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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 80 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 273. Donnerstag, den 23. November 1882. *Waldenburg, 22. November 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing am 20. d. den Minister Bötticher, den Geheimen Baurath Adler, den Hof- bauralh Persius und den Baurath Wallol und nahm in deren Gegenwart die Pläne zu dem neuen Reichs- tagsgebäude in Augenschein. Der Kassel hat den österreichischen Kronprinzen Rudolf zur Theilnahme bei den Letzlinger Hofjagden eingeladen. Kronprinz Rudolf trifft am 30. d. in Berlin ein. Die „Norddeutsche" plaidirt warm für höhere Holzzölle. Der Wald nehme in Deutschland den vierten Theil der Bcdenfläche ein. Eine einträg liche Forstwirthschafl würde die Einkommensver- hällnisse der Staaten und Gemeinden bedeutend verbessern. Aus den Consulatsberichten aus Pest vom 8. November entnimmt der „Reichsanzeiger" auszugs weise folgende Mittheilung: „Von der diesjährigen Ernte Ungarns steht schon heule fest, daß sie an Menge wie Güte zu den besten des vergangenen Jahrzehnts zu rechnen ist, insbesondere sind Weizen und Roggen vorzüglich ausgefallen, ersterer ist roth und stahlig mit einem Gewichte von 83 pro Hektoliter, letzterer vollkörnig und wenig untermischt mit wilden Sämereien, Gerste und Hafer sind stellen weise verregnet und ersterer zwar sehr voll, doch in Farbe minder gelungen. Das ungarische statistische Bureau hat berechnet, daß Ungarn über 23 Millio nen Doppelcentner Getreide, und zwar zum größten Theil Weizen wird exporliren können, auch hat sich dieser Export thatsächlich schon recht günstig gestaltet. So wurden an Cerealien im vergangenen Juli 887,865 Doppelcentner im Werthe von 11,800,000 fl., im August 2,990,210 Doppelcentner im Werthe von 31,172,098 fl. ausgesührt; hiervon empfingen Oesterreich und das deutsche Reich als die stärksten Abnehmer im Juli ca. '/r Millionen Doppelcentner für ca. 6 Millionen Gulden. Da im Laufe des Herbstes der im vergangenen Sommer vom Aus lande für ungarisches Getreide gezahlte, überaus hohe Preis , merklich gesunken ist, so hall neuerdings der ungarische Producent mit seinen Vorräthen zu rück und dürfte sich der größte Theil der Ernte noch unverkauft vorsinden. Eine große Nolle spielt in diesem Herbst die Ausfuhr der Braugerste; da diese in Deutschland und Böhmen so gut wie ganz ver regnet ist, so sind davon bedeutende Mengen aus Ungarn bereits bezogen und werden noch ge sucht. Baiern zahlt für Gerste, die sich nur einiger maßen für Brauzwecke eignet, 8'/- bis 9 fl. und ist der Abzug so groß, daß ein Mangel an Waare bereits zu verspüren ist; auch die mit dem Ablauf des vorigen Monats beendete ungarische Maisernte dürfte recht gut ausgefallen sein, man schätzte das Erträgniß auf 25 bis 30 Millionen Doppelcentner, von denen etwa eine Million zum Export zur Ver fügung bleiben würde." Der Aufschwung von Handel und Industrie ist in Folge der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik ein sehr bedeutender. Er würde aber schon jetzt noch weit mehr an Umfang gewonnen haben, wenn nicht das Ausland kurz vor dem Inkrafttreten des neuen Zolltarifs seine Waaren in ungeheueren Massen nach Deutschland eingeführt und so noch auf längere Zeit nicht nur den Absatz der inländi schen Waaren vielfach beeinträchtigt, sondern auch die Preise erheblich gedrückt hätte. Es liegen schon von verschiedenen Seiten Meldungen vor, daß jene Masseneinfuhr in nicht langer Zeit consumirt sein wird und die deutschen Industrie-Erzeugnisse dann in ihre Rechte treten können. So berichtet u. A. die Handelskammer zu Mühlheim a. d. Ruhr, über die bezüglichen Verhältnisse ihres Gebietes, daß die vor Einführung des Zolltarifs stattgefundene Waffen einfuhr belgischen Glases noch immer ihren nach theiligen Einfluß übe, daß aber die aufgespeicherten ausländischen Waarenmengen demnächst absorbirt und das inländische Operationsgebiet dann ein wesentlich erweitertes sein werde. Auch von dem Zollanschtuß Hamburgs verspricht sich die genannte Handelskammer eine günstige Beeinflussung der Ver hältnisse und constatiri, daß Hamburger Exporthäuser, welche früher in verschiedenen Branchen nur aus ländische Fabrikate führten, bereits beginnen, sich auf die neuen Verhältnisse dadurch vorzubereiten, daß sie mit deutschen Werken Verbindungen anzu knüpfen suchen. Gegenüber den „Berliner politischen Nachrichten", welche behauptet hatten, daß innerhalb der conser- vativen Fraction Meinungsverschiedenheiten über die geplante Besteuerung des Vertriebes des Tabaks und geistiger Getränke ausgebrochen seien, sagt die „Kreuzzeitung": „Wir wissen das Bedürfniß jener Correspondenz, interessante Nachrich ten zu bringen, selbst wenn sie erfunden werden müßten, zu würdigen; das Organ möge sich dann aber in Ermangelung anderen Stoffes nicht die conservalive Fraction als Operationsbasts auswählen. Zur Sache bemerken wir nur, daß innerhalb der conservativen Fraction über die in Rede stehende Frage Erörterungen überhaupt noch nicht statlge- funden haben." Man schreibt der „Nordd. Allg. Ztg." von Kairo, 10. November: „Briefe vom 28. October von Jeddah berichten, daß die Cholera dort unter den Pilgernausgebrochen ist; die asiatische Cholera scheint es aber nicht zu sein, sondern nur eine Art Ruhr. Jedenfalls war nicht das geringste Zeichen einer Epidemie vor dem 22. October, als die Pilger den Berg Arafat, um dort zu opfern, bestiegen. Uebri- gens ist die Entstehung von Krankheiten nicht zu verwundern, wenn man die Unsauberkeit der Pilger kennt und weiß, wie sie alle Gesundheitsregeln außer Acht lassen. Ueberbleibsel der geschlachteten Thiere bleiben nach wie vor da liegen, wo sie geopfert wurden und Niemand denkt daran, solche einzugra ben. Das egyptische Gouvernement hat wieder die strengste Quarantaine angeordnet. Infolge dessen ist das Geschäft in Jeddah und Mekka schlecht. Die Pilger kaufen weder Waaren, noch Geschenke für ihre Freunde zu Hause, da sie nicht wissen, wann sie wegen der Quarantaine die Heimath erreichen mögen." England. Die Angelegenheit Most ist im britischen Unterhause nochmals mit Hilfe eines irischen Mit gliedes zur Sprache gekommen. Aus dem betreffen- den^Sitzungsberichte entnehmen wir: Das Humerule- Mitglied D. Biggar richtet an den Minister des Innern die Anfrage, was aus dem bei Gelegenheit der Verhaftung des Redacteurs der „Freiheit", Hrn. Most, am 30. März 1881 aus dessen Druckerei in Great Fitchfieldstreet weggenommenen Eigenthum geworden sei, und weshalb dasselbe noch von der Polizei in Verwahrsam gehalten werde, trotzdem Herr Most wiederholt förmlich dessen Auslieferung sowohl von dem Chef der Polizei in Scotland-Iard wie von dem Ministerium des Innern verlangt habe? Der Minister des Innern Sir. William Harcourt antwortet: Gewöhnlicher Gebrauch, wenn eine Person arretirt worden, um vor Gericht gestellt zu werden, sei, daß irgend welche Eigenthumssachen, welche sich in deren Besitz befinden und dem Ver- muthen nach zur Beweisführung bei der Gerichts- Verhandlung erforderlich sein möchten, von der Polizei in Beschlag genommen und von derselben in Verwahrsam gehalten werden. Werde einem Ge fangenen am Schluß des Gerichtsverfahrens oder nach Ablauf der Strafzeit die Freiheit wiederge geben, so würden die Eigenthumssachen in der Regel zurückgegeben, ausgenommen es lägen triftige und rechtliche Gründe vor, das nicht thun. In dem Falle des Herrn Most würde ein Theil der in Beschlag ge nommenen Exemplare der „Freiheit" nebst dem Satze und den Manuskripten zurückgegeben werden . . ." Zur Zeit sitzt Johann Most bekanntlich in England im Gefängniß und muß harte Zuchthausarbeit thun. Russland. Der Kaiser und die Kaiserin trafen in St. Petersburg zum Besuch ein. Das Kaiserpaar be gab sich im offenen Schlitten in das Anitschkow- palais und in die Michaelmanoge, wo eine Kirchen parade des Moskauer Garderegiments staltfand, und kehrte darauf nach Gatichina zurück. Auf dem Wege durch die Stadt wurden die Kaiserlichen Herr schaften überall enthusiastisch durch die Volksmenge begrüßt. Gegen den Kassirer des Moskauer Findelhauses, Melnitzky,wurdewegen Veruntreuung von307,000 Rubeln der Prozeß erhoben und er unter Aberken nung der Standesrechte zur Ansiedlung in Tomsk vsrurtheilt. Türkei. Der deutsche Botschafter in Konstantinopel, von Radowitz, empfing am 20. d. den Besuch sämmt- licher türkischen Minister und anderer hohen Würden träger. Egypten. Die in Alexandrien durch das Feuer zerstörten Gebäude des Departements der Staatsdomänen und die dazu gehörigen Grundstücke sollen demnächst öffent lich versteigert werden. Aus dem Muldenthale. *Waldenburg, 22. November. Im Herbste vorigen Jahres bot eine Firma in Rotterdam, Bernhard Wyprecht L Co., in vielen Blättern, auch im unsrigen, Kaffee, Thee, Chocolade und dergleichen Waaren zu billigen Preisen und in kleinen Quantitäten gegen Vorausbezahlung durch Postanweisung aus. Ein hiesiger Einwohner, und mit ihm viele Andere in Deutschland, ging auf diese Offerte ein und schickte 20 Mk. mittelst Postanweisung nach Rotterdam an die betr. Firma. Von den versprochenen Waaren war aber nichts zu sehen und auf die ergriffenen Reclamationen hin war blos zu erfahren, daß der Inhaber der Firma Wyprecht L Co. verduftet sei. Derselbe wurde später in dem in Baltimore ge borenen Socialist vr. Ganz, einem Juden, in Lon don aufgegriffen und auf Requisition des holländischen Gerichts gefangen und ausgeliefert. Vergangene Woche hat nun in Rotterdam der Prozeß gegen Ganz stattgefunden, in welchem auch der in Frage stehende hiesige Einwohner als Zeuge vorgeladen worden war. Reisekosten waren demselben theils seitens des Reichskanzleramts zugesandt, theils in Rotterdam auf Anweisung des dortigen Gerichts hin ausgezahlt worden. Or. Ganz wurde wegen seiner Schwindeleien zu 2 Jahren Einzelhaft verurtheilt, wogegen er jedoch Berufung eingelegt hat. Im vorigen Jahre war Ganz übrigens als Vertreter der im amerikanischen Socialisten zum Socialistencongreß Haag aufgetreten. — Zum Schwurgerichtspräsidenten für die im ersten Kalendervierteljahr 1883 beginnende Sitzungs periode ist bei dem königlichen Landgerichte zu