckten Rasenbank einen Herrn sitzen, hoch gewachsen, stark und corpulent; ein Jupiterkopf mit Augen stolzen, gebieten den, blitzenden Blickes, — das war der König! Der Offizier gab Samuel ein Zeichen, zurückzu bleiben und trat mit einer tiefen Verbeugung zum König. Dieser lächelte, schien wohl gelaunt und Samuel ward schon das Herz ein wenig leichter. Er lauschte. Der König schien zu fragen, ob der Offizier viel ge schossen habe. „Majestät," hörte Samuel deutlich den Offizier sagen, „ich habe sogar einen Menschen gefangen." „Wieso?" „Da ist ein junger Mensch, ein Prachtkerl, den haben unsere Doctoren als schwindsüchtig vom Mili tär freigesprochen; der ist aber wieder kerngesund und will nun partout schwarzer Jäger werden. Er hat sich mir vorgestellt." „Recht so! Das ist selten! Er soll sich nur beim Commando melden." „Majestät, er möchte sich gern Seinem Allerhöch sten Kriegsherrn selbst vorstellen; dort steht er." „Was?" — Und mit einem Male fiel das blitzende Auge des Königs auf Samuel, der sich tief verneigte. Jetzt war der entscheidende Augenblick da. Wies ihn der König ab, so war das Opfer umsonst gebracht. „Er soll Herkommen," sprach der König. Im Nu stand Samuel vor ihm. Ja, in der That, das gab einen Soldaten von seltener Schönheit! „Hat der junge Mann irgend einen Wunsch bezüg lich des Bataillons oder der Compagnie oder sonst?" fragte wohlwollend der König den Offizier. „Majestät, er hat allerdings auch einen Wunsch. Er möchte Eurer Majestät als Soldat dienen und bittet, daß seinem Vater dafür von Eurer Majestät Gnade zu Theil werde." In diesem Augenblicke fiel Samuel auf die Knie und hielt ein Schriftstück flehend zum Könige empor. Dieser schien einen Augenblick unwillig über die un erwartete Wendung. Dann aber ergriff er das Pa pier, las und rief: Schaller von X. — Ich weiß schon alles. — Hat ein freches Maul. — Wurde gestern abgeführt. — Braver Sohn! — Es wird dem Alten eine Warnung sein. — Er ist begnadigt! — Sohn soll seinen Dank durch treuen Dienst bei Un sern Fahnen beweisen." Der König stand auf. Samuel wollte in Dankes- worte ausbrechen. Aber der Offizier winkte ihm, sich zurückzuziehen. Halb betäubt von der Aufregung des Augenblicks ging Samuel durch den Wald, da faßte ihn eine Hand an der Schulter; er blickte auf — es war der Förster. „Nun, wie ist's gegangen?" fragte er in höchster Spannung. (Fortsetzung folgt.)