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ZchöMiMi Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Ä aldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr ¬ lich 1 Mk. 80 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. ^281. Sonntag, den 3. December 1832. Bekanntmachung. Zur Vornahme der Wahl von drei Stadtverordneten und zwei Ersatzmännern ist vom unterzeichneten Stadtralhe der 11. December 1882 terminlich anberaumt worden. An die stimmberechtigten Bürger hiesiger Stadt ergeht deswegen die Auf forderung, auf ihren Stimmzetteln drei wählbare Bürger — nämlich zwei mit Wohnhäusern angesessene und einen unansässigen — zu be nennen und diese Stimmzettel am obgedachten Tage Vormittags von 1v bis 12 Uhr und Nachmittags von S bis S Uhr im Sitzungszimmer für die Stadtverordneten persönlich abzugeben. Zu bemerken ist, daß a., von den Stadtverordneten: 1) Herr Kaufmann Albert Bosserker, 2) Herr Handschuhfabrikant Ernst Gräfe, 3) Herr Maurermeister Paul Uhlmann, d., von den Ersatzmännern: 4) Herr Decorationsmaler Harald Möller, 5) Herr pens. Fürst!. Mühleninspector Gottlob Friedrich List, und zwar sämmtliche als wiederwählbar, ausscheiden. Waldenburg, am 28. November 1882. Der Stadtrath. Cunrady. R. II. Bekanntmachung. Das für das Jahr 188» aufgestellte Commun-Anlagen-Abschä- tzungs-Cataster liegt 14 Tage lang zur Einsichtnahme der Steuerpflich tigen an hiesiger Ralhsexpedilionsstelle aus. Etwaige Reclamationen gegen die erfolgte Einschätzung sind schriftlich und mit Gründen unterstützt, bez. unter Angabe etwaiger Bescheinigungsmittel, bin nen obiger Frist und längstens bis zum 19. December 1882 hier anzubringen. Spätere Einsprüche bleiben unbeachtet. Waldenburg, den 2. December 1882. Der Stadtrath. Cunrady. Rchtr. II. "Waldenburg, 2. December 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Kaiserin hat für die durch die Ueberschwem- mung Betroffenen 2000 Mk. gespendet. Der Reichskanzler Fürst Bismarck wird heute Sonnabend Abend in Berlin erwartet. Der preußische Minister Puttkamer ist von der Rheinreise zurückgekehrt und machte Mittheilung über die Ueberschwemmung. Es seien furchtbare Schäden entstanden, wenn auch nicht so entsetzliche Catastrophen wie in Tirol; es gelte, die Wohnungs noth zu beseitigen und Proviant zuzuführen; Staats hilfe sei nothwendig. Das Ministerium beschloß, dem Kaiser die Verwendung von 500,000 Mark zu Gunsten Geschädigter vorzuschlagen. Da der Reichstag sich schon Ende nächster Woche vertagen wird, um den verschiedenen Com missionen Zeit zur Berathung zu lassen, und wahr scheinlich erst Mitte Februar zu seinen Plenarsitzungen wieder einberufen werden wird, so wird beabsichtigt, eine Interpellation darüber einzubringen, ob der Reichskanzler noch in dieser Session eine Vorlage über die Erhöhung der Holzzölle machen wolle; übrigens wird diese Frage beim Etat der Zölle zur Besprechung gelangen. Im preußischen Abgeordnetenhause befürwor tete am 1. d. der Abg. Bachem bei Gelegenheit der Berathung des Justizetats die Entschädigung un schuldig Verurtheilter, sowie Einführung der Beru fungsinstanz. In den Fällen, die er speziell im Auge habe, sei die Verurtheilung auf Grund falscher Zeugnisse erfolgt. Die Meineide hätten sich mehr als verdoppelt, eine traurige Erscheinung, die auf das Zurückdrängen der Religion zurückzuführen sei. Justizminister vr. Friedberg bekennt, daß er kein Freund der Auffassung sei, daß in Fällen späterer Freisprechung einmal Verurtheilter der Staat zur Entschädigung verpflichtet sei. Er wisse wohl, daß diese Auffassung nicht populär. Er beklage die Zu nahme der Meineide auf das Tiefste und habe sich mit dem Cultusminister in Verbindung gesetzt, ob nicht durch Schule und Kirche, durch bessere sittliche und religiöse Erziehung der Zunahme der Meineide zu begegnen sei. Auch strebe er danach, daß die Eidesabnahme möglichst feierlich erfolge. Abgeordn. Simon v. Zastrow: Vom Prozessiren würden die Leute durch die hohen Gerichtskosten noch weniger abgehalten, als durch die Unbekanntschaft mit dem Verfahren. Dasselbe liege fast immer in den Hän den der Advocaten. Abg. vr. Bierling wünscht Anrechnung des Militärdienstes auf den Vorberei tungsdienst der jungen Juristen. Abg. Or. Windt horst: Die Frage der Entschädigung unschuldig Verurtheilter sei picht generell zu entscheiden. Wo Jemand durch die Schuld der Richter unschuldig verurtheilt wird, wird die Entschädigung nicht zu umgehen sein. Wo die unschuldige Verurtheilung in Folge falschen Zeugnisses erfolgte, ist der Zeuge natürlich nach Möglichkeit heranzuziehen. Die Frage der Entschädigung unschuldig Verurtheilter würde nicht so acut geworden sein, wenn die Berufung nicht beseitigt worden wäre. Er habe sich s. Z. dagegen gestemmt, aber er sei mit Hilfe einiger liberaler Herren unterlegen. Gegen die Meineide helfen allgemeine Moralpredigten nichts, man müsse wieder Religion in das Volk bringen. Oft verstehe der Richter die Sprache der Zeugen nicht. Man müsse mit den Leuten in ihrer Sprache reden, da durch bekämen die Leute auch Vertrauen. Justiz minister vr. Friedberg erklärt, daß er nicht wünsche, daß die Justizbeamten an der Scholle kleben. Abg. v. Bismarck-Flatow bestreitet, daß durch Aufhebung der Berufung die Zahl der Fälle unschuldig Ver urtheilter sich vermehrt haben. Abg. Straffer unter wirft die neue Gerichtsorganisation und die Gerichts form, sowie Rechtsanwallskosten einer eingehenden Kritik. Minister von Puttkamer unterbrach die Berathung des Justizetats mit einer Mittheilung über die Reise, die er im Auftrage des Kaisers nach dem Rhein unternommen. Gelitten habe vor nehmlich die Gegend unterhalb Koblenz, da die Mosel dem Rhein furchtbare Waffermafsen zusührte, wie seit Jahrhunderten nicht. Die Wohnungsnoth und die Verproviantirungsfrage sind vor Allem zu lösen. Viele Bewohner mußten dislocirt werden, andere können nur mittelst Kähnen erreicht werden. In Neuwied sind von 10,000 Bewohnern nur 600 von der Ueberschwemmung unberührt geblieben. Die Häuser müssen desinfizirt und durch starke Kokesheizungen rc. ausgetrocknet werden. Zum Glück ist kein einziges Menschenleben zu beklagen, aber Schäden in den Orten, die durch Dammbrüche ge litten, sind ungeheuer. Schriftlicher Bericht wird an das Haus erstattet und zunächst 500,000 Mark aus Staatsmitteln zur Verfügung gestellt werden. (Beifall.) Der Justizetat wird genehmigt, ebenso der Etat des Finanzministeriums. In Northeim wurde am 26. Nov. der zweite hannoversche Bauerntag abgehalten. Der Rück gang der Landwirthe wurde aus dem jetzigen Steuersystem und aus der Freizügigkeit erklärt, darum die Forderung aufgestellt, nicht nur der jetzigen Wirthschaftspolitik des Reichskanzlers volle Zustimmung zu geben, sondern auch auf Beschrän kung der Freizügigkeit und der Heirathsfähigkeit hinzuarbeiten. Hofbesitzer Baring beantragte fol gende Resolution: „Das durch einseitige geld- capitalistische Gesetzgebung herbeigeführte Ver schuldungssystem erhält den landesüblichen Zinsfuß in künstlicher Höhs zum Vorthell einer interna tionalen Geldherrschaft, jedoch zum grüßten Nach theile des vaterländischen Grundbesitzes, sowie der gesammten von körperlicher oder geistiger Arbeit lebenden Bevölkerung und ist deswegen nach allen Richtungen gesetzlich möglichst zu beseitigen. Zu gleich ist das Auswandern deutschen Kapitals durch entsprechende Besteuerung aller im Vaterlande be findlichen ausländischen Werthpapiere wirksam zu hemmen." Die Resolution wurde mit großer Majori tät angenommen, und soll neben einer Zustimmungs erklärung zu der neuen Wirthschaftspolitik dem Reichskanzler unterbreitet werden. Oesterreich. In der Schlußsitzung des Landtages in Inns bruck wurde von der klerikalen Majorität u. A. der Antrag angenommen, daß künftig das Fest des hei ligen Johann von Nepomuk von Böhmen feierlich in Tirol begangen werde, um in Zukunft Unglück vom Lande fernzuhalten, ('s wird doch helfen?) Frankreich. Während die intimsten Freunde Gambetta's versichern, daß dessen Wunde auf dem besten Wege der Heilung ist, schildern die reactionären Blätter seinen Zustand beharrlich als sehr bedenklich. „Clairon" meldet, Gambetta's Vater sei telegraphisch nach Ville d'Avray berufen. Nur Madame Lery, seine Schwester, habe außer den fünf Aerzten Zu tritt. Infolge des Wundfiebers wage man nicht mehr mittels einer Kautschuckröhre den Eiter aus der Wunde zu entfernen. „Gaulois", ein längst im Umlauf gewesenes Gerücht verwerthend, will wissen, Gambetta habe sich nicht selbst verwundet, sondern eine Madame Leon sei die Thäterin. Dieselbe habe ihm letzten Sonntag in Ville d'Avray heftige Vorwürfe, namentlich darüber gemacht, daß er ihren resp. seinen erwachsenen Sohn, der in Leipzig unter dem Mutternamen Gambetta's Mar- sabie verweile und den Gambetta im vorigen Jahre dort besucht habe, systematisch so lange entfernt von ihr halte. Madame Leon, außer sich gerathen, habe den auf dem Kamin liegenden Revolver ergriffen und auf Gambetta abgeschossen, der mechanisch seinen Arm zum Schutz vorgestreckt habe. Zu Ville d'Avray sei auf's Strengste Befehl ertheilt, Madame Leon nicht mehr das Landhaus betreten zu lasten. England. Graf Granville hat am 28. November die De-