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1. Beilage zum Schönburger Tageblatt. - N 90. Sonntag, den 19. April M6. Aus Moltkes Denkschrift über den Krieg gegen Frankreich und Oesterreich. Im Winter 1868/69 arbeitete General v. Moltke wiederum eine Denkschrift aus, in welcher er die erste Ausstellung der Armee in einem Kriege sowohl gegen Frankreich und Oesterreich gleichzeitig, als auch gegen ersteren Staat allein einer eingehenden Erwägung unter zog. Diese - bereits in dem Generalstabswerk über den Krieg 1870/7l (Band I, Seite 73 und ff.) theil weise abgedruckte — Arbeit trägt den eigenartigen Ver merk des Generals v. Moltke: „Auch 1870 giltig". Sie ist 1869 und 1870 mehrfach überarbeitet worden und zwar zuletzt im Juli 1870. In „Moltkes Mili tärischer Correspondenz 1870/71, I. Abtheilung", die soeben im Verlage von Mittler und Sohn in Berlin erschienen ist, wird der Feldzugsplan folgendermaßen ent worfen: Wenn die politische Lage einen Krieg Frankreichs gegen Preußen herbeiführt, so wird die Haltung Oesterreichs entweder eine entschieden feindliche oder mindestens eine zweifelhafte sein. Wollten wir jeder dieser beiden Mächte die Hälfte unserer Armee gegenüberstellen, so würden wir keiner derselben überlegen sein. Es tritt daher zunächst in Erwägung, gegen welchen Feind wir vorerst mit schwächeren Mitteln die Defensive führen wollen, um möglichst stark und offensiv gegen den anderen vorzugehen. Unstreitig gewährt uns der Rhein mit seinen Festungen eine Vertheidigungslinie gegen Frankreich, wie wir sie gegen Oesterreich nirgends haben — eine Linie, die 100,000 Mann wohl vier bis sechs Wochen gegen alle vebermacht behaupten können. Allei bei defensiver Haltung nach dieser Seite würden wir Süddeutschland, wenn nicht gegen, so gewiß nicht mit uns haben. Die Franzosen würden dann unsere Rheinfront über Worms umgehen, um durch Franken gegen Berlin zu operiren, während unsere Hauptmacht, selbst nach glücklichen Erfolgen, vielleicht vor Olmütz oder an der Donau zum Stehen gekommen ist. Nicht un möglich wäre, daß die Oesterreicher in Böhmen oder Mähren gar keine Entscheidung annehmen, sondern hin ter jenen Schutzwehren erst die Erfolge des Verbündeten abwarten wollen. In finanzieller Bedrängniß, mit schwa chen Friedenscadres, braucht Oesterreich jedenfalls eine längere Zeit zu feinen Rüstungen, und es ist sehr wahr scheinlich, daß wir sechs bis acht Wochen freie Hand gegen Frankreich allein haben werden, wenn wir die Initiative ergreifen. Weder Oesterreich noch Frankreich sind stark genug, um mit Aussicht auf Erfolg den Krieg gegen Norddcutschland ohneBundesgenossen auszunehmen. Beginnen dieRüstungen in Oesterreich, iso ist der Augenblick sür uns gekommen, um Frankreich den Krieg zu erklären. Der Schein der Aggression darf davon nicht abhalten, denn wir dürfen sicher sein, daß jene Rüstungen nicht stattfänden, ohne daß ein gemeinsames Vorgehen beider Mächte fest be schlossen ist, für welches Frankreich nur noch die erfor derliche Zeit dem Anlliirte läßt. Rücken wir auf französischem Boden ein, dann wird das französische Selbstgefühl nicht auf Oesterreich warten. Frankreich ist nicht nur der gefährlichste, sondern auch der bereiteste Feind, und hier sind wir sicher, unsire Gegner alsbald vorzufinden. Schon allein die Größe der Heere, ihre enge Versammlung, die Schwierigkeit ihrer Ernährung und Handhabung drängt auf beiden Seiten zur schnellen Entscheidung, und es läßt sich mit einiger Sicherheit übersehen, daß schon innerhalb der ersten Wochen ein Zusammenstoß statlfinden muß, der bei glücklichem Ausfall für uns Oesterreich wohl bestim men könnte, das halb gezogene Schwert in die Scheide zurücksallen zu lasten. Hätten die Oesterreicher, während wir eine rasche Ent scheidung jenseits des Rheins suchen, ihre Rüstung wirk lich beendet, einen Theil von Schlesien und selbst der Marken besetzt, so wäre doch definitiv noch nichts ver loren, so lange dort unsere Festungen halten, und das Vertheidigungsheer ungeschlagen ausweicht. Es ist wahr scheinlich, daß in Frankreich nach der ersten verlorenen Schlacht ein Dynastiewechsel eintritt, und da wir nichts von Frankreich wollen, so wird sich mit den neuen Macht habern ein baldiger Abschluß verhandeln lasten. Aus allen diesen Gründen schlage ich vor, zehn Armee corps zur Offensive gegen Frankreich, drei Armeecorps zur Defensive gegen Oesterreich zu bestimmen. Zur Ver stärkung der letzteren und zur activen Vertheidigung der Küste werden mobile Landwehrdivisionen formirt, auch zur Beobachtung Dänemarks die 17. Division zurück be halten, und dieser Ausfall beim IX. Armeecorps durch die hessische Division ersetzt. Es versteht sich, daß alle Kräfte gegen Frankreich her angezogen werden, wenn wir es mit diesem überhaupt oder voraussichtlich doch auf längere Zeit allein zu thun haben würden. Was die Defensive gegen Oesterreich anlangt, so sagte Moltke u. A.: Im Jahre 1866 hat Oesterreich 340,000 Mann ins Feld geschickt, wozu es vier Monate Zeit brauchte. Es ist durchaus kein Grund, um anzunehmen, daß es gegen wärtig stärker oder schneller rüsten könnte. Die inneren Verhältnisse des Kaiserstaates werden kaum gestatten, alle Provinzen von Truppen zu entblö ßen; die Rücksichten aus das Ausland, namentlich Ruß land, eventuell auch Bayern, nöthigen zu Aufstellungen auch an anderen Theilen der Grenze als an der gegen Preußen. Schwerlich wird Oesterreich ersterem Nachbar freie Hand in den Donaufürstenthümern und Galizien lassen dürfen, um seine ganze Macht gegen uns zu wenden. Wahrscheinlich wird Oesterreich genöthigt sein, außer vielen anderen Besetzungen eine Observationsarmee etwa bei Olmütz und eventuell am unteren Inn zu versam meln, und nur der dann verbleibende Rest seiner Streit kräfte wird gegen uns verwendbar sein. Auch wenn Rußland zu Anfang des Feldzuges nicht activ einschreitet, sind alle österreichischen Operationen in Schlesien von jener Seite in dem Maße mehr gefährdet, wie sie weiter vordringen. Alle Verhältnisse sprechen sonach dafür, daß die Oester reicher von Böhmen aus direct gegen Berlin marschiren werden, und zwar am rechten Ufer der Elbe, da sie sonst diesen Strom zwischen unseren Festungen und an gesichts unserer Vertheidigung erst wieder zurück über schreiten müßten. Gegen diese Operation wollte Moltke das I., II. und VI. Armeecorps zur Defensive bestimmen und diese durch die 1. und 3. mobile Landwehrdivision auf 113,600 Mann bringen. Diese Macht sollte, da sie nicht stark genug sei, um sich dem Vordringen des Feindes auf Breslau resp. Berlin entgegenzuwerfen, eine Flankenoperation ausfüh ren, entweder basirt auf die Oder oder auf die Elbe. Für die erstere würde inan sich bei Görlitz ausstellen, wodurch der Anschluß des VI. Corps erleichtert wird und man sich der russischen Hilfe nähert. Allein diese Hilfe ist nur eine eventuelle, und es bleibt stets bedenk lich, sich dem stärkeren Bundesgenoffen unmittelbar an zuschließen, denn das heißt, sich ihm unterzuordnen. Hauptsächlich aber flankirt die Elbe den feindlichen Vor marsch gegen Berlin ungleich näher und wirksamer, wäh rend an diesem Strom unser Defensionsheer in Verbin dung mit den Hauptkrästen am Rhein verbleibt und schließlich, bis es von dort her verstärkt werden kann, sichere Ausnahme in dem erweiterten Magdeburg findet. Die Elbe mit ihren Festungen gewährt der offensiv ge führten Flankenvertheidigung so große Vortheile, wie man sie emem überlegenen Feinde gegenüber nur haben kann. Jedes Vorgehen aus einer ihrer Brückenköpfe zwingt den Gegner, Front zu wachen und mit allen Verbindungen in der Flanke zu schlagen. Im Unglücks falle finden wir volle Sicherheit hinter dem Strome, während die Verfolgung den Feind von Berlin ablenkt. Der Feind muß sich, je weiter er vorschreitet, durch Einschließung wenigstens am rechten User, von Dresden, Torgau und Wittenberg und durch die sorgfältigste Be wachung seiner Etappenlinie schwächen. Leicht kann da bei die numerische Ueberlegenheit verloren gehen, bevor er die Hauptstadt erreicht, wo es einer geschickten Füh rung gelingen wird, alle Kräfte zu vereinen, um dann mit der Rückzugslinie Magdeburg die Entscheidung wagen zu können. Da nun die Flankenoperation um so wirksamer wird, je weiter stromaufwärts sie beginnt, so ist Dresden der gegebene Punkt für die Versammlung der 1., 2., 3. und 4. Infanteriedivision, 1. und 3. Lanvwehrdivision, 2. Cavalleriedivision. Dagegen würde die 1. Cavalleriedivision nach Görlitz zu führen sein, um den Anschluß des V I. Corps zu er leichtern. Wenn kurz vor Ausbruch der Feindseligkeiten unsere Hauptmacht von Dresden in die starke Stellung von Stolpen rückt, wobei sie in ihrer rechten Flanke durch das völlig ungangbare Sandsteingebirge gesichert bleibt, und gleichzeitig das Görlitzer Detachement nach Bautzen herangezogen wird, so bietet sich schon Anfangs die Mög lichkeit, mit allen verfügbaren Kräften über den aus dem Lausitzer Gebirge debouchirenden Feind herzusallen. Jeden falls wird man ihn auf sich und in der Richtung auf Dresden nach sich ziehen. Gelingt es, in Frankreich eine baldige Entscheidung herbeizuführen, so geht, selbst wenn die Oesterreicher in zwischen Fortschritte in Schlesien oder der Mark gemacht hätten, die Richtung unserer Operation gegen sie durch Württemberg und Bayern. Alles kommt sonach darauf an, gegen Frankreich schnell und überlegen aufzutreten. Von der Berliner Gewerbestellung. Unbeeinflußte Briefe von Georg Paulsen. Nachdruck verboten. Tie Ausstellung macht sich schon! Das ist's, was sich heute sagen läßt. Und der, welcher heute seine Schritte in das weite Gebiet hineinlenkt, würde sich hier noch wohler fühlen, wenn der Regen es nicht gar zu gut gemeint hätte. Da die Wege noch im Urzustände meist sich präsentiren, versinkt der Fuß recht schaffen in den aufgeweichten Boden, eine Wanderung wird unter solchen Umständen leicht mehr Pflicht, als Vcrgnügenssache. Aber nur ein kurzer Abriß, und zuvor noch der Vermerk, daß zwar, trotz der angestellten 60 0 Arbeiter, die Ausstellung bis zum ersten Mai nicht in allen und jeden Einzelheiten fix und fertig fein wird, aber sie wird sich doch bei unausgesetzter Tag« und Nachtarbeit, die statlfinden soll, so präsentiren können, daß beim Besucher sich kein störendes Gefühl geltend macht. Das ganze Ausstellungsgebiet lehnt sich bekanntlich an die Spree. Einige hundert Schritte seitswärts von dieser durchzieht die bereits gesperrte Treptower Chaussee das Revier. Ein Thor- gebäude überwölbt den Weg und bildet den Haupt-Eingang. Im Hofe zieben sich an dem Gemäuer Holzgallerien entlang, wie wir sie in Bauten des Mittelalters so häufig sehen, lleber- haupl haben die Architekten bei den Äusstellungsbauten gern „im Mittelalter" gemacht. Nicht immer stilgerecht, nicht immer streng durchgesührt, aber doch so etwas, und sie machen sich gut, diese Söller und Mauerkronen und Nischen und Bogen. Nun sind wir in der Ausstellung. Freilich, des Zimmer manns Axt hat noch manchen Balken zu behauen, der Tis^ler noch manches Fenster einzusetzen, der Maler noch manchen Farbentopf zu verpinseln. Und auf dem ganzen Gebiet sieht's aus, wie etwa in einer neuen Wohnung unmittelbar nach dem Umzug. Balken, Steine, Bretter, Lehm und Kalk, Eisenrohre, Schienen überall und überall, und die grünenden Büsche ver decken doch schon Manches gnädiglich. Aber Alles das läßt sich, wie gesagt, von vielen fleißigen Händen schon noch in Ordnung bringen Was den Umfang der Ausstellung betrifft, so braucht ein Fußgänger etwa zwei Stunden, um sie in allen ihren Wegen ohne genauere B sichtigung zu durchschreiten. Dabei bleibt aber keine Zeit zu einigen Erholungsschoppen. Um einen nur einigermaßen genauen Ueberblick zu gewinnen, sind drei bis vier ausgedehnte Besuche erforderlich, wer die Sache gründlich studiren will, kommt nicht unter 2—3 Wochen los. Tas Haupt-Ausstellungs-Gebäudc mit seiner Kuppel, seinen heule weißschimmcrnden beiden Thürmen und der Wandelhalle ist äußerlich fertig; es ist ein „gewaltiger Kasten", wie der Berliner sagt. Ein Ausstellungspalast ist es frei! ch nicht, dazu hätte die Front doch etwas reicher gehalten sein müssen; es muß gesagt werden, die Geschichte sieht hier etwas riatönig aus. Das Comiiee hat hier freilich keine Schuld, die Millionen, welche staatlich subventirten Ausstellungen zufließen, standen eben hier nicht zur Verfügung, man mußte sich redlich nach der Decke strecken. Ist ringsherum Alles grün, sind die Rasenparlerres angelegt, wirft die Fontäne ihre SLassermassen in die Lüfte, dann wird es auch anders ans'ehen, und doch ungefähr erreicht weiden, was erreicht weiden sollte. Gerade gegenüber dem Ausstellungs-Gebäude, von diesem durch einen mit schönem Laubholz umgebenen langgestreckten See getrennt, liegt das Hauptrestaurant der Ausstellung, schim mernd weiß, überragt von einem hohen Thurm, ein glänzender Ansen halt. Vom Hauptausstellungs-Gebäude sieht diese zier liche, weich gegliederte Anlage nur klein und schmächtig aus, besonders jetzt, wo das hebende Grün noch fehlt. Man erkennt hier schon die gewaltigen Dimensionen des Ausstellungs-Gebietes, nur die Entsernung ist es, welche den Bau in so kleinem Maß stabe erscheinen läßt. Seitwärts und hinter diesem Hauptrestaurant, das im Wesent lichen fertig ist, bereitet sich eine außerordentlich liebliche Wasser landschaft aus mit dem Blick auf Mauerwerk, Thorthmm und Kirche und Häuser von Alt-Berlin. Es ist der schönste, malerischste Platz der ganzen Ausstellung, und die beiden wirklich prächtigen Kneipen am Sceuser, ein bayerisches Bauernhaus (Münchener Bräu) Spreewaldhaus (Berliner Bier), die sich in unübertrof fener Nalurtreue hier ausgethan Haden, weiden ein glänzendes Geschäft machen. Hier sitzt's sich gar zu behaglich. Der Haupteingang zum alten Bellin bildet eine langgestreckte Holzbrücke, ein Backsteinthor ist der Schluß. Nun dies Alt- Berlin ist sreilich kein Nürnberg, wer in den alten Straßen der ehemaligen freien Reichsstadt umhergewandert ist, der wird doch sagen, daß Natur über Kunst geht, interessant bleibt dies künstliche Konterfei eines mittelalterlichen Klemstadtbildes un bedingt und auch einen verwöhnten Gast wird es befriedigen. Himer Alt-Berlin liegt das Theater Alt-Berlin, im Nürnberger Stil errichtet, etwas weiter nach vorn ein kleiner See, am User desselben eine gewaltige Nachbildung der Kaiseryacht „Hohen- zollern". Auf dem See soll in kleinen Miniatur Kriegsschiffen eine Darstellung von Schiffsübungen und Seegefechten gegeben worden. Weiter hinaus kommen wir zur Colonialausstellung, welche aus allen Schutzgebieten des Reiches Menschen, Wohnungsein richtungen rc rc. irr naturgetreuer Darstellung bringt. Ist diese Ausstellung auch nicht allzugroß, sie ist von außerordentlicher Reichhaltigkeit, und wer gründlich die Sitten und Lebensge wohnheiten unserer verehrten schwarzen Mitbürger studiren will, der wird Zeit gebrauchen. Alle diese letzt erwähnten Anlagen und Bauten sind so weit fertig, daß ein ernstliches Hinderniß der pünktlichen Vollendung nicht mehr im Wege steht. Vom Vergnügungspark wird später zu reden sein; nur das sei gesagt: Wer hier gründliche Studien machen will, dem mag ein gütiger Golt hilfreich zur Seite stehen. Hier durch zukommen, muß ebenso schwierig sein, wie das Essen durch den Berg von süßem Reisbrei, hinter welchem Schlaraffenland liegt.