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Frankreich. Der französische Ministerrath berieth am Dienstag die Ersparnisse im Budget von 1888. Man kam auf 12 Millionen. Schrieb ele wird bis October noch einen Posten, aber nicht an der Grenze, erhalten. October tritt er in den Ruhestand. Die letze Note des Reichskanzlers an den Bot schafter Herbette hat einen sehr deprimirenden Ein druck in Paris gemacht, wegen der directen Vorwürfe, daß das officielle Frankreich die deutschfeindliche Spionage im Reichslande unterstützte. Die franzö sische Regierung nimmt in ihrer Erwiderungs-Note die angeführten Thatsachen mit „Vorbehalt" zu den Acten. Dem „Petit Journal" zufolge sollen im Juli in den Vogesen 10tägige Marschmanöver unter Zu ziehung des 5. und 21. Jägerbataillons und zweier Batterien stattfinden. Die Jägerbataillone werden mobilisirt sein und die Munitionsbagage und denMe- dicinkarren mit sich führen. Italien. Ein Ausschuß der italienischen Deputirtenkammer hat die Berathung der Militärvorlagen (Verstärkung der Artillerie und Cavallerie, Neu-Organisation der Aushebung) begonnen. Wahrscheinlich werden die Forde rungen noch im Laufe dieser Woche bewilligt. Die Entwürfe bezwecken die Bildung von 24 Feldartillerie- Regimentern aus den gegenwärtigen 12 Regimentern und zwar das Regiment zu je acht Batterien mit 6 Geschützen für die Batterie; es sollen ferner errichtet werden 2 neue Cavallerie-Regimenter, 8 Compagnien Festungs- und Küstenartillerie und ein Regiment mit 9 Gebirgsbatterien. Die Genietruppen sollen um 12 Compagnien vermehrt werden. In Caserta, unweit Neapel, wird eine Schule für Unteroffiziere, welche die Offizier-Carriäre einschlagen wollen, und eine Central- Artillerie-Schießschule eingerichtet werden. Der Minister verlangt 12^2 Millionen für Ausrüstungszwecke und 2'/r Millionen für Pferdebeschaffung. König Humbert hat am Montag unter großem Enthusiasmus die nationale Kunstausstellung in Venedig eröffnet. Die letztere hat nur den Zweck, den etwas sehr eingerosteten Verkehr in der Lagunen stadt wieder in Aufschwung zu bringen. Spaniel». Die Königin-Regentin hat in Madrid, wie bereits telegraphisch gemeldet, eine große Truppenbesichti gung abgehalten. Ein genauerer Bericht darüber sagt: Es standen 16,000 Mann in Parade. Die Menge der Zuschauer war sehr groß. Es waren wohl zwei Drittel der Bevölkerung von Madrid hinausgezogen, um das militärische Schauspiel anzu sehen. Die Königin, die im schwarzen Restkl«K--^.. schienen war ritt em wu^^ reiche Generale und.^^rhbvMMM^ waren zu- war ein glänzendes Schauspiel und seit .r Anwesenheit des deutschen Kronprinzen hat kaum ein solches Fest stattgefunden. Der Plan der Einführung der allgemeinen Mi litärpflicht gewinnt mehr und mehr Anhänger im Lande. Man erkennt, daß darin wirklich ein Mittel liegt, den inneren Unruhen ein Ende zu machen. England. In England denkt man daran, daß die Neuen- Hebriden-Jnseln in der Südsee, welche die fran zösischen Truppen im vorigen Herbst besetzten, noch immer nicht wieder geräumt sind. Die französische Regierung sagte damals, sie wolle nur Ordnung auf den Hebriden schaffen und dann sofort die Inseln frei geben. Diese Einführung der Ordnung dauert aber so lange, daß man in England ungeduldig wird. Das Ministerium wird gedrängt, in Paris Vorstellungen zu erheben, wozu es sich aber nicht bequemen will; denn solche Vorstellungen würden nicht den geringsten Erfolg haben. Die Franzosen würden ganz einfach antworten: Geht Ihr doch zuerst aus Egypten, und eine solche Antwort könnte ihnen nicht einmal übel ge nommen werden. Schweden. Am Montag trat der schwedische Reichstag mit der neugewählten zweiten Kammer zusammen. Indem aufgelösten Hause saßen 214 Abgeordnete, von denen 101 gegen eine Erhöhung der Getreidezölle, 111 da für stimmten. Die Regierung ist Gegnerin der Schutz zölle und löste deshalb die Kammer auf. In Schweden besteht nun die Einrichtung, daß bei jeder Neuwahl die Zahl der Abgeordneten und ihre Vertheilung auf die einzelnen Wahlkreise nach der letzten Volkszählung ge regelt wird, so daß in der That die Majorität in der Kammer der Majorität im Lande entspricht. Diesem Brauch zufolge waren diesmal 220 Abgeordnete zu wählen, von denen nun 139 Gegner und 81 Anhänger des Getreidezolles sind. Rußland. Die deutsche St. Petersburger Zeitung erfährt, daß heute Mittwoch eine Sitzung der afghanischen Grenzcommission stattfinden wird, in welcher be schlossen werden soll, ob die Verhandlungen noch wei ter fortgeführt werden sollen, oder nicht. Bisher ist es unmöglich gewesen, einen Vergleich zu erzielen. Die Londoner Versicherungen, es werde, falls der jetzige Emir von Afghanistan gestürzt werden sollte, eine Einigung zwischen Rußland und England über einen neuen Emir zu Stande kommen, werden von den russi schen Blättern als Illusionen bezeichnet. Afghanistan gehört Rußland! Der Satz wird in Petersburg sehr offen ausgesprochen. Bulgarien. Aus Sofia wird gemeldet, daß zwischen einzelnen Ministern Meinungsverschiedenheiten über innere Fragen ausgebrochen sind. Dem Einfluß der Regent- Hast rascy geunMV oas wiederherzustellen. Minister Stoilow ist in Wim beschäftigt, einesechs- procentige Anleihe abzuschließen. Aus dem Muldenthale. ^Waldenburg, 4. Mai. Der hiesige Gewerbeverein hielt nach längerem Zeitraum gestern Abend unter Lei tung seines Vorsitzenden, des Herrn Oberlehrer Kaese- j berg, wieder eine recht gut besuchte Sitzung ab. An i Eingängen lagen vor ein Sitzungsbericht vom Gewerbe- - verein Meerane, Jahresberichte der Gewerbevereine zu Glauchau und Crimmitschau, sowie des Handwerker vereins zu Chemnitz. Der Gewerbeverein zu Alten burg hatte eine Anzahl von Loosen einer von ihm veranstalteten Lotterie gesandt, welche in der Sitzung noch zum Theil verkauft wurden. Durch gedachte Lotterie sollen mehrere Zimmereinrichtungen, welche für die vorjährige Ausstellung angefertigt worden wa ren, zur Verloosung gelangen. Herr Apotheker Canz ler sprach über die Steinkohle nach ihrer chemi schen Verwendung und schilderte Redner, nachdem er einleitend einige Angaben über das Alter der Stein kohlen, Entstehung und Verbreitung, sowie die Bestand theile derselben gemacht, und den Begriff Destillation definirt, zunächst die Fabrikation des Steinkohlengases, i um sodann auf die hierbei außer dem Gase und Coakes ! gewonnenen Producte näher einzugehen. Die gewon nenen Ausscheidungen sind Theerwasser und Theer. Durch Destillation dieser Producte werden Hunderte von verschiedenartigen chemischen Stoffen, wie Ammoniak salze, Salmiak, Benzol — im gewöhnlichen Leben Ben zin genannt —, Anilin, Carbolsäure, Salicilsäure, Pikrinsäure (woraus das vielgenannte Melinit fabricirt wird), Naphtalin, Antipirin, Anthrazen rc. gewonnen, welche die verschiedenartigste Verwendung im gewerblichen Leben finden. Redner that hierbei mich der Versuche Erwähnung, das ziemlich theure Chinin auf künstlichem Wege herzustellen. Erwähnung fandauch dieGewinnung von Paraffin sowohl ; aus Braunkohle wie aus Petroleum. Flüssiges Paraffin ! ist Vaselinöl. Reicher Beifall ward dem instructiven Vortrage zu Theil. Zur Ansicht lagen aus mehrere Kohlenstücke mit Pflanzenabdrücken, meist Farrenkräu- ter, sowie einige Nähnadeln, bei welchen der Faden nicht mehr durch's Oehr gesteckt, sondern durch einen an: oberen Ende befindlichen Einschnitt gedrückt wird, wodurch der Faden mit Leichtigkeit ins Oehr gelangt und das oft zeitraubende Einfädeln vermieden ist. *— Ein Blitz „aus heitrem Himmel" zersplitterte gestern Nachmittag eine unmittelbar vor der Ritter guts-Ziegelei im benachbarteu Calleilberg befindliche Telegraphenstange. Am sonnig blauen Himmel stand für einige Minuten nur eine kleine dunkle Wolke, welche den Wetterstrahl entsendete. In Remse und Glauchau trat die Gewittererscheinung mit heftigem Schloßen wetter auf. Vergangene Nacht in der zweiten Stunde wiederholte sich hier das Gewitter in äußerst heftiger "Weise, doch hat es wesentlichen Schaden nicht ange richtet. *— Heute wurden bei einem hier geschlachteten Schweine im Gewichte von 15 Steinen durch Herrn Trichinenbeschauer Hübner abermals Trichinen gefun den und das Fleisch deshalb dem Genüsse entzogen. Feuilleton. Unter einem Dache. Roman von Karl Hartmann-Plön. (Fortsetzung.) „Verzeihen Sie mir." rief er verzweifelt aus, „o, Vergebung gnädige Frau! Wie konnte ich wissen —, wenn ich nur eine Ahnung gehabt hätte, ich weiß nicht, was ich zu meiner Entschuldigung sagen soll; nie bis dahin hatte ich von einer Tochter des Barons gehört, nur aus Frau v. Sonns' Munde erfuhr ich —" „Es bedarf der Entschuldigung nicht, Herr v. Bela, in Ihren Worten erkenne ich die böse Zunge einer Frau, die mit regstem Eifer und bestem Erfolg alle meine Versuche, mich mit meinem Vater zu versöhnen, vereitelt hat. Er ist also todt! Ach, ich hätte ihn vor seinem Hinscheiden so unbeschreiblich gern noch einmal gesehen!" Ihre Thränen flossen reichlicher, sie nahm einige ' Schlucke Wasser und fuhr dann mit kräftiger Stimme fort: „Ich bin es mir selbst schuldig, vor Ihnen meine Vergangenheit zu entrollen, Sie werden dann selbst er messen können, ob die Ausdrücke meiner Cousine ge rechtfertigt sind oder nicht. Schon als Kind liebte ich leidenschaftlich die Musik. Meinen ersten Unterricht erhielt ich von meiner theuren unvergeßlichen Mutter, die mir leider zu früh entrissen wurde. Später wur den mir zu meiner Ausbildung bald eine Clavierleh rerin, bald ein Clavierlehrer gehalten. Ich war schon sechzehn Jahre alt, als sich um die erledigt gewordene Stelle ein junger Mann bewarb, der, da er durch gute Fürsprache empfohlen war, auch angenommen wurde. Er hatte das Abiturientenexamen bestanden und war im Begriff, das Conservatorium zu besuchen, als der Tod seines Vaters, eines Beamten, ihn gänz lich mittellos machte. Um seinen Zweck später noch zu erreichen, nahm er eine Stelle als Lehrer an, damit er sich eine entsprechende Summe verdiene. Es war zweifelhaft, welches Instrument er vollkommener spielte, das Clavier oder die Geige, er war schon damals auf beiden ein Künstler. Ein Jahr blieb er auf Hellen- born, darauf ging er mit dem, was er sich gespart, und einem Darlehen, das ein Verwandter ihm ange boten hatte, nach Leipzig. Die Musik hatte während dieses Jahres unsere Herzen erschlossen, wir liebten uns, und als er schied, versicherte ich ihm feierlich, ihm treu zu bleiben. Bon unserer Liebe wußte Niemand weiter, als der Müllerpächter auf dem Gute, zu dem mein Verlobter sich sehr hingezogen fühlte,, weil er ein geistig begabter Mann war, den er oft in seiner Mühle besuchte. Müller Steffens vermittelte auch während zweier Jahre unsere Correspondenz, die eifrig betrieben wurde. Nach zwei Jahren schon war die musikalische Ausbildung meines Geliebten vollendet, zwei Concerte, die er in Leipzig gegeben, hatten mit einem Schlage seinen Ruf als Meister der Violine gegrün det. Nach kurzer Zeit schon ward sein Name in allen Blättern genannt. Er gab jetzt auch in anderen Städten Concerte, und zwar mit stets wachsendem Erfolg. „Auch nach Kiel kam Johannes auf seiner Kunst reise," berichtete die Wittwe weiter, „es gelang mir, meine Tante, die Schwester meines Vaters, die von ihrem Manne geschieden war und erst kürzlich mit ihrer einjährigen Tochter Gabriele auf das Gut ge zogen war, zu überreden, eine Reise mit mir nach Kiel zu machen, um meinen früheren Lehrer in einem Concert zu hören. Ich sah meinen Johannes wieder, aufs Neue leistete ich ihm den Schwur der Treue. Meine Tante zog ich in das Geheimniß und sie ver sprach mir auch ihre Hülfe. Becker kam nach Hellcn- born. In der sanguinischen Voraussetzung, daß Künst lerruhm die fehlende adelige Geburt ersetzen könne, wagte er, bei meinem Vater um meine Hand anzuhalten. Die Antwort darauf war eine so fürchterliche Be schimpfung, die von Worten fast zu Thaten überge gangen wäre, denn mein Vater hatte die Hundepeitsche ergriffen und den Arm bereits zum Schlage aufge hoben, daß mein Verlobter auf der Stelle das Schloß verließ und in die Mühle übersiedelte. Nun wurde ich zu meinem Vater gerufen. Mein Muth wurde auf eine harte Probe gestellt, aber ich blieb fest. Ich will die Worte nicht wiederholen, die er mir in das Gesicht schleuderte. Ich blieb standhaft dabei, daß keine Drohungen mich abschrccken könnten, mein ein mal gegebenes Wort einzulösen. Da stellte er mir die Alternative, von dem Musikanten zu lassen und dem Manne meine Hand zu reichen, den er bereits für mich gewählt, oder mich von dieser Stunde an nicht mehr als seine Tochter zu betrachten, die er aus seiner Nähe verbannen und enterben würde. Ich wählte das Letztere und eine Stunde später wanderte ich, eine Ausgestoßene, den Berg hinab nach der Mühle. Becker schloß mich in seine Arme nnd versprach mir, das Leben an meiner Seite dennoch zu einem beuei- denswerthen zu machen. Er hat sein Wort gehalten. Noch einmal wurde ein Versuch gemacht, das Herz meines Vaters zu meinen Gunsten zu bewegen. Mül ler Steffens, auf den mein Vater immer große Stücke gehalten, ging ins Schloß hinauf, aber auch ihn be leidigte der erregte Mann derartig, daß auch er das Schloß nicht wieder betreten konnte. Wir feierten unsere Hochzeit ohne den Segen des Vaters. Ich begleitete meinen Gatten auf allen lei nenen Reisen, fast die ganze Welt haben wir durch streift. Sein Ruhm wuchs von Jahr zu Jahr. Ich war glücklich an seiner Seite und hätte das Glück noch tiefer empfunden, wenn es mir möglich gewesen wäre, meinen Vater zu versöhnen. Ich schrieb vo« Zeit zu Zeit an ihn, zu seinem Geburtstag regel mäßig. Aber nie erfolgte eine Antwort. Schmerzlich für mich war es, daß ich auch noch diese Briefe hin ter dem Rücken meines Mannes schreiben inußte. (Fortsetzung folgt.)