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durch neue Einwanderung hat sich die Zahl unserer mosaischen Mitbürger in den zwischen den beiden letzten Zählungen liegenden fünf Jahren von 5360 auf 6516 gehoben, das ist eine Vermehrung um mehr als 21 Procent, während die allgemeine Be völkerungszunahme in Sachsen nur 7,69 pCt. be trägt. Sie zeigt also ein recht gedeihliches Wachs- thum! Der Eifer, mit welchem sich die Judenschaft in Sachsen geltend zu machen sucht, hat mit ihrem Anwachsen nicht nur Schritt gehalten, sondern zeigt fast eine Steigerung nach geometrischer Progression. So darf man beispielshalber getrost behaupten, daß . gegenwärtig, was es an liberalen Blättern in Sachsen giebt, entweder geradezu jüdisches Geistesproduct ist oder doch mit der Judenschast engste Fühlung hat und unter jüdischem Einflüsse steht. — Erledigt: das Pfarramt zu Erlbach (Oelsnitz), Coll.: für dieses Mal das evang.-luther. Landes- consistorium; die Kirchschulstelle zu Langenbuch, Coll.: das königl. Ministerium des Cultus und öffentlichen - Unterrichts. Einkommen: 948 Mk. vom Schuldienste, incl. 72 Mk. für den Unterricht in der Fortbildungs schule und 36 Mk. für den Turnunterricht, sowie , 173 Mk. 53 Pf. vom Kirchendienste, wobei der § Lehrer vom Glöcknerdienst und vom Aufziehen der ! Thurmuhr befreit ist. Gesuche sind bis zum 16. September a. e. an den Königl. Bezirksschul-Jnspec- tor Seltmann in Plauen einzureichen. — Vor der Strafkammer III des Landgerichts zu Chemnitz stand am Montag der 33 Jahre alte, noch unbestrafte Bahnarbeiter Friedrich Wilhelm Ernst Kreßner aus Tauscha, wohnhaft in Penig. ' Derselbe verschuldete aus Nachlässigkeit am 1. Juli I 1882 auf dem Bahnhofe Penig, woselbst er Weichen stellerdienste zu verrichten hatte, durch falsche Weichen stellung den Zusammenstoß eines Personenzuges mit «wem Bauzuge und dadurch die Zertrümmerung Mehrerer Wagen. Der hierdurch für den Fiscus erwachsene Schaden bezifferte sich auf ca. 15,000 Mk. Kreßner wurde deshalb wegen fahrlässiger Gefähr dung eines Eisenbahntransportes — Verletzungen von Personen hatte der Unfall glücklicherweise nicht im Gefolge gehabt — unter Anklage gestellt und Mit einer Gefängnißstrafe in der Dauer von 3 Wochen belegt. — Ein bedauernswerther Fall ereignete sich am j 23. d. Nachmittag in Freiberg. Der auf dem Neubau an der Ecke der Waisenhaus- und Wall- straße mit beschäftigte, 14 Jahre alte Lehrling des Herrn Klempnermeister Witt suu., Ernst Gustav Miersch, stürzte aus vem 3. Stockwerke durch das i Treppenauge herab, schlug auf einen Stein auf j und war infolge der heftigen Gehirnerschütterung sofort todt. — Das 21/4 Jahr alte Kind des Schneiders Schwarz in Werdau stürzte kürzlich durch einen Unglücklichen Zwischenfall rücklings in ein mit heißem Wasser gefülltes Gefäß und verbrühte sich dermaßen, daß es bald darauf an seinen nicht unbedeutenden Verletzungen gestorben ist. — In den letzten Tagen feierte Stadtrath Fischer >0 Buchholz sein 40jähriges Jubiläum als Mitglied des Rathscollegiums daselbst. Dem 81 Jahre alten Jubilar, welcher langjähriger Vorsitzender des Bau- ausschuffes ist, überbrachten Bürgermeister Hünefeld und Stadtverordnelenvorsteher Freund die Wünsche der Stadtgemeinde und ein Glückwunschschreiben der Kreishauptmannschaft zu Zwickau. — Ein Bienenzüchter in Eckartsberg hatte kürzlich mehrere Bienenstöcke verkauft und einen Seiferts- dorfer Fuhrmann mit dem Transport der verschlos senen Bienenstöcke betraut. Der Verschluß mag aber ein sehr wenig fester gewesen sein, denn nach kurzer Zeit gelang es den Bienen, aus dem Stock zu entkommen. Sie fielen über Kutscher und Pferde her. Dem Ersteren gelang es, sich zu flüchten, während das Pferd, von dem Schmerz, den ihm die Bienenstiche verursachten, gepeinigt, wild dahin stürmte, so daß die Körbe völlige zerbarsten und der Schwarm der wüthenden Bienen sich nur noch vermehrte. Das Pferd wurde schließlich am Bahn tibergang an der Eckartsbergerstraße angehalten und von seinen Peinigern befreit, dürfte aber vorerst lange Zeit nicht mehr zu benutzen sein, da dasselbe völlig zerstochen war. > — Eine bei Bautzen verstorbene Gutsbesitzers- Wittwe hat 6000 Mark der „Gesellschaft studiren- der Wenden" in Bautzen vermacht, welche auch ^tzthin von dem bekannten Wendensührer Pastor Immisch in Göda Gaben im Betrage von über 250 Mark aus Australien erhalten hat. — Das Missions-Jubiläum der Brüdergemeinde vMrde in Herrnhut am 20. und 21. d. unter gro ber Theilnahme von Missionsfreunden aus dem geistlichen und dem Laienstande mit sichtbarem Segen gefeiert. Die auf dem Felde der Missionsarbeit erfahrensten und tüchtigsten ihrer Kräfte waren von er Gemeinde beauflag! worden, das Fest zu leiten - und demselben seinen geistigen Inhalt zu verleihen. So war denn dem Feste eine innere Einheit ver liehen, welcher sich die von auswärt» herbeigeeilten Vertreter anderer Missions- und Kirchgemeinschaften leicht beigesellen und einfügen konnten, ohne an ihrer Originalität zu verlieren oder die Eigenart des Festes zu beeinträchtigen. Aus allen Kundge bungen der Brüdergemeinde über ihre Missions- thätigkeit tönte vernehmlich die strengste Selbstkritik und dies gab den Vertretern anderer Missionen, die mit großer Bestimmtheit darauf hinwiesen, wie die Mission der Brüdergemeinde insofern einen provi- dentiellen, beinahe universellen Charakter trage, als sie eine Mutter des Missionssinnes geworden sei, deren Einfluß in fast allen unsern Missionsunter nehmungen nachweisbar sei, die Veranlassung, mit Zuversicht die Hoffnung auszusprechen, die Brüder mission werde, da sie so fest gewurzelt sei auf dem Grunde der Demuth, der ihr Keimfeld sei, auch in Zukunft fortschreiten zu immer neuen Erfolgen. — „Mensch, ärgere dich nicht!" dürfte wohl zur Zeit in Gotha Niemandem mehr mit Grund zuge rufen werden können, als einem dortigen Fleischer E., welcher unmittelbar vor Beginn der Ziehung der „Gothaer Geldlotterie" sein Loos Nr. 94,133 einem Oekonomen aus Weimar käuflich überlassen und die>en dadurch zum glücklichen Gewinner des Hauptgewinnes (50,000 Mk.) gemacht hat. — In Greiz wird demnächst der wegen Mordes seines Schwiegervaters vom Schwurgerichte zu Gera zum Tode verurtheilte Kober aus Lunzig hingerich- tet werden, da der Fürst von Reuß ä. L. von seinem landesherrlichen Begnadigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Prosaische Ehen. (Schluß.) Für einen energischen, lebenslustigen Mann ist nichts abschreckender als eine sentimentale, in ihren Idealen lebende Frau; er verlangt eine muntere, das Leben richtig erfassende Gefährtin, die nicht verhimmelt sein will, sondern in dem Bewußtsein glücklich ist, an ihm einen treuen Freund fürs Leben gefunden zu haben. Die Freundschaft, an der des Mannes Zug gar oft Genüge findet, ist aber ebenso oft die Klippe, an der des Weibes Glück scheitert. Ruhige Naturen begnügen sich damit, in dem Geliebten den Freund wieder zu finden, leidenschaft lichere verzehren sich in ungestilltem Sehnen — sie mögen keine prosaische Ehe und setzen ihre Lebens kraft daran, ihr Geschick zu ändern. Wer zählt die Thränen, die da im Geheimen ge weint werden, wer zählt die Seufzer, die sich da dem schier verzagenden Herzen entringen? Zumeist hat ein wirkliches Unglück allein die Kraft, derartig zur Sentimentalität geneigte Frauen zu heilen. Der Verlust eines Kindes, schlechte Geschäftslage, eine Krisis bringt sie zu dem Bewußtsein, daß es noch härtere Schicksalsschläge giebt als die, die sie seither als die härtesten ansahen. Der siebzehn oder achtzehnjährigen Frau ist es, als sei ihr zukünftiges Glück mit einem Schlage vernichtet, wenn sie hört, daß ihr Gatte eine andere Frau schön gefunden, zehn Jahre später alterirt diese Wahrnehmung sie vielleicht kaum, sie hat in diesen Jahren schon so Manches durchgemacht, daß die Poesie ihres Gefühllebens vor der Prosa der Alltagswelt er loschen ist. Viele, und man versichert sogar, kluge Frauen wollen behaupten, daß eine von beiden Seiten als prosaisch anerkannte Ehe, in der sich Keines Zwang aufzuerlegen hat, zu den ruhigsten und friedfertigsten gehört. Ist ein solches Zusammenleben aber noch dem Begriff der Ehe entsprechend? Ein gefühl- und ge dankenloses Nebcneinandergehen, wo jeder nur seinen Neigungen fröhnt, ist nun und nimmermehr eine Ehe. Wehe den armen Frauen, die sich jenen Egoisten zu eigen gegeben, die kein Verständniß für das seelische Glück haben, das die Frau in der Ehe zu suchen berechtigt ist. Sind sie klug genug (zumeist werden sie es erst, nachdem sie ihres Herzens Wünschen und Sehnen in einem Meer von Thränen begraben), eine prosaische Ehe einer unglücklichen oder wohl gar ge trennten Lorzuziehen, haben sie es endlich über sich gewonnen, in ruhiger Freundschaft nebeneinander zu leben, so ist ihnen selbst wohl genützt, der Gesammt- heit gber keineswegs. Je mehr derartige Ehen, in denen man meist kalt und friedlich, doch auch seelenlos nebeneinander her- g-eht, Umsichgreifen, um so empfindlicher wird das Familienleben geschädigt; wie Reif und Nachtfrost .legt er sich auf all die duftenden Blüthen, die einem geordneten Heimwesen zu entsprießen pflegen. Die einer solchen Ehe entstammenden Kinder werden nun und nimmermehr gemüthvolle, weiche, für die Menschheit hohe Aufgaben begeisterte Menschen werden. Zwar pflegt man zu behaupten, daß, wo die Frau sich vom Gatten nicht verstanden sieht, sie da« ganze Maß der ihr innewohnenden Idealität und Liebebedürftigkeit auf die Kinder üb.rträgt, doch, sind diese nicht in einer Atmosphäre groß geworden, die die Entwickelung seelischer Eigenschaften wenig begünstigte? — Während eines Sommeraufenthaltes hatte ich Gelegenheit, in einem kleinen Försterhäus chen ein Ehepaar zu beobachten. Der Förster wa mit seiner „Alten" 40 Jahre verheirathet; sie lebten trotzdem noch in den Flitter wochen; kam er abends todtmüde heim, nie setzte er sich nieder ohne seine „Alte" mit offenen Armen zu umfangen, ihr einen herzhaften, weitschallenden Kuß zu geben, wohl gar in der Stube mit ihr herumzu tanzen; dann brachte Mutter ihm den warmen Kaffee, die Hausschuhe, die Mütze, setzte sich dicht an seine Seile und Beide flüsterten wie ein Liebespärchen; die führten keine prosaische Ehe und ihre Kinder — ja wenn sie von ihren Kindern sprechen, da gehen Beiden die Augen über. Die Söhne hatten rühm liche, ehrenvolle Stellungen errungen. Und neben ihnen wohnt ein Ehepaar; auch sie haben drei Kinder; sie sind wohlhabender, haben Equipage, der Mann fährt alle Morgen zur Stadt, kommt abends heim; die Frau erwartet ihn an der Thür, er springt aus den Wagen, trägt eilig Acten und Bücher ins Zimmer, die dargebotene Hand seiner Frau scheint er selten zu sehen, einen Kuß ihr zu geben, dürfte ihm wohl in seinem Leben nicht mehr einfalleu. „Was Gutes zu essen?" fragt er sie. — „Du weißt ja", sagt die Frau schüchtern, „wir haben hier nur kaltes Nachtmahl." „Dazu wäre ich herausgekommen?" entgegnet der zärtliche Gemahl, und ohne des bittenden Blicks seiner Frau zu achten, besteigt er wieder den Wagen und fährt zur nahe gelegenen Restauration. Die Kinder sehen die Mutter verstört, sie sehen, wie der Vater unfreundlich zu ihr ist, auch sie respectiren sie nicht sonderlich, sie vermag in Folge dessen keinen erheblichen Einfluß auszuüben; es erfüllt sie mit tiefer Bekümmerniß, wenn sie steht, wie das Völk chen da unter ihren Augen aufwächst, ohne Pietät, ohne sittlichen Fonds, ohne ernsteres Streben. Mit unangenehmen Berichten darf sie dem Gatten nicht kommen, er will ja in der Zeit, wo er frei von Geschäften ist, nicht behelligt sein, ja er würde wohl zumeist das Haus meiden, wenn sie ihm all das klagen wollte, was ihr hinsichtlich der Erziehung der Kinder als gefehlt erscheint. Ihre Ehe ist eben eine prosaische, doch da sie eingesehen, daß, wie ihr einst ein alter Mann gesagt, aus einem Apfel kein Pfirsich zu machen sei, trägt sie geduldig ihr Geschick. Und doch, glaube ich, wäre manchmal Vieles gut zu machen, wenn man es wie ein guter Gärtner verstände, zu rechter Zeit die rechte Art des umge staltenden Einflusses eintreten zu lassen. Die meisten Frauen verfehlen es dadurch, daß sie, wenn sie sich in ihren Idealen getäuscht sehen, einsilbig, mürrisch, unfreundlich werden, die Unglückliche, Ver kannte spielen und den Mann, anstatt ihn zu fesseln, von sich fern halten. Ein wenig mehr Objeclivi- tät wäre den meisten zu wünschen. Je ruhiger man eine Störung oder Enttäuschung ansieht, desto eher findet man die Mittel und auch die Kraft, ihr entgegenzuarbeiten. Gar manche Frau, die in den ersten Jahren schier daran verzweifelte, ihren Gatten ihren Lebensansichten zugänglich zu machen, hat es durch ruhiges, objectires und consequentes Handeln dahingebracht, eine vollständige Harmonie zu erzielen, ihrer Ehe denjenigen poetischen Duft zu erhallen, der ihr eigen bleiben muß, soll sie eine wahrhaft glückliche sein. Die prosaische Ehe steht durchaus nicht im Einklang mit dem Begriffe, den wir vom Familien glück zu haben pflegen — sie ist der Tod jeder höheren weihevollen Stimmung. — Wie es denn nun kommt, daß so unzählig viele Menschen, theils unüberlegt, theils im Kampfe erlahmend, leichtsinnig ihre innere Lebensfreude opfern? Zur Zeit, als der Großvater die Großmutter nahm, war es anders; sie zankten sich einmal herz haft, wenn es nicht stimmen wollte, waren sich aber dann wieder herzhaft gut, wenn das Ungewitter vorbei war. (W. Frdbl.) Vermischtes. Ein Aufsehen erregender Fall von Scheintod ereignete sich in diesen Tagen auf dem etwa eine Meile von Bartenstein i. Ostpr. entfernten Gute Paffarienhof. Ein bei den Erntearbeiten daselbst beschäftigtes Mädchen fiel plötzlich unter einigen konvulsivischen Zuckungen zur Erde unü blieb dann regungslos liegen. Der Gutsherr ließ dasselbe schleu nigst nach Hause fahren und Wiederbelebungsver suche anstellen, die sich jedoch als vollständig nutzlos er-