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Staatssekretär Frhrn. v. Marschall und den Wirkl. Legationsrath vr. Hammann. Die Beleidigung war, wie erinnerlich, in zwei Artikeln enthalten, welche sich mit dem Breslauer Zarentoaste beschäftigten, der bekannt lich zuerst in einer unrichtigen Fassung publicirt worden war. Die Angeklagten haben behauptet, daß die Publi kation der unrichtigen Lesart von der sogen. Nebenregic- rung ausgegangen war, und hatten dabei in nicht miß- zuverstehender Weise auf den Grafen Eulenburg hinge deutet. Angeblich sollten englische Einflüße dieses Vor gehen des Grafen veranlaßt haben. Die Beleidigung gegen den Frhrn. v. Marschall wird in der wiederholt ausgestellten Behauptung der Angeklagten erblickt, sie seien durch Herrn v. Marschall und Or. Hammann zu den gegen den Grasen Eulenburg gerichteten Verleum dungen und Publikationen veranlaßt worden. Der Pro- ceß brachte zunächst nur das Verhör der Angeklagten, während dessen belangreiche neue Thatsachen nicht fefige- stellt wurden; den Gewährsmann zu nennen, welcher den Angeschuldigten die Mittheilungen über die Gründe der unrichtigen Publikation des ZarcntoasteS gemacht, wei- gern sich sowohl Leckert wie Lützow. Auf die Feststel lung des Gewährsmannes der beiden, den man in hohen Kreisen vermuthet, kommt aber gerade alles an. Als Zeugen sind auch der Reichskanzler und Frhr. v. Mar schall geladen; ersterer wird jedoch von dem Verhör ent bunden werden, da er eine schriftliche Aussage hat über- reichen laßen. Im ungarischen Abgeordnetenhause ist eine Interpella tion an die Regierung gerichtet worden, welche Auskunft verlangt, weshalb die Thronrede keinen Passus über die auswärtige Politik enthalten habe, ob der Mi nisterpräsident von dem deutsch-russischen, bis 1890 be standenen Vertrage Kenntniß hatte und ob Anzeichen vorliegen, welche auf eine Störung des Friedens schließen laßen. Besonders wünscht die Interpellation genaue Auskunft über das Verhältniß Oesterreich-Ungarns zu Deutschland nach den Hamburger Enthüllungen. Auf die beruhigenden Erklärungen des Ministerpräsidenten Banffy, daß sich in der auswärtigen Politik Oesterreich- Ungarns im Allgemeinen und besonders in Beziehung auf Deutschland in letzter Zeit absolut nichts geändert hätte, erklärte sich ein Theil der Deputirten für befrie digt, ein andrer Theil jedoch begleitete die Erklärungen de« Ministers mit Ausdrücken des Zweifels und des Mißfallens. Frankreich. Der Marineminister entwickelte vor dem Flottenaus schuß die Nothwendigkeit, für Seewehrzwecke unver weilt 200 Millionen aufzuwenden, die über sehr wenige Jahre zu vertheilen wären. Die Vorschläge erstrecken sich nicht nur auf die Schiffe, sondern auch auf die Seeartillerie und die Küstenbefestigungen. Italien. Die mit großer Spannung erwartete Antwort des Ministerpräsidenten Rudini auf die Interpellation der Deputirtenkammer über die Lage in Afrika und die Absichten der italienischen Regierung bezüglich der ery- träischen Kolonie ist nunmehr erfolgt. Die Regierung Feuilleton. Auf irrem Pfade. Roman von Hans Dornfels. (Forüetzung.) „Margarethe ist sanft und gut —" „Nur nicht am rechten Orte und nicht zur rechten Zeit!" fiel jener ein. „Verzeihen Sie, gnädiges Fräu lein, wenn ich Sic verletze, doch giebt mir Ihre Aufforde rung eben so viel ein Recht, ganz offen zu sprechen, al» die fünfundfünfzig Jahre, welche ich schon dem Hause Tieffenbach diene. Die Frau Baronin könnte meinen Herrn glücklich machen, das habe ich während der Hochzeitsreise gesehen, aber sie will eS nicht. Sagen Sie selbst: hat mein Herr je etwas unterlaßen, sich ihre Neigung zu erwerben; hat er je ausgehört, sie mit Güte zu überhäufen, selbst als sie es nicht mehr verdiente? Ist hier ein Mensch, der ihn eine« Unrecht«, einer Härte zeihen könnte?" „Nein, nein," erwiderte Hellawarm, und daß ich das anerkenne, bezweifeln Sie wohl nicht." „O, Sie sind ein gutes Mädchen; schade, daß nicht Sie unsere gnädige Frau geworden sind! Wir gehen alle für Sie durchs Feuer, wenn Sie auch jetzt mal auf einem falschen Wege sind. Laßen Sie ab, Fräulein Hella, Sie werden nur Unheil ernten ... das ist kein guter Mann, so sehr er den Weibern gefällt." Es lag etwas fo Treuherziges, aufrichtig Besorgtes und Theilnrhmendes in der Stimme de« greisen Mannes daß Hella nicht den Muth sand, ihm ob dieser schonungs losen Aufdeckung ihres HerzensgeheimnißeS zu zürnen. Sie bewegte nur, indem sie sich erröthend zur Seite wendete, die Hand wie zur Abwehr und entgegnete: „Es handelt sich jetzt nicht um mich, sondern um meine Schwester, lieber Winkler." „Allerdings, auch um die Frau Baronin!" Und dieses „Auch" wurde so nachdrücklich betont, daß sie eS ver wundert fragend wiederholte: ist nach der Erklärung des Ministers entschloßen, Ery- träa alsbald in eine bloße Handels- und Ackerbau-Kolo nie zu verwandeln, um jedwedem neuen Zwist mit Abes sinien vorzubeugen, so daß Italiens europäische Jntereßcn und Machtentfaltung endgiltig vor Störungen durch militärische und finanzielle Opfer für Afrika gesichert bleiben. Die Frage späterer völliger Aufhebung oder Abtretung bleibt offen, bis hinreichend geklärt sein wird, ob des Landes Jntereße und die öffentliche Meinung sie verlangen. Auf diese Erklärung ertheiltc das Haus der Regierung mit großer Stimmenmehrheit das Vertrauens votum. Ausgefallen ist es, daß Crispi zu den Dar legungen des Ministers schwieg. England. Der Freibeuter Jameson wird aus der Haft ent lassen werden, sobald sein Gesundheitszustand eS zuläßt. Im Ausland ruft dieser Beweis übertriebener Milde allgemein berechtigte Entrüstung hervor. Lürte». Die Lage ist unverändert unsicher. Eine Reihe von Bataillonen wurde mobilisirt, um eintretendcn Falles zum Einschreiten bereit zu sein. Gerüchte über Ab rüstungen erweisen sich als unbegründet. Aus -em Muweuthale ^Waldenburg, 3. December. In der letzten Nummer der wissenschaftlichen Beilage der „Leipziger Ztg." ist ein sehr lesenswcrther Artikel über die sächsischen Pfarrer vor dem Auftreten Luthers enthalten, in dem auf Grund der Acten des Burgarchivs Gnandstein bei Kohren die Ver hältnisse der katholischen Pfarrer besonders in unserer Gegend eingehend beleuchtet werden. Auch die bürger lichen Verhältnisse der damaligen Zeit werden hierbei in den Kreis dieser Betrachtungen gezogen. So heißt es z. B. von Penig, oer burggräflichen Residenz, daß dort das Handwerkerleben stark ausgebildet war; die Barbier stuben seien die Orte gewesen, wo sich die Pfarrer der Umgegend nicht selten trafen, die Böttcher und Schuh macher hätten in weitem Umkreise mit ihren Erzeugnissen feilgehalten, auch Fenstermacher hätten es schon frühe bewohnt. Von Waldenburg heißt es, daß die Brauer daselbst in dem üblen Rufe gestanden hätten, mehr zu vertrinken, als zu verdienen, ein Zeugniß, das nicht gerade günstig lautet. *— Das finanzielle Ergcbniß der Eisenbahnlinie Gluu- chau-Wurzen betrug im vergangenen Jahre 0,ror Proceni des Anlagekapitals. Die entsprechenden Zahlen waren 1893 0,,«z und 1894 0,i»s. Der Ertrag hat sich also nicht unwesentlich gehoben. Jngesammt verzinste sich das Anlagekapital der sächsischen Staatseisenbahnen in Höhe von 761,331,817 Mk. 70 Pf. 1895 mit 4,L.s Pro- lent gegen 4,isr Proccnt im Jahre 1894. Den höch sten Ertrag lieferte Stollberg-St. Egidien und Hohlteich- Wüstenbrand mit 9,»sr Procent und Gaschwitz-Meusel witz mit 9,isi Proeent. Am schlechtesten rentirte die Linie Weipert-Annaberg, sie erforderte einen Zuschuß von 1,«„ Procent. *— In der Zeit vor Weihnachten dürfen Tanz belustigungen an öffentlichen Orten und Privatbälle, auch wenn sie in Lokalen geschloßener Gesellschaften abge halten werden, nur bis mit 18. December stattfinden. „Auch? Wie meinen Sie das?" „Darf ich wirklich offen sprechen?" „Nur zu!" „Nun, dann bitte ich nochmals um Verzeihung, wenn ich Sie als Schwester und als junges Mädchen beleidige und wenn es Ihnen scheinen möchte, als müßte ich das allein und zuerst zu meinem Herrn sprechen. Ich habe es thun wollen, zehn, hundert Mal, doch wenn ich an setzte, dann würgte mir das Wort in der Kehle und die war wie zugeschnürt. Es ist ja mitleidiger und leichter, ihm ein Messer ins Herz zu stoßen, als ihm das zu sagen" . . . der Alte holte tief Athem und blickte fest in Hellas Augen, während er flüsternd fort- suhr: „Ihre Schwester kann meinen Herrn nicht lieben, denn sie ist bereits in einen Anderen verliebt, und das ist der Herr Jensen." Hella stand wie erstarrt, das Blut in ihren Adern schien zu EiS zu gerinnen. Krampfhaft preßte sie beide Hände gegen die Brust und dann löste sich das lähmende Entsetzen in einen gellenden Aufschrei: Das ist ja Wahnsinn, Mann!" „Das ist Wahrheit", beharrte er. „Mein liebes Kind, diese Augen haben Vieles gelernt zu sehen, was Anderen verborgen bleibt — ich wußte es am ersten Tage der Ankunft des Herrn Jensen. Cs war nicht nöthig, e« zu verrathen, denn dieser Mann ist der letzte, der sich meinem Herrn zum Feinde machte. Ihm gilt das Geld, die Freundschaft des reichen Baron» mehr als alle Weiber der Welt, und Sie wissen auch, daß sein Sinn ihn in ganz andere Richtung zieht. Da war keine Gefahr und ich durfte schweigen. . . So beruhigen Sie sich doch, liebes gnädiges Fräulein. Nun Sie es wißen, werden Sie wohl ein Mittel finden, die gnädige Frau von diesen falschen Wegen abzubringen." Er beugte sich zu Hella hernieder, welche schluchzend auf einen Stuhl gesunken war und halb besinnungslos nur „Margarethe, meine arme Margarethe, es kann ja nicht sein, es darf nicht sein!" stammelte. Maskenbälle und Costümfeste dürfen nur in der Zeit vom 7. Januar bi» mit Fastnachtsdienstag, im nächsten Jahre also bis mit 2. März abgehalten werden. An einem Sonntag oder Sonnabend dürfen derartige Ver gnügungen jedoch nicht stattfinden, und es kann nur unter besonderen Umständen geschloßenen Gesellschaften die Abhaltung eines Maskenballes an einem Sonntage von der Kreishauptmannschaft dispensationsweise erlaubt werden. Weiter sei daran erinnert, daß in der Zeit vor Ostern Tanzvcrgnügungen aller Art nur bis Sonntag Lätare, welcher im Jahre 1897 auf den 28. März fällt, stattfinden dürfen. *— Am Dienstag fanden in Altstadtwaldenburg die Ergänzungswahlen zum Gemcinderath statt. Gewählt wurden als Begüterter Herr Gutsbesitzer Ernst Riedel, als Ansässiger Herr Hausbesitzer Th. Hahn und als Un- ansässiger Herr Bahnhofsassistent Döhler. — Die Stadt Glanchau hatte Ende November 25,626 Einwohner. — Das Zwickauer Infanterie-Regiment begann am 2. d. die größeren Felddienstübungen mit dem Ulanen detachement. Aus dem Dachsenlande. — Sc. Hoheit der Herzog von Altenburg nahm am am vergangenen Sonnabend eine Besichtigung des Reichs gebäudes in Leipzig vor. Der Herzog erschien mit den Herren seiner Begleitung und wurde vom Präsidenten des Reichsgerichts, Herr v. Oehlschläger, Excellenz, sowie von Herrn Bauinspector Scharenbcrg empfangen und durch die weiten Räume geführt. Schließlich besuchte der Herzog die Wohnung des Präsidenten. — In Bautzen, wo vor einigen Wochen der Maurer Hoche seine Ehefrau mit dem Beile erschlug, hat sich schon wieder ein ähnlicher Fall ereignet, indem am Sonnabend Abend der von seiner Ehefrau getrennt lebende Zimmermann K. auf seine Wirthin, die Wittwe M., mit welcher er in intimem Verkehr stand, aus einem Revolver zwei Schüsse abfcuerte und sich dann mit einem dritten Schuß in den Kopf selbst schwer verwundete. Die Wittwe blieb unverletzt. K. wurde im städtischen Krankcnhause untergebracht. — In Meerane betheiligten sich bei der diesjähri gen Stadtverordnetenwahl von 2025 stimmberechtigten Bürgern 1328. Von den vom städtischen und Bürger- vercin vorgeschlagenen 10 Candidaten wurden 8 ge wählt, 2 gehörten einer anderen Liste an. — In Hohenstein ist die Maul- und Klauenseuche erloschen. — In Dübe N wurde der Stuhl- und Möbelhänd ler Carl Hofmann wegen Wechselfälschung verhaftet, nachdem er den Verdacht dadurch aus sich gelenkt hatte, daß er beim Einkauf von Waaren einen Wechsel in Zahlung geben und den Restbetrag in Baar ausgezahlt haben wollte. In Leipzig angcstellte Nachforschungen nach dem angeblichen Acceptanten des Papiers ergaben, daß derselbe gar nicht existirte. Inzwischen hat sich her ausgestellt, daß Hofmann eine ganze Anzahl Wechsel in den Verkehr gebracht hat, die sich sämmtlich als gefälscht erweisen. Winkler sprach ihr in treuherziger Weise Trost zu. Es war ihm ja selbst schwer genug gefallen, das an scheinend Unmögliche als Thatsache hinnehmen zu müssen . . . es konnte ja Alles wieder gut werden, wenn nur die gnädige Frau ihr Fehlen einsah. „Nein, nein, Winkler, Sie müssen sich täuschen", wiederholte Hella, sich emporrichtend, noch einmal. „Sic wißen nicht, wie Will neben uns aufgewachsen ist, wie er unS den Bruder, die Freundinnen und Spielgefährten ersetzt, gleichsam ein Stück unseres eigenen Lebens wurde. Wir können nicht an das Vaterhaus und die Jugend zurückdenken, ohne uns auch seiner brüderlichen Anhäng lichkeit zu erinnern; jeder Tag der Vergangenheit zeigt unS sein Bild, seine fröhliche Geselligkeit, sein ganze» liebenswerthes Wesen." „Und seine schönen Locken, mit denen er alle Frauen zimmer sängt", knurrte Winkler. „Daß sich Herr Jensen gut anzuzichen und schön zu frisiren und noch beßer zu schwatzen weiß, bezweifle ich nicht. Mich dauert nur mein armer Herr, der doch wahrhaftig dem Herzen und Charakter nach tausendmal mehr gilt, ohne daß man e« an erkannt, gerade Diejenigen am wenigsten, denen die erste Verpflichtung obliegt. Sagen Sie, gnädige« Fräulein, die Sw ja noch am besten ihn verstehen und am meisten ihm Gerechtigkeit zu Theil werden laßen, auch Sie würden kaum einen Augenblick schwanken, wenn Sie zwischen ihm und Herrn Jensen zu wählen hätten, ob wohl Sie nachgerade sich überzeugt haben müßten, wie viel Ehrlichkeit hinter diesen glatten Worten steckt." Die Röthe der Beschämung schoß in Hella» Wangen; sie preßte stumm die Lippen aufeinander. Winkler, der bisher in der Weise eines vetrauten Hausfreundes gesprochen, trat wieder an die Thür zu rück und fuhr, in Ton und Haltung der sich seiner Stellung bewußte Diener, fort: „Haben gnädiges Fräu lein noch Befehle?" „Warten Sie, ich muß Sie noch um eins fragen," erwiderte Hella zögernd. (Fortsetzung folgt.)