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Parteiintereffen sich stärker erwiesen haben sollten, als die Rücksicht auf die gedeihliche Entwickelung der Gemeindeverwaltung, doch scheinen in den genannten Städten die Triebfedern für die rege Betheiligung weniger politischer Natur gewesen zu sein, als viel mehr in dem engeren Zusammenschließen der Ge- werbtreibenden und entschiedenem Geltendmachen ihrer Interessen gesucht werden zu müssen. In Zwickau haben der Verein der Festbesoldeten und der städtische Verein sich bei der Wahl gegenüber gestanden und beide gleichviel ihrer Candidaten durch gesetzt. — Der frühere Reichstagsabgeordnete Bebel hat eine Petition an den Reichstag gerichtet, welche die polizeiliche Ausweisung aus dem Königreiche Sach sen behandelt und zu dem Anträge gelangt, daß die Auslegung, welche die sächsische Staatsregierung mehreren Paragraphen des sächsischen Heimathsge- setzes giebt, den Bestimmungen des Freizügigkeits- und des Strafgesetzes zuwiderläuft. Beigefügt ist der Petition der stenographische Bericht der zweiten sächsischen Kammer über denselben Gegenstand. — Erledigt ist die 6. Lehrerstelle in Wilkau. Koll.: Minist. d. Kult. rc. Einkommen 930 M. inkl. 90 Mk. Logisgeld. Gesuche bis zum 18. Dec. an Bezirksschulinsp. Schulrath Naumann in Zwickau. — Wie man sein eigenes Geld heirathen kann, dieses Räthsel löste sich kürzlich einem gutsituirten Fleischermeister in einer sächsischen Provinzialstadt. Derselbe fühlte nach dem Heimgange seiner Frau sich allzu einsam und allein und beschloß, trotzdem er sich schon in vorgerückten Jahren befand und bereits heiratsfähige Kinder hatte, sich eine zweite Lebensgefährtin zu erkiesen. Seine Wahl fiel auf seine erprobte tüchtige Ladenmamsell, abschon dieselbe kaum das Alter seiner ältesten Tochter erreicht hatte und von Haus aus vollständig mittellos war. Der wohlhabende und noch rüstige Freier fand Gehör und Standesamt und Kirche knüpften bald den Herzensbund zum festen ehelichen Bande. In einer glücklichen Stunde der Flitterwochen fühlte sich nun die junge Frau ihrem feurigen Alten gegenüber zu der interessanten Eröffnung gedrungen, daß sie doch nicht so ganz arm und mittellos sei, denn sie habe sich während ihrer Condilionszeit bei ihm ein ganz ansehnliches Sümmchen, zum Theil von ihrem Salair, zum anderen Theil durch freiwillige Dar lehen aus der Ladenkasse — erspart. Der junge Alte, zuerst frappirt, pries um so mehr die Gunst des Schicksals, das ihn dazu geführt hatte, mit der jungen Verkäuferin auch sein eigenes Geld zurück zuerobern. — In dem Fremdenzimmer eines Hotels in Dresden ist am 3. d. früh ein zwölfjähriges Mäd chen, welches am Abend zuvor mit einer Frau da hin gekommen war, auf dem Sopha sitzend lodt (ohne Zweifel vergiftet) aufgefunden worden. Die Frau war verschwunden. Durch die nach erstatteter Anzeige sofort eingeleitetcn Erörterungen ist die Person des Kindes festgestellt und durch hinterlassene Briefe und Gifte gewiß geworden, daß die Mutter des Kindes, eine in Dresden wohnhafte, von ihrem Manne getrennt lebende Ehefrau dasselbe getödtet und die Absicht gehabt hat, darnach sich selbst das Leben zu nehmen. Nach weiter eingegangener Nach richt hat die Frau sich am 2. d. abends noch im Dorfe Plauen gleichfalls vergiftet. Die Frau ist als die frühere Besitzerin des Esterhazykellers in Dresden, die an den Böltchermeister Voigt verhei- rathet war und nach dessen Ableben nochmals ge- heirathet hatte, recognoscirt worden. — Die kgl. Polizeibehörde in Dresden sucht den Zuzug von Verbrechern möglichst zu verhindern. So wurde vor Kurzem einem Schwindler jüdischer Nationalität, der in Preußen 3'/? Jahre Zuchthaus abgeschraubt hatte und der in ein literarisches Unter nehmen in Dresden eintreten wollte, der Aufenthalt daselbst untersagt. — In Leipzig verunglückte am Sonnabend Abend ein in der Magazingasse wohnhafter Student beim Nachhausekommen in der Dunkelheit dadurch, daß er infolge irgend eines unglücklichen Zufalls drei Etagen hoch zum Vorsaalfenster in den Hof hinab stürzte. Dort fand man den jungen Mann schwer verletzt und besinnungslos, aber noch lebend vor und brachte ihn mittelst Siechkorbes nach dem Kran kenhaus. — Der Polizei in Leipzig fiel am Sonnabend in einer Herberge ein conditionsloser Commis aus Großstrehlitz in die Hände, in dessen Besitz nicht nur gefälschte Legitlmationspapiere gefunden wurden, sondern welcher auch eine sogenannte Trockenstempel presse mit der Firma eines kaufmännischen Geschäfts bei sich führte, um mit Hilfe derselben Atteste an- ferligen zu können. — Bei dem Brande auf dem Chemnitzer Werk- stältenbahnhofe ist leider der ledige Feuerwehrmann Müller beim Nückschieben eines Tenders schwer verletzt worden. Nicht unbedeutende Verletzungen haben ferner auch mehrere an dem Rettungswerke betheiligte Arbeiter zu erleiden gehabt. — Dem Vernehmen nach ist von auswärts bei der Handelkammer, sowie bei dem Stadtrathe zu Plauen i. V. angeregt worden, in Plauen i. V. eine Consulats - Agentur für Amerika zu errichten. — In einer am 28. November in Pirna statt gefundenen Schöffengerichtsverhandlung in Beleidi gungssachen kam der eigenthümliche Fall vor, daß nicht nur der Beklagte, sondern auch dessen Verthei- diger Strafe erhielten, und zwar Ersterer 50 Mk. Geldstrafe wegen der ausgesprochenen Beleidigung, Letzterer 30 Mk. Ordnungsstrafe wegen wiederholter Unterbrechung des Vorsitzenden. — Nach einer in Limbach erfolgten Bekannt machung des wegen Einführung der Städteordnung daselbst bestellten Commissars werden die Bürger- verpflichlungen am 11. und 12. December, die Stadtverordnetenwahlen dagegen am 19. December stattfinden. Die Zahl der Unansässigen verhält sich zu den ansäsigen Bürgern wie 391 zu 341, d. i. je 4 Prozent der Gesammtbevölkerung, darunter befin den sich 227 zur Bürgerrechtserlanguug berechtigte und 412 zur Erlangung dieses Rechtes verpflichtete Einwohner. — Unter dem Viehbestände des Gutsbesitzers Krönert in Pilsdorf bei Sayda ist die hitzige Maul- und Klauenseuche ausgebrochen; wie man vernimmt, ist diese Krankheit durch ein von K. vor einigen Tagen erkauftes Schaf eingeschleppt worden. — Auf dem Eisenwerk Schwarzenberger Hütte wurden am 2. d. nachmittags dem 17 Jahre alten Clemens Ficker aus Beierfeld durch einen niedergehen den Fahrstuhl beide Beine zerschmettert. — In Ella bei Schwarzenberg wurde am 1. d. abends in der achten Stunde der Geschirrführer Daniel Böhm aus Hirschstein von seinem schwerbe ladenen Wagen überfahren, das Rad ging ihm über die Brust und veranlaßte seinen sofortigen Tod. Böhm ist ca. 40 Jahre alt, verheirathet und Vater von 6 Kindern. — Der schiefe Thurm zu Pisa hat in Gera jetzt sein Pendant in einer schiefen Esse. Dieselbe be findet sich an dem linken Ufer der Elster in der neuen Fabrikanlage. Diese Esse ist um ca. 70 Centimeter aus dem Loth gewichen. Eine Schuld soll Niemand treffen, der Untergrund scheint an jener Stelle zur Tragung so bedeutender Lasten nicht geeignet zu sein. Vermischtes. Vergiftung aus Eifersucht. In Schlawe bei Glogau wohnte eine junge Witlwe, Freu Fr., aus gut siiuirter Familie, um welche ein Wittwer, der Destillateur Br. von Haynau, Reg.-Bez. Liegnitz, freite. Der Tag der Hochzeit war bereits festgesetzt, und die Brautleute besprachen ihre neue Einrichtung, als der Bräutigam eine Depesche seines Bruders empfing, welche ihm aus Bedenken über den Cha rakter der Braut anrieth, die Verlobung schleunigst aufzulösen. Der Bräutigam befolgte diesen Rath, die Braut aber zog nach Haynau und bewegte sich unter den Augen ihres bisherigen Verlobten, in der Hoffnung, daßdasVerhältniß dennoch wiederhergestellt werde. Br. verlobte sich jedoch nach einiger Zeit mit einer jungen Dame aus höchst ehrenwerlher Familie in Breslau. Dieser Schritt entfachte die Eifersucht der Verschmähten bis zur höchsten Leiden schaft. Sie eilte am vergangenen Donnerstag in einer Verkleidung, ihr blondes Haar unter einem dunklen Scheitel verbergend, nach Breslau, gab sich im Hotel für Frau C., eine Tante der Braut, aus und ersuchte als solche die junge Dame, sie zu be suchen. Auf ihrem Zimmer unterhielt sie sich mit ihr aufs Freundschaftlichste und setzte ihr Wein vor, nachdem sie in das Glas des Gastes heimlich ein Pulver geschüttet hatte. Die junge Dame empfahl sich, von der Liebenswürdigkeit der Tante bezaubert, fühlte sich jedoch unterwegs unwohl und konnte kaum die Wohnung des Bruders ihres Bräutigams erreichen, wo sie ohnmächtig zusammenbrach. Der sofort herbeigerufene Arzt constatirte eine Vergiftung und brachte die Kranke wieder so weit zu sich, daß sie den Gasthof und das Zimmer, wo sie den ver gifteten Wein zu sich genommen, nennen konnte. Der Hotelwirth und die Bediensteten wurden ver nommen und gleichzeitig an Frau C. in Liegnitz telegraphirt, deren Nichtanwesenheit in Breslau sich ergab. Erst nach weiterem Forschen lenkte sich der Verdacht auf die wirkliche Thäterin. Mitglieder der betroffenen Familie kamen in Begleitung des Kellners, welcher die Giftmischerin bedient, in Haynau an und confrontirten denselben mit ihr. Die Recognition erfolgte auch sofort mit aller Bestimmtheit trotz der veränderten Farbe des Haares der Beschuldigten. Ehe jedoch die Verhaftung ausgeführt werden konnte, flüchtete die Verbrecherin in ihr Schlafzimmer und nahm dort Gift. Als man sie aufsuchte, fand man sie bereits im Verscheiden. Ob die jetzige Braut des Br. am Leben erhalten bleiben wird, erscheint zweifelhaft. Ein Schweizer Wirth. Der Besitzer des Gast hauses zum „Weißen Ochsen" in Z. in der Schweiz, ein ebenso witziger Kopf als auch bescheidener Mann, war Rathsherr geworden. Als nun bald darauf einige Gäste, die von H. auf den Markt nach Z. gekommen waren, mit allzuviel Komplimentirerei stets ihr: „Herr Rathsherr" anbrachten, erwiderte derselbe: „Sagt Ihr nur „Ochsenwirlh", solange Ihr da seid!" Allerlei. Auf dem nordamerikanischen Petroleum markt herrschen seit längerer Zeil große Schwankun gen, deren Ursachen man in der Ueberproduction sucht. In Philadelphia fiel der Preis am Freitag von 105 auf 86 und sind dazu namhafte Abschlüsse gemacht worden. Am Sonnabend machte sich bereits etwas Erholung bemerklich, wenngleich noch viele Millionen Barrels in spekulativer Weise von Hand zu Hand gingen. Das Unheil und die Verluste, welche diese Schwankungen im Gefolge hatten, sind ganz enorm. — In Eisenach wurde von dem Land gericht ein vormaliger Pfarrer, der sich fortgesetzt Unterschlagungen aus dem ihm anvertraut gewesenen Vermögen seiner Kirchgemeinden im Gesammtbetrage von 3800 M. hatte zu Schulden kommen lassen, zu einer zweijährigen Gefängnißstrafe verurtheilt. — In der Nacht zumDienstagsprengte ein Schmuggler zug zu Pferde mit Thee und Schnittwaaren beladen in der Nähe von Augustowo über die dortigen Ka näle und Flüsse. Die Kosaken hatten den Trupp schon vorher angegriffen, erstere waren aber im Stadtwalde auf eine falsche Spur gekommen und blieben eine ganze Strecke zurück. Diesen Vorsprung benutzend, setzte ein Theil der Schmuggler glücklich über einen Flußarm, der andere Theil gerieth aber dabei in die Strömung, und sechs Mann und neun Pferde fanden den Tod in den Fluthen. — Ein Schüler einer Volksschule in Königsberg i. Pr. wurde zum Confirmanden-Unierricht gebracht. Bei der Prüfung durch den Geistlichen stellte sich her aus, daß der Junge weder lesen noch schreiben konnte. Durch weileres Fragen erfuhr man, daß er im Ganzen 2^/2 Jahre die Schule versäumt hatte, und in dieser Zeil die Eltern die Summe von 324 Mk. für Schulstrafgelder hatten bezahlen müssen. Der Bursche hatte mit seiner Mutter förmlich eine Art von Contract geschlossen, dahin gehend, daß die Mutter den Jungen nicht zur Schule schicke, letzterer aber dafür sorgen müsse, daß durch seine Arbeit mehr verdient werde, als die Versäumnißstrafe be trage. — In Steinamanger wurde am 30. v. M. die 52 Jahre alte Häuslerswittwe Anna Nagy aus Szerdahely im Eisenburger Komitat hingerichtet, weil sie das Vergiften von Menschen auf Bestellung handwerksmäßig ausgeübt hatte. Sie hat selbst ein gestanden, ihre zwei Ehemänner und vier andere Personen mit Arsenik vergiftet zu haben; es wurden ihr jedoch sechsundzwanzig Fälle nachgewiesen, in welchem sie Giftmorde auf Bestellung verübt hatte. Die Hinrichtung nahm der Pester Scharfrichter Ko- zorßk vor, die eigene Tochter der Mörderin sah der Hinrichtung zu, wurde aber ohnmächtig. Die Zu schauer warfen sich auf die Ohnmächtige und schrieen, diese müsse auch gehängt werden; es gelang jedoch der Wache, die Bedrohte der Volkswuth zu entziehen. — Auf dem Michigansee in Amerika fand die Dampfschaluppe „Peters" durch eine Feuersbrunst ihren Untergang; es haben dabei 13 Personen das Leben eingebüßt. Neueste Nachrichten. Paris, 4. December, abends. Die Seine ist durch den gestrigen Schneefall und strömenden Regen dermaßen gestiegen, daß in einigen Stadtvierteln das Wasser bis zu den Fenstern des Erdgeschosses reicht. Bercy, wo riesige Weinkeller sich befinden, erleidet den größten Schaden. In den Maisons Alfort unweit Paris ergreifen zahlreiche Einwohner die Flucht. Der Verkehr wird daselbst zum Theil durch Boote vermittelt. In den Sommerfrischen Asniöres, Courbevoie und Neuilly sind zahlreiche Erdgeschosse überschwemmt. London, 4. December. Der Sultan befindet sich in dem akuten Zustande einer Manie, welche Wahn sinn befürchten läßt. Der Sultan sieht überall und in Jedem einen Verräther und Mörder und ruft aus: „er wolle nicht Abdul Aziz' Schicksal theilen." — Aarabis Prozeß dauerte vier Minuten und war eine abgekartete Farce. Lord Dufferin zwang den Khedive zur Gutheißung, da ein wirklicher, ernster Prozeß Alle compromittirt hätte.