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von langer Hand her ihre europäischen Combinationen auch auf diese Eventualität hin getroffen hat." Als man am Dienstag im preußischen Abgeord netenbause über das Kapitel „Universitäten" ver handelte, ging Abg. Reichensperger (Köln) des Näheren auf das Universilätswesen ein und be klagte sich darüber, daß auf den Universitäten zu wenig gelernt werde. Die Ferien, die eigentlich nur 3'/- Monat dauern sollen, betragen effectiv 5 Monate. Eine Beschränkung der An- und Abmeldezeit müßte herbeigeführt werden. Wenn die jungen Leute 4—6 Wochen beim Anfang des Semesters nicht die Vorlesungen zu besuchen brauchen, so gewinnt es fast den Anschein, als wenn es nur auf das An melden, das Bezahlen der Gelder ankomme, nicht auf das Studium. Nicht selten komme es vor, daß die Professoren sagen: wir können nicht anfangen, denn es sind keine Studenten da. Wird da nicht das so hoch gehaltene Pnncip der Lernfreiheit etwas zu weil getrieben? Oder wäre es da nicht besser, wenn die jungen Leute ihre Studien machten, wo sie wollen, gae keine Universitäten besuchen und wie in Belgien nur ein strenges Examen durchmachen müßten. Thatsächlich beschränken sich dis meisten Studenten, namentlich die Juristen darauf, die Collegen zu belegen. Die Berliner Juristenfacultät hat dies in einer Petition sehr angesehener Profes soren, welche eine Ausdehnung der juristischen Stu dienzeit forderten, bestätigt. Auch Prof. v. Schulte beklagte sich in einer Rede darüber, daß die Mehr zahl der Studenten nur die Prüfung als den eigent lichen Zweck des Studiums ausehe und den größten Theil des Universitätslebens durch Vergnügungen und Duelle ausfüllen. Ferner wird viel zu wenig auf die Lehrgabe der Professoren Rücksicht genom men. Wenn diese ihre Studenten zu kleinen Cyklen vereinigen, ihnen bestimmte Discussionsthemata stellend, mit ihnen debattiren, würde mehr erreicht werden, als durch bloße Vorlesungen. Auch der Abg. Windthorst meinte: „Wir haben wohl alle das Gefühl, daß es mit den Universitäten, wie es ist, nicht weiter gehen kann. Namentlich mit der juri stischen Fakultät sei es auf das traurigste bestellt. Es fehle an Professoren, welche anreizend wirken und mit den Studenten in dauerndem Verkehr stehen. Außerdem müßte in den Collegien nicht blos gelesen und geschrieben, sonder auch discutirt werden. Das Schreiben Hilst gar nichts, man könnte ebenso gut nach gedruckten Büchern studiren. Ferner müßten die Privatdozenten in eine etwas ein träglichere Stellung befördert werden. Wir sehen auf allen Universitäten eine Menge tüchtiger Privat- dozenten, welche mehr Zuhörer haben als die eigent lichen Professoren und nur deshalb nicht befördert werden, weil sie nicht zu dem Professoienring ge hören. Der Senat, welcher die Beförderung vor schlägt, sieht in den Bewerbern die geborenen Rivalen. Wer es nicht versteht, das Wohlwollen der Professoren oder der Frau Professorinnen (Heiter keil) zu erringen, wird nicht angestellt. Der Minister müßte sich persönlich von diesen Zuständen an den Universitäten überzeugen. Zum Rektor der Universität Greifswald ist ein Jude (Prof. Ov. Behrend, Lehrer des deutschen Rechts!) erwählt gegenüber den Professor der ev. Theologie Or. Cremer. Greifswald ist stiftungsge mäß eine evangelische Universität, und der Rektor hat einen christlichen Eid zu schwören, deshalb hält man es für selbstverständlich, daß dieser Wahl die Bestätigung versagt werden wird. Die „Nordd. Allg. Ztg." sagt über die dem Papst zugeschriebene Aeußerung beim Empfang Schlözers: Der Papst hat sicherlich nicht sagen wollen, daß er unter den eigenen Untergebenen und den Würdenträgern der Kirche auf Hindernisse stoße, ebensowenig, daß die Herstellung des Friedens blos von der preußischen Regierung abhänge, vielmehr liegt es nahe, daß der Papst auf die von Bismarck öfters betonte, auch in dem bekannten Schreiben an den Kronprinzen am 10. Juni 1878 hervorgehobene Schwierigkeit oder nahezu Unmöglichkeit der prin zipiellen Lösung Hinweisen wollte. Der landwirthschafiliche Bezirksverein in Unter elsaß nahm den vom Ministerium zur Begutach tung vorgelegten Tabaksmonopolentwurf mit allen gegen zwei Stimmen an. Gegenüber den Be hauptungen norddeutscher Blätter, selbst unter den Monopolfreuuden habe die Andeutung des Direktors der Straßburger Manufaktur im Volkswirthschafts- rathe, daß der Durchschnittslohn für den Tabaksarbeiter von 528 Mk. jährlich völlig hinreichend sei, wenn mau weibliche Arbeiter heranziehe, Sensation gemacht, coustatirt die „Elsaß-Lothring'sche Zeitung", die Er klärung habe gelautet: Ter Durchschnutslohn von 577 Mk. jährlich sei völlig hinreichend, wenn man weibliche jugendliche Arbeiter mit beschäftige, wie dies bei der Durchschnittsberechnung der Löhne in Aussicht genommen sei, und wenn man ferner be rücksichtigt, daß es sich bei der Durchschnittsberech nung nicht blos um Löhne in größeren Städten, sondern auch an kleineren Orten handle. Oesterreich. Der Kaiserin von Oesterreich ist wieder in Wien eingetroffen und vom Kaiser und dem kron- prinzlichen Paare am Bahnhofe empfangen worden. Im Slrafgesetzausschuffe des österreichischen Reichs- rathes wurde kürzlich der Antrag auf Entschädi gung an unschuldig Verurtheilte eingebracht. Sämmtliche Mitglieder erklärten sich prinzipiell da für. Der Ausschuß wählte ein Subcomitee, welches die Anträge formuliren soll hinsichtlich der Höhe der Entschädigung und aus welchen Mitteln dieselbe zu leisten sei. Frankreich. Der Pariser Octroi hat im Jahre 1881 die ungeheure Summe von 148,012,176 Fres., d. h. mehr als drei Fünftel aller ordentlichen Einnahmen, der Stadt eiugebracht. Gegen das Jahr 1880 ist dies eine Steigerung von 5,623,863 Fres., oder richtiger von 11,767,863 Frcs., da die Herabsetzung der Getränkesteuer einen Ausfall von 6,144,000 Frcs. verursacht hat. An Getränkesteuer haben die Octroibeamten 72,264,166 Frcs. erhoben, oder 6,994,278 Frcs. weniger als im Jahre 1880. Die große Steigerung der städtischen Octroieinnahme ist hauptsächlich der auf Nutzholz, Bau-, Brenn- und Nährstoffen, Viehfutter, Fett und Oel u. s. w. lastenden Eingangssteuer zu verdanken. Die Ver mehrung der Bevölkerung, die durch den starken Fremdenverkehr immer neu ermunterte Bauthätig- keit, die Vermehrung der Droschken und der an deren Fuhrwerke haben sofort ihre Wirkung auf die städtischen Einnahmen ausgeübt. In den letzten 5 Jahren ist die Bevölkerung von Paris von 1,988,806 auf 2,225,910 Köpfe oder um 237,104 Seelen gestiegen. Rußland. In Odessa Hal sich unter dem Namen „Neu- Israel" eine hebräische Secte gebildet, die nament lich in den gebildeten jüdischen Kreisen Anhänger zählt. Dieselbe verwirft die Auslegung des Alten Testaments durch die Rabbiner Talmudisten, sagt sich mithin von dem Talmud selbst los. Das Glaubens- bekenntniß der Secte besteht hauptsächlich aus fol genden Punkten: 1) sie halten den Glauben an die fünf Bücher Mosis im buchstäblichen Sinne fest; 2) Montag wird als erster Tag in der Woche an genommen, indem sie aus diese Art Sonnabend auf Sonntag verlegen; 3) sie verwerfen die Beschnei dung; 4) alle Gebete im Geiste des Talmud werden durch andere im Geiste der Secte ersetzt; 5) die Synagogen sollen „Kirchen Neu-Israels" genannt werden; 6) alles Fleisch, welches von Christen ge nossen wird, ist koscher; 7) die russische Sprache wird im öffentlichen wie auch im Privatleben als die vaterländische erkannt; 8) Slaatspflichten, und namentlich die Militärpflicht, werden unbedingt er füllt; 9) die Mitglieder dürfen weder Wucher treiben noch Freudenhäuser unterhalten; 10) die Secte „Neu-Israel" organisirt sich nach Bestätigung ihrer Statuten durch die Regierung; 11) die Secte fordert volle bürgerliche Rechte und vor allem die Zulas sung der gemischten Ehen; 12) zur Unterscheidung von den Talmudisten wird die Secte „Neu-Israel" ein Abzeichen an der Kleidung tragen. Der 13. März, der große Gedenktag Ruß lands, ist vorübergegangen ohne das er auch nur dis geringste Reformmaßregel gebracht hätte. Das bald nach der Ermordung Alexanders II. ange stimmte, populär gewordene Reformlied ist wieder verklungen, die Verheißungen sind unerfüllt geblie ben und Jgnatieff denkt nur daran, dem Czar die Nihilisten vom Leibe zu hallen. Das ist allerdings schon viel aber — bei Weitem nicht Alles. Rumänien. Sicherem Vernehmen nach geht die Frage der an Rumänien von Seite Rußlands zu zah lenden Entschädigungssumme für die dem Lande durch den Durchmarsch und Aufenthalt der russischen Heere erwachsenen Nachtheile ihrer voll ständigen Lösung entgegen. Nach längerer Weige rung war man eben in St. Petersburg doch zur Erkenntniß gekommen, daß eine Nichtbeachtung der rumänischen Entschädigungs-Ansprüche das schon durch die erzwungene Avtretung Bassarabiens und die Arab-Tabia-Frage erweckte Mißtrauen gegen die Uneigennützigkeit der russischen Politik nur noch mehr steigern würde. Da aber Rumänien ein Factor ist, mit welchem Rußland unter allen Um ständen rechnen muß, so wurde Fürst Obolensky schon vor Fahresfrist in außerordentlicher Mission nach Bukarest gesendet, um die Entschädigungs angelegenheit in einer den Rechtsansprüchen Rumä niens genügenden Weise zu ordnen. Jetzt ist man mit den nothwendigen Vorerhebungen zu Ende ge kommen und dürfte demnach auch die Ausbezahlung der zu leistenden Entschädigungen an die Bevölke rung Rumäniens nicht mehr lange auf sich warten lassen. Amerika. Die Repräsentantenkammer hat die Bill, betreffend die Unterdrückung der Polygamie, genehmigt. Daß Präsident Arthur das Gesetz, das aus der Initiative der republikanischen Partei heroorgegangen ist, sanctioniren werde, daran darf man kaum zwei feln. Das Gesetz belegt diejenigen, welche die vor Erlaß desselben eingegangene Doppelehe fortsetzen, freilich nur mit einer Geldstrafe von 300 Dollars oder sechs Monaten Gefängniß, entzieht ihnen aber das Wahlrecht und erklärt sie für unfähig zur Be kleidung eines Amtes. Wer nach der Publication des Gesetzes der Polygamie schuldig befunden wird, der soll mit Gefängniß bis zu 5 Jahren und außer dem mit einer Geldbuße von 500 Dollars bestraft werden. Ans dem MttldenLhale. "Waldenburg, 17. März. Leider ist über zu Tage getretene Untugenden von Jung-Deutschland schon oft Klage geführt worden. Neuerdings ist abermals von einer in dieses Gebiet gehörenden traurigen That zu berichten. Im Neubau des geistlichen Amtsgebäudes hierselbst sind kaum die Fenster eingefügt worden, so ist auch schon eine von den Scheiben heute Morgen zertrümmert vor gesunden worden. Wahrscheinlich ist dieselbe gestern Abend eingeworfen worden. Der Uebelthäter ist noch nicht entdeckt. *— Falls sich die alle Landwirthsregel bewahr heitet, daß der ganze Sommer dem Märzenwetter gleiche, so dürfen wir gar prächtige Monate erwar- ! ten, da seit einigen Tagen der Frühling mit Macht ! in's Land gezogen ist und die Vegetation allerorten sehr rasche Fortschritte gemacht hat. Der Trieb der Obstbäume ist gleichfalls bedeutend vorgeschritten, Kirschen- und Birnbäume insbesondere haben schon stark entwickelte Blüthenknospen und können, wenn nicht ein Umschlag der Witterung eintrilt, noch vor Ende März in voller Blüthe stehen, in welchem Falle freilich die Gefahr der Vernichtung der reich lich angesetzten Blüthe durch plötzlich eintretende Fröste mehr als je vorhanden wäre. Auch noch in anderer Beziehung droht die frühzeitige waim-trockene W tterung einen argen Uebelstand hervorzubringen, nämlich die außergewöhnliche Vermehrung des be sonders für die Obstcultur schädlichen Ungeziefers; in den Gemüsegärten macht sich schon jetzt die Erd schnecke und der Regenwurm sehr unangenehm be- ! merkbar. Auf den Fluren bedroht den Landwirlh ! die Mäuseplage, da in Folge des heurigen, außer ordentlich milden und trockenen Winters diese schäd lichen Thiere überaus stark zugenommen haben. — Die Königl. Prüfungs-Commission für Ein jährig-Freiwillige in Zwickau wird mit oen bei ihr behufs Erlangung der Berechtigung zum einjährigen Dienst angemeldeien Aspiranten das durch die Er satz-Ordnung vorgeschriebene Examen am 20., 21., 22. und 23. dieses Monats im Hotel zum deutschen Kaiser daselbst abhalten. Atts dem sachsettlattde. — Im Hinblick auf die bevorstehende Musterung und mit Rücksicht auf die nicht unbedeutende Zahl der im Auslands sich aufhaltenden Militärpflichtigen machen wir darauf aufmerksam, daß über Militär pflichtige, welche ihren dauernden Aufenthalt im Auslands haben, durch die 2)berersatzcommissionen endgiltig entschieden werden darf, ohne daß ein persönliches Erscheinen vor den Ersatzbehörden er forderlich ist, wenn sie durch glaubhafte ärztliche Zeugnisse nachweisen, daß sie a, dauernd untauglich, oder b nur bedingt (also nur für Ersatzreserve 1. oder 2. Classe) tauglich sind, oder e durch glaub hafte obrigkeitliche Zeugnisse den Nachweis erbringen, daß ihnen einer der in § 30, 2a. bis 6 der Ers.-Ordn. aufgeführten Neclamationsgründe zur Sette steht. Zur Ausstellung der unter a und d gedachten ärzt lichen Zeugnisse sind seitens des Reichskanzleramts zur Zeit ermächtigt: I)r. Leweß in St. Petersburg, vr. Reimann in Kiew, Or. Wagner in Odessa, vr. Osssnkop in Bradiansk, Or. Friedrich Otto Gieseler in Moskau, sämmtlich für das innere bzw. südliche Rußland, Dr. Glück in Bukarest für Ru mänien, vr. Clemens Maximilian Richter in San Franzisca für Californien, vr. Alexander Burger in London für Großbritannien, Or. Bornim Lud wig Scharlau in Newyork für die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Untersuchung durch einen der genannten Aerzte erfolgt durch Vermitte lung der zuständigen deutschen Consulate und hat man sich deshalb an Letztere persönlich oder schrift lich zu wenden, das erhaltene Zeugniß aber sodann