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dem neuen Ministerium zwei Plätze eingeräumt werden. Das wäre allerdings eine weitere Schwan kung nach links, deren Tragweite sich, was die in nere Lage betrifft, noch nicht berechnen läßt. Da gegen würde in der auswärtigen Politik ein solches Ministerium das friedliche Verhalten voraussichtlich noch mehr wie bisher betonen. England. Die „Morning Post" dementirt die officiöse Meldung, die britische Regierung wünsche von den Großmächten einen Meinungsausdruck über die egyptische Lage; indeß werde ein Meinungaus tausch zwischen England und Deutschland gepflogen. Der in Berlin weilende deutsche Bot schafter Graf Münster beschleunigte daher seine Rückkehr nach London behufs Erleichterung der Unterhandlungen. Egypten. Die Situation muß doch eine sehr mißliche sein, da nach neueren Meldungen in mehreren Städten Oberegyptens ernste Unruhen ausgebrochen sind. Die Decorationen anläßlich der Rückkehr des Khedive wurden herabgerissen, Christen wurden insultirt und mißhandelt. In Städten, wo keine Brittentruppen stationirt sind, wird die Niederlage und Gefangen nahme Arabi's nicht geglaubt. > Die Explosionen auf dem Bahnhof in Kairo dauerten mit kurzen Unterbrechungen 3 Stunden. Das Feuer auf dem Bahnhof wurde abends 9 Uhr gelöscht. Der Schaden beziffert sich auf mehrere Hunderttausend Pfund Sterling. Die Bahnbeamten halten die Feuersbrunst für das Werk von Brand stiftern, weil sie die WagenHweier verschiedener Bahnlinien gleichzeitig in Brand gerathen sahen. Nach der Explosion wurden auch 2 Araber in dem Moment festgenommen, wo sie an einige Wagen Feuer legen wollten, ein dritter entkam. Die Zahl der Getödteten beträgt 5, die Zahl der Verwundeten 20, der Personenbahnhof ist gerettet, aber sämmt- liche Waarenmagazine mit Lebensmitteln für die Armee auf 10 Tage, sowie hundert Wagen mit Munition sind zerstört. Die „Times" erfahren, es sei beschlossen worden, 12,000 Mann Truppen in Egypten zu be lassen. Von maßgebender Seite werde befür wortet, das Occupationscorps zum Theil aus indi schen Truppen mohamedanischen Glaubens zu bilden. Aus dem Muldenthale. *Waldenburg, 30. September. Den Land briefträgern können bekanntlich auf ihren Be stellgängen gewöhnliche und eingeschriebene Brief- sendungen, Postanweisungen, Nachnahmesendungen, Briefe mit Werthangabe im Einzelnen bis zum Werthbetrage von 150 Mark und nach Befin den auch Packele — Werthpackete ebenfalls bis zu 150 Mark Einzelwerth — zur Abgabe bei der nächsten Postanstalt übergeben werden; auch Zeitungsgelder nehmen die Landbriefträger zur Aus führung der Zeitungsbestellungen von den Landbe wohnern entgegen. Jeder Landbriefträger führt auf seinem Bestellgange ein Annahmebuch mit sich, in welches er die vorbezeichneten Sendungen — mit Ausnahme der gewöhnlichen Briefsendungen — und die Zeitungsbestellungen einzutragen hat. Den Absendern ist aber auch frei gestellt, die Sendungen selbst einzutragen, der Landbriefträger muß ihnen auf Verlangen das Buch zu diesem Zwecke vorlegen. Es ist den Absendern dringend zu empfehlen, ent weder die Sendungen selbst in das Annahmebuch einzutragen oder darauf zu halten, daß der Land briefträger die Eintragung sogleich beim Empfange der Sendungen rc. in Gegenwart der Absender besorgt. Das Annahmebuch des Landbriefträgers wird nach jedem Bestellgange durch einen Beamten der Postanstalt durchgesehen, und es ist auf diese Weise die sichere und pünktliche Weiterbeförderung der in diese Annahmebücher eingtragenen Sendungen sicher gestellt. Den Posteinlieferungsschein über die betr. Sendungen bzw. die Zeitungsgeld-Quittung muß der Landbriefträger bei dem nächsten Bestell gang überbringen. — In Glauchau wurde am 28. September in einem Hause auf der Hoffnung die Leiche eines an scheinend lebensfähig gewesenen neugeborenen Kin des gefunden. — In der Nacht zum 29. September wurden in Glauchau zwei junge Frauenspersonen aus Zwickau, die sich bei Gelegenheit des stattgefundenen Jahrmarkts theilweise in Gesellschaft von Manns personen in der Stadt Herumgetrieben hatten, fest genommen. — Am 29. Septbr. Vormittag 10 Uhr ist in Zwickau der Häuer Christian Friedrich Mehner aus Niederplanitz, verheirathet und Vater zweier Kinder, auf dem „Glückaufschacht" tödtlich verunglückt. Plötz lich hereingebrochene Kohle hatte einen Bolzen der Zimmerung weggeschlagen. Dieser Bolzen traf beim Umfallen den Mehner auf die Brust und zertrümmerte ihm den Brustkasten. Der Tod erfolgte augen blicklich. — Daß man Locomotiven nicht blos für Eisen bahnzwecke zur Bewältigung des Länder und Völker immer inniger verbindenden Personen- und Güter verkehrs verwenden, sondern selbst nach einer viel jährigen Dienstzeit auf der Eisenbahn auch für andere Zwecke, und zwar als Reservebetriebskraft für große Fabrikanlagen, wie Spinnereien, Webereien rc. be nutzen kann,lehrt z. Z. ein Besuch in Lunzenau,woselbst in der sehr umfangreichen Weberei des Commercien- raths Vogel eine für den Eisenbahndienst wegen unzureichender Stärke nicht mehr verwendbare Tenderlocomotive als Belriebskraft aufgestellt ist und die gesammte bedeutende Fabrikseinrichlung und da zu gehörigen Webmaschinen betreibt. Sie soll vor läufig während der Dauer des Einbaues einer neuen Turbinenanlage in Dienst bleiben. Es ist interessant, die Locomotive in Thätigkeit zu sehen, wie sie, anstatt sich fortzubewegen, die von ihr ent wickelte Kraft vermittelst der Treibräder auf das gangbare Zeug der Fabrik überträgt und dadurch die sämmtlichen Maschinen derselben in Gang setzt. Dis Locomotive selbst steht im Freien und ist in ihrer Längeneinrichtung nach vorn und nach hinten durch je ein gemauertes Fundament gestützt, die Treibräder sind in Riemenscheiben umgewandelt, durch welche die Kraft der Locomotive in die Fabrik übergeführt wird. Die Leistung der Locomotive soll der einer kostspieligen Maschinenkraft von über 100 Pferden gleich stehen und deren Beschaffung und Aufstellung einen zur Leistung nicht in Vergleich zu stellenden geringen Kostenaufwand verursacht haben. Die Anlage ist sehenswerth und dürfte wohl Nach ahmung finden. Aus dem SuchserMude. — Ihre Majestät die Königin von Sachsen ist am 28. September nachmittags in der Weinburg eingetroffen. — Auf den sächsischen Staatseifenbahnen berech nen sich in dem Zeiträume vom 1. Januar bis Ende August d. I. die Einnahmen auf 43,747,635 Mk., und sind dies 1,375,835 Mk. mehr als im gleichen Zeitabschnitte des Vorjahres. — Erledigt find nachstehende Lehrerstellen: 2. ständ. Lehrerst. in Maxen bei Weesenstein. Koll.: Minist. d. Cult. Wohnung, 915 Mk. Gehalt, excl. Honorar für Fortbildungsunterr. Gesuche bis 15. October an Bezirksschulinsp. Lehmann in Pirna. — Filialkirchschulst, in Seifersdorf bei Leisnig. Koll.: ob. Schulbeh. Wohnung, 840 Mk. vom Schuldienst, 289,77 Mk. vom Kirchendienst und 180 Mk. Zu lage, die bei nöthig werdenden Alterszulagen zu berechnen sind. Gesuche bis 21. October an Be zirksschulinsp. Herrnsdorf in Döbeln; — 6. ständ. Lehrerst. an der Schule zu Schedewitz bei Zwickau. Koll.: der Gemeinderath. 1075 Mk. und Logisgeld, welches für einen verheiratheten Lehrer 20 Proc., für einen unverheiratheten 12'/s Proc. des Gehaltes beträgt. Gesuch bis 17. October an den Koll. — Für die städtischen Beamten in Niesa ist kürzlich eine Pensionskasse eingerichtet worden, zu welcher dieselben nach Maßgabe des hierfür ent worfenen Regulativs regelmäßige Beiträge zu leisten haben. — Während der Kaisertage ist an der Eisenbahn brücke in Niesa über die Elbe eine längst gewünschte Sicherungsvorrichtung angebracht worden. An bei den Enden der Brücke befinden sich durch besondere Weichen in Bewegung zu setzende Schilder mit der weithin sichtbaren Aufschrift „Zug kommt!" und an der Wasserseite der Brücke sind über dem bisherigen Geländer in Abständen von ungefähr 20 om drei parallel laufende Drahtseile gezogen worden, so daß nunmehr die früher vorhandene Gefahr, durch den Sprung eines Pferdes abgeworfen und in die Elbe geschleudert zu werden, als völlig beseitigt gelten kann. — Vom Landgericht zu Plauen wurde am 26. d. M. über einen Fall von Viehschmuggelei abge- urtheilt. Der Viehhändler Gräßel aus Leubetha hatte einen jungen, auf 135 Mark taxirten Ochsen in Böhmen gekauft, denselben mit Umgehung der Zollstelle Voitersreuth über die Grenze gebracht und sich dadurch nicht nur des Schmuggels, sondern auch der Uebertretung des Viehseuchengesetzes schuldig gemacht. Der Angeklagte wurde, trotzdem daß mehrere Zeugen nachzuweisen suchten, der Ochse stamme aus Bayern, für schuldig erachtet und zu 8 Monaten Gefängniß verurtheilt. Der Ochse ward überdies weggenommen und der Verurtheilte hat auch die Kosten der Untersuchung zu tragen. — Im Garten des Gutsbesitzers Hüniger in MörSdorf befindet fich gegenwärtig ein Kirschbaum, welcher reife Kirschen trägt. — In Mülsen St. NiclasZist in der Nacht zum 29. Sept, ein Pferd, braune Stute, mit Schippe auf der Stirn und Glasauge, im Werths von 200 Mark gestohlen worden. — Im Walde bei Zinnwald ist dieser Tage eine Frau, welche dürres Holz gesammelt hatte, plötzlich von einem Hirsch überfallen und dabei übel zugerichtet worden, so daß sich die Aermste nur mit großer Mühe zu Hause schleppen konnte. Dieser Fall zeigt wieder, daß es nicht rathsam ist, während der Brunstzeit in den Wald zu zehen, da es schon vorgekommen, daß Menschen durch Hirsche gelödtet worden sind. — Das durch Verbrennen mit Pech schwer ver letzte Mädchen in Niedermeisa b. Meißen ist durch den Tod von seinen Schmerzen erlöst worden. — Am 27. d. M. schoß beim Spiel ein Knabe den 10jährigen Sohn des Wachtmeisters in Netzschkau mit einem Pfeil in ein Auge, so daß letzteres voll ständig zerstört ist. — Die Gerber Pößnecks sind dadurch in nicht geringe Aufregung versetzt worden, daß der dortige Magistrat verboten hat, Felle oder Häute, die zuvor mit Schwefel behandelt worden sind, im Bache zu spülen oder einzuhängen. Zuwiderhandlungen sind mit einer Strafe bis zu 900 Mark bedroht. — Am 27. Sept, abends hielten 35 Vertrauens männer der Arbeiter in Gera im Hotel zum Kron prinzen eine Versammlung. Es wurde beschlossen, die Herren Fabrikbesitzer zu ersuchen, Lohntarife in ihren Etablissements auszuhängen, aus denen ersichtlich sein soll, was für die einzelnen Arlen der Gewebe bezahlt wird. Aus diesen Tarifen soll dann eine Zusammenstellung gemacht und weitere Schritte berathen werden. — Die Wollweberei Gera's hat ihren Ursprung eigentlich durch die grausamen Ketzerverfolgungen Alba's in den Niederlanden empfangen. Damals verließen über 100,000 Protestanten das von den Spaniern bedrückte Land, unter ihnen 1595 Nicola de Smit aus Brüssel. Dieser bezog bereits 1596 die Leipziger Messe mit seinen Tuchen, obgleich die Tuchmacher Gera's bei seiner Aufnahme die Be dingung gestellt hatten, daß seine mitgebrachten Zeugmacher nicht mehr als 8 Stühle stellen dürften. Auch hatte der Rath zu Gera bei seiner Aufnahme durch den Landesherrn 4 Beschwerdepunkte aufge führt: 1) Er möchte nicht rein sein in der Religion, 2) die Arbeiter und Spinner stolzer und theurer machen, 3) viel an' Speis' und Trank auskaufen, 4) anderen vorkaufen, weil er Geld habe. Gewiß ist, daß Nicola de Smit als intelligenter unter nehmender Kaufmann die niederländische Wollmanu- factur nach Gera verpflanzt, die Schönfärberei be gründet und die Spinnerei vervollkommnet und da durch den Grund gelegt hat zu Gera's industrieller Blüthe. Vermischtes. Mainz, 28. September. (Dir. Mitth.) Der Rhein hat eine ungewöhnliche Wasserhöhe erreicht; zwar überschreitet er die Ufer nicht, nur an den Niederun gen zwischen Kastel und Rüdesheim ist er ausge treten und verursacht hier an noch außenstehenden Feldfrüchten (Kartoffeln und Gemüse) einigen Scha den. Infolge der fast täglich sich wiederholenden Regengüsse faulen sowohl die Kartoffeln als auch der Wein. Die Lese hat infolge dessen auch noch nicht begonnen werden können. Der Wein ist Heuer überhaupt nicht gut, mindestens nicht qualitativ; es fehlt ihm der „Brand", wie die Weinbauer sagen. — Eine kleine, aber sehr spaßhafte Scene, welche sich heute hier zutrug, kann ich Ihnen nicht vorent- halten. Nämlich die Rheinländer tragen in der Regel ihre Waaren, welche sie zu Markte bringen, auf dem Kopfe. Aehnlich dem auch eine sogenannte Milchschöne, im Korbe auf dem Kopfe einen Milch kübel. Da rempelt sie an einen sich plötzlich um schauenden Herrn und der Kübel auf dem Kopfe geräth in bedenkliches Neigen, so daß die kostbare Flüssigkeit in Strömen sich ergießt, zum größten Gaudium sämmtlicher Passanten. Schweiß-(Pardon!) Milchtriefend flüchtete sie sich in eine Hausflur, wo hin ihr denn auch der wie aus den Wolken gefallene Attentäter folgte. Eine sensationelle Strafaffaire, schreibt die „Berl. Gerichtszeitung," lenkt jetzt die Aufmerksamkeit aller Kreise des Gömörer Comitates in Ungarn auf sich. Die Angelegenheit befindet sich bei dem Rosenauer Ge richtshöfe, welcher den Gerichtsrath Thomas Bajkos mit der Untersuchung betraute. Der Fall ist fol gender: Vor beiläufig zwei Monaten ist der in Rosenau ansässige israelitische Kaufmann Sigmund Moskowitz, der als sehr wohlhabend gilt, unter dem Verdachte mehrfachen Todtschlages eingezogen worden.