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lhönbmger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SV Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Donnerstag, den 15. Juni 1882. ^13«. "Waldenburg, 14. Juni 1882. Haben wir Geldmangel? Es unterliegt keinem Zweifel, daß insbesondere die kleine Geschäftswelt, das Kleingewerbe und der Kleinbauer fast durchweg Mangel an dem ihm für die Förderung seiner Productionsthätigkeit nöthigen Gelds leidet, daß er sich dasselbe entweder gar nicht beschaffen kann, und mit seiner Arbeitskraft ver kümmert, oder wenn er es erhält, zu derartigen Zinsen und Bedingungen, dass er, wenn ihm nicht ganz außerordentlich günstige Umstände zu Hilfe kommen, an de: Last feiner Betriebsschulden zu Grunde geht, so daß es für ihn besser gewesen wäre, er hätte die gesuchte Kapitalhilfe gar nicht gefunden. Liegt nun die Ursache dieses Uebelstandes darin, daß wir überhaupt zu wenig Geld in Deutsch land besitzen, wie jetzt vielseitig behauptet wird? Nichtig ist es, daß Deutschland auf den Kopf der Bevölkerung berechnet, weniger Geld besitzt als z. B. Frankreich; es wird berechnet, daß wir sogar kaum ein Drittel so viel Geld im Lande haben, als Frankreich. Allein ebenso richtig ist, daß sich die Größe des Bedarfs an Geld für die Volkswirthschaft in den einzelnen Staaten für's Erste überhaupt nicht nach der Größe der Bevölkerung, sondern nach der Größe der von dieser betriebenen Productions- undHandels- thäligkeit normirt. Wenn Deutschland weniger Geld besitzt als Frankreich, so hat es in Folge seiner gegen Frankreich weil zurückstehenden Industrie- und HandelSlhätigkeit auch weniger nöthig. Für's Zweite ist es aber auch Erfahrungssache, daß je weiter die ökonomische Entwicklung eines Volkes vorgeschritten ist, dasselbe auch im Verhältnisse zur Größe seiner Productions und Handelsthätigkeit weniger Geld benöthigt resp verwendet, weil dessen Gebrauch viel seitig ersetzt und für den Vollzug des Güteraustausches unnöthig wird, wie dies durch England im Verhält- niß zu Frankreich z. B. erwiesen wird. Nun wissen wir wohl, daß wenn die obige Frage des Geldmangels aufgeworfen wird, eigentlich der Mangel an Leldkapital dabei verstanden sein will, d. j. jenes Ueberschusses an Geld, welches im Güter austausche keine Verwendung findet, und dafür be stimmt ist desto mehr direct der productiven Thätig- keit im Lande als werthvollste und mächtigste Kapi talskraft zu dienen. Daß aber in Deutschland der artiges überflüssiges Geldkapital thatsächlich vorhan den ist, beweisen wohl zur Genüge die Hunderte von Millionen, welche Tag aus Tag ein an den Börsen investirt sind, oder für Börsenspekulationen bei den Bank- und Sparanstalten der Hauptstädte in müßiger Bereitschaft liegen. So lange Letzteres der Fall ist und auf den Haupt-Bank- und Börsen plätzen des Landes bei flauer Speculationszeit über Geldüberfluß geklagt wird, kann von einem Geld kapitalsmangel in Wahrheit nicht die Rede sein, wenn ein solcher für die productive Thätigkeit im Lande auch thatsächlich besteht. Was uns in Deutsch land diesbezüglich in Wahrheit fehlt, ist nicht das Geld selbst, sondern jene richtige Organisation des Bank- und Creditwesens, welches Vas vorhandene Geld kapital über das ganze Land vertheilen und den bedürftigen Producenten zugänglich machen würde, statt dasselbe, wie es jetzt der Fall ist, in den Haupt städten zu centralisiren und den für die Besitzer allerdings gewinnbringenderen, aber volkswirthschaft- lich verwerflichen Börsenspekulationen zur Verfügung zu halten. "Waldenburg, 14. Juni 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser, die Kaiserin und der Kronprinz wohnten am 13. d. der Einweihung der Alterver sorgungsanstalt „Kaiser Wilhelm- und Augusta- Stiftung" bei. Der Kaiser drückte gegenüber dem Oberbürgermeister v. Forckenbeck seine Freude aus, das Gebäude so schön hergestellt zu sehen und hob hervor, die Anstalt bilde einen neuen Beweis von der Opferfreudigkeit, wodurch Berlin bei jeder Ge legenheit der ganzen Monarchie voranleuchte. Die Herrschaften wohnten sodann dem Festgottesdienst in der Kapelle bei, wo Generalsuperintendent Brückner die Weihrede hielt. Die kaiserlichen Majestäten haben dem Ver nehmen nach die Absicht, noch in dieser Woche Berlin zu verlassen und ihre Sommerreisen anzu- trelen. Se. Majestät der Kaiser begiebt sich danach, wie es heißt, Mitte dieser Woche zur Cur nach Ems, der dann später wieder ein mehrwöchiger Aufenthalt in Gastein folgen soll. Ihre Majestät die Kaiserin dagegen wird zunächst in Coblenz Auf enthalt nehmen. Von einem „Beobachter an der Spree" wird einem Englischen Blatte aus Berlin geschrieben: „Fürst Bismarck — so sagen mir Die, welche ihn kürzlich gesehen haben — freut sich königlich über das Dilemma, in welches sich das Englische Mi nisterium verrannt hat. Er liebt nicht vieles Reden, ist selbst kein großer Meister in dieser Kunst, und hegt daher eine große Abneigung gegen Leute, welche viel schwatzen. Das ist eine der Ursachen, weshalb ihm Gladstone mißfällt und er denselben nicht leiden mag, ihm auch nicht traut. Er reibt sich vergnügt die Hände und ergeht sich in seinen Ge sprächen mit Freunden in kaustischen und witzigen Bemerkungen über das Labyrinth, in welches die Westmächte sich verwickelt haben. Er hegt sehr freundliche Gesinnungen gegen Freycinet und wünscht denselben am Ruder zu behalten. Die Deutschen geben sich keinem Zweifel darüber hin, daß inner halb der nächsten paar Jahre ein Krieg mit Ruß land unvermeidlich sein wird, und sie bereiten sich ruhig und stetig darauf vor. Die Disposition ihrer Kräfte, und die Art und Weise, wie die jungen Offiziere am die russische Grenze versetzt werden, um sich mit dem Lande und den Leuten bekannt zu manchen, ist auffallend und bedeutsam. Auch gehen die Soldaten durch dieselben Exercitien und dieselbe Art der Schulung, wie es so allgemein der Fall war vor dem Ausbru che des Krieges mit Frankreich. Im Jahre 1870 waren die Offiziere der Reserve sowohl wie die der aktiven Armee besser mit den Wegen in Frankreich bekannt, als selbst die Fran zosen. Ein gleiches Ziel wird nun in Bezug auf Rußland verfolgt. Die Moskowiter blicken auf den kommenden Conflict als ein unabwendbares Ver hängniß. Keine Macht will den Ausbruch desselben beschleunigen; Beide aber fühlen sich überzeugt, daß Umstände eintreten werden, durch welche sich das Unvermeidliche gleichsam wie von selbst entwickeln wird. Würden z. B. deutsche Colonisten im Süden von Rußland behandelt, wie es den Juden wider fahren ist, so würde das sogleich zu einem Casus ddli gemacht werden. In Voraussicht auf eine solche Eventualität ist den Deutschen daran gelegen, mit Frankreich auf gutem Fuße zu bleiben. Sie haben sich bereits des Einverständnisses mit Italien versichert und die Organisation der Türkischen Armee, welche durch deutsche Offiziere betrieben, wird, zeigt, daß die Vorsicht des Fürsten Bismarck sich von der Bai von Biscaya bis nach dem Bosporus und dem Baltischen Meere erstreckt. An England liegt ihm Nichts, und er fragt nicht viel nach demselben; um somehr aber ist er darauf bedacht, Freundschaft mit Frankreich zu halten, sowie auch mit Italien und der Türkei, für den dritten großen Kampf, in welchen er verwickelt zu werden glaubt, ehe er seine Laufbahn beschließt." Der socialdemokratische Abgeordnete Gril lenberger hat, unterstützt von Fortschrittlern und Secessionisten, nachstehende Interpellation beim Reichstage eingebracht: Geschieht es im Auftrage der Reichsregierung oder der köaigl. preuß. Regie rung, daß die socialdemokratischen Mitglieder des Reichstages, sowie mit ihnen verkehrende Personen durch geheime Agenten der Berliner Polizei in der zudringlichsten Weise auf Schritt und Tritt verfolgt und überwacht werden? Und was gedenkt die Reichsregierung zu lhun, um die Würde des Reichs tags und die betreffenden Mitglieder des Hauses gegen diese Behandlung zu schützen? Fortschritt, Secession und Nationalliberale haben einen Gesetzentwurf eingebracht, welcher bestimmt, daß Stimmzettel, welche im Wege der Verviel fältigung hergestellt sind und nur die Bezeichnung der zu wählenden Person enthalten, gelten nicht als Druckschriften im Sinne der , Reichs- und der Landesgesetze. Von dem Abg. r. Ludwig ist zum Tabaks monopol der Antrag gestellt: „Nach Beendigung der Debatte über ß 1 wird die Vorlage noch mals der VII. Commission überwiesen zur Bericht erstattung über folgende Punkte: 1. aus welchen Gründen sind dis Verschiedenheiten in den ziffer mäßigen Angaben der Motive der Gesetzvorlage und der Angabe des Commissionsberichts entstanden und welche Zahlen sind die richtigen? 2. bedürfen die deutschen Einzelstaaten Zuschüsse aus Reichsmitteln zur Herstellung geordneter Finanzverhältnisse und welchen Betrag eventuell erreichen dieselben? 3. durch welche Mittel kann eventuell das Reich die Summe beschaffen?" Das „Schlesische Morgenblatt" veröffentlicht die Antwort des Reichskanzlers auf das Begrüßungs- telegramm des konservativen Parteitags, in welcher Fürst Bismarck für die Zusage der Unterstützung seinen Dank ausspricht und erklärt, daß er an der nach dem Willen des Kaisers in Angriff genomme nen socialistischen Reform festhalten werde, so lange er im Amte bleibe. Ungarn. Die israelitische Landeskanzlei in Budapast hat einen Preis von 5000 Gulden ausgesetzt für die Auffindung der Esther Solymossy, des vermißten Tisza-Eezlarer Mädchens, und diese Summe dem Minister-Präsidenten v. Tisza übergeben, welcher folgende Verordnung erließ: „Damit die Wahrheit bezüglich der im April laufenden Jahres in Tiszla- Eszlar verschwundenen Esther Solymossy je eher an's Tageslicht komme, damit Diejenigen, die an dem eventuellen Verbrechen schuld sind, ihrer Schuld gemäß gestraft, die etwaig unschuldig Verdächtigen dagegen von dem Verdachte befreit werden, hat das Präsidium der israelitischen Landeskanzlei zur Be schleunigung der im Zuge befindlichen Untersuchung einen Preis von 5000 fl. ausgesetzt, welchen Der jenige erhalten soll, der entweder die Esther Soly- moffy lebend dem Gerichtshöfe in Nyregyhaza vor führe, oder ihre Leiche auffinde, oder dem Gerichts höfe auch nur solche Daten zur Verfügung stelle, welche die Auffindung des Mädchens respektive ihrer Leiche herbeiführen. Rußland. Die Kaiserin von Rußland ist am Dienstag früh 8 Uhr in Peterhof von einer Tochter glücklich