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llMbilM Tageblatt Erscheint tSglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. ^283. Mittwoch, den 6. December 1882. Versteigerung. Nächsten Freitag, den 8. l. Mts., Borm. S Uhr sollen im Hotel zum goldnen Löwen hierselbst mehrere dahin zu brin gende Gegenstände, als: 1 Sopha, 1 Glasschrank mit Inhalt, 1 Kleidersecre- tär, I Tisch und I Spiegel, gegen sofortige Baarzahlung an den Meistbieten den öffentlich versteigert werden. Waldenburg, am 4. December 1882. Der Gerichtsvollzieher des König!. Amtsgerichts. Arnold. "Waldenburg, 5. December 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Fürst Bismarck, der übrigens am 3. d. in Ber lin eingetroffen ist, trägt jetzt, wie die „Köln. Ztg." zu berichten weiß, einen weißen Vollbarl. Der Briefbeutel für den Fürsten Bismarck ist gefunden. Die „Kösl. Ztg." schreibt wenig stens: Die vor einigen Tagen verloren gegangenen, nach Varzin und Wusterwitz, Kreis Schlawe, be stimmten beiden Briefbeutel sind heute Morgen (am 30.) in unversehrtem Zustande auf dem sogen. Kirchberg in Schlawe i. P. gefunden worden. Durch diese nachträgliche Auffindung der Briefschaften wird die Angelegenheit nur mysteriöser. Der Zufall kann die Beutel gewiß nicht nach dem Kirchberg in Schlawe verschlagen haben. Die Krankencommission beschloß, im 8 47 alle Arbeitgeber, soweit sie nicht einen Betrieb mit t Dampfkesseln oder durch elementare Kraft bewegte Triebwerke und mehr als zwei dem Versicherungs- zwange unterliegende Arbeiter haben, zu Beiträgen mit 1/2 für die Gemeinde respective die Ortskranken kaffe heranzuziehen. Ein im „Reichsanzeiger" veröffentlichter Erlaß des preußischen Arbeitsministers verfügt die Fracht freiheit für freiwillige milde Gaben an Lebens mitteln, Kleidungsstücken und Brennmaterial an die bedrängte Bevölkerung der Rheiuprovinz, von Hessen und Nassau auf den Staatsbahnen und den in Staatsverwaltung stehenden Privatbahnen. Für die von Staats- und Communalbehörden, sowie von Wohlthätigkeitsvereinen zu gedachtem Zweck ange kauften Lebensmittel und Saatgut wird nur die Hälfte der tarifmäßigen Fracht berechnet. In den „Grenzboten" wird ein Artikel über den Besuch veröffentlicht, den Herr v. Giers dem deut schen Reichskanzler in Varzin abgestattet hat. Die Schlußsätze dieses Artikels lauten folgendermaßen: „Irgendwelche offensive Politik hatte Rußland von den verbündeten Kaiserreichen Mitteleuropas nicht zu befürchten; denn dieselben waren seit ihrer Ver einigung allezeit lediglich auf Wahrung des Friedens bedacht. War also mit dem Giers'schen Besuche eine größere Annäherung Rußlands an Deutschland be absichtigt, so konnte das nur Erfolg haben, wenn Rußland deutlicher und bestimmter als bisher merken ließ, daß es auf Fortsetzung einer Politik verzichtet habe, die man ihm in den letzten Jahren nicht ohne Grund zuschrieb. Zweitens sollen die Beziehungen zwischen den Cabineten von Wien und Petersburg in diesem Sommer einigermaßen gespannt gewesen sein. War dies in Wirklichkeit der Fall, so ist zu hoffen, daß der Besuch in Wien, den Herr von Giers für seine Rückreise aufgespart hat, dieses Ver- hältniß bessern werde. Kaum erwähnt braucht da bei zu werden, daß das Entgegenkommen Rußlands auf das Verhältniß Deutschlands zu Oesterreich- Ungarn keinen Einfluß üben kann. Das Bünd- niß der beiden Mitteleuropäischen Kaiser — von dem wir jetzt sagen dürfen, daß es ein regel recht und in aller Form abgeschlossenes, in Docu menten niedergelegtes ist — ist, auf gegenseitigem Bedürfniß beruhend, durch beider Mächte Interessen fest gekittet, die bleibende Grundlage der Verhält nisse Mitteleuropas, von der die Strömung der Tagesereignisse nichts abzuspülen vermag." Be- merkenswerth ist die bei dieser Gelegenheit zum ersten Male in die Oeffentlichkeit gelangende Mittheilung von der Existenz eines formellen Bündnisses zwischen den Kaisern von Deutschland und Oesterreich, wäh rend bisher stets nur von einer „mündlichen" October abmachung die Rede war. Das Jahr 1761 ist als das Jahr anzusehen, von dem die Bewegung zur Schadloshaltung un schuldig Verurtheilter datirt. Um diese Zeit ward in Frankreich ein furchtbarer Justizmord be gangen, der die gesammte Bevölkerung derart in Aufregung brachte, daß ein Preis für die beste Lösung ausgesetzt wurde; drei Schriften wurden preisgekrönt, die sämmtlich eine Geldentschädigung für die durch Rechtsspruch unschuldig Verurtheilten in Vorschlag brachten. Bei uns in Deutschland ist die Bewegung neueren Datums, aber gerade inner halb der letzten Jahre hat sich die Zahl der ungerecht Bestraften in erschreckender Weise gemehrt und die Frage in den Vordergrund gestellt. Daß eine mög lichste Schadloshaltung der durch einen Rechtsirr thum Verurtheilten eine nicht von der Hand zu weisende Forderung ist, diese Erkenntniß beginnt sich in immer weiteren Kreisen Bahn zu brechen. Man verbreitet gegenwärtig eine Petition an den Reichstag, welche das Einschreiten der Gesetz gebung verlangt, um das Umsichgreifen des Prosti tutionswesens zu verhindern. Der Reichstag soll nämlich darum angegangen werden, dahin zu wir ken, daß die Paragraphen 180, 182 und 183 des Strafgesetzbuches verschärft, namentlich das Ver- miethen von Wohnungen an Prostituirte als Kup pelei bestraft, die Verführung aller minderjährigen Mädchen, nicht blos der zwischen dem 14. und 16. Lebensjahre, mit Gefängniß bis zu einem Jahre geahndet werde und daß auch Männer, welche durch Verkehr mit Prostituirten öffentlich Aergerniß geben, in Strafe verfallen. Ferner soll Unzucht unter allen Formen als Vergehen gelten, und endlich soll kein Mädchen auf die Liste der gewerbsmäßigen Prosti tuirten gesetzt werden, ohne daß sofort den Eltern, Vormündern oder dem Seelsorger davon Anzeige gemacht werde. Im preußischen Abgeordnetenhaus« fand am 4. d. die Fortsetzung der Berathung des Etats des Innern statt. Bei Kap. 94, Landgendarmerie, weist Abg. Dirichlet nach, daß die Falk'sche Gesetz gebung an der Vermehrung der Vagabondage nicht schuldig sei, letztere rühre von den Gründerjahren her. Redner brachte ferner die Durchpeitschung eines Mädchens durch den Amtsvorsteher Nothenhahn in Hirschberg zur Sprache und drückte dabei seine Verwunderung über die Passivität des Staatsanwalts und der Verwaltungsbehörde gegenüber dieser ekla tanten Rechtsverletzung aus. Abg. v. Rauchhaupt erblickt die Ursache der Vagabondage in der Gesetz gebung von 1874 bis 1876, worin dem Idealismus zuviel auf Kosten der bürgerlichen Ordnung nach gegeben worden sei; auch die Armenunlerstützungs vereine seien der Vagabondage förderlich gewesen. Redner plaidirt für Einführung obligatorischer Ar beitsbücher, für Aenderung des Herbergswesens und obligatorische Innungen. Abg. v. Rauchhaupt be merkt, was den Hirschberger Fall anlange, so habe die conservatioe gouvernementale Presse das Ver fahren des Amtsvorstehers keineswegs in Schutz genommen. Abg. v. Eynern giebt zu, daß der Culturkampf die öffentliche Ordnung gelockert habe, es beruhe das jedoch in der Art und Weise, wie die Ultramontanen diesen Kampf gegen die Staats gesetze geführt haben. Wenn aber der Culturkampf Schuld wäre an der Vagabondage, so müßte dieselbe in denjenigen Ländern fehlen, wo kein Culturkampf herrscht, das sei aber nicht der Fall. Die Vaga bondage sei überall gewachsen und habe ihre Ursache nicht in einseitigen Gesetzen, sondern in den allge meinen gewerblichen Verhältnissen. Abg. Windthorst meint, daß nach der bisherigen Debatte zu hoffen sei, Saß die sociale Lage aufs Allergründlichste un tersucht werden und dann die Mittel zur Abhülfe gefunden werden würden. Es sei wunderbar, wie man nur eine Secunde glauben könne, die Uebel stände der Vagebondage durch Vermehrung der Gendarmerie zu beseitigen; wahrhaft gesunden könn ten die socialen Zustände nur, wenn man wieder die sittlich-religiöse Grundlage des Volkslebens her stelle und fest begründe. Die Ausführung der Mai gesetze habe zur Abnahme der Religiosität und zur Mißachtung der Gesetzesautorität geführt. Durch die Maigesetzs seien alle die zahlreichen Institutionen vernichtet worden, welche zur Linderung menschlichen Elends gedient hätten, jetzt wolle man die Wieder herstellung derselben nicht leiden. Das Schulauf sichtsgesetz sei die Grundursache der Uebelstände, er bedaure, daß Minister v. Puttkamer gesagt habe, unter seinem Vorgänger sei Nichts geschehen, was die christliche Grundlage der Volksschule hätte schä digen können. Die Religionslehre sei thatsächlich in der Volksschule zurückgedrängt worden und habe einer Masse objectiven Wissens weichen müssen, das für Kinder viel zu weitgehend und für das praktische Leben überflüssig sei. Abg. Kropatschek meint, zur ! Beseitigung der Vagabondage werde auch die Ver- ! Minderung der Arbeitszeit und das Verbot der Sonntagsarbeit dienen. Abg. Weiß hält die Aus- i führung Windthorst's für übertrieben und unzu treffend. Kapitel 94 wurde genehmigt. Bei Kapi tel 95 erklärte auf eine Anfrage der Regierungs- commisiar Illing, es werde vielleicht noch im Ver laufe der Session ein Gesetz vergelegt werden, nach welchem aus einer Besserungsanstalt entlassene Kinder, falls die Vormundschaft es für nöthig hält, bis zur Großjährigkeit den Ellern entzogen werden, um sie vor der Rückkehr und dem schädlichen Einflüsse des Elternhauses zu bewahren. Abg. Rumpf empfiehlt die Anlage von Strafcolonien für rückfällige Ver brecher. Abg. Straffer will die Frage der Colo nialpolitik von derjenigen der Verbrechercolonien getrennt wissen. Erstere gehöre vor den Reichstag, die zweite sei vom Standpunkt der Nützlichkeit ent schieden zu verneinen. Die Erfahrung in England und Frankreich lehre, daß die Verbrechercolonien die Verbrechen nicht verringert, vielleicht sogar vermehrt hätten. In Meiningen ist am 3. d. nachmittags der Herzog Bernhard, Vater des jetzt regierenden Herzogs, gestorben. Herzog Bernhard war am 17. Dec. 1800 geboren, übernahm die Regierung am 17. December 1821 und legte dieselbe zu Gunsten des Erbprinzen Georg nieder am 20. September 1866.