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selben 37,267,981 Mark (ff- 1,194,836 Mk.), Brenn steuer 768,669 Mark (-s- 705,050 Mark), Brausteuer 10,347,965 Mark (-j- 442,669 Mark), Uebergangs- abgabe von Bier 1,209,141 Mark (-( 19,634 Mark), Summe 255,324,813 Mark 27,590,743 Mark). Stempelsteuer für: a) Werthpapiere 5,696,573 Mark (-s- 338,767 Mark), b) Kauf-und sonstige Anschaffungs geschäfte 4,627,382 Mark (— 2,166,297 Mark), e) Loose zu: Privatlotterien 1,858,924 Mark 513,021 Mark), Staatslotterien 3,600,825 Mark (-j- 791,590 Mark), Spielkartenstempel 356,887 Mark (^- 29,937 Mark), Wechselstempelsteuer 3,001,495 Mark (4- 174,029 Mark), Post- und Telegraphenverwaltung 97,179,596 Mark (-s- 4,061,086 Mark), Reichseisenbahnverwaltung 23,212,000 Mark (-P 871,000 Mark). Der Centralverband deutscher Kaufleute hat soeben in Halle a. d. Saale getagt und eine Reihe von wichtigen Beschlüssen gefaßt. So wurde beschlossen, an den Reichskanzler das dringende Ersuchen zu richten: im Interesse der Erhaltung des deutschen Mittelstandes ein gehende Untersuchungen über den angeblichen wirthschast- lichen Nutzen der Consumvereine durch Zertrümmerung selbständiger Existenzen, Schwächung der Steuerkrast und Hinlcitung zum socialen Staat, anstcllen zu lassen und Commissionen einzuberufen. Ferner wurde der Vorstand beauftragt, bei den Behörden und gesetzgebenden Körper schaften dahin zu wirken, daß die Consumvereine in Be zug auf alle Steuern, sowie Bestimmungen über Maß- und Gerichtsrevisionen den Kaufleuten gleichgestellt wer den, daß Beamten- und Osfiziers-Consumvereine und Waarenhäuser untersagt werden, endlich die Vertheilung von Dividenden verboten wird. Die Gründung von Commissionen zur Ueberwachung unlauteren Wettbewerbs befürwortete man lebhaft. Ein Antrag, den Bundes- rath und Reichstag zu ersuchen, den Begriff „Kaufmann" im Handelsgesetzbuch also festzulegen: „Kaufmann im Sinne des Gesetzes ist Derjenige, welcher eine kaufmän nische Lehrzeit bestanden hat. Als selbständiger Kauf mann ist er verflichtet, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen" — gelangte zur Annahme; ebenso der An trag: eine progressive Extrabesteuerung der Filialen oder Nebengeschäfte, sowie ein Verbot der Gründung von Detailgeschäften auf Aktien und solchen Waarenhäusern zu erstreben. Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe wird, wie verlautet, bereits am 3. September, also noch vor der Ankunft der deutschen Kaiserpaares, in Breslau eintreffen. Im Pariser „Figaro" stellt Jules Roche unserem Vaterlande, das er soeben wieder besucht, ein Zeugniß aus, das sich von der landläufigen Art französischer Beurtheilung vortheilhaft unterscheidet. „Man mag Deutschland", so schreibt er, „noch so oft besuchen, man erfährt bei jeder neuen Reise neue Ueberroschun- gen. Seit einer Reihe von Jahren pflege ich es von verschiedenen Punkten aus zu besichtigen, um seine Ein richtungen, Sitten und Werke auf allen Gebieten der menschlichen Thätigkeit kennen zu lernen. Im vergan genen Winter begab ich mich nach dem Main und nach Würtemberg; vor wenigen Monaten nach Berlin, und jetzt befinde ich mich in Bayern, nachdem ich mich in Feuilleton. Bozena Matuschek. Roman von Caroline Deutsch. (Fortsetzung.) Der Doctor aber saß in tiefer Erschütterung. Es war ihm unmöglich, in der ersten Minute ein Wort zu finden. War auf einer Seite Jrrthum und Fehl bis zum Himmel gestiegen .... so bewältigte ihn die Größe dieser Menschenseele hier, dieser einfachen Menschenseele, die nie etwas gelernt, nie eine Umgebung gehabt, in Armuth und Eldnd groß geworden war. — Nach einiger Zeit erhob er sich, trat au? das Mädchen zu und legte mit einem seltsam weichen Ausdruck seine Hand auf ihre Schulter. „Bozcna," sagte es, „ich bin kein junger Mann mehr, Du kennst mich und wirst mir glauben. Ich habe noch nie einen Menschen so hoch gehalten, wie Dich in diesem Augenblick. Und weil Du sogroß vor mir stehst, ist es recht, daß ich mich demüthigc und Dir jedes krän kende Wort abbitte, was ich Dir gesagt." „Herr Doctor," wehrte Bozena ab, und ihr bleiches Gesicht bedeckte sich mit einer leichten Röthe. „Sie — Sie haben mir nie weh gethan; denn bei jedem harten Wort, das Ihr Mund sprach, leuchtete Ihnen um so Heller Ihr gutes, weiches Herz aus den Augen, und — ich hab' nur das geseh'n." „Jetzt muß ich aber fort," sprach Nawadny. „Es liegt ein Kranker bei mir im Haus, von dem ich nicht lange wegbleiben kann, ein Kranker, den Du auch kennst... ." Und als sie ihn fragend anblickte: „Der Stefan Semany ist es . . ." Eine tiefe Bläffe überzog das Gesicht Bozenas. „Er — er ist krank?! . . . und — in Ihrem Hause liegt er?" fragte sie tonlos. „Es ist zu vieles auf den armen Menschen eingestürzt, zu vieles und zu jäh, cs mußte ihn niederwerfen . . . . Und da er niemanden hat und plötzlich ärmer geworden ist, als der Aermste im ganzen Ort, — so mußte er wohl zu mir." Baden aufgehalten. Der Eindruck ist immer derselbe. Die Entwickelung aller Theile des deutschen Reiches ist wunderbar. Und zwar springt der Unterschied nicht allein zwischen der Lage vor dem Kriege und heute in die Augen; es handelt sich nur um wenige Jahre. Die Thätigkeit und die Jndustriekraft haben sich noch mehr gesteigert, als die Militärmacht, so stark letz- < tere auch sein mag. Fügt man hinzu, daß der Deutsche der erste Verkäufer der Welt ist, daß er, um die wider spenstigen Käufer zu zwingen, eine Ausdauer und eine Geschmeidigkeit besitzt, die ihm dort Erfolg verschaffen, wo Franzosen und Engländer scheitern, so werden Sie > es verstehen, daß der deutsche kaufmännische Wettbewerb so furchtbar geworden ist, allerdings unterstützt durch > das Prestige res Sieges. Das Eisen zieht eben das ! Gold an. Die Naturforscher übersehen dies; aber die deutschen Staatsmänner wissen es und beuten es zum Vortheil ihres Landes aus." Frankreich. Der Pariser „Temps" macht die Mittheiluug, daß der Zar 4 bis 6 Tage, anstatt der anfangs angekündigten 2 Tage in Paris verweilen werde. Die Berathungen zwischen dem Minister des Auswärtigen Hanotaux und dem russischen Botschafter Baron Mohrenheim über das Festprogramm zu dem Besuch des Kaisers von Rußland sind in flottem Gange; die Kaiserin fährt nicht nach Paris, sondern verbleibt bei ihrer Großmutter, der Köni gin von England, in Balmoral, bis zur gemeinsamen Fahrt nach Darmstadt. Man will den Zaren zum Ehrcnoberst eines Husarenregiments machen. > Belgien. Der Freispruch des Majors Lothaire durch die kongo staatlichen Gerichte, sowie die heftigen Ausfälle der belgi schen Presse gegen die deutsche Regierung anläßlich dieses Freispruches hatten zwischen den genannten Reichen eine Verstimmung hervorgerusen, als deren Folge allgemein die Absage des bereits in Berlin angekündigten Besuches des Königs Leopold von Belgien angesehen wurde. Wie jedoch neuerdings aus Brüssel verlautet, ist König Leo pold entschlossen, sowohl in Berlin als in London feinen beabsichtigten Besuch zur Ausführung zu bringen, um bei dieser Gelegenheit zugleich die durch den Lathaire- Proceß hervorgerufene Verstimmung zu beseitigen. Italien. Zwischen Italien und Brasilien schwebt seit zwei Jahren ein Streit wegen der Ermordung und Aus plünderung von italienischen Ansiedlern in der Provinz Sao Paulo. Alle Gewalthaten waren von der brasilia nischen Regierung ausgegangen, die sogar Druckereien italienischer Blätter zerstören ließ. Nach Herstellung des Friedens zwischen den Südprovinzen und der Central regierung in Rio de Janeiro kam es zu diplomatischen Verhandlungen mit Italien wegen der Entschädigungs ansprüche und es scheint ein Uebereinkommen getroffen worden zu fein. Der brasilianische Congreß lehnte dies Uebereinkommen jedoch ab, was den erneuten Ausbruch von Feindseligkeiten zur Folge hatte, bei denen 40 Ita liener in den Straßen von Sao Paulo verwundet wur den. 3 derselben sind ihren Verletzungen bereits erlegen. Die Unruhen dauern fort. Italien wird energisch Ge- „Und ist es schlimm, Herr Doctor?" fragte sie leise und mit bangem Ausdruck in sein Gesicht blickend. „Bis jetzt steht es schlimm und es geht schon an die siebente Woche," sagte Nawadny, dann fügte er nach einer Pause, als er ihr jähes Erschrecken bemerkte, ermuthigend, ja fast mit Zuversicht hinzu: „Und doch hoffe ich, ihn durchzubringen. Der Alte da oben muß mir schon den Gefallen thun, na, sonst — sonst reißt der letzte Faden zwischen uns . . . ." Er sagte dies in seiner alten Weise und nickte ihr noch ermuthigend zu, bevor er sich entfernte. Und der gute Alte im Himmel that dem Doctor Nawadny den Gefallen; er ließ ihm das Leben, um das er mit allen seinen Kräften rang, rang, als wär's sein eigener theurer Sohn gewesen. Stefan genas, schwer und langsam, aber er genas. Er sah zum Erschrecken ver ändert aus, bis auf die Haut mager und abgefallen und mit tiefliegenden Augen. „Die Fleischbekleidung wird sich schon einstellen, wenn nur das Leben erhalten ist," sagte der Doctor auf die Bemerkung der Haushälterin, daß er wie ein aus dem Grabe Entstiegener aussehe. Die erste Zeit nach der Genesung war Stefan zu schwach, an etwas zu denken. Er schlief meistens, und wenn er wach war, blieb auch noch ein halb traumhafter Zustand. Erst nach und nach stellte sich das Denkver mögen ein und mit ihm die Erinnerung an die Vergangen heit. Ein Bild tauchte nach dem andern auf, wie die Sonne zuerst die Spitzen der Berge enthüllt, dann ihren Abhang, die tiefer liegenden Thäler hervortreten läßt, bis Helles Licht über der ganzen Landschaft liegt . . . Mit den zunehmenden Kräften kamen aber auch die alten Schmerzen wieder, wenn auch in gesänftigter Art, stellte sich das Grübeln ein, was jetzt seine Pflicht sei. . . Barkas wußte von dem Verbrechen und durch ihn gewiß auch die Leute im Orte. Wußte aber das Gericht in Neutra, wer der Schuldige war? Und wenn nicht, war es nicht seine Pflicht, hinzufahren und die Wahrheit zu enthüllen? Durfte sie zum zweiten Mal eine Schuld nugthuung verlangen müssen, da es nicht zugeben darf, daß seine Staatsangehörigen in Südamerika als vogelfrei betrachtet werden. Es wird nunmehr von wohl informirten italienischen Zeitungen bestätigt, daß König Humbert von Italien sich bereit erklärt habe, eher zu Gunsten seines Sohnes abzudanken, als einen Friedensvertrag mit Menelik abzuschließen, wie er von dem Ministerium verlangt werde. Spanien. In früheren Jahrhunderten war Spanien eine der größten Kolonialmächte, jetzt scheint sein Untergang be vorzustehen. Zu den unlösbaren Schwierigkeiten der Lage auf Cuba gesellt sich nun ein Ausstand auf den Phi lippinen, der großen ünd werthvollen Inselgruppe im Stillen Ocean. Truppen müssen nun auch dahin ent sandt werden. Die Schwierigkeiten in Spanien werden dabei immer größer. Die Bevölkerung und vor allem die Frauen setzen der Einschiffung der Truppen nach Cuba Widerstand entgegen. Gleichzeitig wachsen die finanziellen Schwierigkeiten. Der Augenblick, wo Spanien seine Zahlungen einstellen muß, steht bevor, jeden Augenblick kann die revolutionäre Bewegung offen auftreten. Der Verlust von Cuba erscheint sicher, der Sturz der Mon archie bevorstehend. Nach einem Privattelegramm aus Cuba wird General Weyler ein Dekret erlaßen, welches die Kaffee-Ernte zur Zeit verbietet, weil mehrere Plantagenbesitzer ein Abkommen mit den Rebellen getroffen haben, nach wel chem sie letzteren Abgaben zahlen wollen, wenn sie die Ermächtigung zur Ernte erhalten. Türkei. Man darf jetzt wohl als feststehend ansehcn, daß die Türkei zu den von den Mächten geforderten Con- cessionen Kreta gegenüber bereit ist; dieselben wür den, wenn auch keine vollständige, so doch eine annähernde Autonomie der Insel bedeuten; die Hauptforderung der Mächte, welche von einer Einverleibung Kretas an Griechenland absehen, bildet die Einsetzung eines christli chen Gouverneurs auf Kreta unter Garantie der Machte auf die Dauer von 5 Jahren. Dies Verlangen ist von der Türkei anstandslos zugestanden worden. Sollten die Insurgenten über diese Concession und einige andere ihr verwandte, Forderungen erheben, so sind die Mächte ein schließlich Englands entschlossen, diesen keine Folge zu geben. Im Gegentheil, sollte das liberale System durch den Eigensinn der Kretenser scheitern, so würde die Mächte der Trieb der Selbsterhaltung zwingen, zu ihrer alten Politik zurückzukehren und den Unordnungen ein Ende zu machen ohne Rücksicht auf die Gerechtigkeit der Sache, d. h. ohne auf die berechtigten Klagen der Kre- tcnser zu achten. Dle diplomatischen Verhandlungen ha ben, wie aus Vorstehendem ersichtlich, bisher zu keinem Resultat geführt; dagegen werden die Metzeleien auf der Insel fortgeführt. So ermordeten die Türken neuerdings wieder unmittelbar vor den Thoren der Stadt Kanca eine Frau und verwundeten deren Sohn. In Kostell belagern dagegen die Griechen 120 Mann türkischer Truppen. Man sieht also auf beiden Seiten wenig Friedensneigung, dagegen viel Lust und Eifer zur Fort ¬ sühnen, die sie nicht begangen? Konnte er aber, der Sohn, der Ankläger des Vaters werden? Konnte er so seine Schmach in die Oeffentlichkeit hinaustragen?! . . . O Kampf, o Wirrniß ohne Ende! Dann beschäftigten ihn noch andere Bilder, andere Gedanken. Warum hatte Bozena denn geschwiegen angesichts der furchtbarsten Gefahr geschwiegen und am anderen Morgen sich sogar zu dem Verbrechen bekannt?! Galt es wieder einen hinfälligen, erblindeten Vater zu schützen, wie daS erste Mal? Hier galt es doch einem Todfeinde?! . . . Und daß sie feinen Vater wie den Tod haßte, hatte sie ihm ja am Nachmittage vor jener Unglücksnacht einge standen. Warum hatte sie sich da geopfert, statt sich zu rächen, was doch so nahe lag?! Und Plötzlich kam es wie eine Erinnerung über ihn. Jenes seltsam große Leuchten in ihren Augen, als sie, von Gefahr, Drohung, Flüchen, Verwünschungen umgeben, regungslos dastand und ihn ansah . . . Dann dachte er an die kleine Marischka und daß das Kind sür sie die Stimme der Versöhnung war und sie dafür hätte sterben können . . . Und was hatte ihr denn das Kind solch besonders Großes gethan, um diese fast leidenschaftliche Dankbarkeit hervorzurufen? .... Es hatte ihr ein bischen Liebe, Theilnahme bewiesen, wo alles sie anspie und mit Füßen trat. Hatte er nicht eben so viel, wenn nicht noch mehr gethan? Hatte er sie nicht vor Mißhandlungen geschützt? ihr Hilfe erwiesen? War er nicht anders zu ihr, als alle .... er der ihr Todfeind hätte sein muffen?! . . . Nun hatte er die Lösung, hatte Antwort, aber doch nicht ganz Antwort, Wie war es möglich, daß ein Mensch aus Dankbarkeit so etwas auf sich nehmen konnte! . . Sie wußte ja fchon, was Zuchthaus, was Schande war — das war ja ärger als der Tod! Und wie ein Stern austaucht und noch einer in dunkler, wegloser Nacht, so zuckten Erinnerungen auf — Zeichen, die immer Heller zu funkeln begannen, bi» sich ein ganzer Sternenhimmel vor ihm wölbte. (Fortsetzung folgt.)