Volltext Seite (XML)
Ruhe und Uederlegtheit. Im mitteldeutschen Braunkohlen gebiet ist die Lage sehr ernst Die Grubenverwaitungen im Zeitz-Weißensels-Meuselw'tzer Gebiet lehnten Verhandlungen mit der Kommission des Bergarbeiterverbandes ab und ver langen, daß die Arbeiterausschüffe der einzelnen Gruben mit den einzelnen Arbeitgebern beraten. Ter Bergarbeiterver band droh! mit dem allgemeinen Ausstand. Tie Aussichten der Wahlrechtsnovelle, deren Beratung im preußischen Abgcordnelenhause am heutigen Freitag be ginnt, können als besonders günstige nicht bezeichnet werden, wenigstens soweit die Auslastungen der verschiedenen Partei organe einen Schluß darauf zulasten. Bisher steht nur fest, daß die beiden konservativen Parteien für die Novelle ein treten werden. Tas Zentrum verhält sich äußerst schwankend, Freisinnige und Nationalliberale ablehnend. Alle Gegner machen geltend, daß die Novelle eine gründliche Reform des preußischen Landtagswablrechts nicht nur nicht fördere, son dern auf unabsehbare Zeit hinausschiebe. Die Blättermeldung, daß ein deutscher Reichsangehöri ger Namens Johansen wegen Beteiligung an den livländi schen Unruhen in Riga zum Tode verurteilt worden sei, hat nach der „Post" sofort zu konsularischem Einschreiten Anlaß gegeben. Der deutsche Generalkonsul in Riga suchte persönlich den Verurteilten auf, stellte aber fest, daß dieser die deutsche Reichsangehörigkeit nicht besitze. Lie Errichtung eines Schlachthofs durch eine land- wirtschaftliche Genossenschaft in der Nähe der Stadt Hannover, wahrscheinlich in Pattensen, wird nach einer Er klärung der Landwirtschaftskammer demnächst zur Tatsache werden. Tas Fletsch soll in großen Kühlwagen durch die Straßenbahn zugeführt werden. Die Genostenschaft will eigne Läden in der Stadt Hannover errichten. Es wird sich dann zeigen, wie die Ausschaltung des Zwischenhandels auf die Preisbildung wirkt. Die „junge Garde", unter diesem Titel soll vom 1. April eine sozialdemokratische Jugendzeitschrift erscheinen als künftiges Organ des „Verbandes junger Arbeiter Deutsch lands", der im vergangenen Monate in Karlsruhe gegründet wurde. Tas Ziel dieser Zeitschrift ist natürlich, die jungen Leute vor Eintritt in das Militär möglichst für die Sozial demokratie zu gewinnen. Die Behörden werden wachsam sein und dafür sorgen müssen, daß dem Staate durch die Verführung seiner Jugend kein Schaden geschieht. Der Abschied mit gesetzlicher Pension ist dem Komman danten von Swinemünde, Obersten Höfer erteilt worden. Es wird bei dieser Gelegenheit an das unerwartete Ein treffen der englischen Flotte vor Swinemünde im letzten Herbst erinnert, so daß erst nach geraumer Zeit die Forts Salut feuern konnten. Die Aussichten der Konferenz von AlgesiraS werden in Pariser und Londoner Meldungen wieder als günstiger bezeichnet. Im französischen Ministerrale teilte der Mjnister deS Auswärtigen Bourgeois, einer Pariser Meldung zufolge, am Donnerstag mit, daß aller Voraussicht nach die Kon ferenz ihre Arbeiten bald beendet haben werde. Die noch bestehenden Differenzen seien keineswegs bedeutend. In London hofft man, daß der neutrale Generalinspektor der Polizei nicht dem diplomatischen Korps in Tanger, sondern dem Sultan von Marokko verantwortlich sein werde, damit ihm größere Unabhängigkeit gesichert bleibe. Eine Voll sitzung, dann vielleicht die entscheidende, wird die Konferenz erst wieder abhalten, wenn die unmittelbar zwischen den Kabinetten schwebenden Verhandlungen zum Abschluß gelangt sein werden. Tas internationale Meneralinipektorat über die 80.000 und Ordnung und die Hoffnung, Herbeiführung sollen, Militär erscheint, leisten die Landbewohner Widerstand, in der vergangenen wiederum auf 2 Grad unter Null. Der In verschiedenen Orten mußten die Truppen bei dieser Ge- Frost richtet namentlich aus den Feldern bei der junge« leg- nheit zurückweichen, weil Bauern und Bäuerinnen, mit Saat vielfach Schoden an. Heute herrscht hier anhaltender Messina, Neapel, vom Vesuv und seinen Kratern, neue Auf nahmen von Pompeji und schließlich Rom und die Musee« im Vatikan. *— Die Niederschlagsmenge betrug in der zweiten Dekade des Monats März nach Mitteilung des kgl. mcleorologischen Instituts in Dresden im unteren Tale der Zwickauer Mulde 47 WM (normal l6), im mitllcrrn 42 (normal 18) und im oberen 48 (normal 28). fernt so ernst sei, wie sie in ausländischen Blättern darge- siellt wird, war vorauszusehcn; die Tatsachen sind über sie indessen schnell genug hinweggeschritten. Es steht fest, daß der große Bankraub in Moskau, bei welcbem den Räu bern 850,000 Rubel in die Hände fielen, unter Beteiligung organisierter Bankbeamten ausgeführt wurde. Ebenso ist es Tatsache, daß die Kriegsschiffe der Schwarzen Meer-Flotte abgcrüslel und die Geschütze an Land gebracht wurden, weil Omziere und Mannschaften die Erickießnna des v'elaenonwen schwacher Schneefall. *— Wie wir hären, wird am 5. April im hiesige« Gcwcrbeverein wieder ein Ltchlbildervortrag stattfinden, und einer Verständigung gelingen werde, berechtigt Ist, muß ab gewartet werden. Möglicherweise lasten sich die Bergwerks- gesellschasten, deren täglicher Schaden auf rund l Mill. Fr. berechnet wird, bereit finden, die Forderungen der Arbeiter hinsichtlich Lohn und Arbeitszeit zu bewilligen, vielleicht sind aber auch die Bergleute, deren Geldmittel sich leichter er schöpfen, zum Nackgeben in kurzer Zeit gezwungen. Jeden falls dauert der Bergarbeiterausstand zurzeit noch fort. Der Kirchenkampf dauert fort. Auch wenn zur Unter- stützung der Beamten, die das Kircheninventar aufnehmen jetzt allgemein geworden; cs streiken zwischen 90,000 Mann. Zur Aufrechterhaltung der Ruhe ist Militär herangezogen worden. Ob daß dem Minister des Innern die baldige marokkanische Polizei ist von Frankreich im Grundsätze an genommen worden. Die Verhandlungen drehen sich gegen wärtig nur noch darum, wie dieses Amt ausgestaltet werden soll. Deutschland erhebt in diesen Beziehungen keinerlei Sonderforderungen, es hat bereitwillig aus den Vorschlag verzichtet, daß der Generalinspektor zugleich Instrukteur der - marokkanischen Polizeitruppe in dem Hafen Casablanca sei. Deutschland fordert lediglich, daß der Charakter der marokka- - nischen Polizei mit internationalen Bürgschaften umgeben ! wird, das heißt also, daß der neutrale Polizeiinspektor wirk lichen Einfluß auf die Handhabung der Polizei erhält. Die Folgen des französischen Bcrgarbciterstreiks machen -sich bereits bemerkbar. Ta es an Kohlen mangelt, wird in den Fabriken vou Tenain und Anzin, die gegen 6000 Arbeiter beschäftigen, die Arbeit eingestellt werden müssen. Die Festigkeit der Regierungsmehrheit war in der Deputiertenkammer gelegentlich der Beratung über die Mili tärgerichte in Fricdenszeiten auf eine harte Probe gestellt; hat sich aber bewährt. Wie der „Voss. Ztg." gemeldet wird, war nach der Rede Brissons, der rächend die Erinnerung an das Verbrechen des ersten Militärgerichtsurleils gegen Trey, sus heraufbeschwor, die Linke bereit, die Militärgerichte in Friedenszeiten abzuschaffen. Ministerpräsident Sarrien be stimmte sie jedoch, davon zur Zeit abzusehen, und bei der Abstimmung über den Antrag fand er seine Mehrheit des ersten Tages vollständig wieder. Immerhin ließ die Debatte erkennen, daß die Tage der Militärgerichte in Frankreich ge zählt seien. Der Ausstand im nordfranzösischen Kohlengebiet ist Aus dem Muldentale. 'Waldenburg, 23. März. Ter Frühling zeigt sich in diesem Jahre von seiner rauhesten Seite. In der gestrigen Nacht fiel das Thermometer stellenweise bis aus 6 Grad, Leutnants Schmidt durch die Bombardierung Sebasto- pol- zu sühnen drohten. Diese Tatsachen reden eine be- redte Sprache. Ihnen gegenüber fallen kleinere Katzbalgereien und Plünderungen, wie z. B. die Beraubung der Gcldpost um 38,000 Rubel durch als Polizisten verkleidete Straßenräuber aus der Landstraße nach Samara kaum noch ins Gewicht. Unter Arbeitern und Truppen wächst die Gärung anhaltend. Die mißliche Lage, in der sich Rußland fort und fort be findet, wird u. a. auch dadurch beleuchtet, daß man beständig von KrisengerüLten hört. Ministerpräsident Graf Witte befindet sich bei der Erfolglosigkeit aller seiner Bemühungen auf seinem Ministersessel ganz augen scheinlich nickt wohl; aber er bleibt, weil sür ihn kein Ersatz vorhanden ist. Jetzt heißt es, daß der Minister des Aus wärtigen Graf Lamsdorf amtsmüde sei und demnächst seinen Nachfolger erhalten werde. Alles wird in Rußland müde, nur nicht die revolutionäre Bewegung, die fortgesetzt drohend sich bemerkbar macht. England. Die englische Unterhausvcrhandlung, in der über ei« Tadelsvotum gegen den Gouverneur von Südafrika debattiert wurde, weil dieser die Auspeitschung chinesischer Kulis in der Kolonie zugelaffen hatte, bot ein recht charak- teristisches Seitenstück zu den Kolonialverhandlungen im deut- scheu Reichstage. Obwohl es sich im Falle des Lord Milner nicht um eine Mißhandlung, sondern um eine große Anzahl von Durchpeitschungen handelte, wurde das beantragte Tadels votum doch unter brausenden Hurrarufen auf Milner von der erdrückenden Mehrheit des Hauses abgelehnt. Was wäre in diesem Falle wohl in Deutschland geschehen? Und wer am meisten und heftigsten gegen den Antragsteller sprach und sie Regierung der Feigheit zieh, daß sie einen so verdiente« Kolonialbeamien wie den Lord Milner nicht energisch i« Schutz nehme, das war der alte Chamberlain, der sich am Ende doch auf Kolonialpolitik versteht. Schweiz. Auch die Schweiz greift zu Rohrrücklaufgeschützen. Der Nationalrat hat beschlossen, die Gebirgsartillerie vor läufig mit einem Kruppschen 7,5 Zentimeter-Rohrrücklauf- geschütz auszurüsten und sie umzugestaltcn. zwar ist hierzu wiederum Herr Richard Laube vom Institut Kosmos in Leipzig gewonnen worden, welcher über daS ! Thema: „Frühlingstage in Stollen und Sllvitalien" sprechen Die russische Beschwichligungsnoie, daß die Lage nickt ent- wird. In Lichtbildern kommen hierbei vorzugsweise zur Vorführung Ansichten von Syrakus, Catania. Taormina, Heugabeln und ähnlichen Waffen auf sie losgingen. Beim Rückzüge wurden die Soldaten mit Steinen bombardiert. Tie Bewegung will nicht zur Ruhe kommen, ihre Unter- drückunz wird der lranzösischcn Regierung noch manche schwere Stunden bereiten. Rußland. Unterhaltungsteil. „Ich hab's gewagt!" Roman von Henriette von Meerheimb. 23) (Fortsetzung.) Die Betten sind freilich schon von dem Sofa fortgeräumt, aber sonst sind noch deutliche Spuren seiner nächtlichen Be- stimmung vorhanden und nicht gerade appelitreizend. Helenens freundlicher Morgengruß erheitert sie etwas „Wollen wir nachher gleich musizieren?" fragt Asta lebhaft. „Aber liebe Asta, wo denkst du hin? Ich muß so schnell Wie möglich fortgehen. Bis zu Mittag habe ich ununler- Lrochen Klavietstunden zu geben. Gegen zwei Uhr komme ich zurück. Wenn es schönes Wetter wäre, schlüge ich vor, «ich zu begleiten, aber bei diesem Regen wirst du keine Lust haben. Vor heute Abend werden wir nicht zum Spielen kommen; und Punkt zehn Uhr müssen wir aushören, sonst klopft unser Nachbar, der dicke Bäckermeister, wütend mit der Faust gegen die Wand und brüllt „Ruhe"!" Als sie allein ist, starrt Asta trostlos auf die Straße hinab. Die naßgeregneten Schirme und Hüte der vorüber eilenden Menschen, Omnibus- und Straßcnbahnverdecke sind das Einzige, was sie von dieser schwindelnden Höhe aus deutlich erblickt. Sehr unterhaltend. Ebensogut könnte sie die Regentropfen in Wiesendorf zählen. Am liebsten setzte sie sich in die Eisenbahn und führe sofort zurück. Werner kam heul' nach Hause. Er verzieh ihr „ihren dummen Streich," wie er es nennen würde, gewiß gleich. Er freute sich ja immer so, sie wiederzusehen, nach jeder kleinen Tren nung — aber Johanna — nein, Johanna kann sie, nach den zwischen ihnen gewechselten Worten, nicht wieder gegen- übertreten. Undenkbar! Aber an Tante Sofiecken will sie schreiben, die Liebe, Gute muß doch wissen, wie es ihr geht. Obgleich sie sich möglichst bemüht, die Enttäuschungen zu beschönigen, ihr Heimweh zu verbergen, so las man doch deutlich zwischen den Zeilen, und ein feines, zufriedenes Lächeln huschle um die Lippen der Empfängerin, während sie den Brief las. — „Denke dir, liebe Asta^ welches Glück!" rief Helene vcr- gnügt. Sie trocknete sorgsam ihren Schirm ob und spannte ihn auf. „Herr Lillenberg ist mir in der elektrischen Bahn begegnet. Ich habe „bas Eisen geschmiedet, solange es warm ist" und ihm sofort von dir erzählt. Er war sehr liebenswürdig und will uns morgen früh um neun Uhr empfangen. Wir werden einiges Vorspielen müssen. Im Februar vielleicht schon kann er ein Konzert sür uns arrangieren." „Schon ... und j tzt ist es November!" „Ja, vorläufig ist alles besetzt. Es ist auch ganz gut, wenn du noch einige Wochen Zeit hast, dich vorzubereiten." Das Mittagessen stand schon aus dem Tisch. Weiße Porzellan.Näpfe, mit einem Lederriemen verbunden, aus einer Restauration geholt — halbkalt und sehr mangelhaft gekocht. Atta vermochte kaum einige Bissen herunterwürgen. „Ich habe Herrn Lilienberg deinen Namen nicht genannt, dich nur als „ein Fiäulein Asta" erwähnt. Ick denk-, das wird deinem Manne lieber sein. Man kann doch nicht wissen, wie die Geschichte abläuft." Ter Nachmittag war für Helene wieder durch Klavier stunden ausgefüllt. Asta besorgte einige Einkäufe; das ist bei Schmutz, Regen- Wetter und überfüllten Straßenbahnen gerade kein Vergnügen. Ta sie ganz fremd in Berlin, auch durchaus keinen Orts sinn besaß, so stieg sie meist in einen Wagen, der nach der ganz entgegengesetzten Richtung fuhr, in die sie eigentlich ge langen wollte. Hundertmal wünschte sie wieder ihren Mann an ihre Seile. Nachdem sie sich Kleid, Hut und Stiefel gründlich ver dorben Halle, nahm sie eine Troschke, deren Kutscher die „ahnungslose Fremde" sofort in seinem Fahrgast erriet. Er forderte einen unverschämt hohen Preis, den er auch ohne Weigerung erhielt. Der Abend brachte endlich einige Lichtblicke durch das gemeinsame Musizieren. Helene war musikalisch genug, um sich Altas temperament vollem, ost von Leidenschaft fortgenssenem Spiel harmonisch anvassen zu können; und die junge Frau fühlte sich glücklich und stolz, daß ihre eigenen Kompositionen der Freundin außerordentlich gefielen. Sie wählten ein Nokiurno, das beide für das Beste hielten, aus, um es morgen Herrn Lilienberg bei der Prüfung vorzuspielen. „Hört das Gekratze mit der Geige nock nicht bald aus?" donnerte eine grobe Stimme. „Zehn Uhr is längst vorbei!" „Lein erster Kritiker, liebe Asta!" Helene schloß gehorsam das Klavier. Sie wollte sich über Astas Empörung halbtot lacken. „Ja, Liebchen, du wirst dich noch über manches wundern." Der andere Mmgen fand sie pünktlich in Herrn Lilien bergs Arbeitszimmer. Helene musterte mit Interesse die vielen herumstehenden Bilder und Photographien der Künstler mit ihren Namens- Unterschriften, die den Tisch bedeckten. Asta fragte etwas nervös gereizt: „Läßt dein Herr Lilien berg oder -lhal Damen, die ihn sprechen wollen, immer so lange warten?" „Las weiß ich nickt. Anfängerinnen, die etwas von ihm erreichen wollen, wahrscheinlich," lautete Helenens gleichmütige Antwort. Bald darauf trat Herr Lilienbcrg ins Zimmer. Ein Mann zwischen Vierzig und fünfzig Jahren, etwas orientalischen Aussehens. Er reichte Helene gütig zwei Finger; Asta beehrte er mit der Andeutung einer Verbeugung. „Wo sind Sie ausgebildet worden, Fräulein?" Er saß am Schreibtisch, um Namen, Tag des Konzerts, Bedingungen usw. zu notieren. „Im Konservatorium für Musik in Leipzig. Später nahm nahm ich Privalstunden bei Sarasate. Er war sehr be friedigt von meinen Leistungen." „So — ah — wahrsche nlich Lieblingsschülerin?" (Fortsetzung folgt.)