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Italienern der Gebrauch ihrer Landessprache gestattet wird, so existiert der Sprachenparagraph auch in den Reichslanden tatsächlich nicht. Er wird also im Wesentlichen auf die Polen beschränkt bleiben und auch diesen gegenüber nur angewendet werden, wenn es wirklich not tut. Im württembergischen Landtage erklärte der Minister des Innern v. Pischek, er komme nach Abwägung der Vorteile und Nachteile des Reichs vereinsgesetzes zn dem Ergebnis, daß die freiheitlichen Ver besserungen überwögen. Das Gesetz soll in der Praxis so angewendet werden, daß das Volk einen erheblichen Unter schied gegen die bisherige Praxis überhaupt nicht finden wird. Eine der wichtigsten Bestimmungen des kommenden Freitag Geltung gewinnenden neuen Reichs-Vereinsgesetzes ist bekanntlich, daß politische Versammlungen bei der Behörde fortan nicht mehr angemeldet zu werden brauchen, wenn sie durch Zeitung oder Anschlag rechtzeitig öffentlich bekannt ge macht werden. Für Preußen bestimmt nun die soeben er gangene Verordnung des Ministers des Innern, daß jede Gemeindebehörde zwei Zeitungen (davon muß eine wochen täglich erscheinen) bezeichnen muß, in denen die Bekannt machungen über die Abhaltung von Versammlungen zu ver öffentlichen ist. Die betreffende Zeitungsnummer muß min destens vierundzwanzig Stunden vor dem Beginn der Ver sammlung in den Händen der Behörde sein. Jede Bekannt machung hat die Ueberschrift zu tragen: Oeffentliche politische Versammlung. Der Regierungsentwurf über die Arbeitskammern, der einen nicht unwesentlichen Bestandteil der Gesetzgebung in der Richtung der Blockpolitik bildet, befindet sich zur Zeit im Bundesrate. Die beteiligten Bundesratsausschüsse werden laut „B. T." das vorliegende umfangreiche kritische Material noch vor dem Antritt der großen Sommerferien sichten und die Vorarbeiten so weit fördern, daß im Oktober die end gültige Feststellung des Gesetzentwurfs erfolgen und dieser dem Reichstage alsbald nach seinem Zusammentritt zugehen kann. Die örtlichen Streitigkeiten im Baugewerbe, die auch nach dem Schiedsspruch noch vorhanden sind, können den Frieden des Gesamtgewerbes nicht gefährden. In Breslau bereitet sich bereits eine Verständigung vor, wogegen sich die Lage in Hamburg-Altona noch weiter zuspitzt. Das Organ des Zentralverbandes der Maurer Deutschlands erteilt an alle Abseitsstehenden eine deutliche Absage: „Der Schiedsspruch besteht nun einmal, wie er ist. Damit müssen die bau gewerblichen Arbeiter unter allen Umständen rechnen. Eine Fortsetzung der Verhandlungen, um mehr herauszuschlagen, ist unmöglich. Für ebenso unmöglich, ja geradezu für ver hängnisvoll halten wir aber auch einen etwa von den Ar beitern zu inszenierenden Krieg zur Erzwingung besserer Ar beitsbedingungen. Zugegeben, daß in einzelnen, ja in meh reren Orten die Konjunktur so gut ist, daß die Unternehmer gezwungen werden könnten, höhere Zugeständnisse machen zu müssen, in der Mehrzahl der namhaften Städte liegen zur Zeit die Verhältnisse nun einmal so, daß Angriffsstreiks keinen Erfolg haben können. Wo hier und da ein Zweigverein unseres Verbandes glaubt, sich den Vereinbarungen nicht fügen zu können, muß er sehen, wo er bleibt. Der Ver band kann ihm weder materielle noch moralische Unterstützung zuteil werden Nissen." Oesterreich-Ungarn. Die ungarische Regierung veranlaßt gegen die massenhafte Auswanderung — in den letzten fünf Jahren sind 800,000 Personen fortgewandert — Zwangs-Maßnahmen. Für Militär- Pflichtige, Minderjährige und Familienväter, die unversorgte Familien zurücklassen, wird die Auswanderung eingeschränkt resp. untersagt; die Gesellschaften, welche es unternehmen, solche Leute fortzuschaffen, verlieren ihre Konzession und die Kaution in Ungarn. Die Regierung hat das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen, jede Auswanderung bis zur Dauer eines Jahres zu untersagen. Die Auswanderung von Per sonen, die nicht im Besitz des erforderlichen Geldes sind oder von Kolonialgesellschaften befördert werden, ist überhaupt ver boten. Alle Auswanderungs-Agenturen werden abgeschafft, Verleitung zur Auswanderung mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. Frankreich. Es heißt wieder einmal, daß der marokkanische Gegen sultan Mulay Hafid die Hauptstadt Fez gewonnen hat. Der dauernde Besitz dieser Stadt kann den Streit zwischen den beiden feindseligen Brüdern allein entscheiden. Die Fahrt der französischen Kaufleute nach Deutsch land wird in Folge des von den Chauvinisten erhobenen Lärms vorläufig unterbleiben. Italien. Der Landarbeiter-Streik in der italienischen Provinz Parma hat sich auch auf die Provinz Piacenza ausgedehnt und gibt fortgesetzt zu argen Krawallen Anlaß. Alle Be mühungen, eine Einigung herbeizuführen, sind vergeblich, da die Grundbesitzer vor allem Anderen erst eine prinzipielle Wiederaufnahme der Arbeit verlangen. Rustland. Wie bei der Flotten- und Eisenbahnfrage steht die Reichs- , duma auch bei der Beratung des Heeresbudgets ihren Mann ' und besteht mit Festigkeit auf ihre Forderung, die u. a. auch die Wehrpflicht der Juden betreffen. Zwischen dem russischen Finanzminister Kokokzew und dem Duma-Präsidenten Chomkajow war es bekanntlich zu einem Konflikt gekommen, weil der Letztere die unbedachte Aeußerung des Ministers „Gott sei Dank haben wir ja in Rußland noch kein Parlament" gerügt hatte. Der Finanz minister hatte sich darüber so geärgert, daß er aus dem Dienste scheiden wollte. Nunmehr hat sich der Minister präsident Stolipyn ins Mittel gelegt; der Minister hat er klärt; er habe es nicht so bös gemeint, und der Präsident hat seine Rüge zurückgenommen. So ist denn der Friede hergestellt. England. Die Unterwerfung der aufrührerischen Mohmand'san der Nordgrenze Indiens ist nur Schein gewesen, die Ein geborenen haben die von dem englischen General Wilcocks gestellten Bedingungen nicht erfüllt. Der General hat darauf seinen Truppen den Befehl zum allgemeinen Vormarsch er teilt, und es ist bereits zu neuen Gefechten gekommen. Im benachbarten Afghanistan soll ein Aufstand ausgebrochen sein. Amerika. Der Oberst-Kommandierende der großen Kriegsflotte der Vereinigten Staaten, die auf ihrer Reise um die Erde jetzt in San Francisco vor Anker liegt, Admiral Evans, ist aus Gesundheitsrücksichten von seinem Posten zurückgetreten. In seiner Abschiedsrede an seine Offiziere sagte er, Präsident Roosevelt habe versichert, daß diese Flottenfahrt nur fried liche Zwecke verfolge, er, der Admiral, könne indessen hinzu fügen, daß sie im Notfall auch kampfbereit sei. Aus dem Mnl-entale. *Waldenburg, 11. Mai. Zu der Nachricht über die Eisenbahnverbindung Limbach-Waldenburg-Gößnitz wird im „Limb. Tgbl." geschrieben: „Daß in Oberfrohna die dort jüngst versammelten Regierungsvertreter über Bahnprojekte gesprochen haben, glauben wir gern; es ist auch anzunehmen, daß die bekannte Tatsache, die Regierung werde der Ver längerung einer Bahn von Limbach nach Oberfrohna allein ohne Weiterführung nicht zustimmen, zur Besprechung kam. Nur meinen wir, daß die Fortführung der Bahn nach Wal denburg nicht ins Auge gefaßt sein kann. Nach unseren In formationen kommt in erster Linie das Bahnprojekt Limbach- Oberfrohna-Mittelfrohna-Niederfrohna-(Mühlau)-Penig in Be tracht, weil nach der Rentabilitätsberechnung diese Bahn sich besser — mindestens um 3°/y — verzinsen würde als eine von Limbach über Oberfrohna nach Waldenburg geführte Bahn. Sehr wahrscheinlich werden wir im Herbst, wenn der Landtag wieder zusammentritt, über das Bahn-Projekt Limbach-Oberfrohna-Penig Einiges zu hören bekommen." Die Rentabilität kann unseres Erachtens bei dem Projekt allein nicht ausschlaggebend sein. Die Linie nach Gößnitz gewährt einen vorteilhafteren Anschluß an das westdeutsche Eisen bahnnetz und wird sicher einen größeren Durchgangsverkehr von Ost nach West und umgekehrt herbeiführcn und zur Ent lastung der jetzigen Linien beitragen. *— Wie wir hören, wird der Colditzer Gesangverein am 23. und 24. d. den Besuch des hiesigen Gesangvereins, den er vor mehreren Jahren in Colditz abstattete, erwidern. Die Colditzer Sänger werden am 23. Abends 8 Uhr hier ein treffen und Vom hiesigen Gesangverein begrüßt werden. Bei dieser Gelegenheit ist zu Ehren der Gäste ein Sängercommers geplant. *— In der Mittagsstunde wurde heute hier in südöstlicher Himmelsrichtung ein großer Luftballon beobachtet, der an scheinend immer höher stieg und sich schließlich in den Wolken verlor. Wahrscheinlich stammt er wieder von der Luftschiffer abteilung in Dresden. *— Der Maienregen, wie er sich in diesen Tagen einge stellt hat, erfreut alle Landleute und Gärtner. Der Mai muß regenreich sein, wenn er das erhoffte Glück bringen soll. Heißt es doch überall auf dem Lande: Maienregen auf die Saaten, dann regnet es Dukaten, oder: Viel Gewitter im Mai, singt der Bauer Juchhei. Auch kühl kann der Mai sein, aber ohne Frost, denn Kühle und Abendtnu im Mai bringen Wein und vieles Heu. Auch wegen der drohenden Jnsektcngefahr eines zeitigen Frühlings ist ein nasser und kühler Mai zu wünschen, um die Entwicklung des Ungeziefers zu hindern. — Die organisierten Maurer von Zwickau und Um gebung beschlossen in einer von etwa 600 Personen besuchten Versammlung, sich dem Berliner Schiedsspruch zu unter werfen. Eine beträchtliche Minderheit stimmte dagegen bezw. enthielt sich der Abstimmung. — Der Kirche des Zwickauer Vororts Reinsdorf sind mehrere gemalte Fenster gestiftet worden, eins von ihnen zeigt das Wappen des Kirchcnpatrons Graf v. Wildenfels- Solms. Auf einem weiteren Fenster, den Gegenüber Land wirtschaft darstellend, ist die Gestalt des dortigen Superinten dent Kirchenrat O. Meyer erkennbar. — Zur Errichtung eines neuen Reichspostgebäudcs für Aue sind nunmehr Grundstücke am Ernst-Geßner-Platze da selbst längs der Schneeberger Straße endgültig angekauft worden. Der Beginn des Baues dürfte nicht lange mehr auf sich warten lassen. — Ein nationalliberaler Verein ist in Rochlitz gegründet worden. — Für den großen Unfug, der oft mit entleerten Bier flaschen getrieben wird, gab es dieser Tage in Wurzen ein Unterhaltungsteil 20) Von ihr gefühlt als in der letzten halben Stunde, es war Sie bestehen auf einem Ausdruck, den zu gebrauchen mir nie eingefallen wäre, und das ist mehr als unvernünftig von ! schlecht gewählt war, keinesfalls kann doch davon die Rede (Fortsetzung folgt.) offen mit ihr, in Wirklichkeit machte er wenig Fortschritte in ihrer Gunst, und obgleich er nicht mehr als ihre Freundschaft zu suchen wagte, so fühlte er sich durch ihre Gleichgültigkeit doch tief gedemütigt. Eines Tages gab er ihr dies zu verstehen. Er war zum daß ich niemals das Richtige tue." „Hab' ich Sie das je fühlen lasten? DaS wäre sehr un« Die Sünde. Von Leonard Merrick. (Fortsetzung.) ich mußte arbeiten — ohne Handschuhe —, wenn ich leben wollte. Wenn Sie in New-Bork oder in Melbourne gewesen Lunch in Whichcote geblieben und befand sich einige Miputen allein mit ihr im Garten. Er hatte sich nie weiter entfernt wären, Lady Helen, als ich dort lebte, so hätte ich so wenig Aussicht gehabt, Ihnen vorgestellt zu werden, wie jetzt der lernte, glaubte ich, daß es mir bis zu einem gewissen Grade gelungen sei. Sie haben mir gezeigt, wie sehr man sich selbst betrügen kann, und die Wahrheit verletzt ein wenig." Sie antwortete nicht sogleich, sondern sah schweigend und etwas bestürzt vor sich hin. Ihre Stimme klang ihm freundlicher, als sie begann: „Sie sind sehr offen gewesen — ich fühle mich geehrt, daß Sie so offen zu mir gesprochen haben — und ich will Sie nicht beleidigen, indem ich vorgebe, daß ich Ihre Worte mißverstanden habe. Sie meinen, daß Ihr jetziges Leben Ihnen noch ungewohnt ist, deswegen sind Sie, glaub' ich' geneigt, sich einzubilden, daß alle Welt sehen muß, was Sie empfinden. Ich drücke mich nicht sehr gut aus — oder viel mehr ich drücke nur einen Teil desseu aus, was ich empfinde —, aber das eine müssen Sie doch wissen, daß man nur ober flächlich beurteilt wird: selbst die Nächststehenden beurteilen uns nur oberflächlich- Unsere Bekanntschaft ist ja auch nur eine oberflächliche. Wir kommen zwar oft zusammen," fügte sie lächelnd hinzu, „aber wie Sie mir eben gesagt haben, halten Sie mich für vollkommen, für viel mustergültiger, als ich es in der Tat bin. So sind auch Ihre Schwächen Ihnen selbst viel deutlicher als Ihrer Umgebung; wenn wir nickt alle Ihre Tugenden wahrnehmen, so sehen wir auch alle Ihre Fehler nicht." „Fehler," erwiderte Maurice, „ja; aber Schwächen, das bezweifle ich! Ich muß zu unserem Ausgangspunkte zurück- kchren: ich habe Ihnen sehr wenig zu sagen!" „Ich denke, in den letzten fünf Minuten hätten Sie sehr viel zu sagen gefunden!" „Da hab' ich von mir erzählt. Ich wollte, ich hätte die Fähigkeit, über Sie zu sprechen!" „In dem Falle," sagte sie etwas förmlich, „hätten wir uns beide gelangweilt, und so war es mir sehr interessant." „Nehmen Sie mich doch ernst," bat Maurice, „Sie wissen sehr wohl, daß ich kein Wort gesagt hätte, wenn Sie mir eine Erklärung schuldig gewesen wären. Aber Sie lasten mich fühlen, daß ich nicht das Richtige tue. Eben verriet es unbewußt Ihr Blick, als Sie sich umwendeten, manchmal verrät es Ihre Stimme, wenn Sie mir antworten. Sie sind die Personifikation einer Welt, die mir noch sehr neu ist, Lady Helen, und Sie geben mir zu verstehen, daß ich mich mein Leben lang darin fremd fühlen werde." „Dann muß mein Wesen so unglückselig sein, und das tut mir aufrichtig leid," sagte sie nach einer Pause, „denn ich In Oakenhurst sah er sie natürlich oft, und die Erkennt nis, wieviel ihm ein flüchtiges Gespräch mit ihr bedeute, ja, daß sie ihn durch ihre bloße Gegenwart fesselte, wuchs mit jedem Tage. In seinen Träumen sprach er frei und höflich von mir gewesen, und ich müßte Sie um Entschuldi- ärmste Mann in London. Nun beschloß ich, alles, woran gung bitten." - jes mir gebrach, zu erwerben, und bevor ich Sie kennen Welche Idee!" Ihnen wohl nicht zu sagen, daß ich mein Leben nicht im „Welch ungeschlachte Frage, wollen Sie sagen. Das ist Salon zugebracht habe, denn das wissen Sie von selbst. es eben. Ich komme mir in Ihrer Nähe immer so unge- Ich war noch sehr jung, als ich in die Fremde ging, und schlacht vor. Bitte, mißverstehen Sie mich nicht — Sie sind ja so gütig — aber ich habe die unbehagliche Empfindung brauche Ihnen wohl nicht erst zu sagen, daß es unabsicht lich ist. Ich versichere Sie, daß ich in Wirklichkeit ein sehr ! natürliches Geschöpf bin, und daß ich mich hasten würde, wenn ich Geziertheiten an mir entdeckte." ! „Sic geziert?! Zu sein, wie Sie sind, ist Ihnen ebenso fast, als wären sie eben erst miteinander bekannt geworden, natürlich, wie zu atmen, darum komme ich Ihnen ja eben „Ich kann es nicht erklären," murmelte er endlich; er so ungeschlacht vor!" -sprach mehr zu sich als zu ihr. Ihre Augen blickten ihn in stummer Frage an. „Ich kann es nicht erklären, warum ich Ihnen so wenig Ihnen. Uebrigens weiß ich noch immer nicht, welches Un zu sagen habe. Das — das ist eine seltsame Beichte, nicht recht ich begangen habe." wahr? Nicht die Beichte eines taktvollen Mannes. Aber „Auch Sie haben einen unrichtigen Ausdruck gewählt," das macht nichts, denn Sie haben es ja ohnehin gemerkt, antwortete er. „Ob das Wort „ungeschlacht" gut oder Dürfte ich Sie wohl etwas fragen?" ! schlecht gewählt war, keinesfalls kann doch davon die Rede „Warum nicht? Was ist es?" 'fein, daß Sie an meinem Schmerze schuld tragen. Ich bin „Ich möchte Sie fragen, ob ich Ihnen unsympathisch bin?" nicht so rasch, wie ich mir einbildete — das wird's wohl „Unsympctthisch?" rief sie aus und zog die Augenbrauen sein. Wir haben alle unsere Eitelkeiten — die meinige de in die Höhe, „warum sollten Sie mir unsympathisch sein? steht darin, daß ich rasch zu lernen glaube. Ich brauche