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Griff könnten Holland seine werthvollen indischen Befitz- thümer eintriffen werden, und dann habe eS Deutschland für dessen Annäherung überhaupt nichts mehr zu bieten und müsse froh sein, wenn diese Großmacht eS schlecht weg in ihre Arme nehme. Politische Nundschau. Deutsches Neich. Der Kaiser ist am Mittwoch Nachmittag von Straß burg aus in Stuttgart eingetroffen und mit großen Ehren empfangen worden. Am Abend zuvor hatte Se. Majestät eine Manöoerbesprechung mit dem Hauptquartier. Kurz vor seiner Abreise von Straßburg hörte er den Vortrag des Chefs des Civilcabinets. Gegen 12 Uhr mittags fuhren die Herren des Hauptquartiers und des kaiserlichen Gefolges nach dem Manövergelände. Mit demselben Zuge verließ Prinzregent Albrecht von Braun schweig Straßburg. Am heutigen Donnerstag findet die . Kaiserparade bei Cannstatt, nicht weit von Stuttgart, statt. König Albert von Sachsen und Prinz Ludwig von Bayern trafen ebenfalls in Stuttgart ein. Markige Worte hat Kaiser Wilhelm soeben in den Reichslanden gesprochen. Es handelt sich um den Trinkspruch, den der Monarch am Dienstag Abend auf dem Festmahl im Statthalter-Palais zu Straßburg i. E. ausbrachte und der in der Aufforderung an die Geistlichkeit gipfelte, dafür zu sorgen, daß die Achtung vor der Krone und das Vertrauen zur Regierung immer fester werde. Zunächst gab der Kaiser dem Schmerze seiner Gemahlin Ausdruck, fern bleiben zu müssen. Hierauf erinnerte er an seine früheren Besuche im Reichs lande und fuhr fort: „Die immer inniger werdende Wärme und Begeisterung des Empfanges ist ein Beweis dafür, daß die Reichsländer zu würdigen verstehen, was ihnen durch ihren Anschluß an das Reich zu Theil ge worden ist. Ich ehre die Gefühle der alten Generation, der es schwer geworden ist, sich in die neuen Verhältnisse zu finden, und bin dankbar für den Jubel der jungen Generation, die unter dem Banner des Reiches groß geworden ist ... . Vor Allem möchte ich den edlen Herren der Kirche, die ja großen Einfluß auf unsere Bevölkerung haben, ans Herz legen, dafür zu sorgen, daß die Achtung vor der Krone und das Vertrauen zu der Regierung immer fester und fester werde; denn in der heutigen Zeit, wo der Geist des Unglaubens durch die Lande zieht, ist einziger Halt und alleiniger Schutz, den die Kirche hat, die kaiser liche Hand und das Wappenschild des Reiches." Sodann wies Se. Majestät auf die gestrige Parade hin und sagte, der Anblick der kampfbewährten Söhne des Landes werde bei den Bewohnern das Gefühl bestärkt haben, daß das Reichsland gesichert ist gegen Alles, was da kommen mag. Der Kaiser schloß wie folgt: „Indem ich auf das Wohl des Reichslandes trinke, gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß noch lange tiefer Frieden herrschen wird zu ruhiger Fortentwickelung. Was ich thun kann, das Land in Frieden zu erhalten und zu regieren, das soll geschehen. Daß Sie aber davon Vortheile haben, dafür lassen Sie mich sorgen. Elsaß-Lothringen Hurrah, Hurrah, Hurrah!" Unterbaltungstheil. Sein Erbe. Eine Familiengeschichte. Von M. von Buch. 10) (Fortsetzung.) „Das weiß ich," nickte Sophie, „sie sind klug genug, ihren eigenen Vortheil an der Sache hübsch fortzuschminken; sie behaupten nämlich, durch Deine unumschränkte Voll macht erschienen Gerhards Interessen gefährdet, und von diesem Standpunkt aus gesehen erscheint ihr Vorgehen gerechtfertigt. Thörichterweise spielst Du Deinen Gegnern die besten Karten in die Hand." „In Moralpredigten warst Du immer groß, Sophie," sagte Hollbracht, indem er die Hausthür öffnete. „Bitte, tritt ein und entschuldige mich nur einen Augenblick, ich habe mit den Arbeitern noch etwas zu besprechen." Die Handwerker hatten jedoch schon dm Platz verlassen, und unverrichteter Sache kehrte er zurück. Hätte er sich jedoch ein wenig mehr umgesehen, so würde er hinter einer Mauer eine Schaar Jungen be merkt haben, darunter auch seinen Erstgebornen, die Robinson gespielt und nur mit Spannung darauf war teten, bis das Feld wieder rein war. „Wie hat Robinson Feuer anbekommen?" fragte der kleine Wilhelm, der Sohn des Kutschers. „Er rieb zwei Hölzchen aneinander, bis sie sich ent zündeten," belehrte Gerhard. Wollen wir es einmal versuchen?" „Ach, das dauert so lange," meinte Wilhelm, der diesem Verfahren kein Vergnügen abzugewinnen schien. „Ich hole Stahl, Schwamm und Feuerstein von meinem Vater, und eins, zwei, drei haben wir Feuer. Nur etwas trockene Spähnchen müßt Ihr suchen, derweil ich die Sachen aus seinem Tabakskasten hole." Wie ein Pfeil schoß er davon, und schon nach wenigen Minuten war er wieder zur Stelle. Gerhard riß ihm die Sachen auS der Hand. Hei! Das Zarcnpaar wird auf der Rückreise von Kopen hagen die Prinzessin Heinrich von Preußen in Kiel besuchen. Die beiden neuen preußischen Minister Studt und v. Rheinbaben erfreuen sich des besonderen Ver trauens des Herrn v. Miquel. Ihre Berufung ist also ein neuer Beweis, daß die Position des Vicepräsi- denten des preußischen Staatsministeriums in keiner Weise erschüttert ist. Die Washingtoner Blätter berichten, daß nach dem Abschluß des Postpacketabkommens zwischen dem deutschen Kaiser und dem Präsidenten Mac Kinley Worte der Befriedigung ausgetauscht worden sind, unter Hervorhebung der Bedeutung deS Abkommens für die guten Beziehungen zwischen dem deutschen Ruch und Nordamerika. Die „Deutsche Levante-Linie" feierte am 6. Sep tember den Tag ihres zehnjährigen Bestehens. Bei der Wichtigkeit der Handelsbeziehungen Deutschlands zur Levante und ihrer fortwährenden Zunahme verlohnt es sich, zu untersuchen, welchen Antheil die Deutsche Levante- Linie am Güteraustausch zwischen Deutschland und den Häfen des Mittelländischen Meeres nimmt, und sich dergestalt von dem Werthe zu überzeugen, den diese neue Verbindung für die genannten Länder erlangt hat. Der Rückblick fällt sehr zu Gunsten der Deutschen Levante- Linie aus. Gegenwärtig besteht ihre Flotte aus 20 Dampfern. Von 24 Fahrten im Jahre 1890/91 hat sich die Zahl im letzten Jahre auf 61 erhöht, und sie dürste in diesem Jahre eine weitere Steigerung erfahren. Mit dem am heutigen Donnerstag von Bremerhaven aus abgehenden Lloyddampfer „Bayern" wird u. A. auch eine größere Anzahl Frauen mit ihren Kindern die Reise nach dem fernen Osten antreten, um ihren in Kiau tschau als Militär- und Civilbeamte angestellten Männern nachzufolgen, wozu bekanntlich die preußische Staatsregierung die Anregung gegeben hat. Es dürste sowohl zur Gründung eines guten Beamtenstandes, sowie zur Vervollkommnung alles dessen, was bisher deutscher Fleiß und deutsche Energie dort geschaffen, beitragen, daß jetzt auch deutsche Hausfrauen nach unserer jungen Colonie kommen. Eine Anordnung des preußischen Staatsministeriums, wonach alle Staatsbeamte, welche Mitglieder des Bun des der Landwirthe sind, aus dem Bunde auszu- trcten habe», wird von der „Nat.-Ztg." angekündigt, die es als wahrscheinlich bezeichnet, daß die betreffende Anordnung bereits erfolgt sei. In den amtlichen Organen der Regierung ist bisher darüber nichts mitge- theilt worden. Herr v. Miquel dürfte einer solchen Ver fügung auch wenig sympathisch gegenüberstehen. Fürst Hohenlohe denkt darüber vielleicht anders. Er hat die Zurdispositionsstellungen der Landräthe durchgesetzt und den bekannten Erlaß des Staatsministeriums versaßt; es ist schon denkbar, daß er ganze Arbeit hat machen wollen und auch die angekündigte Verfügung ermöglicht hat. Bestätigung bleibt gleichwohl abzuwarten. Während der frühere italienische Militärattache in Paris, Oberst Panizzardi, der zur Zeit fern von Rom den großen Manövern bei Braciano beiwohnt, im Falle Wie nett schlug sich Stahl an Stein, wie sprühten und stobten die Funken, es war eine wahre Lust — und wie hübsch faßte der brennende Zunder das Reisig — hurrah! die Spähnchen flammten lichterloh. Gerhard war ent zückt, und Wilhelm schenkte ihm sogar einen Theil der Schätze. Leider war da« Vergnügen von kurzer Dauer, Gerhard wurde vom Mädchen gerufen, und das Feuer mußte ausgetreten werden, rasch, aber doch immer noch nicht schnell genug für Lenes scharfe Augen, die sogleich bemerkte, daß hier etwas Ungehöriges vorgegangen war. — Als sie das Haus erreicht hatten, gestand Gerhard, aus welche Weise er sich die Zeit vertrieben hatte, und Lene war entsetzt. Die Schale ihres Zorns ergoß sich jedoch hauptsächlich über Wilhelm. Mit blitzenden Augen und bezeichnender Handbewegung bedauerte sie, seiner nicht habhaft geworden zu sein, und schloß dann ihre Rede: „Und das sage ich Dir, machst Du noch einmal Feuer an, so bekommt es Dein Vater zu wissen, und dann weißt auch Du, was die Stunde schlagen wird. Nun mach', daß Du in Dein Zimmer kommst, ich habe gesagt, Du wärst im Garten, als nach Dir gefragt wurde." Am nächsten Tage stand Gerhard vor dem Hause und blickte scheu nach dem Bauplatz hinüber, den er heute nicht zu betreten wagte. Der kleine Wilhelm kam pfeifend aus ihn zugelaufen. „Nun, wann spielen wir wieder Robinson?" fragte er, „den andern Jungen hat es so sehr gefallen." Gerhard erschrak. Er sah die zürnende Lene vor sich stehen und schüttelte in trübseliger Erinnerung den Kopf. „Ach was, ich habe keine Lust mehr zu dem Spiel," ver sicherte er. „Keine Lust mehr?" spottete Wilhelm. „Ich glaube, Du fürchtest Dich vor der Lene. Na, die sollte mir nur kommen, ich ließe mir nichts befehlen." „Du bist ein dummer Junge," schrie Gerhard erbost. „Wenn Du das denkst — meinetwegen — ich werde das Spiel schon noch einmal mit Euch spielen." seiner Ermächtigung in Rennes als Zeuge erscheinen wird, wird der ehemalige deutsche Attache Oberst Schwartz» koppen in den Dreyfushandel voraussichtlich nicht ver wickelt werden. Bis Mittwoch Mittag war in Berlin ein Gesuch der französischen Regierung betreffs einer Vernehmung des Obersten überhaupt nicht eingegangen. Sollte dies aber in der Folge auch geschehen fein, so wird Schwartzkoppen doch weder die Erlaubniß zu einer commiffarischen Vernehmung in der Angelegenheit noch zu einer persönlichen Aussage vor dem Renner Kriegs gericht erhalten. Von leitender deutscher Stelle ist feier licher, als dies an Gerichtsstelle geschehen kann, wieder holt versichert worden, Deutschland habe mit DreyfuS niemals etwas zu schaffen gehabt. Wenn Frankreich diese Erklärungen nicht verstehen will, so trifft uns keine Schuld. Neue Verdrießlichkeiten wollen wir deshalb nicht einstecken. Die Landrathsämter, welchedurchdieZurdispositions- stellung von Landräthen freigeworden sind, werden vor der Hand nicht definitiv besetzt, sondern commissarisch verwaltet werden. Die Neubesetzung der sreigewordenen Ober- und Regierungspräsidien wird dagegen alsbald ersolgen. Der neu ernannte preußische Minister des Innern, Frhr. v. Rheinbaben, hat, wie die „Nordd.Allg.Ztg." mittheilt, sein Amt bereits übernommen. Die Eile war nöthig, da des neuen Ministers sofort wichtige Aus gaben harren, die keinen Aufschub gestatten. Der neue Kultusminister Studt übernimmt am Frei tag seine Amtsgeschäfte. Der Staatssekretär Graf Bülow hat dem Kaiser in Stuttgart nicht nur einen einmaligen Vortrag gehalten, sondern er bleibt auf Befehl des Monarchen in Stutt gart wie Karlsruhe in dessen Begleitung. Erst nachdem der Kaiser die beiden Hauptstädte verlassen, setzt Graf Bülow seinen unterbrochenen Urlaub fort. AuS der Herbeirufung des Grafen hat man schließen wollen, daß zwischen dem Kaiser und dem Könige von Württemberg, sowie dem Großherzog von Baden wichtige politische Besprechungen in Aussicht genommen sind, indessen liegt für diese Annahme noch keine Bestätigung vor. Ein Brief des Fürsten Bismarck auS dem Jahre 1875 an den Feldmarschall Frhrn. v. Manteuffel wird zum ersten Male in der „Voss. Ztg." veröffentlicht. AuS dem Briese spricht ernster Unwille gegen die da maligen Leiter der conservativen Partei, die persönliche Verstimmungen dem Staate entgelten ließen, und die, wenn sie einen Stein brauchen, um den Gegner zu treffen, die Gewölbe-Schlußsteine des Staatsgebäudes nicht schonen, um ihrem Unmuth auf Kosten der Zukunft des LandeS und des Thrones unbedenklich die Zügel schießen zu lassen. Der Fürst befand sich damals, als er diesen Brief schrieb, in einer begreiflichen Erregung, hatten die Conservativen der Regierung doch nicht nur ihre Unter stützung nicht gewährt, sondern sie in einer Form ver sagt, daß die Regierung, nach des Fürsten Worten, auch ferner nicht mehr darauf rechnen könne. Aus Deutsch-Südwestafrika kommt eine wichtige i Meldung: Am 2. September hat in Swakopmund die feierliche Grundsteinlegung zum Molenbau stattgefunden. Da tanzten plötzlich in ganz geringer Entfernung Lenes braune Zöpfe daher, und die beiden Helden stoben eilend! auseinander. Viertes Kapitel. Kin Sommertng. „Adieu, Charlotte, ich fahre nach Wellstädt," sagte Hollbracht, indem er eines Nachmittags ins Wohnzimmer trat. „Was willst Du heute wieder in der Stadt?" fragte die junge Frau, von ihrer Strickerei aufsehend, und legte ihren Arm in den seinen. „Bleibe bei mir, Carl, der Tag ist wundervoll, und ich fahre später mit Dir aufs Feld." „Wirklich, Charlotte, ich fühle heute das Bedürfniß, unter Leute zu kommen, Brandow und Wellnitz sind jedenfalls in der Stadt und wahrscheinlich noch ein oder der andere meiner Nachbarn," sagte Hollbracht und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. „Also diese schrecklichen Leute sind Dir lieber als ich?" stieß Charlotte hervor. „Lieber? Wer sagt das? Sei nicht so kindisch, Char lotte. Ich habe mich aber den ganzen Vormittag über das nichtswürdige Schreiben der Kuratoren mit ihrer albernen Drohung, das Testament anzufechten, geärgert und will auf andere Gedanken kommen." „Das könntest Du hier auch," sagten ihre Augen, doch ungeduldig fuhr er fort: „Ich kann mich auch nicht vor den Leuten lächerlich machen und ewig bei Dir sitzen, wie ein zärtlicher Tauber, dazu bin ich schon zu alt. Wenn Du gern ausfahren willst, komm mit nach Wellstädt." „Nein, ich danke, ich verspüre keine Sehnsucht, unter Fremde zu kommen." „Wie Du willst, liebes Kind. Geh' zu Bett, wenn es Dir paßt, und bleibe meinetwegen nicht auf, eS kann möglicherweise spät werden." (Fortsetzung folgt.)