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lebhaftesten Sympathien für die nationalen Hoffnun gen und Bestrebungen der Polen haben und sogar deren Erfüllung wünschen, indem sie „die Einigung Polens als ein Glück für das ganze Sclavenlhum" betrachten würden. „Aber" — schreibt die „Narodni Listy" weiter — „uns scheint, daß das Mittel zur Erreichung dieses Zieles keineswegs ein Krieg Oester reichs mit Rußland wäre, weil dann nach unserer tiefinnersten Ueberzeugung ein solcherKrieg die Existenz des ganzen Reiches gesährden und über alle Nationali täten große materielle Noth, sowie andere noch größere Unglücksfälle herbeiführen würde. Deshalb haben wir nicht sowohl die Polen gewarnt, deren erbitter tes Gefühl vor einem bloßen Worte nicht verstum men wird, sondern jene mächtigen Elemente, die den Krieg mit Rußland langsam, aber gewiß vorbereiten". Der Wiener Correspondenl der „Narodni Listy" sagt nun auf eine Anfrage der „Politik" sehr ge- heimnißvoll, er müsse sich die größte Reserve aufer legen, um nicht weitere Erörterungen herbeizuführen, die der gemeinsamen Sache schaden würden. Er könnte wohl eine Antwort geben, vor der alle noch obwaltenden Zweifel schwänden, aber die Loyalität gegen die Polen Hintere ihn, im Hinblicke auf die offenkundigen Zustände und Vorkommnisse der letzten Zeit mehr zu sagen, als daß die polnische National- parrei einem Kriege Oesterreichs mit Rußland sympathisch sei." Frankreich. Wie aus Paris gemeldet wird, hat der franzö sische Ministerpräsident Duclerc im Ministerrath am 2. d. berichtet, daß mehrere fremde Mächte, insbesondere Deutschland und Rußland, die Auf merksamkeit der eidgenössischen Regierung auf die in ihrem Gebiete statlfindenden socialistischen Um triebe hingelenkt und sie zur strengeren Ueberwachung der fremden Flüchtlinge eingeladen haben. Duclerc fügte hinzu, er erwarte, daß Frankreich aufge fordert werde, sich diesen Schritten anzuschließen. Der Minister des Innern, Fälliges, verlas sodann abermals Berichte zahlreicher Präfeclen, welche con- statiren, daß die öffentliche Meinung in ihren De partements von anarchistischen Attentaten weniger beunruhigt sei, als gewisse Zeitungen glauben machen wollen, doch dauern die Kundgebungen mit Plakaten und Dynamit fort. In St. Pourcain-Allier wurden Dy..anillpatronen in einem Kohlenmagazin in der Postverwaliung, in Toulon solche vor einem Bar bierladen gefunden. Die „France" bespricht in einem längeren Artikel die deutsche Marine und kommt zu dem Schluß, daß Deutschland nunmehr in dis Reihe der großen Seemächte eingerückt sei und Frankreich auch zur See die Spitze bieten könne. Rußland. Das russische Nihilisten-Organ, die „Narodnaja Wolja," veröffentlicht in seiner neuesten, vor weni gen Tagen in Petersburg zur Vertheilung gelangten Nummer eine Proclamation, worin der für Rußland unmittelbar bevorstehende Ausbruch der Re volution angekündigt wird. Die „Narodnaja Wolja" fordert außerdem die Verbesserung der Lage der nach Sibirien im administrativen Wege verbann ten politischen Verbrecher. Derartige Nachnchlen charaklerisiren zur Genüge die verzweifelte innere Lage Rußlands. Um so mehr muß es überraschen, daß die russische Regierung iyre Sorgfalt fast aus schließlich militärischen Rüstungen zuwendel. Türkei. Von einem netten Pröbchen türkischer Unver frorenheit berichtet eine Depesche Lord Dufferin's aus Konstantinopel vom 18. September, welche das egyplische Blauvuch abschließt. Diese Depesche be zieht sich auf die Verhandlungen mit der Pforte für den Abschluß der englisch-türkischen Militär-Conven tion. In drastischer Weise schildert der britische Botschafter, wie er sich am 15. September nacy Aldiz-Kiosk begeben, um den Sultan zu fprechen, und elf Stunden anlichambriren mußte! Der Sul tan saß in einem Zimmer, der BoNchafler in einem anstoßenden Gemache und den ganzen Tag hindurch war zwischen Beiden der Verkehr nur ein schrift licher. Endlich wünschte Se. Majestät den Ver treter Großbritanniens zu sprechen und Lord Dufferin ließ sich dazu unter der Bedingung herbei, daß er den Sachverhalt nur erklären, nicht disculiren solle. „Als ich mich zurückzog," schreibt Lord Dufferin, „fand ich mich wieder umgeben von den in Ildiz versammelten Ministern und Paschas, und als Stunde um Stunde verstrich, konnte ich nicht umhin, zu bemerken, daß ich eher als der Vertreter einer Regierung, deren Armeen soeben aus dem Schlacht felds aufgerieben worden, als einer, deren Generale einen glänzenden Feldzug zu einem siegreichen Ab schluß gebracht hatten, behandelt worden." Aus dem Muldenthale. *Waldenburg, 4 November. In der gestrigen Hauplconferenz der Volksschullehrer des Bezirks Glau chau hielt nach dem Eröffnungsgesange: „O Gott, du frommer Goll u. s. w." Herr Kgl. Bezirksschul- inspector F. W. Gruhl eine Ansprache, in welcher er aus dem Gebiete der Schulpraxis bes. über drei Punkte: Die Aufnahme der Kinder in die Schule, die Entlassung derselben aus der Schule, die Schul- versäumniffe, sich äußerle. Es sei gegen das Gesetz und die Jnlenlion des hohen Ministeriums, Kinder vor erreichtem 6. Lebensalter, etwa auch unter einst weiliger Nichkaufzeichnung in das Hauptbuch aufzu nehmen, ebenso Kinder vor dem erfüllten 8. Schul jahr zu entlassen. Vergleiche Gesuche sollten con- sequent abgewiesen werden, wie es das Ministerium selbst in einer Reihe von Fällen stets gethan und einfach auk das Gesetz verweise. Bezüglich der Schul versäumnisse habe eine regelmäßige Controls und Bestrafung in Wiederholungsfällen zu erfolgen, da mit das in manchen Orlen noch statlfindende leicht sinnige und bei manchen Ettern gewohnte zeitweilige Zurückbehallen der Kinder von der Schule ganz auf höre. (Häusliche Beschäftigung der Kinder ist kein Enlschuldigungsgrund). Hierauf gab der Kgl. Bezirks- schulinspeclor noch einige statistische Nachrichten über die Anstellungs- und Versetzungsbewegung in diesem Bezirke. Vorher ichon hatte derselbe neben den er schienenen Directoren, Lehrern und Lehrerinnen die Gäste begrüßt, unter denen wir Heern Kgl. Amts hauptmann von Hausen,Hrn Kgl. Bezirksschulinspector Schulrath Naumann aus Zwickau, mehrere Pastoren aus Stadt und Land, die Herren Bürgermeister Martini aus Glauchau, Pfotenhauer aus Hohenstein, u. A. bemerkten. Dem Vorträge des Director Rother aus Meerane lag folgender Gedankengang zu Grunde: 1. Die sogenannte alle Pädagogik hat sich aus den praktischen Bedürfnissen der Küche, des Volkes und des Staates im Anschlusse an jeweilige Zeilrichtun gen entwickelt; sie ist erst nach und nach anthropo logisch, bez. psychologisch begründet worden; zufolge ihres vielfach nur experimenlirenden Vorwärtsschrei tens Hal sie in Bezug auf Ziel, Stoff, Methode, Zucht und Pflege geschwankt; des wissenschaftlichen Charakters entbehrt sie aber schließlich nicht. 2. Die sogenannte neuere Pädagogik gründet sich von Haus aus auf ein philosophisches System und sucht erst in der Fo ge nach praktischer Vernurkligung. Wäh- reno sie das Ziel von vornherein festgestelli, auch den Weg zur Erreichung dieses Zieles entschieden vorgezeichnel Hal, ist ihr die Erledigung der Frage über das zu verwendende Unierrtchtsmalenal noch nicht gelungen; überdies bwlel sie in mancher Be ziehung und namentlich auch betreffs der speziellen Methode Nichts absolut Neues. 3. Die alte Päda gogik hat sich zwar ein gutes Recht auf Anerkennung erworben, immerhin aber dürfte ihr gegenüber die neue Pädagogik, besonders mit Rüchsichl auf die Möglichkeit einer Erweiterung ihrer Grundlage und eines praktischen Ausbaues ihres Systems, als fort- schriltliche Tendenz za betrachten sein. Wahrem Fortschritt der Pädagogik wird indessen nicht etwa durch einseitigen Fan ulsmus sondern vielmehr durch besonnenes Smdmm sowohl der neueren, als auch der älteren pädagogischen Literatur gedient. Unter der „neuen Pädagogik" verstand Vortragender ein seitig nur das System von Herbari, welches bekannt lich von seinen Jüngern mu dies-m Namen bezeich net wird. Nach einer Pause beschloß die Majorität von einer Dlscussion des gehörten, mehr historisch und systematisch gefaßten Vortrages ganz abzufehen, und lgeltie nunmehr Herr Kgl. Bezirksschulinspector noch einige Erlasse und Verordnungen des Kgl. Ministeriums des Cultus und öffentlichen Unter richts mit, worauf die Versammlung durch den Schlußges >n,: „Sei Lob und Ehr d m höchsten Gal u. s. w." ihren Anschluß fand. Bei dem um 2 Uhr stalifiaoenoen Mtt- lagsmahl nahmen diesmal wieder fast alle Colle- gen iheil und verging baff lbe infolge einer Reihe lrefftlcher Toaste in sehr gehobener Stimmung. Am Spätnachmittag sand noch eine höchst gelungene lau nige Unterhaltung durch Mitglieder des pädagogischen Vereins von Meerane statt. *— Der Komet wird immer noch einige Zeit sichtbar sein: er geht schon vor 3 Uhr auf, doch wirb sein Anblick gegenwärtig noa, immer etwas durch den Mondschein beeinträchtig!. Auf der süd lichen Halbkugel der Erve wird er etwas länger als bei uns gesehen werden können. « Aus dem LuH,e.».»sttde. — Das neuerbaute Jnnungsdaus der Leipziger Schuhmacher-Jn ung soll Mule dieses Monats seine Weihe erhallen. D-r NaUtiche Bau zeichnet sich drncb elegame und piakufpe Emriwuog aus und namentlich ist dec Jnnungssaal mit seiner hübschen künstlerischen Ausschmückung besonders hervorzuheben. Der Fries zeigt die drei Hauptstädten des Jnnungs- lebens mit den Portraits des heiligen Crispin, als Schutzpatrons der Schuhmacher, sowie des Hans von Sagan und des Liedermeisters Hans Sachs. Die genannten drei Stadien des Jnnungslebens mit ihrem Figurenreichthum bezeichnen die alten hübschen Handwerkersprüche: „Wer ist Meister? Der was ersann!" „Wer ist Geselle? Der was kann!" „Wer ist Lehrling? — Jedermann!" — Die Königliche Kreishauptmannschaft zu Leip zig hat Grund von § 28 Abs. 3. des Reichsge setzes vom 21. Oclober 1878 neuerdings aus der Stadt Leipzig und dem Bezirke der Amtshaupt- mannschaft Leipzig folgende Personen ausgewiesen: Cigarrenarbeiter Friedr. Oskar Apitzsch aus Leipzig, Schriftsetzer Franz Thomas Haas aus Znaim in Mähren, Expedient Gustav Julius Reinhold Künzel aus Kotlmarsdorf bet Löbau, Stellmacher Leopold Köppel aus Oberachern in Baden, Stuckateur Paul Oswald Lauschke aus Pirna, Buchbinder Gustav Robert Schimenz aus Delitzsch und Buchbinder Johann August Wilhelm Taute aus Taucha; da gegen wurde dem Tischler Friedrich Hermann Bert hold gen. Mosemann, dem Tischler und Kisten macher Robert Hermann Einer und dem Tischler Johann Baptist Hauser der Aufenthalt im Bannbe zirk versuchsweise wieder gestattet. — Die Weißwaarengeschäfte in Plauen i. V. lassen zum größten Theil außer dem Hause arbeiten. Im vorigen Jahre wurden für ein Dutzend Kinder krausen 12 Pfennig bezahlt, dafür hat die Arbeiterin Steppgarn, Zwirn und Schnur zu liefern und mit eigener Maschine zu arbeiten. Bei angestrengter Arbeit läßt sich per Stunde noch nicht ein Dutzend Herstellen, pro Tag vielleicht 8 Dutzend. In diesem Jahre wird aber das Dutzend Krausen nur noch mit sechs Pfennig bezahlt! — und dem entsprechend sind alle übrigen Preise für Frauenarbeit. Diese Arbeit geht aber nur in der vorgerückten Jahreszeit, wo zu den übrigen Auslagen auch noch die Beleuch tungskosten kommen. Die Lohnherabsetzung ist von einem der größten Weißwaarengeschäfte Plauen's ausgegangen, und viele der übrigen müssen sich mehr oder weniger darnach richten und natürlich auch darnach zahlen. — Das Jnnungswesen nimmt in Großenhain mehr unv mehr eine festere Gestaltuna au. Seit dein Jahre 1877 und noch vor dem Erscheinen des sogen. Jnnungsgesetzes haben sich theils neu-, theils reconstituirt, zuerst die von früher her fonbestandene Fleischer-Innung, dann die Bäcker- und die Kürschner- Innung, deren Statuten seilens der Regierungs behörde Bestätigung gefunden haben. Weiler haben sich dann noch neagelulvet die Glaser- und später die Tischler-Innung, rücksichtlich deren jedoch die Bestätigung der Statuten zur Zeit noch aussteht. — Auf der Dreibrüderhöhe bei Marienberg er hebt sich nunmehr ein von den Erzgebirgsoereinen Marienberg und Wolkenstein erbauter eiserner Äus- sichtsthurm, der, aus 9 Etagen bestehend, von dem Maschinenfabrikanien Karl Reinsch in Dresden her- gestellt worden ist. Dem Naturfreunde bietet sich vom Thurme aus ein herrlicher Blick auf die Schönheiten des oberen und niederen Erzgebirges, uno daher steht zu erwarten, daß der neuerschlossene Aussichtspunkt, dessen eigentliche Ei öffnung uno Ein weihung jedoch erst tm nächsten Frühjahre erfolgen soll und der bis dahin nur in beschränkter Weise besucht werden kann, sich einer recht lebhaften Fre quenz erfreuen wird. Die Gesammlkosten des Baues stellen sich auf 3500 Mark. — Der Gem-inderaih in Olbernhau Hal die Einführung der Gasbeleuchtung beschloss n und die Ausführung der Anlage und deren Betrieb B. Werner in Wurzen auf dessen Rechnung übertragen, wenn, wie zu erwarten steht die zur Sicherung des Unternehmens erforderliche Anzahl Flammen ge zeichnet wird. — Zu den finanziell günstig situirten Städten Sachsens gehört Neustädtel bei Schneeberg, denn da die Stadt eine Sparkasse mit bedeutendem Um satz und auch dementsprechenden Geschäflsgewinn besitzt, würden von den Einwohnern überhaupt städtische Steuern nicht mehr zu erheben sein. Um aber dieselben nicht zu verwöhnen und einem un willkommenen starken Zuzug aus fremden Orten vorzubeugen, Hal man von einem gänzlichen Erlaß der an und für sich schon geringen Communalsteuer (1'/r Pf. pro Mark) und des Schulgeldes Abstand genommen. Alle abgeführten Abgaben werden viel mehr zur Errichtung einer Erbe- und Sierbekaffe für die Steuerpflichtigen verwandt. Stirbt ein Theilhaber der Kasse, so wird seinen Erben die Halste aller seit Bestand der Kaffe entrichteten Ab gaben inclusive des Schulgeldes zurückgezahli (Lebens versicherung); die andere Hälfte wird den Tneil-