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den und fügt dann hinzu: „Die europäischen Nationen werden nicht zögern, das Beispiel Frankreichs nach zuahmen; denn die Unauflöslichkeit der ehelichen Bande hat für die ganze Christenheit von jeher bedeutende Nachtheile gehabt. Wann werden denn endlich zur Ermächtigung der Vielweiberei Vor schläge gemacht werden? Denn, da die Verpflichtung, mit einer einzigen Frau zu leben, der Natur zuwider ist, ist sie eine der hauptsächlichsten Ursachen der Verdorbenheit der Sitten." (Türkische Ansicht.) Egypten. Die egygtische Krisis veranlaßt zu einem Rück blick. Schon seit längerer Zeit ist Egypten das Schmerzenskind der europäischen Diplomatie. Der frühere Khedive Ismail Pascha wollte das Pha- raonenland zu einem großartigen Industrie-Etablisse ment machen, er war so ziemlich unumschränkter Herrscher über das Land und konnte die armen Fellahs (Bauern) bis aufs Blut aussaugen. Er ver stand es, den europäischen Kapitalisten Wunder dinge vorzumalsn, und darauf hin wurden ihm nach und nach 2 Milliarden Mark geliehen, die er zum größten Theil in Saus und Braus verpraßte und nur ein geringer Theil wurde davon zu allerhand Anlagen und Experimenten benutzt. Ader zu eigent lichen, Frucht tragenden Unternehmungen kam es nicht. Fabriken wurden gebaut, aber größtentheils niemals in Betrieb gesetzt. So sah es denn mit der Zinsenzahlung sehr windig aus und dies war der Grund, warum Ismael Pascha eines guten Tages beseitigt und sein Sohn Tewfik Pascha an seine Stells gesetzt wurde. Diese Aenderung brachte jedoch keine Besserung. Die natürlichen Reichthümsr des Landes und seine Production sind nicht gehoben worden; im Gegentheil ist immer noch dieselbe Un ordnung. Unter solchen Umständen kann man sich nicht wundern, daß die europäischen Gläubiger sehr besorgt um ihr Kapital sind und fortwährend Sicher stellung desselben verlangen. Bisher haben sich die Mächte aber nicht entschließen können, Egypten in eigene Verwaltung zu übernehmen, zumal da es doch auch einen Bestandtheil der Türkei bildet. Nun kommt aber noch hinzu, daß gerade jene Länder, in welchen das Gros der egyptischen Gläubiger sich befindet, England und Frankreich, gegenseitig eifer süchtig auf den Besitz des Pharaonenlandes sind. Keiner gönnt es dem Andern; England aber sieht noch mit besonderer Bejorgniß den Zuständen in Egypten zu, weil es den Suez-Kanal, den Weg nach Indien, als den Schlüssel zu seiner wichtigsten Kolonie nicht in der Hand eines Andern sehen möchte. Amerika. Die Bestechung von Deputirten in den Ver einigten Staaten soll, wie aus New-Jork gemeldet wird, eine Ausbildung erlangt haben, die an System- mäßigkeit nichts zu wünschen übrig läßt. So war kürzlich in der Staats-Legislatur von New-Jersey eine gewisse Eisenbahnbill nahe daran, verworfen zu werden und es wurde deshalb von einer Partei der Versuch gemacht, den Gegenstand zu vertagen, um ihn vielleicht später doch durchzubringen. Da erhob sich ein Mitglied, Namens Shinn, und erklärte, er müsse sich gegen die Vertagung aus folgenden Gründen aussprechen: Es habe ihn ein Agent der Bahn, welche die Bill betraf, besucht und ihm sür ein günstiges Votum 500 Dollars angetragen. Mr. Shinn habe das Doppelte der Summe ver langt und darauf die Antwort erhalten, die anderen Mitglieder der Legislatur, welche für die Bill voti- ren würden, hätten sich Jeder mit 500 Dollars zufriedengestellt. Der Agent wollte indeß dazu sehen, daß Mr. Shinn das Doppelte erhalte. Letzterer habe geantwortet: riM, wenn das Geld zur Zeit des Dinners in meinem Hause ist." Und das Geldpacket habe sich bald darauf eingefunden. Es gab große Sensation im Hause bei dieser Enthüllung und die Bill wurde verworfen. Aus dem Muldenthale. *Waldenburg, 22. Mai. Auf einer Vergnü gungsfahrt von Ernstthal nach Waldenburg gestern Nachmittag wurde ein Herr aus erstgenanntem Orte plötzlich von einem Schlaganfalle betroffen. Hier angelangt, wurde sofort ärztliche Hilfe herbei geholt, woraus sich der längere Zeit in bewußtlosem Zustande gelegene Erkrankte wieder soweit erholte, daß mit ihm die Rückfahrt angetreten werden konnte. — Se. Erlaucht Graf Clemens von Schönburg- Hinterglauchau hat dem Kirchenbaufond zu Meerane 500 Mk. beigesteuert. *— In Ansehung der bevorstehenden Pfingstfeier tage wollen wir nicht unterlassen, darauf aufmerk sam zu machen, daß auf den sächsischen Staats eisenbahnen die zu diesem Feste gelösten Tages billets eine verlängerte Giltigkeit haben, und zwar gelten die am Sonnabend vor Pfingsten, sowie bis mit beiden Pfingstfeiertagen gelösten Billets bis zum Freitag, den 2. Juni. Es ist dies für die am Sonnabend gelösten Billets eine Giltig keitsdauer von 7 Tagen, für die am Sonn tag und Montag gelösten eine Giltigkeitsdauer von 6 bez. 5 Tagen, während zu anderen Zeiten die Tagesbillets nur eine Giltigkeitsdauer von drei Tagen haben. Eine gleiche Vergünstigung tritt auf der Weimar-Geraer Bahn und auf der Thüringischen Bahn, sowie in dem gegenseitigen Verkehre der sächsischen Staatsbahnen mit den ebengenannten Bahnen ein. — In dem auf vorigen Donnerstag im Ver handlungssaale der kgl. Amtshauptmannschaft zu Glauchau anberaumten 10. öffentlichen Bezirkstage referirte u. a. auch der Herr Geh. Regierungsrath Amtshauptmann Freiherr v. Hausen über den An trag auf Errichtung einer Bezirks-Arbeitsanstalt in eingehender Weise, empfahl aber nach Beendigung seines längeren Vortrags das Votum des Bezirks ausschusses: „die Errichtung einer Bezirks-Arbeitsan stalt für arbeitsscheue, aber arbeitsfähige Personen im Principe für nöthig zu erklären, den jetzigen Zeitpunkt aber zur Ausführung des Projectes bei der Ungewißheit einer künftigen Reform des Land armenwesens, bei dem Schwanken, welches sich auf dem ganzen Gebiete der Heimaths-, beziehentlich Unlerstützungswohnsitzverhältnisse in den verschiedenen Bestrebungen zeigt, bei dem dermaligen Mangel an Mitteln, endlich bei dem augenblicklichen geringen Rückgang der Vagabondage nicht für geeignet anzu sehen und daher hiermit noch bis zur Klärung dieser Vorfragen zuzuwartsn" zur Annahme. Das Votum des Bezirksausschusses wurde denn auch mit allen gegen 4 Stimmen zum Beschluß erhoben. Aus dem Sachsenlunde. — Seitens der obersten Kirchenbehörde ist jetzt Anordnung dahin getroffen worden, daß Bauverträge über Erneuerungen von gottesdienstlichen Gebäuden rechtzeitig demselben zur Prüfung vorgelegt und nicht ohne Vorbehalt der noch einzuholenden kirchen behördlichen Genehmigung abgeschlossen werden. Ganz besonders gilt dies aber von solchen Kirchen, über welche dem Landesconsistorium in Ausübung des landesherrlichen Patronats die Verwaltung des Kirchenvermögens zusteht. — Aus dem 7. Reichstagswahlkreise wird dem „Sächs. Volksfr." mitgetheiit, daß Herr Eugen Rich ter aus Berlin einem seiner Parteigenossen im Wahlkreis einen vier Seiten langen Brief geschrieben hat, in welchem zur kräftigsten Agitation auffordert und zugleich bemerkt, daß die Wahlunkosten einfach auf ihn trassirt werden sollen, Dresdner Bankiers würden diese Tratte sehr gern discontiren. Ob das wohl christliche Bankiers thun werden? Ein deut liches Zeichnen, woher bei der Fortschrittspartei die Mittel fließen. — In Leipzig sind in den letzten Tagen vier Socialisten verhaftet worden, weil sie Geld zu Zwecken gesammelt hatten, die das Socialistengesetz als strafbar bezeichnet. Die Nachricht der Franks. Ztg., daß der nationalliberale Herr Sparig aus Reudnitz ein Verzsichniß von 300 der Ausweisung würdigen Socialisten beim Kgl. Ministerium einge reicht habe, ist hoffentlich nur ein schlechter, wie auch recht übel angebrachter Spaß jenes Blattes. — Ein widerlicher Streit war unlängst zu Frei berg ausgebrochen. Mutter und Tochter zankten sich in einem Hause der dortigen Annabergerstraße und das Finale war sodann, daß über dem Haupte der Tochter ein Topf mit heißem Wasser entleert wurde, wodurch die Betreffende schwere Brandwun den davontrug. — Heute Montag beginnt in Meerane der Ab bruch des Kirchengebäudes behufs Umbaues. Die kirchlichen Handlungen finden während der Zeit des Baues in der Aula der Schule an der Georgen straße daselbst statt. — Die auf den 21. d. Nachmittag 3 Uhr in Meißen vom liberalen Wahlverein einberufene Ver sammlung, in welcher Reichstagsabgeordneter Munkel sprechen sollte, wurde, da der Einberufer nicht er schienen, polizeilich aufgehoben. Schuldirector Schmidt, welcher gegen die Aufhebung protestiren wollte, wurde durch die Polizei am Weitersprechen ver hindert. — Die am Himmelfahrtstage zu Riesa veran staltete Wahlversammlung, für welche Herr Eugen Richter aus Berlin als Redner erschienen war, mußte infolge des Tumultirens der anwesenden Socialde mokraten aufgelöst werden. — In Zethau bei Freiberg hat kürzlich der Klempner und Schulcassirer Franz Fleischer unter Zurücklassung eines Cassenmancos von über 500 Mark das Weite gesucht. — In Pieschen ist am Himmelsahrtstag der Tage arbeiter Barth in der dortigen Geiler'schen Restau ration, nachdem er bereits tüchtig bezecht dort ange kommen, tödtlich vom Schlage getroffen worden. — Ein peinlicher Anblick bot sich am Sonntag Nachmittag den Passagieren, die im Wartezimmer des Bahnhofs Oberlichtenau auf den Zug warteten. Es war eine anständig gekleidete junge Frauens person vermuthlich aus Chemnitz, die kurz zuvor versucht hatte, ihrem Leben durch Erhängen ein Ende zu machen. Ein Herr aus Mittweida hatte die Unglückliche in der Nähe des Oberlichtenauer Gast hofes von der tödtlichen Schlinge befreit und, da sie ihre Verzweiflungsthat eb.n erst begonnen haben mochte, zum alsbaldigen Mitgehen veranlassen können. Nachdem sie eine Zeitlang schweigsam und verstörten Angesichts im Wartezimmer gesessen, bestieg sie den ankommenden Zug und fuhr mit nach Chemnitz. Von ihren Personalien hat sie ebensowenig Mit- theilung gemacht, wie von den Beweggründen zu diesem Selbstmordversuche. — Auf dem Raume in Adorf, auf welchem am 4. Februar d. I. 21 Häuser und 23 Scheunen niederbrannten, sollen nach dem nunmehr fertig ge stellten Bebauungsplans 20 neue Häuser zu stehen kommen. Alle einschlagenden Fragen sind geordnet bis auf die Einleitung einiger Expropriationsver fahren, die aber den Beginn der Bauthätigkeit nicht aufhalten werden. Hoffentlich ersteht in wenigen Monaten an der Stelle, wo jetzt noch die Spuren des Brandes lagern, ein schöner Stadttheil. — In voriger Woche wurde in Crostwitz bei Bautzen eine große wendische sogenannte Bauern hochzeit abgehalten, welche mit dem Polterabende 4 Tage dauerte. Der Trauungs- oder Haupttag war Dienstag und waren an diesem Tage circa 400 Gäste beisammen, die in allen Räumen sogar auf Scheunentennen des Gutsgehöftes, wo die Hochzeit gehalten wurde, untergebracht waren. — In Kirchberg entstand am Mittwoch Abend in einem Wohngebäude des feuergefährlichsten Häuser- complexes ein Brand, der zum Glück auf seinen Herd beschränkt werden konnte. Als Brandstifterin hat man ein 12jähriges Schulmädchen entdeckt. Dasselbe hat bereits eingestanden, das Feuer aus Furcht vor Strafe angelegt zu Haven. — Der200,000-Mark-Treffer dersächsischenLandes- lotterie ist in die Collecte eines Bautzener Bürgers, des Herrn Goldarbeiter Boßtius, gefallen. Zwei Zehntel des Glückslooses spielte ein Kaufmann in Frankfurt a. O-, der die Loose durch einen in Bautzen wohnhaften Geschäftsfreund bezogen. Weiter hat Fortuna davon einer armen Wittwe in einem Nachbardorfe von Bautzen ein Zehntel mit circa 17,000 Mark bescheert, welche Summe die Frau mit 6 Kindern ebenfalls recht gut brauchen kann. — Die Zittauer Fleischerinnung, welche bereits seit einer längeren Reihe von Jahren besteht und durch ihre Mitgliedschaft beim deutschen Fleischer- verbande, durch Einrichtung von Spezialkassen für Trichinenversicherung u. s. w., durch selbstständige Regelung des Lehrlings- und Gesellenwesens ihren Mitgliedern mannichfache Vortheile verschafft hat, be absichtigt jetzt nach den neuesten gesetzlichen Bestim mungen ihre Jnnungsstatulen umzumodel». Die Innung macht darauf aufmerksam, daß nicht nur in Zittau, sondern auch sämmtlichen im amtshaupt mannschaftliche Bezirke ihr Gewerbe selbstständig be treibenden Fleischern der Zutritt zur Innung ver- stattet ist. Vermischtes. Eine Samariterschule hat der berühmte Chirurg, Geheimrath Or. Esmarch in Kiel gegründet, d. h. Vorlesungen gehalten, welche eine Anleitung zur ersten Hilfe bei Unglücksfällen geben sollen. In diesen Vorträgen hat derselbe u. A. empfohlen, zum Auswaschen der Wunden abgekochtes Wasser zu be nutzen, das am Besten mit einem der säulniß- widrigen (antiseptischen) Mittel zu versetzen sei, (ein solches Mittel, Carbolsäure, Salicylsäure u. s. w. sollte in jeder Haushaltung vorräthig sein), vorsichtig mit Brenn- und Zündstoffen umzugehen, besonders das Anlegen des Feuers mit Petroleum zu ver meiden, nicht abends bei Licht noch mit Benzin die Flecken aus den Kleidern zu entfernen, Zündhölzer wie Gefäße mit heißem Wasser Kindern nicht zu gänglich zu machen, leichte Stoffe zu Ballkleidern, Vorhängen v. s. w. zu imprägniren, nicht falls eine Person zu verbrennen in Gefahr ist, fort und nach Wasser zu laufen, sondern die erste beste Decke oder den Rock zu benutzen, die betreffende Person damit zu umwickeln, sie niederzuwerfen und so lange auf dem Boden zu rollen, bis die Flammen erstickt sind, bei Erstickungsgefahr durch verschluckte Bissen den Bissen im Munde zu erfassen, aber den Erstickenden mit Brust und Bauch gegen einen festen Gegenstand zu stellen und zu versuchen, ob die durch kräftige