Volltext Seite (XML)
ieiligten Mächte nicht durchweg finden, so wird die Erzielung eines Sonderabkommens mit den Mächten, deren Kolonien an die dentschen Schutzgebiete angrenzen, ins Auge gefaßt werden. Eine Ausstellung für Heimarbeit, die sich aufdasrhein- mainische Gebiet beschränkt, wurde in Frankfurt a. M. er öffnet. Zum ersten Male sind einige Heimarbeiterwerkstätten im vollen Betriebe zu sehen. Der Reichskanzler Fürst Bülow nimmt in diesem Jahre nur einen kürzeren Osterurlaub, während dessen er die ihm in Baden-Baden und Homburg abgestatteten Besuche italieni scher Staatsmänner erwidern wird. Aus diesem Anlaß wird sich der Fürst nach Rom begeben, wo er sowohl mit dem Ministerpräsidenten Giolitti wie mit dem Minister des Aus wärtigen Tittoni zusammentreffen wird. Es handelt sich auch bei diesen Visiten, gerade wie gegenüber dem Minister von Aehrenthal, lediglich um schuldige Gegenbesuche und wir hoffen, daß das Ergebnis der Unterredungen in Rom ein ebenso befriedigendes sein wird, wie dasjenige in der österreichischen Hauptstadt gewesen ist. Die Erregung wegen des Börsengesetzes an der Berliner Produktenbörse hat sich so gesteigert, daß diese nach An nahme der Kompromißvota ihre Tätigkeit im Herbst ein stellen will. Im preußischen Herrenhause, das den Staatshaushalt wider Erwarten erst nach dem 1. April, dem verfassungs mäßigen Zeitpunkt, fertiggestellt hat, hat Feldmarschall Graf Häseler wieder gesprochen. Er bedauerte die Einrichtung der Truppenübungsplätze und fand, daß gerade die Plötzlich angesagten Notquartiere im Interesse der Landwirte seien, da ja in einem solchen Fall die einquartierten Truppen wenig oder nichts vom Quartierwirt zu fordern hätten. Graf Häseler machte auch auf die Gefahren aufmerksam, denen die schon mit 14 Jahren aus der Schule entlassene Jugend bis zu ihrer Dienstzeit ausgesetzt sei. Die Ueberdrückung dieser Entwicklungszeit der jungen Leute sei durch die Fortbildungs schulen, die nur Fachschulen seien, nicht erreichte Der Redner trat für eine Pflichtschule ein, in der Gegenstände wie Naturkunde, rechtliche Belehrung usw. unterrichtet werden sollen. Das Schicksal wollte es, daß am Vorabend des Geburts tages des Altreichskanzlers Bismarcks einzige Schwester, Frau Malwine v. Arnim, im mehr als 80. Lebensjahre ge storben ist. Es sind Viele Dokumente vorhanden, die für das herzliche Verhältnis zwischen Bruder und Schwester sprechen und uns den Altreichskanzler als Menschen zeigen. Die Meisten kennen ihn nur als Politiker, leider, wie man mit aufrichtigem Bedauern hinzufügen kann. Jüngst ist im preußischen Abgeordnetenhause das Studium der Briefe Bis marcks an seine Braut und Frau empfohlen worden. Auch aus diesen Briefen und ferner aus dem Briefwechsel Bis marcks mit seinen Kindern spricht wahre Herzensgüte, die uns den bedeutenden Mann näher bringt. Ehre seinem Andenken für alle Zeiten! Die Frage, ob im Kriege 1870/71 mehr bürgerliche oder mehr adelige Offiziere gefallen seien, bildet seit der Reichstagsrede des konservativen Abgeordneten von Olden- burg-Januschau nde Gegenstand öffentlicher Erörterung. Der genannte Abgeordnete hatte den Heldenmut der adeligen Offiziere und die Größe der Opfer verherrlicht, die sie an Leib und Leben gebracht. Mit vollem Recht! Aber Tat sache ist es, daß die Zahl der gefallenen bürgerlichen Offi ziere in dem genannten Kriege größer war, als die der adligen. Das hat der frühere Oberst Gädke im „B. T." ! genau nachgewiesen. Das deutsche Bürgertum aber ist stolz darauf, daß seine Söhne, soweit sie sich in Offiziersstellungen befinden, ebenso wie die Sprossen aristokratischer Familien für das Vaterland zu sterben wissen. Die Lage des Geldmarktes hat sich anscheinend ge bessert. Die Reichsbank ist zur Aprilregulierung weniger in Anspruch genommen worden. Optimisten hoffen auf eine baldige stärkere Diskontherabsetzung. Zur Boykottierung des deutschen Feldarbeiter marktes organisiert nach Wiener Zeitungen der galizische Abgeordnete Kolyszewski, der die Landwirtschaftsverhältnisse in den französischen Departements Laone und Loire studierte, Transporte galizischer Feldarbeiter nach Frankreich, die sonst nach Preußen gingen. Etwa 1000 galizische Arbeiter sind bereits nach Frankreich abgegangen. Oesterreich-Ungarn. Die Ministerkrise in Oesterreich ist dadurch in ein aktuelles Stadium getreten, daß die lange erwartete Erklärung des Justizministers Klein über die Sprachenfrage in Böhmen weder die Zustimmung der Deutschen noch die der Tschechen gefunden hat. Man hofft aber, daß sich die Krise auf den Justizminister beschränken und nicht die ganze Regierung zum Opfer fordern wird. In seiner Rede betonte der Minister gegenüber der Weigerung deutscher Richter, im deutschböh mischen Sprachgebiete tschechische Eingaben anzunehmen, daß der bestehenden Sprachenverordnung zufolge Eingaben in der landesüblichen Sprache zulässig sind, weigerten sich die Richter dagegen, so könnte er wegen deren Unabhängigkeit nicht einschreiten. Es werde aber ein Sprachengesetz mit festen Normen für die Regelung dieser Frage erlassen werden. Die Deutschen erklärten nach Ablauf der ihnen gewährten Bedenkzeit, sie könnten die Erklärungen des Justizministers nicht zur Kenntnis nehmen; die Tschechen antworteten, sie hätten nach der ministeriellen Kundgebung kein weiteres Jnter- ! esse an dem Zustandekommen des Budgets. Da die Tschechen nicht sagen, daß sie auch gegen das Budget stimmen und ihre Minister aus dem Kabinett abberufen würden, so hofft man, daß sie sich mit der Opferung des Justizministers be gnügen werden. Frankreich. Der Präsident der Republik Frankreich Fallit res, dem die Repräsentationspflichten eine schwere Bürde sind, und der sich nirgends Wohler fühlt als bei einer guten Flasche und einem von Madame Fallieres eigenhändig gebackenen Kuchen, hat sich fest entschlossen, in diesem Jahre eine Reihe Von Staatsvisiten abzustatten. Der Besuch in London beim Könige Eduard, der im Mai erfolgen soll, ist schon längere Zeit beschlossene Sache. Auch der Stockholmer Besuch ist in bestimmte Aussicht genommen. Solche Fürstenbesuche des Präsidenten der Republik würden auf das „befreundete und Verbündete" Rußland selbstverständlich einen sehr pein lichen Eindruck machen müssen. Um einen solchen zu ver hüten, hat Herr Fallieres beschlossen, noch vor dem Stock holmer Besuche seine Aufwartung in Petersburg zu machen. Daß der etwas Patriarchalisch zugeschnittene Präsident den vulkanischen Boden Rußlands nicht gerade gern betritt, ist ein offenes Geheimnis; wo aber die Staatsraison gebietet, müssen selbstverständlich alle anderen Rücksichten schweigen. Aus dem Mul-entale. ^Waldenburg, 2. April. Mehrere Mitglieder des Glau chauer Stadttheaters, das sich am 1. d. aufgelöst hat, veran stalteten gestern Abend im Schönburger Hofe einen Theater- und Vortragsabend, der sich eines leidlichen Besuches er freuen konnte. Es kamen zum Vortrag eine Anzahl Gedichte moderner Dichter teils ernsten, teils heiteren und satirischen Inhalts, sowie ein Einakter von Hans Brennet „Die Hasen pfote". Wirkungsvoll vorgetragen wurden die Gedichte „Studentenliebe" von Paul Heyse, das Hexenlied von Wilden bruch und die Wallfahrt nach Kevelaar von Heine. Im dritten heiter-satirischen Teile ragten besonders hervor „Die lieben süßen Mädeln" von Wollzogen, „Die beiden Konsuls- töchter" von Rideamus und die beiden plattdeutschen Gedichte von Fritz Reuter „Der blinne Schustergung" und „Kopp- weidag". Künstlerisch vollendet war die Darstellung des Lachens in seinen verschiedenen Affekten, dem Hohne, der Verzweiflung, des Humors, der Zufriedenheit re., das stellen weise geradezu ansteckend wirkte. Die musikalische Begleitung des Hexenliedes lag in trefflichen mW kunstgeübten Händen. * — Heute feierte Herr August Seiler hier sein 25jähriges Dienstjubiläum als Kutscher bei der Firma Heinrch Christo Härtel und wurde seitens seiner Prinzipalität beglückwünscht und reichlich beschenkt, auch das Kontor-und Arbeiterpersonal beglückwünschte und beschenkte ihn. * — In der 5. Nachmittagsstunde trat gestern noch ein zweites Gewitter mit Schneegestöber auf. Der Blitz fuhr hierbei zwei Mal in die hiesige Fernsprechanlage. Auch heute früh gab es wieder Schneiwetter, wobei die weißen Flocken lustig in der Luft herum wirbelten. Die hervorbrechende Sonne bereitete aber der verspäteten Winterherrlichkeit ein schnelles Ende. * — Falsche Reichskassenscheine zu 50, 20 und 5 Mark sind in letzter Zeit an verschiedenen Orten aufgetaucht. Die falschen Scheine tragen die Nummern 47620 und 6 99702 und sind im übrigen ziemlich plumpe Fälschungen, auf die Täuschung von gänzlich Unkundigen berechnet. Es sind Federzeichnungen, die mit roter Tinte nachgezogen sind. Leicht erkenntlich sind sie an dem Fehlen des „s" in dem Wort „Reichsschuldenverwaltung". Es wird vermutet, daß die Fälschungen von Berlin aus in Umlauf gesetzt werden. Ans dem Sachsertlan-e. — Prinzessin Mathilde, die Schwester des Königs Friedrich August, hat sich beim Reiten in der Dresdener Heide eine Quetschung der Schulter und einen Bruch des rechten Schlüssel beines zugezogen. Die Verletzung gibt zu Besorgnissen keinen Anlaß. — Die 1. Kammer beschäftigte sich am Mittwoch mit Eisenbahnangelegenheiten. Für die Herstellung zweier Lade rampen auf dem Südbahnhofe Chemnitz wurden 87,500 Mk. bewilligt. Die Petitionen der Gemeinden Wiesa und Borsten dorf um Namensänderung der betreffenden Stationen konnten für erledigt erklärt werden, da ihnen vom 1- Mai ab statt- Unterhaltungsteil. Schritte auf der Treppe. Kriminal-Novelle von Paul Weise. 26) (Fortsetzung.) „Hat sie ihn denn später nie in der Nähe und bei Hellem Licht gesehen?" „Nein, niemals — nur von fern oder stets in einem stark verdunkelten Zimmer. Aber trotzdem war auch ihr allerhand aufgefallen." „Also doch —" „Ja, znm Beispiel seine ganz veränderte Lebensweise. Sonst immer ein mäßiger Mann, hat dieser Niethardt plötzlich sich zu einem Schlemmer und Trinker entwickelt —" „Aha — vermutlich, um sein Gewissen zu betäuben! Und Doktor Hildebrand hat also wirklich den Mord mit an gesehen, er sagte — Sie könnten mir den Beweis liefern, daß er von der Veranda aus den unmittelbaren Mord habe mit ansehen können — obgleich mir das unmöglich erscheint?" Martin zog sein Notizbuch hervor und hielt es geöffnet dem Kommissar hin. Es war dieselbe kleine Zeichnung, die er gemacht, um den Doktor von der Unmöglichkeit seiner Behauptung zu überzeugen, nur zeigte jetzt eine punktierte Linie, wie es möglich gewesen war, daß er, statt der Wirk lichkeit — das Spiegelbild gesehen hatte. Ein Paar Minuten, die den Geschwistern sehr lang wurden, starrte Eckhoff auf das Notizblatt, dann warf er plötzlich mit blitzenden Augen den Kopf zurück und stieß einen leisen Pfiff aus. „Das bricht ihm den Hals!" sagte er etwas orakelhaft; denn warum gerade die Tatsache, daß Doktor Hildebrand den Mord im Spiegel mit angesehen hatte, den Mörder überführen sollte, war den Geschwistern nicht ganz klar. Indem klopfte es, und ein Polizist steckte den Kopf zur Tür herein; Eckhoff nickte ihm zu. — „Es ist gut, ich komme. Ich erwarte noch weitere Nachrichten über diese Sache —" wandte er sich dann an die Geschwister —> „ich werde gleich zurück sein." Damit verließ er eilig das Zimmer. Berger hatte sich in der ganzen Zeit etwas abseits ge halten und ziemlich unbehaglich ausgesehen, wenn Trudes Helle Augen so forschend auf seinem Gesicht ruhten. Er merkte, daß sie ihn erkannt hatte, und so entschloß er sich zu reden. „Ich muß um Entschuldigung bitten, Sie haben Grund, mir zu zürnen —" „So waren Sie wirklich der Hausierer —?" Berger verbeugte sich linkisch, sein mageres Gesicht färbte sich dunkelrot — ja, wirklich, was ihm vielleicht nicht oft passiert war — er schämte sich vor dem klaren Ausdruck dieser Augen, die ihn ein wenig verächtlich musterten. „Das ist nun mal mein Beruf —" sagte er endlich mürrisch — „als Detektiv bin ich beständig auf dem Kriegs pfade — da sind alle Mittel recht — vielleicht, wenn Sie es so auffassen wollten —?" Trude nickte ernsthaft. — „Ja, es war Wohl Ihre Pflicht, und Pflichten können manchmal unangenehm sein." Dann kain Eckhoff zurück, er schien sehr erregt zu sein. — „Ich hatte einen alten Freund Niethardts herbitten lassen, um den Kerl zu entlarven — er wußte auch Andeutungen zu machen über den vermeintlichen Niethardt — wahrschein lich ein verkommener Neffe des unglücklichen Bauunter nehmers. Und nun bekomme ich da eben die Nachricht, daß die Halunken Anstalten machen, auszuriicken — sie scheinen also doch Lunte gerochen zu haben; jetzt heißt es rasch hin, ehe sie fort sind." „Wenn wir nur nicht zu spät kommen?" „Dafür sorgen meine Leute — sie haben den Quentin, der die Droschke holen soll, instruiert — er wird nicht vor uns eintreffen." 11. Kapitel. Als die bestellte Droschke vor das Haus W . . . . straße 27 rasselte, hatte sich eben die Tür hinter mehreren Personen geschlossen, die in der Vorhalle unter der Treppe Aufstellung nahmen. Es waren Eckhoff, die Geschwister Ullrich, ein alter Herr, der sehr echauffiert aussah, und einige Polizisten. Berger war auf der Straße unmittelbar an der Haustür stehen ge blieben. Jetzt trat Quentin ins Haus und begab sich nach oben. Gleich darauf kamen sie die breite Treppe herunter. Voran Lüttge in Mantel und Hut, eine Reisetasche in der Hand, schimpfend, daß das Holen der Droschke so lange ge dauert habe. Er hatte sich so in der Gewalt, daß man ihm die Erregung wenig ansah — nur seine Augen fuhren scheu und spürend umher. Dann kam der angebliche Niethardt, gebückt — schwer fällig, genau wie cs die Art des Bauunternehmers gewesen und es seiner kaum überstandenen Krankheit entsprach. Quentin, der sich krampfhaft bemühte, ein unbefangenes Gesicht zu machen — stützte den langsam Niedcrsteigenden, er hatte seinen Arm unter den des anderen geschoben und sorglich auch noch die andere Hand darüber gelegt — man sah, der Mann war bei ihm in guten Händen. Zuletzt kam Frau Quentin mit einigen Gepäckstücken be laden, und ihrem blassen Gesichte sah man an, wie furchtbar erregt sie war. Als die Gruppe den Hausflur erreicht hatte — stutzte der vorangehende Lüttge — — ein älterer Herr trat aus dem Schatten heraus Plötzlich auf den falschen Niethardt zu. Er zog den Hut und beugte sich forschend vor: „Guten Tag — Wilhelm —" sagte er langsam und zögernd, und dann erweiterten sich seine Augen vor Entsetzen, und er wich zurück. — „Das ist nicht Niethardt!" klang seine Stimme rauh vor Aufregung laut durch die Halle. Einen Augenblick standen alle wie versteinert — dann kam Leben in die Umherstehenden! i Lüttge war mit einem Satze zur Tür hinaus und drau- ! ßen — in den Armen des Berger und des anderen Geheim polizisten, die ihn erwartet hatten. Da auch der Kutscher zusprang, war der kurze Kampf bald entschieden, und er wurde an beiden Armen festgehaltcn, in das Haus mehr ge stoßen als geführt, da er sich wütend sträubte. Der andere hatte unterdessen weniger Mühe gemacht, er hatte einen heiseren Schrei ausgestoßen und versucht, sich den Händen Quentins zu entwinden. Als aber plötzlich ein Paar Schutzleute an seiner Seite standen und Eckhoff ihm von hinlen Hut und Perücke vom Kopfe riß, sank er so völlig in sich zusammen, daß es Mühe kostete, ihn auf den Füßen zu erhalten. Er bot ein abstoßendes Bild völliger Verkommenheit; man sah, er hatte sich schon am Morgen Mut getrunken, seine Augen hatten den stieren Blick Halbberauschter. In offen barer Angst hob er beide heftig bebenden Hände, um sein Gesicht zu verbergen — aber es war schon zu spät! (Schluß folgt.)