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tereffe, sondern vor Allem von entscheidender Bedeutung für die Pläne über die Erschließung des Schutzgebiets seitens der Gesellschaften. Von der 49. Hauptversammlung des Gustav Adolph- Vereins zu Dessau wird berichtet, daß die große Liebes gabe im Betrage von 19,000 Mk. der Gemeinde Steyr in Oberösterreich zugewandt wurde; die beiden Gemeinden Heddernheim und Kotusch erhielten je 7000 Mk. Auf ein an den Kaiser gerichtetes Huldigungstelegramm ist folgende Antwort des Kabinetsrathes v. Lucanus einge gangen: Der Kaiser hat sich über die telegraphische Be grüßung herzlich gefreut und wünscht der treuen Arbeit des Vereins auch ferner des Allmächtigen Schutz und reichsten Segen. Infolge der Unruhen in der Türkei haben die 4 deut schen Schulfregatten „Moltke", „Gneisenau", „Stein" und „Stosch" Befehl erhalten, die Wintermonate über sämmtlich im Mittelmeer zu kreuzen, und zwar vor allem im östlichen Theile. Die Fregatten werden zu diesem Zweck bereits gegen Ende des laufenden Monats Kiel verlaffen. Es häufen sich die Anzeichen dafür, daß das entdeckte weitverzweigtsanarchistischeComplott thatsächlich gegen den Zaren gerichtet war. Es ist begreiflich, daß die französische Presse gegen diese Deutung protestirt; außer halb derselben wird über den wahren Sachverhalt nirgends mehr ein Zweifel gelassen. Ein hoher Polizeibeamter hat in Antwerpen Untersuchungen darüber vorgenommen, ob der Bombenfund mit einem Attentat aus den Zaren in Verbindung stehe. Das Resultat seiner Untersuchung wird natürlich nicht publicirt werden. Von den deut schen Zeitungen läßt außer den socialdemokratischen Or ganen keine einzige einen Zweifel darüber, daß das ge plante Bombenattentat gegen den Zaren gerichtet gewesen ist. Da mehrere der Verschwörer noch nicht dingfest ge macht und eine größere Anzahl Bomben bisher nicht hat aufgesunden werden können, so ist man wegen der näch sten Zukunft nicht ohne Sorge. Die „Kreuz-Ztg." schließt einen dem Complott gewidmeten Artikel mit den Worten: Die Entdeckung des nihilistischen Complotts vervollständigt die beklagenswerthen Ereignisse, von denen die Rundfahrt des Zaren, der bei seiner Ankunft in Wien die Nach richt von den Konstantinopeler Metzeleien erhielt und auf seiner Rückreise von dort den Fürsten Lobanow durch den Tod verlor, begleitet war, in einer bedauerlichen Weise. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht einen Kaiserlichen Erlaß, betr. die Aufnahme einer Anleihe von ins- gesammt 70,018,952 Mark auf Grund der Gesetze vom 16. März 1893, 29. März 1895 und 29. März 1896, betr. Ausnahme von Anleihen für die Zwecke der Ver waltungen des Reichsheeres, der Marine und der Reichs eisenbahnen, die sich nach Abzug von 13 Millionen, welche zur Verminderung der Reichsschuld aus Zoll- und Tabaksteuerüberschüffen zur Verfügung gestellt waren, auf 57,018,952 Mk. beziffert. Die Verzinsung wird eine Zprocentige sein, die Zinstermine sind die üblichen. In Vertretung des Reichskanzlers ist der Erlaß vom Grafen v. Pofadowsky gegengezeichnet. In der nationalliberalen Partei scheint sich in der That eine Spaltung zu vollziehen. Die wider- streitenden Elemente der großkapitalistischen Börsenvertreter beginnen mehr und mehr sich auf den Standpunkt des „Entweder-Oder" zu stellen. Eine Vertrauensmänner versammlung in Dirschau faßte den Entschluß, daß es den parlamentarischen Vertretern der Partei zur Pflicht gemacht werde, Anträge und Interpellationen im Reichs tage und Landtage nur nach vorauszegangener ausdrück licher Genehmigung ihrer Fraction einzubringen; aus der wirthschaftlichen Vereinigung des Reichstages aus zutreten; die eine Tendenz verfolgen, wie der Antrag Kanitz, zurückzuweisen und die deutsche Goldwährung zu schützen. Im „Berl. Tgbl.", „Berl. Börs.-Cour." und anderen Blättern dieser Richtung wird neuerdings Stimmung ge macht für den Oberpräsidenten von Schlesien, Fürsten Hatzfeldt, als präsumtiven Nachfolger des Reichs kanzlers Fürsten Hohenlohe. Es wird versichert, Kai ser Wilhelm habe den genannten hohen Beamten während seines Aufenthalts in Breslau wiederholt sondirt, ob er geneigt sei, das Kanzleramt zu übernehmen, und Hatzfeldt habe sich genergt gezeigt, den Kaiserlichen Wünschen zu willfahren. Daß Fürst Hatzfeldt, so lassen sich hier zu die „L. N. N." aus Berlin berichten, zu den Männern zu rechnen ist, die bei einer Neubesetzung des höchsten Amts im Reiche ernstlich in Frage kommen, haben wir bereits mitgetheilt, als wir über die Vorgänge in Wil helmshöhe unsere jetzt allseitig als zutreffend anerkannten Darlegungen brachten; daß er der Linken äußerst er wünscht wäre, steht außer Frage. Gilt doch Fürst Hatzfeldt, der übrigens eine der Hauptstützen des Cap rivismus in jeder Beziehung war, als ein Politiker, der namentlich in socialpolitischen Sachen nicht die Oppo sition des Herrn v. Stumm und in wirthschaftlichen Fragen und in Börsenangelegenheiten die Opposition des „Berl. Tgbl." und des „Börs.-Cour." kaum zu befürchten hätte. Wenn diese Blätter scheinbar Bedenken äußern gegen seine Kandidatur, so ist dies ein ziemlich durchsichtiges Scheinmanöver, gerichtet gegen die bekannte Thatsache, daß die Aussichten jedes Candidaten sich genau in demselben Verhältniß verringern, wie die Er örterung sich mit ihnen beschäftigt. Wenn nämlich auf der einen Seite versichert wird, Fürst Hatzfeldt fühle selbst nicht die „durchaus nothwendige, harte Energie", die das Amt verlange, so übersieht man, daß dieses Requisit bei der Entlassung des Fürsten Bismarck überhaupt nicht vorhanden war, und daß ein Mann von „harter Energie" unter den heutigen Verhältnissen zu Allem, nur nicht zu einem ministeriellen Amte paßt. Eben erst hat das Schicksal des Herrn v. Bronsart und die Ernennung des Generals v. Goßler diese Erfahrung von Neuem bewiesen. Wenn ferner darauf hingewiesen wird, daß Fürst Hatzfeldt auf auswärtigem Gebiete ein Iiomo novus sei, so ist auch das ein höchst scherzhafter Einwand. Herr v. Caprivi war nicht nur auf auswär tigem, sondern auch auf innerpolitischem Gebiete ein domo novu8 und wurde doch der Nachfolger des Für sten Bismarck. Warum sollte Fürst Hatzfeldt nicht der Nachfolger des Fürsten Hohenlohe werden? Und haben nicht die letzten Jahre zahllose ähnliche Erscheinungen gezeigt? Fürst Hatzfeldt selbst wurde ja Oberpräsident, ohne jemals Beamter gewesen zu sein. Frankreich. Trotz der Entdeckung der anarchistischen Umtriebe wird der Zar Paris besuchen und auch den Grundstein zu der Weltausstellung von 1900 legen. Da der Zustand seines Bruders, des gegenwärtigen Thronfolgers, Zare witsch Georg, sich verschlimmert hat, so könnte möglicher weise mit Rücksicht auf diese betrübende Thatsache eine Aenderung des Reiseprogramms erfolgen. England. Die antitürkische Bewegung hält in England an. Eine demnächst stattfindende Versammlung, deren Vorsitz dem Prinzen von Wales angetragen ist, wird eine große Kundgebung gegen die türkische Mißwirthschaft veröffent lichen und die Mächte zum Einschreiten auffordern, lieber die Forderung der Enthebung Abdul Hamids vom Sul tanat verlautet neuerdings nichts Bemerkenswerthes. Der Premierminister Lord Salisbury hatte mit den Botschaftern eine längere Conferenz über die orientalischen Angelegenheiten. Von beabsichtigten neuen Maßnahmen ist jedoch nichts bekannt geworden. Rußland. Das Befinden des Grafen Schuwalow wird als be friedigend bezeichnet, die Besserung schreitet stetig fort, so daß der Kranke bereits auf Stunden das Bett verlaffen kann. In gewissen Kreisen rechnet man darauf, daß der Graf der Nachfolger des Fürsten Lobanow wird, falls sein Gesundheitszustand die Ernennung nur irgend thun- lich erscheinen lassen sollte. In der russischen Presse ist bezüglich der Konstanti nopeler Unruhen der Vorschlag erörtert worden, Ruß land solle dem Sultan seine europäischen und asia tischen Besitzungen gewährleisten und dafür die Dardanellen erhalten. Es darf nicht Wunder neh men, daß man in Paris diesem Vorschläge beipflichtet. „Gaulois" befürwortet die Idee, die Türkei unter rus sisches Protectorat zu stellen, wobei Rußland die übrigen Mächte jedoch nur vertreten und das Protectorat nicht auf eigene Rechnung ausüben solle. Türker. Konstantinopel steht unter dem Zeichen der allge meinen Panik. Das geringfügigste Ereigniß setzt die Bevölkerung in wildeste Aufregung. Ein aus Versehen losgegangner Schuß einer Patrouille am Quai verur sachte eine unglaubliche Scene. Die Panik wurde zwar durch einen schnell herbeigezogenen Truppencordon auf den Quai beschränkt, jedoch kamen hierbei mindestens 50 Personen, die von der rasend laufenden Menge ins Gol dene Horn gestoßen wurden, ums Leben. An einer andren Stelle verursachte ein höherer türkischer Offizier, welcher im bereits trunkenen Zustande ein Restaurant in Stambul betrat, dadurch eine Panik, daß er in einer Anwandlung echt muhamedanischer Menschenfreundlichkeit einem griechischen Kellner mit dem Säbel ein Ohr ab hieb und dabei ausrief, man muß die Gjaurs umbringen. Die fremden Botschafter werden Tag und Nacht stark bewacht. Den Botschaftern selbst ging neuerdings ein des Vorhangs zu ihm treten und ihm die Hand zum Abschiede reichen würde. Denn das hatte sich Runde — dies ist der wahre Name des Künstlers — vorgenommen und keine Macht der Erde sollte seinen Entschluß wankend machen. VI. Eine strahlende Frühlingsfonne steigt über den Fluren auf und ihre erwärmenden Strahlen sprengen die an Baum und Strauch allmählich zum Platzen angeschwollenen Knospen. Schüchtern-neugierig lugen noch die zarten Spitzen der Gräser und Pflänzchen aus dem braunen Erdreich hervor, als trauten sie der glänzenden Wärme spenderin, welche sich lange Monate hinter dunklem Ge wölk verbarg und nur selten ihr Antlitz zeigte, noch nicht recht. Aber es ist wirklich der Frühling, der mit warmem Hauch durch die deutschen Lande zieht und die letzten eisig-weißen Spuren seines grimmen Feindes zu vernichten trachtet. Es ist noch früh am Morgen und aus den frisch gepflügten Aeckern und weiß bethautcn Wiesen steigt ein feiner, grauer Nebel. Auf der einsamen Landstraße, welche auf einen noch im Nebel eingehüllten Ort hart an der Nordsee zuführt, ertönt plötzlich in der Ferne der Klang eines Posthorns. Der Postillon muß wohl ein lustiger Bursche sein, oder sein Liebchen in dem Orte haben, denn je näher er diesem kommt, desto Heller und lustiger erklingt sein Horn. Erst, als plötzlich sich in die munteren Posthornklänge das feierliche Geläut der Kirchenglocken aus dem jetzt in einiger Entfernung vor ihm liegenden Orte mischt, ver stummen jene, vielleicht stören ihn die Rhythmen del tönenden Verkünderin von Freude und Trauer. Je näher der Postwagen dem Orte zurollt, desto mehr belebt sich die Landstraße mit festtäglich geputzten Landbewohnern, welche heute zur Kirche eilen, um dort zu hören, daß vor nunmehr achtzehnhundert und so viel Jahren der Be gründer der christlichen Religion aus dunkler Grabes- nacht zum Licht des Himmels emporstieg und die Mensch heit aus den Banden der Finsterniß erlösete. (Fortsetzung folgt.) Feuilleton. Schwer geprüft. Criminal-Novelle von Th. Schmidt. (Fortsetzung.) Aber welches Entsetzen mag den Mann gleich darauf erfaßt haben, als er zur Seite greift und die Stelle, wo das Gläschen mit dem Gegengift stehen mußte — leer findet! Im Eifer des Schreibens hatte der Unglückliche das offene Gläschen mit der Schreibmappe oder dem Ellenbogen von dem Schreibtische hinunter geschoben und den Inhalt hatte inzwischen der Fußboden aufgesogen Nicht wahr, Herr Steinmann, eine entsetzliche Entdeckung! Ja, ja, ich bin auch, wie Sie jetzt, als ich das las, aufgesprungen, habe mich an den Kopf gefaßt und gesagt: Das ist ja gräßlich! Doch nun hören Sie den Schuß. „Im Angesichte des sicheren Todes, denn der Unglückliche hatte offenbar in Folge der Wirkung des Gifts und des tödtlichen Schrecks nicht mehr die Kraft, sich zu erheben, ruft er verzweifelt nach der Magd, welche indeß ausgegangen ist, wie auch seine Frau und eine junge Dame der Familie in Gesellschaft abwesend sind. Bei all diesem Furchtbaren, das auf ihn einstürmt, behält er indeß noch so viel Besinnung, um die Worte nieder zuschreiben. „Gegengift . . . verschüttet . . . sterbe. .. als Opfer meiner .... Unvorsichtigkeit .... Lebt . . . Alle wohl . . . verzeiht mir, daß ... ich Euch in Noth und Elend gebracht." Dann hat er sich noch ein mal mit der Kraft der Verzweiflung von seinem Sitze aufgerafft, ist aber, das Manuscript mit sich reißend, zur Seite getaumelt und vor dem Sopha liegen geblieben, wo ihn die beiden Damen zuerst gegen 7 Uhr Abends todt fanden. Da zuerst ein Schlagfluß vermuthet wurde, so unterblieb eine behördliche Untersuchung an Ort und Stelle und später dachte Niemand mehr an das Manu script, da dasselbe von den Frauen beim Aufräumen des Zimmers unbeachtet zwischen andere gelegt worden war. Es fand sich nur ein längerer Brief von dem Tage an einen Verleger vor, in dem sich keine Lebensmüdigkeit ausdrückte, was mit mrhängnißvoll für den Stiefsohn werden sollte. Da dieser, der Schauspieler Runde, an demselben Nachmittage gegen 3 Uhr mit seinem Stief vater einen heftigen Wortstreit in demselben Zimmer hatte und dann später, beim Weggange, sehr verdächtige Worte ausstieß, die die Magd zufällig hörte, so konnte allerdings der Verdacht auf ihn fallen. Wir freuen uns, daß die Vorsehung hier wieder einmal in das Werk von fehlenden Menschen eingriff und die Ehre des Verurtheilten rehabilitirte. Wünschen wir, daß die von der Unschuld ihres Sohnes stets fest überzeugte Mutter, welche in sehr ärmlichen Verhältnissen leben soll, bald ein Lebenszeichen von dem Geflüchteten erhalte." — So, Herr Steinmann, das ist die wunderliche Geschichte," schloß der Director, die Zeitung zusammen nehmend. „Wahrhaftig, das ist ein „Stoff", aus dem ließe sich was machen; werde mir's mal überlegen." Der Künstler stand am Fenster und blickte hinaus in die dunkle Nacht und auf zu den Sternen. Er hatte die letzten Worte des Directors nicht gehört; seine Ge danken weilten in weiter Ferne, in der Heimat, in einem kleinen, ärmlichen Stübchen, und ein Krampf schien ihm bei diesem Gedankenfluge die Brust zuzuschnüren. Leise wiederholte er: „Mutter — ärmlichen Verhältnissen"; und diese Worte mußten es ihm angethan haben, denn sein Handrücken fuhr soeben schnell über die Augen. „Ich begreife, daß Sie die Schilderung aufgeregt hat," hörte er jetzt des Directors Stimme hinter sich. „Der arme Kerl war vielleicht ein guter Freund oder Bekannter. Sollte mich gar nicht wundern, wenn er inzwischen den Verstand darüber verloren hat. — Herrgott, da schlägts schon 12 Uhr — Jean, bezahlen!" Nach einigen Minuten verließen beide Herren das Restaurant, der Künstler ernst und schweigsam, der Direc tor mit Rücksicht auf morgen, wo „Hamlet" mit „Stein mann" in der Titelrolle auf dem Theaterzettel prangen würde, voll sprudelnder Laune. Dieser hätte er indeß weniger die Zügel schießen lassen, hätte er ahnen können, daß der große Tragöde sogleich nach dem letzten Fallen