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aber gerade die Landwirtschaftskammer in Westfalen eine Kundgebung wonach die ländlichen Arbeiterverhältniffe dort noch immer keine besseren geworden sind, und Mangel an Arbeitern herrscht. Es heißt: Auf die heimischen Arbeiter ist gar kein (!) Verlaß mehr, und auch in den Familien geht der Sinn für Garten- und Ackerbau zurück. Dabei sind die Löhne in den letzten Jahren um 25 bis 30 Prozent ge stiegen und für leichte Feldarbeit werden Arbeiterinnen schon mit 2 bis 2l,, Mark pro Tag bezahlt. Die Akkordlöhne für Mähen und Binden sind bis zu hundert Prozent ge stiegen. Da wäre also Verdienst für beschäftigungslose In dustrie-Arbeiter genug, wenn sich diese, wie bekannt, nur nicht so schwer an ländliche Tätigkeit gewöhnten. Der in dem Disziplinar-Verfahren gegen den Bürgermeister Schücking in Husum vielgenannte Regierungs-Präsident von Dolega-Kozierowski hat einen längeren Urlaub ange treten, um eine von ihm beabsichtigte Kur zu beginnen. Ob der Präsident auf seinen Posten zurückkehren wird? Nunmehr ist laut „Leipz. N. N." die Einführung einer Feld-Uniform, die auf alles Blanke und Bunte verzichtet, in allen Staaten des Dreibundes beschlossen worden. Alle Farbentöne sind einander ziemlich ähnlich und zeigen das Bestreben, sich der Erdfarbe zu nähern. Für Oesterreich- Ungarn ist die hechtgraue Farbe der Kaiserjäger zu Grunde gelegt, Italien hat eine Uniform von grünlichgrauer Farbe genommen, kommt also der deutschen am nächsten. Hoffent lich kommt es nie zur ernsten Probe der Zweckmäßigkeit. Mit dem Borg-Unwesen wird sich der Deutsche Hand werk- und Gewerbekammertag beschäftigen, der Montag in Berlin zusammentritt. Zur Bekämpfung des oft gerügten Mißstandes werden Seitens des Vorstandes folgende Maß nahmen in Erinnerung gebracht: Belehrung und Aufklärung durch allgemeine Besprechungen, Vorträge und Versammlungen. Einrichtung von Buchführungs-Kursen, nicht nur für Hand werker, sondern auch für deren Frauen und Töchter. Regel mäßige öffentliche Bekanntmachungen, mit Aufforderungen an das Publikum, die ausgeschriebenen Rechnungen der Hand werker zu bezahlen. Abschluß von Verträgen mit Kreditschutz- Vereinen zur Auskunfts-Erteilung über die Kreditfähigkeit der Kunden. Einwirkung auf Genossenschaften, damit sie die Lombardierung von Handwerkerforderungen in ihren Geschäfts bereich Mfnehmcn. Ausstellung von schwarzen Listen über böswillige Zahler. Man könnte hinznfügeu: Freundliche Unterstützung dieser berechtigten Wünsche durch Behörden und augesehene Bürger! Oesterreich-Ungar«. König Eduard empfing in Maricnbad den aus Karlsbad herübergekommenen russischen Minister Iswolski zu ein stündiger Unterredung. Nun wird der französische Minister präsident Clemenceau an die Reihe kommen. Der Wiener Bankier Reißer hat der Militärverwaltung eine Million Kronen für den Bau eines lenkbaren Luft schiffes überwiesen. Auch Rosschild und der Brauer Dreher wollen für den gleichen Zweck große Summe zeichnen. Na, und der Staat, der arme, selbst? Frankreich. Ist der Sieg des Gegensultans Mulay Hafid über seinen Stiefbruder, den eigentlichen Sultan Abdul Aziz, ent schieden? Viele behaupten es und meinen, daß durch das letzte Treffen bei Marrakesch die Scharen Abduls völlig zer streut worden sind, so weit sie nicht die Waffen fortgeworfen haben und kurzer Hand zu Mulay übergegangen sind. Be zeichnend ist, daß auch die Franzosen selbst schon mit dem Letzterenunterhandeln, und sehr erwünscht wäre es in jedem Unterhaltungsteil. Hüben und Drüben. Von M. Eitner. 25) Fortsetzung. Schließlich stellte Rudolf den Baum auf den Tisch in der Mitte der Stube, zündete die Lichter an, stellte für den Vater ein Kistchen Zigarren hin, legte einige Kleinigkeiten für die Mutter daneben und sagte: „Es ist ja nur ein Spaß." „Wir haben nichts für dich," sagte Braun ernst, „nichts, was man so unter den Weihnachtsbaum legen könnte, aber wir wollen dir geben, was wir bis jetzt versäumt haben: warme Liebe. Wir wollen Gott danken, der dir's ins Herz gegeben hat, daß du heimkehrtest. „Friede, Friede auf Erden," wollen wir sagen." »Ja — Friede auf Erden" — wiederholte Rudolf, und seine Hände streckten sich aus, um Vaters und Mutters Hand zu fassen. Oft hatte er sich während der Seefahrt die Heimkehr aus gemalt, hatte gehofft, daß die Eltern ihren Groll würden fahren lassen, aber weit über sein Bitten und Verstehen hatte sich der Empfang gestaltet. Was er bis jetzt hatte entbehren müssen, würde ihm von nun an nicht mehr fehlen: die Liebe der Eltern und ein Segenswunsch aus ihrem Munde, wenn er wieder nach drüben gehen würde. Als der Karpfen gegessen war, während die Lichter des Tannenbaums blinkten und glänzten, kam das Erzählen an die Reihe. / „Es ist besser," sagte Braun, „er hört zuerst von unserem Kummer und unseren Sorgen, und wir freuen uns hinterher an dem Guten, das er zu berichten hat, denn daß es ihm gut gegangen ist, das liest sich aus seinen Augen heraus." Braun erzählte, mit oft zuckenden Lippen und mit gefurch ter Stirn, von dem Gram, der durch Ernst über sic herein gebrochen war, er sprach von den Quälereien, die ihnen durch die Tochter verursacht wurden. Er sprach auch davon, Falle, wenn endlich Ruhe käme. Aber es ist auch nicht zu vergessen, daß es mit Mulay Hafid schon ebenso schlecht wie mit seinem Bruder stand, und er ist nun doch wieder oben auf gekommen. Abdul Aziz war erst tot gesagt, dann ge fangen, auf der Flucht eingeholt, dann ward dies wieder bestritten und seine Ankunft an der Küste gemeldet. Einige Privatmeldungen halten an der Nachricht von der Gefangen nahme fest, doch ist das wirklich wohl verfrüht, wenngleich auch Pariser Telegramme so berichteten. Wahrscheinlich kommt aber nun ein Ausgleich, wobei auf Freiheit oder Leben Abduls nicht viel gegeben sein wird, zu Stande, denn ihn mit Gewalt gegen Mulay zu halten, fällt den Franzosen auch nicht ein. So schnell wird freilich der Sieger die fran zösischen Wünsche nicht erfüllen. Türkei. So ganz glatt scheint es mit der neuen Aera der Dinge doch nicht vorwärts gehen zu sollen, denn unter den Jung türken, die dem Sultan die Wiedereinführung der Verfassung abgetrotzt haben, gibt es mehrere Parteien, die sehr weit gehende neue Forderungen an die Regierung stellen. Es ist unmöglich, daß alle diese Ansprüche verwirklicht werden können. Auch die Bulgaren und Griechen unter den türki schen Untertanen meinen, daß sie zu wenig Abgeordnete zum neuen Parlament zu wählen hätten und fordern mehr Ver treter. In Saloniki, dem Hauptsitze der Jungtürken, kam es schon zu Tumulten. Marokko. Der mit so vielen Hoffnungen begonnene Zug des Sul tans von Marokko nach seiner südlichen Hauptstadt Marra kesch hat am vergangenen Mittwoch bei Kelaa mit einer schweren Niederlage und mit der Gefangennahme Abdul Aziz' geendigt. Der Schauplatz des Kampfes, in dem der legitime Sultan den Truppen seines Bruders und Gegensultans unterlag, ist nur 50 Kilometer von den Toren von Marrakesch entfernt. Die Nachricht von der Gefangen nahme Abdul Aziz' durch die Mahalia Mulay Hafids fand hier zunächst wenig Glauben; man nahm vielmehr an, daß es ihm noch gelungen sei, in das Schauja-Land zu ent kommen. Im Laufe des Sonnabend Nachmittag traf indessen im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten eine Depesche ein, die an der Richtigkeit der Meldung keinen Zweifel mehr ließ. Die Häuptlinge der Schauja- und Mdakra-Stämme, die den unglücklichen Abdul Aziz begleiteten, haben in der Gegend von Kelaa vor der hasidischen Mahalia, ohne sich in einen Kampf einzulassen, Reißaus genommen. Auch die Ar tillerie Abdul Aziz' soll sich sehr schlecht bewährt haben, da die Geschütze explodierten und so eine gefährliche Panik in den eigenen Reihen anrichteten. Die Mitglieder der fran zösischen militärischen Mission, die Abdul Aziz begleitete, hatten von dem Sultan den Befehl erhalten, sich zu den Schaujas zurückzuziehen, wo sie inzwischen bereits eingetroffen sein sollen. Aus dem Muldentale. *Waldenbnrg, 24. August. Am Sonnabend traf Frau Gräfin Luise von Westphalen zu Fürstenberg zum Besuche am Fürstlichen Hofe hier ein und gestern Sonntag deren Herr Gemahl Friedrich Lübbert von Westphalen, Königlich Preußischer Rittmeister und Eskadron-Chef im Regiment Gardes du Corps. Heute Nachmittag sind die Gräflichen Herrschaften nach Potsdam weiter gereist. *— Mn reiches Hasenjahr wird in vielen Gegenden von den Jägern erwartet, denn selten wurden so viele Hasen auf den Feldern getroffen, wie in diesem Jahr. Der erste daß es sich nach und nach wie eine Last auf ihre Herzen gelegt habe, daß das Scheiden von ihm sich in Bitterkeit und Zorn vollzogen habe, und daß sie zu spät erkannt und be reut hätten, daß sein Leben ein liebeleeres gewesen sei. Die Mutter fügte nichts hinzu. Sie trocknete nur wieder und wieder die Tränen, die immer von neuem flossen. Dann berichtete Rudolf von dem wechselvollen Leben, das er vom ersten Tage seines Fortgehens an bis jetzt geführt hatte, berichtete von den wunderbaren Führungen und Fü gungen, vom Leben im Urwald, von Mister Harrisons Tod, von der entsetzlichen Fahrt durch die Flammen und den Folgen dieser Fahrt. Mit leuchtenden Augen sprach er von seinem Eigentum, der Farm White-House, von der Liebe und Güte, die ihm sein Nachbar bewiesen hatte. Er bekannte auch, daß sowohl durch Harrison wie durch Roberts ihm nahege legt worden war, sich ein gutes Wort von den Eltern zu erbitten, Groll und Bitterkeit ihn aber immer wieder — er müsse es eingestehen — zurückgehalten Hätten, das zu tun, was die älteren Männer ihm als das Richtige bezeichnet hätten, daß aber das, was sie gesagt hatten, in ihm und an ihm gearbeitet hatte, bis der Drang, mit den Eltern Frieden zu machen, und die Sehnsucht, sie wiederzusehen, doch so mächtig geworden war, daß er ihm nachgeben mußte. „Ach," sagte Braun, als die Mitternachtsstunde erklang, „ich hätte nie gedacht, daß uns noch solch ein Abend be- schieden sein würde. Das soll heute eine Nachtruhe werden, wie wir sie seit langer Zeit nicht kennen." Rudolf selbst fühlte sich wie im Traum. Noch nie im Leben hatte er solche Stunden mit seinen Eltern verlebt. Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, sagte Braun zu dem Sohn: „Ich bin seit Jahren nicht mehr in der Kirche gewesen, heute möcht' ich gehen. Kommst du mit?" „Gern, Vater." Die beiden gingen. Frau Braun sah ihnen nach und legte die Hand gegen die Stirn: „Daß man das erlebt," flüsterte sie, „daß man das erlebt!" — Nun gab es doch neben dem Kummer, den Ernst ihnen verursachte, große Freude, die ein Aufatmen ge- Satz, die sogenannten Märzhasen, haben sich außerordentlich gut entwickelt, und von dem zweiten Satz hofft man dasselbe. Vielleicht gibt es auch wieder einmal billigen Hasenbraten! * — Der gestrige Sonntag hatte wieder unter der Ungunst des Wetters stark zu leiden. In der Mittagsstunde trat wiederholt ein plötzlicher Platzregen auf und Nachmittags gegen 2 Uhr zog ein Gewitter über unseren Ort, das an haltendes Regenwetter im Gefolge hatte. Fast ununterbrochen hielt der Regen bis Mitternacht an. Die hierbei nieder gegangene Regenmenge betrug 19 nun. * — Die Niederschlagsmenge betrug in der zweiten Dekade des Monats August nach Mitteilung des kgl. meteorologischen Instituts in Dresden im unteren Tale der Zwickauer Mulde 17 mw (normal 23), im mittleren 40 (normal 24) und im oberen 33 (normal 28). * — Am Nachmittage des gestrigen Sonntags fand im Saale des Schützenhauses seitens der städtischen Kapelle ein Wohltätigkeitskonzert zum Besten der Ueberschwemmten im Erzgebirge statt. Die Vortragsordnung wies in bunter Folge ernste und heitere Stücke auf. Diese waren klassischer Art und zum Teile neue und gediegene Werke. Die Perlen des Konzerts bildeten zwei Streichquartette von bezaubernder Schönheit. Die Leistung stand auf der Höhe der Zeit. Jeder Musiker setzte unter der talentvollen Leitung des Herrn Musikdirektor Strehle sein ganzes Können in den Dienst der edlen Sache. Die so herrlich gelungene Gesamtaufführung fand bei den leider nur in schwacher Zahl vertretenen Zuhörern den ungeteiltesten Beifall. Der künstlerische Erfolg wog wohl — was sehr betrübend ist — keinesfalls das klingende Er gebnis auf. *— Nachdem sich in der Photosphäre der Sonne längere Zeit keine bemerkenswerten Flecke gezeigt hatten, ist, der „Astron. Korresp." zufolge, seit Anfang August abermals eine Steigerung des Sonnenvulkanismus eingetreten. Die anfäng lich noch kleinen und beim Auftauchen am Ostrande durch die Kugelform der Sonne noch strichförmig verkürzten Flecke haben schnell an Ausdehnung gewonnen und sich am 5. und 6. August zu sehr ansehnlichen dunklen Massen entwickelt. Am 5. August erblickte man im Instrument vier gesonderte Gruppen, zwei in der nördlichen und zwei in der südlichen Fleckenzone, von denen drei besonders groß erschienen und aus sehr, vielen Einzelflecken und schwarzen Kernen mit teils recht breiten Höfen bestanden. Am gleichen Tage befanden sich die vier Gruppen etwa in der Mitte der Sonnenscheibe und haben, da die halbe Sonnenumdrehung 12«/^ Tage währt, in zwei am weitesten vorangeschrittenen Gruppen am 11. August den Westrand erreicht. Eine neue größere Gruppe, die jedoch dem erwähnten an Umfang bedeutend nachstand, ist Mitte August über die Sonnenmitte geschritten. Diese stark erhöhte Fleckentätigkeit hat man als einen Rückfall des Sonnenvulkanismus zu betrachten, da die 1904 begonnene Fleckenmaximalzeit mit dem Jahre 1907 zu Ende gegangen ist. *— Beim hiesigen Stadtrat ist eingcgangen Reichs» Gesetzblatt Nr. 47, enthaltend: Bekanntmachung, be treffend die Vereinbarung mit der Schweiz vom 29. Oktober 1907, durch welche den Bestimmungen des badisch, schweizerischen Staatsvertrags vom 21. Dezember 1906 über die Verlegung der Landesgrenze bei Leopoldshöhe recht- Irche Wirksamkeit für das Reich verliehen wird. Gesetz über die Verlegung der deutsch-schweizerischen Grenze bei Leopolds höhe. *— Gestern Nachmittag hielt die Freiwillige Feuerwehr Altwaldenburg ihre Hauptüvung ab. Die Uebungen wurden trotz des ungünstigen Wetters stramm und exakt ausgeführt, stattete, die Licht über das Leben ausbreitcte. Sie konnte es sich nicht versagen, sie mußte bei Frau Hagedorn klingeln, mußte sie sprechen, um ihr selbst mitzu teilen, daß der Sohn, von dem sie durch zwei Jahre nichts gewußt hatten, gekommen war, daß der von ihr gespendete Tannenbaum im Lichterglanz gestrahlt hatte. Ueber das feine, ernste Gesicht Frau Hagedorns glitt es wie ein leises, kaum merkliches Lächeln, und ein warmer Strahl drang aus den großen, blauen Augen. „Wie mich das freut," sagte sie. Rudolf kam gegen zwölf Uhr allein zurück. Der Vater hatte einen zu der Fabrik gehörenden Aussetzer aussuchen wol len, um etwas mit ihm zu besprechen. Als er im dritten Stockwerk angelangt war, stand die Entreetür der gegenüberliegenden Wohnung auf, und hinter einer alten Frau, die wohl eine Bittende war, sah er eine Dame stehen, deren Anblick ihn derartig überraschte, daß er stehen blieb. Er sammelte sich jedoch und zog eiligst den Hut zum Gruß- Als er die Klingel an der Wohnung seiner Eltern gezogen hatte, wendete er noch einmal den Blick dem Gegenüber zu. „Mutter," sagte er in einer gewissen Erregung, als er Hut und Ueberziehcr abgelegt hatte, „wer ist denn die Dame da drüben mit den glänzenden, blauen Augen und dem grauen Haar, das wohl eigentlich noch nicht für ihre Jahre paßt?" „Einer wird schneller grau als der andere," entgegnete Frau Braun. „Frau Hagedorn wird wohl nahe an vierzig sein. Wer weiß, wie das Leben ihr mitgespielt hat. Sie gibt Gesangunterricht und lebt völlig zurückgezogen." „Sie muß sehr schön gewesen sein," bemerkte Rudolf- „Wo kann ich sie denn gesehen haben, und wann? Die Züge sind mir so bekannt." „Sie wohnte schon hier, als du damals vom Militär zu rückkamst. Vielleicht hast du sie an jenem schrecklichen Tage zufällig gesehen." „Ich kann mich nicht erinnern," entgegnete Rudolf köpf" schüttelnd. (Fortsetzung folgt.)