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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage »ach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten fttr die nächster» scheinende Nummer bi»Bormittag«'/, 11 Uhr Ler «bonnemenl»vrei« beträgt aierteljSb^ Nch 1 Ml. «v Pf., monatlich »8 Pf. Win,«ln« Nrn. 10 Pf. Inserate pro Zeil» 10 Pf., für auswärt« IS Pf. Filialen: in Altstadtwaldenburg bet Herr» Otto Förster; in Lallen berg bei Hrn. Strümp Wirker Fr. Herm. Richter; in Kaufunge» d« Herrn Fr. Janaschek; in Langenchursdorf d« Herrn H. Stiegler: in Penig bei Herrn W-l» Helm Dabler; in Wolkenburg bei Herr, Herm. Wildenhain; in Ziegelheim bei Herr« Eduard Kirsten. «nd Wal-enburger Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langenleuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. M M. Mittwoch, Sen 1Ä. August MU. Stiegler, Gem.-Borst. Sammelort in der Schankwirtschaft zur Wolfsschlucht. Langenchursdorf, den lO. August 1908. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser traf am Montag in Kronberg ein und wurde von dem Prinzenpaar Friedrich Karl von Hessen und der Kronprinzessin von Griechenland empfangen. Am heutigen Dienstag findet die Zusammenkunft des Kaisers mit dem König von England statt. Die Kaiserin ist am Montag Abend nach Wilhelmshöhe abgereist, wo die Ankunft heute erfolgt. Der Kaiser ließ sich eine Skizze zu einem Bilde für das Offiziersheim in Falckenstein im Taunus vorlegen. Sie stellt Berliner Blättern zufolge eine Kostprobe des Kaisers vor einer fahrbaren Feldküche dar. Der Begegnung auf Schloß Friedrichshof am heutigen Dienstag zwischen unserm Kaiser und dem Könige Eduard von England wird politische Bedeutung zugeschrieben. Diese Meinung stützt sich auf den Umstand, daß König Eduard von dem Unterstaatssekretär im englischen Auswärtigen Amte Sir Charles Hardinge begleitet ist, und daß auch der britische Botschafter am Berliner Hofe, Sir Franc Lascelles während der Entrevue in Friedrichshof anwesend ist. Endlich wird auch dem Umstande Gewicht beigelegt, daß König Eduard offiziell und nicht wie sonst incognito durch Deutschland reist. Was den letzteren Punkt betrifft, so muß man doch bedenken, daß der König sich direkt von Friedrichshof nach Ischl be gibt, um in seiner Eigenschaft als gekröntes Oberhaupt Groß britanniens und Irlands dem Kaiser Franz Joseph die Glück wünsche zum 60jährigen Regierungsjubiläum darzubringen. Da geht es doch nicht an, daß der Monarch seine Reise in der Verkleidung zurücklegt. König Eduard, dessen Ankunft in Kronberg auf 8 Uhr 50 Minuten morgens angesetzt war, reist um 11 Uhr Abends nach Marienbad ab. Abends findet große Illumination statt. Im Schloß Friedrichshof, dem Lieblingssitze der Kaiserin Friedrich, werden, so heißt es in dem Begrüßungsartikel der „Nordd. Allg. Ztg.", am 11. d. unser Kaiser und der König von England verweilen. Diese Zusammenkunft wird eine beiden Monarchen gleich erwünschte Gelegenheit für freundschaftliche Aussprache bieten. Ein ungetrübtes Verhält nis unter den Oberhäuptern zweier so wichtiger Reiche wie Deutschland und Großbritannien wird auch von ihren Völkern gewünscht, die trotz aller Hetzversuche ihre Aufgaben für die Weltkultur in Frieden und Eintracht neben einander erfüllen wollen. Wir entbieten dem König Eduard auf deutschem Boden ehrerbietigen Willkommen und wünschen angenehme Eindrücke. Die neuerlichen Hetzversuche englischer Blätter haben im Berliner Auswärtigen Amt augenscheinlich stark verstimmt und daher ist der Willkommengruß für König Eduard etwas kühl ausgefallen. Der Staatssekretär des ge nannten Amtes v. Schön wird während der Entrevue in Friedrichshof zugegen sein. Ein Londoner Blatt gibt zu, daß dank der Hetzarbeit höchst einflußreicher englischer Politiker das Mißtrauen Englands gegen Deutschland in den letzten Monaten wieder stetig angewachsen und noch keine Besserung zu bemerken sei. In England weiß man noch nicht, wo Deutschlaud mit seinen Flottenrüstungen hinaus will. Sollte es die Annexion Hollands oder Belgiens sein (!!), so würde sich dem England und wahrscheinlich auch Frankreich aufs entschiedenste widersetzen. Die Ernennung des Regierungspräsidenten in Frankfurt a. O. v. Valentini zum Chef des kaiserlichen geheimen Zivil kabinetts an Stelle des verstorbenen Herrn v. Lucanus ist bereits erfolgt und im Reichsanzeigcr bekannt gegeben worden. Zu Ehren des Staatssekretär Dernburg veranstaltete die Einwohnerschaft von Windhuk einen großen Festkommers. Dem früheren Gouverneur und jetzigen Unterstaatssckretär v. iLindequist wurde in alter Treue ein Begrüßungstelegramm von den Bürger Windhuks nach Berlin gesandt. Die Zeppelin-Bewegung hält mit elementarer Gewalt und Begeisterung an. Der Beweise sind so viele, daß sie nicht einzeln vermerkt werden können; jedenfalls ist das Ge samtbild erfreulich. Wie die Gelder zu Millionen anschwellen, so wird auch mancher gutgemeinte Vorschlag gemacht, dem Graf Zeppelin, der dem Volke gedankt und versichert hat, daß bei dem Unglück jedermann seine Schuldigkeit getan hat, vielleicht näher treten wird. Einer dieser Vorschläge geht dahin, bei München eine Ballonhalle zu bauen. Trotzdem es dem Luftschiff gelang, so wird den „Münch. N. Nachr." von hochgeschätzter Seite geschrieben, auf festem Boden zu landen, und dieses ja auch in einer Uebernahmebedingung durch das Reich gefordert ist, wird im allgemeinen eine Landung auf dem Wasser sich immer leichter und sicherer vollziehen lasten. Da wir in unserer Nähe die herrlichen, großen Wasserflächen haben, wäre es töricht, wenn wir den Vorzug dieser Lage nicht im Interesse der Stadt ausnützen wollten, und es wird Vorwürfen kaum begegnen können, wenn wir dieses unter Aufwendung materieller Opfer tun. Das deutsche Reichskomitee zur Aufbringung einer Ehrengabe des gesamten deutschen Volkes für den Grafen Zeppelin zum Bau eines neuen Luftschiffes erhält Beitrittserklärungen aus dem gesamten Reiche. Es ersucht, dahin zu wirken, daß die sämtlichen bestehenden Organisationen, die Sammlungen für denselben Zweck unternommen haben, sich dem Reichskomitee anschließen, ihre Selbständigkeit aber bewahren und das Er trägnis an das Komitee abführen. Ein größerer Teil der sammelnden Städte, Korporationen und Vereine hat sich be reits in diesem Sinne dem Komitee angegliedert. Alle näheren Mitteilungen sind zu richten an Herrn Emil Selberg, Berlin, Alsenftr. 10. Von den neuen Reichssteuern, die im Jahre 1906 be willigt wurden, hat sich die Zigarettensteuer am besten be währt; sie brachte dem Reiche im Jahre 1907 einen Ertrag von rund 13 Millionen Mk., d. h. 1R/z Millionen mehr, als im Etat vorgesehen waren, und 2 Millionen mehr, als an Tabaksteuern eingingen. Die Brausteuer erbrachte ein schließlich der Uebergangsabgabe in den ersten drei Monaten des laufenden Rechnungsjahres 11,27 Millionen Mark, 2,55 Millionen weniger, als man erwartet hatte. Bei der Erbschaftssteuer beträgt der Etatsansatz für das laufende Jahr 42 Millionen, so daß auf ein Viertel Jahr 10,5 Millionen kommen; es gingen aber nur 4,9 Millionen ein. Auch die Personenfahrkartcnstcuer, die Tantiemen- und die Automobil- steuer blieben hinter den Erwartungen mehr oder weniger erheblich zurück. Graf Zeppelin hat nach der Katastrophe von Echter- dingcn viel Liebes und Gutes erfahren, es wird ihm jedoch kaum irgend etwas eine herzlichere Freude bereitet haben als das Telegramm des deutschen Kronprinzen, das folgen den Wortlaut hat: Melde Eurer Exzellenz, daß eine Hilfs aktion im großen Stil im Gange ist, an deren Spitze ich die Ehre habe zu stehen. Der Kaiser hat bereits eine große Summe gezeichnet. Werde, wenn irgend möglich, Sie in den nächsten Tagen besuchen. Eure Exzellenz werden auch diesen Schlag erhobenen Hauptes überstehen und am Ende den Sieg behalten. Mit vielen Grüßen Wilhelm, Kronprinz. In seiner schlichten Herzlichkeit mußt dieses Telegramm unmittelbar zum Herzen dringen. Der Reichskanzler Fürst Bülow hat das Präsidium des deutschen Reichskomitees zur Aufbringung einer Ehrengabe des gesamten deutschen Volks für den Grafen Zeppelin übernommen. Die Königin von Schweden, eine Tochter des verstorbenen Großherzogs von Baden, übersandte dem Grafen Zeppelin im eignen und im Namen des Königs Gustav ein freundliches Telegramm. Für die Nationalspeude an den Grasen Zeppelin Mittwoch, als den 12. d. M., Nachmittags 6 Uhr soll die diesjährige Obst- nutzuna des Langenchursdorf-Callenbcrger Kommunikationsweges im Einzelnen oder im Ganzen nach den Meistgebot verkauft werden. Witterungsbericht, ausgenommen am 11. August, Nachm. 3 Uhr. Barometerstand 760 ww reduziert auf den Meeresspiegel. Thermometerstand -j- 20° O. (Morgens 8 Uhr -s- 16° 6. Tiefste Nachttemperatur -s- 12» 6.) Feuchtigkeits gehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 67»/,. Taupunkt -s- 14° 6. Windrichtung: Südwest. Niederschlagsmenge in den letzten 24 Stunden bis früh 7 Uhr: 0,, ww Daher Witternngsaussichten für den 12. August: Bewölkt mit Neigung zu Niederschlägen. "Waldenburg, 11. August 1908. Die klugen Herren in London, Paris und anderen euro päischen Hauptstädten glauben auf den Unverstand der deut schen Politik sehr von oben herabblicken zu dürfen, und dabei erleben wir es in nahezu allen internationalen Fragen, daß das Deutsche Reich von vornherein das Richtige trifft, und daß die Regierungen der anderen Staaten am Ende alle auf dem von Deutschland eingenommenen Standpunkt anlangen. Diese alte Erfahrung ist durch die jüngsten Vorgänge in der Türkei und deren Begleitumstände aufs Neue in recht lehr reicher Weise illustriert worden. Zwischen Deutschland und den übrigen Signatarmächten des Berliner Vertrages, auf dem bekanntlich seit 30 Jahren die Verhältnisse in der Türkei beruhen, herrscht seit langem eine Meinungsverschiedenheit aus dem Grunde, weil England und dessen Mitläufer für alle Wirrsale im osmanischen Reiche die Türkei allein verantwortlich machen, während Deutschland Vorurteilsfrei Licht Und Schatten auf beiden Seiten wahrnimmt und sich demgemäß sein Urteil bildet. Nur gegenüber einer einseitigen und ungerechten Beurteilung hat Deutschland, um einen jetzt viel gebrauchten Ausdruck anzuwenden, der Türkei die Stange gehalten, gegen die Nachtseiten des türkischen Staatslcbens ist Deutschland nie blind gewesen. Die falsche Meinung des Auslandes über Deutschlands Stellungnahme zur Türkei trat eklatant zu Tage, als der Sultan Abdul Hamid 11. nach 31jährigem absolutistischem Interregnum die Verfassung erneuerte, die er alsbald nach seiner Thronbesteigung dem türkischen Volke gegeben hatte. Ucberall hieß es: Deutschland unterstütze nur die absoluti stische Herrschaft in der Türkei, mit ihr fiele daher auch der deutsche Einfluß im Osmanenreiche. Alle freiheitlichen Länder, zu denen in diesem Zusammenhänge auch — Rußland ge zählt wurde hätten sich über die Verfassung in der Türkei gefreut, nur'Deutschland habe seinen Aerger und seine Ent täuschung nicht verbergen können. In Wahrheit hat Deutsch land einen erheblichen Anteil an vcr Reformierung der inner- politischen Zustände der Türkei insofern, als es deren Be seitigung von der Landkarte verhinderte und mit dafür sorgte, daß die Türkei Herr im eigenen Hause blieb. Was letzt nach der Meinung unserer guten Freunde un Ausland den Unwillen Deutschlands erregt, ist recht eigentlich diesen nnt- zudanken. Und Niemand freut sich aufrichtiger aber die Wendung der Dinge im Osmanenreiche, als die deutsche Regierung. Das hat deren Organ, die „Nordd. Allg. Ztg. zum Ueberfluß in diesen Tagen auch wiederholt zum Aus druck gebracht. Die EEuschm.^ Das große englisch-rusnsche Reformprogramm für Mazedonien, das -- »'m" IMn ,.mM IM. Ä M hätte die Türkei wahrscheinlich um den RA r^ne! ^ °uf dem Balkan gebracht. Es war mcht aus reiner -lebe zu der christlichen Bevölkerung auf dem Balkan geboren und aus „Morgenduft und Sonnen- klarhett" ganz gewiß nicht gewoben. Die Sache lag vielmehr so, daß stch die „Reformmächte- das Hcrrschaftsrecht des Sultans Eignen wollten. Da kam unerwartet und Über- Nacht dm Konstitution die auf die englisch-russischen Hoff nungsblüten wie ein Rerf in der Frühlingsnacht wirkte. Nachdem in Reval alle, so schön vereinbart worden war, sahen sich die russische wie die englische Regierung mit einem Schlage zu der Erklärung gezwungen, daß sie „ach der jüng sten Wendung der Dinge die Ausführung ihres Reformpro jekts vertagen müßten. Das bedeutet nichts anderes als die Anerkennung des Rechts und der Fähigkeit der Türkei, selbst ihre eigenen Angelegenheiten regeln zu können. Und damit sind die Herren eben ans dem von Deutschland stets ver tretenen Standpunkt angelangt.