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Weiter petitionirte der Verband um Befreiung des Kauf mannsstandes vom Alters- und Jnvaliditätsgesetze. -errer^-ki»gi»ro. Reformen bei der Artillerie sind nach dem Vorgänge Frankreichs auch in den übrigen europäischen Staaten zu erwarten. Wie nämlich das „N. W. T." von dem Kriegsministerium nahestehender Seite erfahren haben will, wird auch Oesterreich mit Rücksicht auf die neuen Herstellungen von Kanonen in Frankreich, einem Vorgehen, dem sich Deutschland nothgedrungen anzu schließen haben wird, nicht zurückstehen können. Es handelt sich für Oesterreich darum, ein Schnellfeuergeschütz von kleinem und doch nicht allzu kleinem Kaliber mit möglichst wirksamem Geschoß zu finden und dabei auch den Grundsätzen der Staatsökonomie Rechnung zu tragen. Da es sich um mehr als 2000 Geschütze handelt, ist solche Oekonomie aufs dringendste geboten. Ob Gußstahl oder Stahlbronze bei der Umformung siegreich bleiben wird, ist eine Frage, über deren Beantwortung noch keine Einigkeit erzielt worden ist; gerade dieser Umstand aber dürfte, wie in Frankreich, so auch in Oesterreich- Ungarn die Entscheidung in der Geschützfrage auf geraume Zeit hinausschieben. Frankreich. Die vom französischen Kriegsministerium geforderte und vom Kriegsrath bereits gebilligte Einführung von neuen vierten Bataillonen würde die Gesammtzahl der französischen Bataillone von 569 auf 714 erhöhen. Italien. Die „Gazette del Popolo" meldet aus Petersburg, daß die erste Landung der Russen an der Küste des Rothen Meeres nur ein Fühler gewesen sei, um die öffentliche Meinung zu prüfen. Nunmehr werde an einem anderen Punkte des Rothen Meeres eine zweite Landung unter dem Schutze von vier Kriegsschiffen mit bedeutenden Kräften erfolgen. Nutzland. Aus Petersburg kommt die Sensationsmeldung, der Czar werde sein Volk mit einem Weihnachtsgeschenk: Aufhebung der Grundsteuer und Abschreibung der Steuer rückstände, überraschen. Die Aufhebung der Grundsteuer soll so lange in Kraft bleiben, bis der Bodenertrag das frühere Niveau wieder erreicht hat. Die Vertreter der Eisenbahnen in der Tariscommission haben sich, wie aus Warschau gemeldet wird, für eine Ermäßigung der Getreidetarife ausgesprochen. Das Verlehrsministerium beschloß, eine Beschleu nigung der Fahrgeschwinoigkeit der russischen Eisen bahnen einzuführen. England. England hält sich für verrathen und verkauft und seine werthvcllsten Staatsgeheimnisse den Mächten für preis gegeben. Die fremden Regierungen besäßen, so melden Londoner Blätter, nicht nur die Einzelheiten über Pläne eiuer englischen Vertheidigung, sondern ver fügten auch über einen vollständigen Jnvasionsplan, sowie über die Kenntniß andrer Dinge, in deren Besitz sie nur auf dem Wege eines groben Vertrauensbruches gelangt sein könnten. Seitdem kein Unternehmen, und wäre cs auch noch so verschmitzt angelegt, mehr glücken will, ver- FeuiUeton. Auf irrem Pfade. Roman von Hans Dornfels. (Fortsetzung.) Sie mühte sich ab, an Margarethe, an Wolfgang und Will zu denken, aber es wollte ihr nicht gelingen. Immer von Neuem ertappte sie sich darauf, daß sie im Halbdunkel Borns scharfe, spöttische Züge wie ein Räth- sel zu entziffern suchte, und um dieses peinigende Schwei gen zu brechen, fragte sie nach seiner Mutter, welche sie noch nicht kannte, da dieselbe erst seit einigen Wochen in Plohn weilte. Born ging das Herz auf. Er erzählte von seiner in Armuth und Entbehrung verbrachten Jugend, von der unendlichen, thatkräftigen Liebe der Mutter, die eS durch eigene harte Arbeit bei dem geringen Einkommen deS Gatten doch ermöglicht hatte, ihren Kindern eine gute Erziehung zu geben, von ihrer Güte und Hülfsbereit- schast gegen Jedermann, von ihrer schlichten, ehrfurcht gebietenden Einfalt, ihrer Frömmigkeit. . . . „Sehen Sie, gnädiges Fräulein, in ihr keine Denkerin, keine sogenannte Dame, gebildete Frau ... sie versteht cs nicht, mit Messer und Gabel zu essen und ist ent schieden der Ansicht, Ostafrika, Newyork und China liegen neben einander, doch lernen Sie sie kennen, wie ich sie kenne, und sie wird Ihnen erscheinen wie sie ist: unter der schmucklosen Außenseite ein Herz von reinem Gold. Und ich hoffe auf diese Anerkennung, denn Sie haben ja selbst ein Herz." „O" . . . murmelte Hella. „Ich weiß", fuhr Born fort, „daß Sie in mir wenig Gutes vermuthen. Vielleicht haben Sie recht; so jung ich bin, das Leben hat mich doch schon arg hin- und hergeworfen, mir so manche Illusion geraubt, fast jede. Aber all mein ätzender Spott zerrinnt, sobald ich meiner Mutter liebes, treues Auge, ihr gefurchtes Antlitz sehe. . . . „Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn es fällt man in England auf die Spionenriecherei, um vielleicht auf die Art eine Gelegenheit zu finden, seinen guten Freunden und Nachbarn etwas am Zeuge zu flicken. Ein gewisses Quantum von Aerger und Billigkeit wird man dem gemüthvollen John Bull freilich zu Gute halten müssen, sind doch die Geschäfte, die er im Laufe des verflossenen Jahres gemacht hat, nicht dazu angcthan gewesen, eine rosige Laune zu erwecken. Eine Sorge jagt die andere und Mißgeschick folgt auf Mißgeschick. So nimmt jetzt wieder der Aufstand im Betschuana- land von Tag zu Tag bedrohlichere Formen an; in seiner Noth hat der Premierminister des Kaplandes die Regierung von Transvaal um Hilfe gebeten. Präsident Krüger hat zwar nicht mit Nein geantwortet, seine Zu sage aber an die Bedingung geknüpft, daß Maßregeln getroffen werden, um einer Verletzung der Grenze der Republik Transvaal vorzubeugen. Daß dies Mißtrauen Krügers auf Einflüsterungen von Spionen zurückzusühren wäre, wird man in London selbst wohl nicht behaupten wollen. Nach den neuesten Berichten sind die Auf ständischen aus ihren festen Stellungen vertrieben worden, so daß das Gesuch um Hilfe Seitens Transvaal zurück gezogen wurde. Spanier,. Trotz des Verlustes ihres verwegenen Führers Maceo und trotzdem ihnen Seitens Amerikas noch keine direkte Unterstützung zu Theil wird, haben die Insurgenten auf Cuba den Spaniern eine sehr empfindliche Nieder lage beigebracht, indem sie an der Küste von Santiago ein 2000 Mann starkes spanisches Heer besiegten und in die Flucht schlugen, wobei eine größere Anzahl von Bedeckungsmannschasten in die Hände der Aufständischen fiel. Der Verlust der Spanier an Todten und Ver wundeten soll sehr erheblich gewesen sein. Da die Situation aus den Philippinen noch zehnmal ungünstiger ist als die auf Cuba, so kann man sich ein klares Bild von den Aussichten machen, die der cubanische Feldzug den Spaniern noch bietet. Daß in der spanischen An gelegenheit von Seiten der europäischen Großmächte eine Intervention bevorstände, wie Londoner Blätter wissen wollten, wird jetzt auch ernstlich als pure Erfindung bezeichnet. Türker. Infolge des von den Mächten ausgeübten Druckes hatte sich der Sultan entschlossen, bezüglich der an dem Augustputsche in Konstantinopel betheiligt gewesenen Armeniern einen umfassenden Gnadenact zu voll ziehen. Die Wirkung des bezüglichen Erlasses ist in der ganzen Türkei eine durchaus günstige gewesen und hat eine offensichtliche Beruhigung der Gemüther herbeigeführt. Die bereits erfolgte Inangriffnahme der von den Mächten geforderten Reformen erhöht diese günstige Wirkung. Das Gefühl der Unsicherheit, das Palais und Volk erfüllte, ist im Schwinden begriffen, der Sultan und seine Umgebung athmen, wie von einem schweren Alp befreit, wieder auf. Die Ersatztruppen, welche zum Schutze deS Palais gegen etwaige Aufstände der Armenier und Jungtürken nach Konstantinopel beorvert worden waren, sind infolge dessen wieder in ihre Garnisonen zurückgeschickt worden. Nachdem so das schwer erschütterte gegenseitige Vertrauen zwischen Volk und Regierung zurückgekehrt ist, darf man sich der Hoffnung hingeben, daß es den vereinten Bemühungen der Mächte am Ende doch noch gelingen wird, wenigstens einigermaßen erträg liche Zustände auf dem Balkan herbeizuführen. Wie lange dieses Glück dauern wird, darüber freilich wird man auch der Weifen Weisesten vergeblich um Auskunft fragen. In seiner Audienz beim Sultan soll der russische Botschafter Nelidow Vorschläge für die Herstellung einer internationalen Kontrole der türkischen Finanzen gemacht und die Erklärung abgegeben haben, der Czar wolle die persönliche Sicherheit des Sultans und die Aufrechterhaltung seiner Obergewalt verbürgen. Der Sultan soll dem Botschafter erklärt haben, er wolle der letzte der Chalifen sein, aber niemals ein zweiter Chedive werden. Zur glätteren Durchführung der Reformen ist ein Ministerwcchsel in Aussicht genommen. Aus dem Muweuthale *Walde«burg, 29. December. Ihre Durchlaucht die Frau Erbprinzessin von Schönburg-Waldenburg hat mit Sr. Durchlaucht dem Fürsten Otto Victor heute Vormittag Waldenburg wieder verlassen und sich nach Schloß Lichtenstein begeben. *— In hochherziger Weise gedachte Herr Heinrich Pätzmann, Senioren-Chef der hiesigen Firma gleichen Namens, am gestrigen Tage, wie schon so oft, seiner Arbeiter, indem er neben der schon seit 8 Jahren be stehenden Invaliden- und Sparkaffe, mit einem Fonds von 40,000 Mark, eine Arbeiter-Prämie einrichtete mit folgenden Sätzen: nach 5jähriger ununterbrochener Arbeits zeit, bis zum 10. Jahre, je 10 Mk., nach 10jähriger ununterbrochener Arbeitszeit, bis zum 15. Jahre, je 15 Mk., nach 15jähriger ununterbrochener Arbeitszeit, bis zum 20. Jahre, je 20 Mk., nach länger als 20jähriger Arbeitszeit 30 Mk. Jedesmal am 2. Januar wird diese Prämie ausgezahlt. Ferner gab der verehrte Stifter noch bekannt, daß er, nach Einrichtung eines Bürger hospitals in hiesiger Stadt (Richter'sche Stiftung) seine alten, bedürftigen Arbeiter in dasselbe einzukaufen ge denke. Weiter noch will Herr Pätzmann nächsten Som mer ein fröhliches Arbeiterfest veranstalten. Die vor versammelten Arbeitern gemachten Mittheilungen wurden mit großem Danke und sichtlicher Freude ausgenommen; sie zeigen, welch' warmes Herz Herr Pätzmann für seine Arbeiter hat. Dem edlen Spender aber ein „Vergelts Gott!" *— Der hiesige Frauenverein, welcher getreu seinen Ueberlieserungen auch in dem zu Ende gehenden Jahre die Fürsorge für besonders bedürftige Arme hier und in Altwaldenburg mit Eichlaide nach Kräften sich hat angebeihen lassen, beschloß auch seine diesjährige Thätigkeit mit einer Weihnachtsbcscheerung. Dieselbe fand am 22. d. M. im Sitzungszimmer des geistlichen Gebäudes statt. Bei den von hohen Mitgliedern unsere- Fürstenhauses wieder gespendeten reiche Beiträgen und bei dem sehr günstigen Ergebnisse, welche die im Anfang des MonatS veranstaltete Haussammlung auszuweisen hatte, war cs dem Verein möglich, die stattliche Zahl hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen! . . Es ist wahrlich nicht meine Art, mich auf Bibel sprüche zu stützen, das aber ist ein herrliches Wort! Mühe und Arbeit hat diese alte Frau getragen wie wenige, und ein köstliches Loos ist ihr daraus erstanden, um das ich sic mehr beneide als jeden König um seine Krone: der Friede eines guten Herzens." Er schwieg einen Augenblick, dann sprach er mit bewegter Stimme weiter: „Sie kennen Chamiffos rührend schönes Gedicht von der alten Waschsrau. Mir ist, als spräche er von meiner Mutter: Und ich, an meinem Abend, wollte, Ich hätte, diesem Weibe gleich, Erfüllt, was ,ch erfüllen sollte In meinen Grenzen und Bereich; Ich wollt' ich hätte so gewußt, Am Kelch des Lebens mich zu laben, Und könnt' am Ende gleiche Lust An meinem Sterbehemde haben. Diese Sentimentalität hätten Sie in dem herzlosen Spötter, dem nichts heilig ist, wohl nicht vcrmuthet. Denken Sie darum nicht schlechter — ich wollte sagen bester von mir." „Warum aber geben Sic sich selbst schlimmer als Sie sind?" fragte das Mädchen nach einer Pause. „Der Sohn einer solchen Mutter, ein solcher Sohn kann kein böser Mensch sein." „Dafür galt ich Ihnen bisher?" „Sie sagen eS: bisher!" „Ich bitte, bekehren Sie sich nicht zu früh zu dieser vortheilhafteren Anschauung, meine Gnädigste! Jeder Charakter hat seine schwache Seite, einen Zug, der nicht mit dem Ensemble harmonirt und auS welchem man daher keineswegs auf das Ganze schließen darf." . . . Das war wieder der überlegene spöttische Ton, der Hella so widerwärtig berührte, doppelt unangenehm nach diesem menschlich schönen Bekenntniß seiner Sohnesliebe. Verletzt schwieg sie, bis der Wagen vor dem kleinen Jnspectorhause zu Plohn hielt. Aus der Thür hervor trat rasch ein Mann, der sie heraushob, da der zuerst ausgestiegene Born sich in schein barer Besorgniß sofort zu den dampfenden Pferden wendete. Sie hatte Mühe, Wolfgang zu erkennen. Seine Kleidung starrte vor Schmutz und Schlamm, der ihm bis in das Gesicht gespritzt war; auf der Stirn zeichnete sich eine Lage geronnenen Blutes ab. „Ich bin einige Male mit Pfeil gestürzt, aber wir kamen immer wieder glücklich auf die Beine, wir mußten ja . . . und Unkraut vergeht nicht," erklärte er mit einem mühsamen Versuche zu scherzen. „Und wie fandest Du ihre Spur?" „Frage den Hund, wie er die Fährte seine- Herrn findet und verfolgt! Ich weiß eS selbst nicht." DaS klang so rührend einfach und treuherzig, daß Hella weinend ihr Gesicht an seine Brust drückte. „Dir Lieber, Guter, Treuer ... wie ist eS möglich, Dich zu verkennen!" Er führte sie in das Haus. Ein alte Frau mit guten gefurchten Zügen und weißem Haar, auf dem ein schwarzes Häubchen saß, trat ihnen entgegen und reichte Hella die Hand, eine abzearbeitete harte Hand und doch wie weich und zärtlich wußte sic zu drücken! Einem Impulse ihres warmen Herzens folgend, preßte das Mädchen sie an ihre Lippen und hielt sie noch fest zwischen ihren Händen, als Born, der inzwischen ringe- treten war, spöttisch bemerkte: Darf ich mir die Ehre der Vorstellung geben?" „Ich kenne das liebe gnädige Fränlein ja schon längst," antwortete die alte Frau, welcher der Sarkasmus in seinen Worten entging, und sic weiter führend fuhr sie fort: wenigstens durch meinen Sohn, der mir so viel Liebes und Gute» von Ihnen erzählt, sobald er ein mal in Liebenau gewesen ist." (Fortsetzung folgt.)