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wird, darf man jetzt schon bezweifeln. Das Interesse an der Frauensache erlahmt infolge des endlosen Con- gresscs eher als daß es gefördert würde. Der ostpreußische landwirthschaftliche Centralverein hat einen Antrag angenommen, nach dem der Erlaß eines Einfuhrverbots für russisches Geflügel geboten er scheine, mindestens für die Zeit, bis die Natur der Ge flügelpest wissenschaftlich erforscht und Mittel zu ihrer Bekämpfung festgestellt seien. Wie den „Lpz. N. Nachr." von bestunterrichteter Seite mitgetheilt wird, dürste General v. Hahnke nur noch kurze Zeit an der Spitze des Militärkabinets blei ben. Als sein Nachfolger ist General v. Winterfeldt ausersehen. Der Rücktritt des Generals v. Hahnke dürfte jedoch keineswegs als ein Zeichen der Kaiserlichen Un gnade aufzufassen sein, vielmehr darf man mit der Wahr scheinlichkeit rechnen, daß er für eine sehr bedeutende, autoritative Stellung ausersehen ist. In dem bereits erwähnten Artikel der „Hamb. Nachr.", der sich mit der englischen Politik in der Orientfrage beschäftigt, bemerkt das Blatt bezüglich der Behand lung der armenischen Frage durch die Groß mächte: „Wir würden es für richtig halten, wenn zu gleich eine internationale Untersuchungscommission zu dem Zwecke eingesetzt würde, die eigentlichen Urheber der Greueln zu ermitteln und zur Bcrantwortung zu ziehen. Der weitere Verlauf der Dinge hat nur in der An nahme bestärken können, daß die Schuld sehr viel weniger auf türkischer als auf armenisch-englischer Seite liegt, und daß di« von London aus dirigirten Umtriebe eine erheblich größere Gefahr für die gesammte christliche Be völkerung des osmanischen Reiches und für die Erhal tung des Friedens bilden als die Säumigkeit der Pforte bezüglich der Reformen und die türkische Bedrückung der Armenier. Es handelt sich hier um eine europäische Calamität, an deren Abstellung die Mächte, mit Aus nahme von England, alle interessirt sind. Blutbäder, wie das in Konstantinopel befürchtete, können nur vorkommen, wenn von Außen her gehetzt und dadurch der mohamedanische Fanatismus entfacht wird. Es muß zur Beseitigung der Ge fahr den Hetzern das Handwerk gelegt werden, sonst bleiben all« Besprechungen und Vorstellungen der Mächte erfolglos. Sehr bezeichnend für die wahre Sachlage in Bezug auf die Armenier ist die Meldung der türkischen Blätter, wonach 130,000 Armenier der 32 Kirchenbezirke Konstantinopels dem Großvezier eine Adresse überreicht hätten, in welcher sie ihrer treuen Ergebenheit für die Regierung und den Dank für die unzähligen Gnadenbeweise, sowie für die Gerechtigkeit des Sultans Ausdruck geben. Wenn das Gros der Armenier mit seinem Loose zufrieden ist, er scheinen die Zettelungen der englisch-armenischen Revolu- tions-ComitHs um so verwerflicher und die Parteinahme deutscher Idealisten sür diese Bestrebungen ist um so ver blendeter. Wenn nichts Anderes, so sollte die Haltung der Anarchisten die deutschen Doctrinäre und Philan- tropen belehren, auf welchem bedenklichen Wege sie sich befinden." Bei den am Donnerstag in Berlin stattgehabten Er gänzungswahlen zum Berliner Gewerbegericht wurden in die Klaffe der Arbeitnehmer ausschließlich Socialdemokraten, in die Klaffe der Arbeitgeber 7 Social demokraten gewählt. Unter den 210 Arbeitgeber-Bei sitzern befinden sich jetzt 21 Socialdemokraten, und das Gewerbegericht setzt sich aus 231 Socialdemokratcn und 189 Mitgliedern bürgerlicher Parteien zusammen. Die selbständige polnische Socialistenpartei hält zu Weihnachten in Berlin ihren 3. Parteitag ab. Der Parteitag der deutschen Socialdemokratie in Gotha wird von den polnischen Socialisten nicht beschickt weroen. Bei den Wahlen zum Gothaer Landtage haben die Socialdemokraten eine Reihe von Wahlsiegen erfochten, sodaß die Zahl der socialistischen Mandate auf 9 unter 19 steigen dürfte. SOesterreick-Urrgsru. Die Festvorbereitungen für die Eröffnung des eisernen Thores werden mit großem Eifer betrieben. Frankreich. Zum Zarenbesuch wird aus Paris berichtet: Es wird angenommen, daß die Präsidenten des Senats und der Deputirtenkammer den Präsidenten Faure nach Cherbourg zum Empfang des Zaren begleiten werden. Sämmtliche Deputaten und Senatoren werden zu den Festlichkeiten und den Empfängen in Versailles, sowie zu den Galavorstellungen in den hiesigen Theatern gela den werden. Wahrscheinlich wird der Zar die Senatoren und Deputirten im Palais Bourbon empfangen. Dem Vernehmen nach hat der Kaiser den Wunsch geäußert, auch den Kardinal Richard zu empfangen. Der Kredit, den die Regierung zur Bestreitung der Kosten der Zaren- seste verlangt, beträgt 5 Millionen; außerdem verausgabt die Stadt Paris 1'/» Mill. Fr. England. Gladstone steht zwar nicht mehr in der Regierung und hat bei seinem hohen Alter auch keine Aussicht mehr, eine leitende Stelle zu bekleiden; dennoch ist er in England kein todter Mann, sondern genießt dort ein ähnliches Ansehen, wie in Deutschland der Fürst Bis marck. Seine Meinungen und Rathschläge besitzen daher noch immer ein nicht zu unterschätzendes Gewicht. In einer zu Liverpool gehaltenen mehr als einstündigen Rede erklärte der ehemalige Ministerpräsident nun, England solle seine diplomatischen Beziehungen zur Türkei völlig abbrechen, seinen Botschafter in Konstantinopel abberufen und den türkischen Botschafter in London nach Hause schicken. Gladstone drückte weiter die Hoffnung aus, England werde nicht gezwungen sein, allein zu handeln; sollten die übrigen Mächte die türkische Frage aber in Permanenz erklären und keine Mittel ergreifen, um ihre alsbaldige Lösung herbeizuführen, dann habe England nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, allein zu handeln. Endlich gab der greise Exminister seiner Ueberzeugung dahin Ausdruck, daß kein Land den Krieg beginnen werde, um die Fortsetzung der Metzeleien zu sichern. Die Ausführungen Gladstones finden selbst an der Themse nur recht gethcilten Beifall. Zum großen Theil mag das wohl daran liegen, daß man erst ab warten will, was der Zar sagt, ehe man zu der türki schen Angelegenheit aufs Neue das Wort ergreift. Die der Regierung nahe stehende „Times" erklärt, daß kein besonnener Politiker Gladstons Pläne acceptiren könne, da es ein gefährliches Experimint sei, englischerseits mit dem Kriege zu drohen, während es weltbekannt sei, daß England selbst in dem Falle, daß ein Krieg um die Türkei entbrennen sollte, neutral bleiben würde. Andere Blätter begrüßen die Vorschläge Gladstones als die allein Erfolg verheißenden. Zöge sich England durch Abbe rufung seines Botschafters officiell von der Türkei zurück, so fielen alle Zwischenfälle und Grausamkeiten, die sich jetzt und künftig ereignen könnten, ausschließlich den übrigen Mächten zur Last. Da England dasjenige Land ist, daS die Theilung der Türkei am sehnlichsten wünscht und auf dieses Ziel unverwandt hinarbeitet, so verdienen die geschilderten Vorgänge volles Interesse. Klarer^wird die Stellungnahme Englands zur türkischen Frage aber erst zu Tage treten, wenn Lord Salisbury den unzwei deutigen Bescheid des Zaren erhalten haben wird. Vom Aufenthalt des Zarenpaares in Schottland wird aus Balmoral berichtet: Der Kaiser von Rußland erledigte während des Donnerstag vormittags Regierungs geschäfte und machte nachmittags mit der Königin Victoria und seiner Gemahlin eine Spazierfahrt. Türkei. Die Bombenfunde häufen sich, wodurch sowohl die Erbitterung unter den Türken, als die Erregung beiden Armeniern erhöht wird. Ob die gefundenen und im Waffenarsenal ausgestellten Bomben sämmtlich in der That armenischen Ursprungs sind, darf man billig be zweifeln. Es würde der türkischen Polizei jedenfalls nicht unähnlich sehen, wenn sie Bombensunde fingirte, um eine neue Züchtigung der Armenier ins Werk zu setzen. Der Umstand jedoch, ob die Bomben echt oder unterge schoben sind, ist sür die Thatsache von geringfügiger Be deutung, daß Vie Spannung in Konstantinopel einen so hohen Grad erreicht, daß eine Explosion unvermeid lich erscheint. Die Mächte sind jedenfalls von dieser Ueberzeugung durchdrungen, worauf die Eile hindeutet, mit welcher eine jede ihre Mittelmeergeschwader verstärkt. Die russische Schwarze Meer-Flotte kreuzt unmittelbar vor der Mündung des Bosporus, von der sie in wenigen Stunden vor Konstantinopel Aufstellung nehmen kann. Daß die Geschwader der übrigen Mächte gleichfalls Ver stärkung erhalten haben, ist bekannt. Brieftauben unter halten den Verkehr der russischen Schiffe mit der russi schen Botschaft in Konstantinopel. Die russische „Nowoj. Wremj." verbreitet das Gerücht, die deutsche Botschaft in Konstantinopel hätte während der dortigen Straßenmetzeleien ein auffälliges Ver halten gezeigt. Während all« übrigen Botschaften den flüchtenden Armeniern eine Zufluchtsstätte gewährt hätten, hätte die deutsche Botschaft ihre Thore verriegelt, obwohl unmittelbar vor ihren Fenstern die schauderhaftesten Arme niermorde stattgefunden hätten. Die Nachricht des rus sischen Blattes beruht auf einem offenbaren Mißverständ- niß, wenn sie nicht einer böswilligen Tendenz entstammt. lieber den grenzenlosen Argwohn des Sultans werden verschiedene Stückchen erzählt, die aber wohl kaum auf Wahrheit beruhen dürften. Sein Vertrauter, der Scheck ul Islam, soll gefangen gesetzt worden sein, auch andere hohe Würdenträger haben den Verdacht und die Ungnade des Sultans auf sich gelenkt, der nach Ent deckung eines unterirdischen Ganges nach dem Aildiz- Kiosk in jedem Menschen einen Verräther oder Mörder erblickt. Aus Konstantinopel wird Folgendes gemeldet: Zwanzig revolutionäre Armenier überfielen nachts die Bevölkerung von Fozad und tödteten mehrere Türken, worauf sie von dem Militär und der Bevölkerung zurückgeschlagen wurden. Der Präfekt von Kost antinopel erhielt von armenischen Spionen die Nachricht, daß die armenischen Revolutionäre demnächst die Stadt an allen Enden auf einmal in Brand setzen wollten. Der Präfekt befahl, die Militärfeuerwehr verdoppeln, die Civilscuerwehr zu be waffnen, und gab den Nachtwächtern Befehl, im Falle des Ausbruchs von Bränden den Feueralarm zu Unter lasten, um die Bevölkerung nicht zu ängstigen. Ein Ge rücht, daß 35 Studenten der Militärschule von Pancaldi wegen jungtürkischer Umtriebe hingerichtet worden seien, wird offiziell als erfunden bezeichnet. Afrika. In der südafrikanischen Republik Transvaal machen sich seit einiger Zeit wieder Umtriebe der Genosten von Cecil Rhodes bemerklich. Es wurde deshalb vom Volks raad ein Gesetz angenommen, welches die Ausweisung von gefährlichen oder lästigen Fremden gestattet. DaS Gesetz findet in der Bevölkerung allgemeine Billigung. Aus dem Muldenttzale "Waldenburg, 26. September. Der freundlichen Einladung und Erinnerung zur rechtzeitigen Erneuerung des Zeitungs-Abonnements sind wohl einige Worte zweck gemäß hinzuzufügen. Ist das letzte Quartal des Jahres stets und ständig dasjenige, welches den Zeitungen die meisten Leser zuführt, weil von ihm mit Recht zu sagen ist, daß in ihm am meisten „los" ist, so gilt der letztere Grund für den bevorstehenden, mit dem ersten October beginnenden Abonnementsabschnitt doch noch in ganz be sonderem Maße. Interessante Ereignisse stehen diesmal in besonders reicher Fülle in Aussicht. Die Rundreise des Zaren und der Zarin von Rußland wird in der ersten Octoberwoche in Paris eine neue Station finden und einen Festtrubel zeitigen, wie ihn Europa wohl kaum je zuvor gesehen hat. Wir Deutschen können ja Dem, was bevorsteht, mit dem leisen Lächeln der Ironie zu schauen, wir wissen, warum die Franzosen sich so an strengen, wir wissen aber auch, daß sie ganz gewiß nicht so leicht dahin gelangen werden, die Früchte ihrer An strengungen zu ernten. Dazu sind wir denn doch stramm auf dem Posten, und der Sang von der Wacht am Rhein ist kein verklungener Klang! Was in Konstanti nopel noch Alles werden wird, kann nur die Zukunft lehren. Möglich ist reichlich Alles, wenn wir ja auch freudige Hoffnung haben dürfen, daß der Spektakel dort unten uns nicht unseren europäischen Frieden beeinträch tigen wird. Aber ganz abgesehen von diesen Dingen der allgemeinen Politik haben wir reichen Anlaß, den bevorstehenden, schon im November wieder aufzunehmen den Verhandlungen des deutschen Reichstages mit ge spanntester Aufmerksamkeit entgegenzusehen. Die Reform der Militärstrafprozeßordnung im Deutschen Reiche ist eine recht kitzliche Sache, die leichter sich zum Stein des An stoßes ausbilden kann, als manches Andere. Wir haben dann die zu erwartende große Flottenvorlage, socialpoli tische, gewerbliche und landwirthschaftliche Reformen, alles Fragen, die unser allerhöchstes Interesse stets in Anspruch nehmen, ferner die Sache der Zinsenrcduction rc. * — Zur Unterstützung der Kirchencollecte, welche morgen Sonntag, den 27. d., zum Besten der Erbau ung der Kirche in Lichtensee bei Großenhain eingesammelt werden soll, macht das Evangelisch-Lutherische Landes- consistorium in Dresden solgendes bekannt: „Die kleine Kirchgemeinde Lichtensee in der Ephorie Großenhain, Tochtergemeinde von Streumen, sieht sich durch die voll ständige Baufälligkeit ihrer sehr alten Kirche gezwungen, einen Neubau vorzunehmen. Den Kirchthum, der noch fest steht, auch architektonischen Werth hat, will sie er- halten, einmal um der Kostenersparniß willen, besonders aber deshalb, weil dieser Thurm in seiner Geschichte für die Gemeinde ein Stück göttlichen Segens verkörperte. Der Anbau eines neuen KirchhausiS an den Thurm wird bei einfachster Bauweise voraussichtlich etwa 30,000 Mk. kosten. Die Summe vermag die nur 485 Seelen zählende und darunter nur 263 beitragspflichtige Per sonen umfassende Gemeinde allein nicht aufzubringen. Sie besteht zu zwei Dritttheilen aus Arbeiterfamilien, hat schon an Schulden sür andere Gemeindezwecke zu tragen, sieht ihre Steuerlast fortwährend wachsen, ihre Steuerkraft aber abnehmen. Denn vom Grundbesitze im Gemeindebezirk wird immer mehr für Militärzwecke auf gekauft, sür welche in dortiger Gegend weite Strecken gebraucht werden. Die Verkäufer pflegen dann ihre geringen Restgüter an kleine Leute zu veräußern und selbst den Ort zu verlasten, der auf diese Weise immer mehr an Steucrkrast einbüßt. Die arme Gemeinde bit tet deshalb um die brüderliche Hilse der übrigen Kirchen gemeinden des Landes dazu, daß unter ihr der Bewah rung des höchsten Gutes, des theuren Evangelii von Jesu Christo, wieder eine würdige Stätte bereitet werde." * — Im Herzogthum Altenburg finden di« dies jährigen Landtirmsen am 15. und 16. November statt. * — Im Auftrage der Ministerien des Innern und der Finanzen wird auch in diesem Jahre in der König lichen Forstakademie zu Tharandt ein Lehrcursus für künstliche Fischzucht (vorzugsweise Forellenzucht) durch den Professor Or. Nitsche abgehalten werden. Derselbe be ginnt Donnerstag, den 12. November nachmittags 5 Uhr. Der Cursus wird wie früher aus Vorlesungen und praktischen Uebungen bestehen und Jedermann un entgeltlich gegen einfache Einzeichnung des Namens in die an Ort und Stelle ausliegende Liste zugänglich sein, i * — Die Aussichten für die Kartoffelernte sind viele Jahre hindurch nicht so ungünstig gewesen wie Heuer, und wer in diesem Jahre nur einigermaßen mehlreiche Kartoffeln für den Winter in den Keller be kommt, der hat von Glück zu sagen. Sogar in den leichteren Böden klagt man über Qualität und dazu gesellt sich strichweise noch der Umstand, daß auch die Quantität zu wünschen übrig läßt. Die Knollenfrucht t